Insolvenzrecht

Umfang und Begründetheit einer Gehörsrüge

Aktenzeichen  18 W 1281/19

Datum:
20.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 4881
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 321a Abs. 1 S. 1 Nr. 2
GG Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Das Verfahren nach § 321a ZPO dient weder dazu, die Auseinandersetzung in der Sache nach Art eines Berufungs- oder Beschwerdeverfahrens fortzuführen und getroffene Entscheidungen inhaltlich überprüfen zu lassen, noch dazu, eine ergänzende Begründung der Ausgangsentscheidung zu erreichen. Die angegriffene Entscheidung kann vielmehr lediglich daraufhin überprüft werden, ob sie auf einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör beruht. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte zwar dazu, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei der Urteilsfindung in Erwägung zu ziehen, nicht jedoch dazu, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen (so auch BVerfG BeckRS 9998, 151906). (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs ist erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht seiner Pflicht zur Kenntnisnahme und zur Erwägung des Vorgetragenen nicht nachgekommen ist (so auch BVerfG BeckRS 9998, 151906). (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

18 W 1281/19 2020-02-03 Bes OLGMUENCHEN OLG München

Tenor

1. Die Gehörsrüge der Schuldnerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 3.2.2020 wird zurückgewiesen.
2. Die Schuldnerin trägt die Kosten des Rügeverfahrens.

Gründe

I.
Das Landgericht setzte auf Antrag des Gläubigers mit Beschluss vom 11.10.2019 (Bl. 138/145) gegen die Schuldnerin zur Erzwingung ihrer Löschungspflichten aus dem von den Parteien in dem Verfügungsverfahren des Landgerichts, Az. 25 O 2400/19, am 27.5.2019 geschlossenen Vergleich (Bl. 98/100 d.A.) ein Zwangsgeld von 8.000 € fest, wovon je 1.200 € auf fünf vollständig zu löschende Artikel, 800 € auf den Artikel „X. School: Alles Forschung“ und je 400 € auf die weiteren nur teilweise zu löschenden Veröffentlichungen entfielen. Gegen diesen ihr am 16.10.2019 zugestellten Beschluss hat die Schuldnerin mit Schriftsatz vom 18.10.2019, beim Oberlandesgericht eingegangen am 22.10.2019, sofortige Beschwerde eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 11.11.2019 (Bl. 159/171 d.A.) begründet.
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 3.12.2019 die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt. Mit Beschluss vom 9.12.2019 (Bl. 181/183 d.A.) hat es das verhängte Zwangsgeld wegen der inzwischen von der Schuldnerin vorgenommenen Löschungen auf 6.200 € herabgesetzt. Im Übrigen hat es der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss vom 11.10.2019 nicht abgeholfen und die Sache zur Entscheidung dem Oberlandesgericht vorgelegt. Die Schuldnerin hat im Beschwerdeverfahren mit Schriftsätzen vom 6.1.2020 und vom 31.1.2020 ergänzend Stellung genommen.
Der Senat hat mit Beschluss vom 3.2.2020 (Bl. 220/228 d.A.), auf den Bezug genommen wird, das Zwangsgeld auf 3.600 € herabgesetzt und die Beschwerde im Übrigen zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss hat die Schuldnerin mit Schriftsatz vom 18.2.2020 (Bl. 238/244 d.A.), bei Gericht eingegangen am selben Tag, beantragt, „das Verfahren gemäß § 312a ZPO Absatz 5 Satz 1 ZPO fortzuführen“ (sic!) und unter Aufhebung der Beschlüsse des Oberlandesgerichts vom 3.2.2020 und des Landgerichts vom 11.10.2019 den Zwangsgeldantrag vollständig abzuweisen.
II.
1. Der Senat legt den Antrag der Schuldnerin wegen seiner Begründung trotz der unrichtigen Bezeichnung als Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach § 321 a ZPO gegen den Beschluss des Senats vom 3.2.2020 aus.
Die Anhörungsrüge ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben worden (§ 321 a Abs. 2 Satz 1 und 4 ZPO).
2. Sie ist jedoch nicht begründet, denn eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Schuldnerin im Sinne des § 321 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO ist nicht gegeben.
a) Das Verfahren nach § 321 a ZPO dient weder dazu, die Auseinandersetzung in der Sache nach Art eines Berufungs- oder Beschwerdeverfahrens fortzuführen und getroffene Entscheidungen inhaltlich überprüfen zu lassen, noch dazu, eine ergänzende Begründung der Ausgangsentscheidung zu erreichen (Zöller/Vollkommer ZPO 33. Aufl. § 321 a Rnr. 7 m.w.N.; vgl. BT-Drs. 15/3706, S. 22, 16). Die angegriffene Entscheidung kann vielmehr lediglich daraufhin überprüft werden, ob sie auf einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör beruht.
Das Gebot des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verpflichtet die Gerichte zwar dazu, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei der Urteilsfindung in Erwägung zu ziehen (Zöller/Vollkommer a.a.O. Einleitung Rn. 16, 18 m.w.N.), nicht jedoch dazu, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Grundsätzlich ist vielmehr davon auszugehen, dass das Gericht seinen Pflichten nachgekommen ist, auch wenn es das Vorbringen nicht ausdrücklich beschieden hat. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs ist erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht seiner Pflicht zur Kenntnisnahme und zur Erwägung des Vorgetragenen nicht nachgekommen ist (st. Rspr., vgl. BVerfG, Urteil vom 8.7.1997 – 1 BvR 1621/94 -, NJW 1997, 2310, 2312; BGH, Beschluss vom 19.3.2009 – V ZR 142/08 -, NJW 2009, 1609; BGH, Beschluss vom 13.4.2005 – IV ZR 62/04 -, NJW-RR 2005, 1051, 1052).
b) Gegen diese Grundsätze hat der erkennende Senat nicht verstoßen.
aa) Er hat sich mit dem Vorbringen der Schuldnerin zur Frage der ausreichenden Bestimmtheit des Vollstreckungstitels umfassend auseinandergesetzt und ist dabei lediglich nicht zu dem von der Schuldnerin gewünschten Ergebnis gekommen.
bb) Das gilt insbesondere für das Vorbringen im Schriftsatz vom 31.1.2020 zur Auslegung von Ziffer I.3 des Vergleichs. Diese Klausel läuft in der Auslegung durch den Senat keineswegs leer, sondern verpflichtet die Parteien, einander zunächst die nach ihrer jeweiligen Meinung „von der wechselseitigen Löschungsverpflichtung betroffenen Artikel“ bekannt zu geben, um der jeweiligen Gegenpartei die Möglichkeit zu geben, der Löschungsverpflichtung nachzukommen und so ein gerichtliches Vollstreckungsverfahren zu vermeiden.
cc) Auch zu den Ausführungen der Schuldnerin zur Wahrung ihrer Rechte aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG hat sich der Senat in Ziffer 1.b) des angegriffenen Beschlusses geäußert. Die Schuldnerin verkennt, dass die Parteien in dem Vergleich vom 27.5.2019 freiwillig und anwaltlich beraten gegenseitige Verpflichtungen eingegangen sind, um den zwischen ihnen bestehenden Streit darüber beizulegen, welche Äußerungen über die jeweilige Gegenpartei rechtswidrig sind und deshalb verboten werden können. Es ist anerkannt, dass eine vertragliche Vereinbarung, durch die eine Partei auf einem begrenzten Gebiet auf ihr Recht zur freien Meinungsäußerung verzichtet, zulässig ist (vgl. OLG Köln, Urteil vom 29.5.2018 – I-15 U 64/17 -, juris), zumal wenn es sich, wie im vorliegenden Fall, um einen wechselseitigen Verzicht handelt.
3. Da die Gehörsrüge der Schuldnerin erfolglos geblieben ist, hat sie die Kosten des Verfahrens zu tragen (vgl. Zöller/Vollkommer a.a.O. § 321 a Rn 22).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben