Insolvenzrecht

Beschwerde, Haftbefehl, Leistungen, Gerichtsvollzieher, Auslegung, Rechtsmittel, Vollstreckung, Vergleich, Kostenfestsetzungsbeschluss, Zustellung, Vollstreckungsklausel, Akteneinsicht, Schuldner, Verfahren, sofortige Beschwerde, im eigenen Namen, sofortigen Beschwerde

Aktenzeichen  16 T 13844/21

Datum:
7.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 51939
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

1516 M 11541/20 2020-12-08 AGMUENCHEN AG München

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Schuldners vom 06.09.2021 gegen den Haftbefehl des Amtsgerichts München vom 08.12.2020, Az. 1516 M 11541/20, wird zurückgewiesen.
2. Der Schuldner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.
Die vom Schuldner gegen den Haftbefehl des Amtsgerichts München vom 08.12.2020 eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig, jedoch in der Sache ohne Erfolg.
1. In vorliegender Sache ist aufgrund der vom Gläubiger gegen den hiesigen Schuldner … persönlich betriebenen Vollstreckung aus Ziffer II. des Vergleichs des Landgerichts München I vom 28.01.2019, … sowie aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts München I vom 06.06.2019, … gegen den Schuldner persönlich am 08.12.2020 ein Haftbefehl zur Erzwingung der Abgabe der Vermögensauskunft gem. § 802 g ZPO erlassen worden. Soweit sich bei der hiesigen Akte ein Schreiben vom 06.09.2021 befindet, welches als Absender … nennt und durch … als Geschäftsführer unterschrieben ist, ist … zwar nicht Partei des hiesigen Verfahrens, weil sich die Vollstreckung und auch der Haftbefehl nicht gegen diese richten, so dass … auch nicht dazu befugt ist, irgendwelche Rechtsmittel gegen den Haftbefehl im eigenen Namen einzulegen. In der Akte … befindet sich jedoch ein ebenfalls auf den 06.09.2021 datiertes inhaltsgleiches Schreiben, welches unzweifelhaft im Namen des hiesigen Schuldners verfasst wurde, da es als Absender den Schuldner nennt und auch von diesem im eigenen Namen unterschrieben wurde und das zwischenzeitlich auch der hiesigen Akte beigefügt wurde. Auch wenn dieses Schreiben nicht das Aktenzeichen des hiesigen Verfahrens nennt, war es nach seinem Inhalt und dem darin zum Ausdruck gebrachten Willen des Schuldners als sofortige Beschwerde gegen den im hiesigen Verfahren erlassenen Haftbefehl auszulegen. Denn der Schuldner führt dort aus, seitens der Erinnerungsführer sei durch Akteneinsicht festgestellt worden, dass gegen sie jeweils ein Haftbefehl nach § 802 g ZPO ausgestellt und an den Hauptgerichtsvollzieher hinausgegeben worden ist, die Existenz bzw. die Ausstellung der Haftbefehle erscheine ohne rechtliche Grundlage erfolgt zu sein und die Haftbefehle seien daher aufzuheben. Soweit in dem Schreiben weiter ausgeführt wird, eine sofortige Beschwerde scheide aus, da die Haftbefehle bisher nicht zugestellt wurden, steht das einer Auslegung des Schreibens als sofortige Beschwerde gegen den Haftbefehl nicht entgegen. Denn hieraus ergibt sich nicht, dass der Schuldner eine sofortige Beschwerde gegen den Haftbefehl tatsächlich nicht einlegen wollte, sondern nur, dass er – fehlerhaft – meinte, diese sei mangels Zustellung der Haftbefehle nicht zulässig. Für den tatsächlich bestehenden Willen, Beschwerde gegen den Haftbefehl einzulegen spricht insbesondere, dass in dem Schreiben ausdrücklich beantragt wird, die Haftbefehle aufzuheben und einzuziehen, was aber nur durch Einlegung einer sofortigen Beschwerde gegen den Haftbefehl erreicht werden könnte. Daran, dass das Schreiben des Schuldners vom 06.09.2021 nach dem darin zum Ausdruck gebrachten Willen und seinem wohlverstandenen Interesse als sofortige Beschwerde gegen den Haftbefehl vom 08.12.2020, … auszulegen war, ändert es auch nichts, dass der Schuldner nunmehr im Schreiben vom 30.11.2021 ausführt, er habe keine sofortige Beschwerde einlegen wollen. Da der Schuldner im Schreiben vom 30.11.2021 zudem trotz der mit Verfügung vom 22.10.2021 seitens des Beschwerdegerichts erteilten Hinweise nicht mit der erforderlichen Klarheit erklärt hat, die sofortige Beschwerde zurückzunehmen, sondern im Gegenteil weiterhin ausdrücklich beantragt, den Haftbefehl gem. § 802 g ZPO wegen fehlender rechtlicher Grundlage aufzuheben, war über die sofortige Beschwerde zu entscheiden.
2. Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Insbesondere bedarf es entgegen der Ansicht des Schuldners für die Einlegung der sofortigen Beschwerde nicht einer vorherigen Zustellung des Haftbefehls an den Schuldner. Vielmehr kann die sofortige Beschwerde wirksam eingelegt werden, sobald die anzufechtende Entscheidung erlassen ist. Das ist bei Entscheidungen, die nicht verkündet werden, der Fall, wenn die Entscheidung mit dem Willen des Gerichts, sie zu erlassen, aus dem inneren Geschäftsbetrieb herausgegeben wurde (vgl. Heßler in Zöller, 34. Aufl., Rn 14 zu § 567 ZPO; Feskorn in Zöller, 34. Aufl., Rn 6 zu § 329 ZPO). Vorliegend wurde der Haftbefehl vom Amtsgericht an die Gerichtsvollzieherverteilungsstelle zur Vollziehung herausgegeben und damit erlassen.
3. Die sofortige Beschwerde ist jedoch unbegründet. Die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls gegen den Schuldner gem. § 802 g ZPO lagen, worauf bereits mit Verfügung vom 22.10.2021 hingewiesen wurde, vor.
3.1 Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers sind die Titel, aus denen der Gläubiger die Zwangsvollstreckung betreibt, nicht zu unbestimmt. Zwar fehlt es an einer ausdrücklichen Angabe, in welchem Verhältnis die Beklagten des vormaligen Verfahrens … hinsichtlich der von ihnen in Ziffer II. des Vergleichs gemeinschaftliche eingegangenen Verpflichtung zueinander stehen. Die Auslegung, die insoweit erforderlich und auch zulässig ist (vgl. Seibel in Zöller, 34. Aufl., Rn 5 zu § 704 ZPO), ergibt jedoch, dass die Beklagten im Zweifel gesamtschuldnerisch haften, da sie sich durch Vertrag, nämlich gerichtlich protokollierten Vergleich (§ 779 BGB) gemeinschaftlich zu einer teilbaren Leistung verpflichtet haben, § 427 BGB. Dementsprechend haften sie auch für die in Ziffer VII. des Vergleichs eingegangene Verpflichtung, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen als Gesamtschuldner. Dass das Amtsgericht im Verfahren betreffend den Widerspruch des Schuldners gegen die gegen ihn ergangene Eintragungsanordnung mit Beschluss vom 17.05.2021, … diesbezüglich anders entschieden und die Eintragungsanordnung mangels eines ausreichend bestimmten Vollstreckungstitels aufgehoben hat, bindet das Beschwerdegericht bei der Entscheidung in hiesiger Sache nicht. Denn bei dem Eintragungsverfahren nach §§ 882 c, 882 d ZPO handelt es sich inhaltlich nicht um ein kontradiktorisches, sondern um ein einseitiges Verfahren, das nicht im Interesse des Gläubigers, sondern der Allgemeinheit durchgeführt wird. Der Charakter des Eintragungsverfahrens als amtliches Folgeverfahren aufgrund einer begonnenen oder durchgeführten Zwangsvollstreckungsmaßnahme führt mithin dazu, dass sich die im Vollstreckungsverfahren bestehende Parteistellung des Gläubigers im von Amts wegen durchgeführten Verfahren über die Anordnung der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis und im nachfolgenden Beschwerdeverfahren nicht fortsetzt (vgl. BGH, Beschluss vom 21.12.2005, Az: I ZB 107/14, juris Rn 32). Eine Entscheidung über den Widerspruch gegen die Eintragungsanordnung und im anschließenden Beschwerdeverfahren kann deshalb keine materielle Rechtskraft in Bezug auf den Gläubiger erlangen in dem Sinne, dass dieser in einem späteren Verfahren nicht mehr geltend machen könnte, die Voraussetzungen des § 882 c I Nr. 1 ZPO hätten nicht vorgelegen. Darüber hinaus handelt es sich bei der Frage, ob ein vollstreckungsfähiger Titel vorliegt und der Schuldner seiner Verpflichtung zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht nachgekommen ist, ohnehin nur um eine rechtliche Vorfrage der zu treffenden Entscheidung über den Widerspruch, über die eine rechtskraftfähige Entscheidung auch aus diesem Grund nicht ergeht.
3.2 Soweit der Beschwerdeführer meint, bei der vollstreckten Verpflichtung aus dem Vergleich handele es sich um eine bedingte Leistung i.S. des § 726 ZPO, so dass der Vergleich nicht, wie geschehen, mit einer einfachen Vollstreckungskausel gem. §§ 724 II, 725 ZPO hätte versehen werden dürfen, kann er dies im Rahmen der sofortigen Beschwerde gegen den Haftbefehl nicht geltend machen. Einwendungen gegen die Erteilung oder Verweigerung der Vollstreckungsklausel können nicht mit Rechtsbehelfen des späteren Zwangsvollstreckungsverfahrens vorgebracht werden (vgl. Seibel in Zöller, 34. Aufl., Rn 1 zu § 732 ZPO), sondern sind mit der Klauselerinnerung gem. § 732 ZPO oder der Klage gem. § 768 ZPO geltend zu machen (vgl. Seibel in Zöller, 34. Aufl., Rn 3 zu § 732 ZPO). Unabhängig davon ist bei Leistungen, deren Geltendmachung von dem Eintritt eines Kalendertages abhängig ist, wie die in Ziffer II. des Vergleichs titulierte Verpflichtung zur Zahlung der monatlichen Miete zuzüglich Nebenkosten ab April 2019 jeweils spätestens zum 3. eines jeden Monats, nicht die Vorschrift des § 726 I ZPO einschlägig, sondern § 751 I ZPO. Danach erfolgt aber im Klauselverfahren gerade keine Prüfung der Fälligkeit des titulierten Anspruchs, sondern wird die vollstreckbare Ausfertigung sogleich erteilt (vgl. Seibel in Zöller, 34. Aufl., Rn 3 zu § 726 ZPO und Rn 1 zu § 751 ZPO).
3.3 Ein vorheriger mehrmaliger Pfändungsversuch ist entgegen der Auffassung des Schuldners nicht Voraussetzung für die Verpflichtung zur Abgabe der Vermögensauskunft. Vielmehr kann gem. § 802 a II Nr. 2 ZPO die Abnahme der Vermögensauskunft auch ohne vorherigen Pfändungsversuch beim Schuldner verlangt werden (vgl. Seibel in Zöller, 34. Aufl., Rn 3 zu § 802 a ZPO). Zwar kann der Gläubiger die Reihenfolge der durchzuführenden Vollstreckungsmaßnahmen grundsätzlich bestimmen und ist der Gerichtsvollzieher hieran gebunden (vgl. Fleck in BeckOK zur ZPO, 42. Aufl, Stand 01.09.2021, Rn 5 zu § 802 a ZPO). Soweit der Gläubiger vorliegend die Abnahme der Vermögensauskunft nur nach vorherigem Pfändungsversuch beantragt hat, befindet sich aber in der der hiesigen Akte beiliegenden Akte des Hauptgerichtsvollziehers … ein vom Gerichtsvollzieher gefertigtes Protokoll vom 10.11.2020, welches ausweist, dass sich der Gerichtsvollzieher am 10.11.2020 zur Wohnung des Schuldners begeben hat, um in das bewegliche Vermögen des Schuldners zu vollstrecken, diesen jedoch nicht angetroffen hat. Das Beschwerdegericht sieht keinen Grund dafür, an der Richtigkeit der Angaben des Gerichtsvollziehers zu zweifeln. Soweit der Schuldner einen Vollstreckungsversuch des Gerichtsvollziehers am 10.11.2020 bestreitet, hat er einen Beweis dafür nicht erbracht. Ob es nach dem gestellten Antrag des Gläubigers und seines darin zum Ausdruck gebrachten Willen, eines weiteren Pfändungsversuchs vor Abnahme der Vermögensauskunft bedurfte, erscheint schon zweifelhaft. Nachdem die Gläubigerseite im Verfahren … des Amtsgerichts München, in dem über den Widerspruch des Schuldners gegen die Eintragungsanordnung vom 03.12.2020 des Hauptgerichtsvollziehers … entschieden wurde, aber ausdrücklich beantragt hat, den Widerspruch zurückzuweisen, hat sie jedenfalls zu erkennen gegeben, dass sie mit der Einleitung des Verfahrens zur Abnahme der Vermögensauskunft durch den Gerichtsvollzieher einverstanden war. Damit liegt ein wirksamer Vollstreckungsantrag vor.
3.4 Ausweislich der der hiesigen Akte beiliegenden Akte des Hauptgerichtsvollziehers … wurde der Schuldner mit Schreiben des Gerichtsvollziehers vom 11.11.2020, ihm zugestellt am 12.11.2020 ordnungsgemäß i.S. von § 802 f I, III, IV ZPO persönlich zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft am 03.12.2020, 10.20 Uhr geladen. Zu diesem Termin ist er ausweislich des vom Gerichtsvollzieher gefertigten Terminsprotokolls nicht erschienen. Die vom Schuldner dem Gerichtsvollzieher mit Schreiben vom 02.12.2020 vorgelegte ärztliche Bescheinigung, wonach beim Schuldner am 30.11.2020 eine ambulante Operation am rechten Auge durchgeführt wurde, beweist nicht, dass er schuldlos nicht in der Lage war, zum Termin am 03.12.2020 beim Gerichtsvollzieher zu erscheinen und die Vermögensauskunft abzugeben. Entsprechendes ergibt sich daraus in keiner Weise. Auch dass der Schuldner aufgrund der ambulanten Operation einer erhöhten Infektionsgefahr mit COVID 19 ausgesetzt gewesen wäre, der nicht durch die vorgeschriebenen Vorsichtsmaßnahmen, nämlich das Tragen einer Maske, einen ausreichenden Abstand sowie eine ausreichende Belüftung, hätte begegnet werden können, ergibt sich aus der ärztlichen Bescheinigung nicht. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass bei der Abgabe der Vermögensauskunft ohnehin neben dem Schuldner nur der Gerichtsvollzieher und – sofern dies gewünscht ist – auch der Gläubiger, mithin maximal drei Personen, anwesend sind und die Abgabe der Vermögensauskunft keine erhebliche Zeit in Anspruch nimmt. Der Umstand, dass ein ausreichender Nachweis für ein unentschuldigtes Fernbleiben im Termin nicht erbracht ist, geht dabei zu Lasten des Schuldners. Denn auch im Zwangsvollstreckungsverfahren ist der Tatsachenstoff nach den allgemeinen Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast von den Parteien beizubringen und gegebenenfalls zu beweisen. Eine Glaubhaftmachung genügt dagegen nicht, weil das Gesetz sie nicht ausdrücklich genügen lässt. Es obliegt deshalb dem Gläubiger, zu den Voraussetzungen einer beantragten Vollstreckungsmaßnahme vorzutragen. Umgekehrt ist es grundsätzlich Sache des Schuldners, Einwendungen vorzubringen, die eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme unzulässig machen (vgl. BGH, Beschluss vom 16.05.2019, Az: I ZB 79/18, juris Rn 10). Der Schuldner war auch nicht deshalb berechtigt, dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft fernzubleiben, weil über seinen Antrag auf Verlegung des Termins noch nicht entschieden war. Anträge, Rechtsbehelfe und Rechtsmittel haben im Vollstreckungsverfahren grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung und hindern den Fortgang des Vollstreckungsverfahrens daher grundsätzlich nicht. Dementsprechend konnte der Schuldner ohne eine entsprechende Mitteilung des Gerichtsvollziehers auch nicht von einer erfolgten Terminsverlegung ausgehen.
II.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 97 I ZPO.
Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 574 I Satz 1 Nr. 2, II ZPO nicht zuzulassen, da die vorliegende Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erforderlich ist. Es ging um eine reine Einzelfallentscheidung.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben