Insolvenzrecht

Vergütung des Insolvenzverwalters: Fälligkeit des Anspruchs; Durchführung weiterer Verwertungsmaßnahmen; Vereinbarung einer von der gesetzlichen Regelung abweichenden Fälligkeit im Insolvenzplan

Aktenzeichen  IX ZB 19/20

Datum:
11.11.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2021:111121BIXZB19.20.0
Normen:
§ 63 Abs 1 InsO
§ 64 Abs 1 InsO
§ 217 InsO
§ 8 InsVV
Spruchkörper:
9. Zivilsenat

Leitsatz

1a. Im Allgemeinen wird der Anspruch des Insolvenzverwalters nach Erledigung der zu vergütenden Tätigkeit fällig. Eine Vergütungsfestsetzung für einzelne Zeitabschnitte eines Insolvenzverfahrens sehen weder die Insolvenzordnung noch die Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung vor.
1b. Solange der Insolvenzverwalter weitere Verwertungsmaßnahmen durchführt, ist seine Tätigkeit nicht erledigt.
2. Vereinbarungen über eine von den gesetzlichen Regelungen abweichende Fälligkeit der Vergütung des Insolvenzverwalters können nicht Inhalt eines Insolvenzplans sein (Ergänzung BGH, Beschluss vom 16. Februar 2017 – IX ZB 103/15, BGHZ 214, 78 ff).

Verfahrensgang

vorgehend LG Dessau-Roßlau, 9. April 2020, Az: 8 T 26/19vorgehend AG Dessau-Roßlau, 16. November 2018, Az: 2 IN 121/12

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Gläubigerinnen werden der Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 9. April 2020 und der Beschluss des Amtsgerichts Dessau-Roßlau vom 16. November 2018 aufgehoben, soweit zugunsten des weiteren Beteiligten zu 10 eine weitere Vergütung festgesetzt worden ist.
Der Antrag des weiteren Beteiligten zu 10 vom 31. Mai 2017, ihm eine weitere Vergütung in Höhe von 7.325.630,12 € zu gewähren, wird als derzeit unbegründet zurückgewiesen.
Der weitere Beteiligte zu 10 trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren, mit Ausnahme der den weiteren Beteiligten zu 2, 5, 7, 8 und 9 entstandenen Kosten.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 7.325.630,12 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Auf einen Eigenantrag der Q.    (fortan: Schuldnerin) vom 3. April 2012 eröffnete das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 1. Juli 2012 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und bestellte den weiteren Beteiligten zu 10 zum Insolvenzverwalter. Die weiteren Beteiligten zu 1 bis 9 sind Gläubiger.
2
Der Beteiligte zu 10 führte das Unternehmen der Schuldnerin fort und veräußerte den Geschäftsbetrieb mit notariellem Vertrag vom 26. August 2012. Die Gläubigerversammlung vom 29. August 2013 beschloss einen verfahrensbegleitenden Insolvenzplan. Dieser sollte es ermöglichen, vorhandene Liquidität nach Bildung angemessener Rückstellungen für die Kosten und Risiken der Verwertung des Restvermögens an die Gläubiger auszuschütten. Der Insolvenzplan bestimmte in seinem gestaltenden Teil unter anderem, dass der Insolvenzverwalter Schlussrechnung legen könne, sobald er die Prüfung der zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderungen abgeschlossen habe. Abschließend sah der Insolvenzplan vor, dass das Insolvenzverfahren abweichend von § 258 Abs. 1 InsO nach Rechtskraft des Insolvenzplans nicht aufgehoben werde, sondern das Regelverfahren nach Maßgabe des Insolvenzplans fortgesetzt und zum Abschluss gebracht werde. Das Insolvenzgericht bestätigte den Insolvenzplan; diese Entscheidung ist rechtskräftig.
3
Der Beteiligte zu 10 legte am 12. Mai 2015 eine Schlussrechnung für den Zeitraum vom 1. Juli 2012 bis zum 31. Dezember 2014 vor und beantragte, seine Vergütung und Auslagen für diesen Zeitraum festzusetzen. Das Insolvenzverfahren war zu diesem Zeitpunkt nicht abgeschlossen. Gleichwohl setzte das Insolvenzgericht die Vergütung und Auslagen mit Beschluss vom 20. Juli 2015 antragsgemäß auf 30.333.356,78 € fest. Die hiergegen eingelegten Rechtsmittel von Gläubigern blieben ohne Erfolg (BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2018 – IX ZB 31/18, BGHZ 220, 90 ff). Am 27. August 2015 fand ein Schlusstermin statt. Der Beteiligte zu 10 beantragte am 31. Mai 2017, eine ergänzende Vergütung für seine Tätigkeit als Insolvenzverwalter für den Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis zum 31. Dezember 2016 einschließlich Auslagen in Höhe von 7.948.773,62 € festzusetzen. Bislang ist weder die Verwertung der Vermögenswerte vollständig abgeschlossen noch das Insolvenzverfahren beendet.
4
Das Insolvenzgericht hat die weitere Vergütung antragsgemäß festgesetzt. Die hiergegen von den Beteiligten zu 1 bis 9 eingelegten Beschwerden, mit denen sie sich gegen die Festsetzung einer weiteren Vergütung wandten, die Festsetzung von Auslagen nebst Umsatzsteuer hingegen hinnahmen, haben keinen Erfolg gehabt. Mit ihren Rechtsbeschwerden verfolgen die Beteiligten zu 1, 3, 4 und 6 ihr Begehren weiter.
II.
5
Die Rechtsbeschwerden haben Erfolg.
6
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, die Beschwerden seien zulässig, jedoch unbegründet. Die Festsetzung der Vergütung im Beschluss vom 20. Juli 2015 stehe dem Vergütungsantrag für den Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis zum 31. Dezember 2016 nicht entgegen. Komme es – wie hier – zu Massezuflüssen, die bei Einreichung der Schlussrechnung noch nicht vorhersehbar oder nicht sicher zu erwarten gewesen seien, könne die Festsetzung der Vergütung nach Maßgabe der erhöhten Berechnungsgrundlage nachträglich ergänzt werden.
7
Die Rechtskraft des Vergütungsbeschlusses vom 20. Juli 2015 stehe einer Festsetzung einer weiteren Vergütung weder entgegen, noch führe sie dazu, dass die im Vergütungsbeschluss vom 20. Juli 2015 zugebilligten Zuschläge dem Grunde und der Höhe nach rechtskräftig festgestellt seien. Deshalb sei auch bei einer ergänzenden Vergütungsfestsetzung die Angemessenheit der Vergütung insgesamt zu prüfen. Hierbei komme es auf eine im Ergebnis angemessene Gesamtwürdigung an. Auf der Grundlage der umfassend geschilderten weiteren Tätigkeiten des Beteiligten zu 10 seien die vom Insolvenzgericht zugebilligten Zuschläge in der Sache berechtigt. Das gesamte Verfahren habe sich als komplex erwiesen und weiche angesichts der Firmenstruktur, der internationalen Strukturen, der daraus folgenden Auslandsberührung, der Zahl der Arbeitnehmer und der besonderen Anforderungen im Hinblick auf die Besonderheiten am Kapitalmarkt, die sich auf die Betriebsfortführung und die Entwicklung von Insolvenzplänen und durchzuführenden Schiedsverfahren sowie anderer gerichtlicher Verfahren besonders ausgewirkt hätten, von einem Normalverfahren ab. Der Beteiligte zu 10 habe bereits in seinem ersten Vergütungsantrag für sämtliche geltend gemachten Zuschläge die Tätigkeiten dargelegt und diese schlüssigen Darlegungen für die Festsetzung der weiteren Vergütung ergänzt und vertieft. Dies rechtfertige insgesamt die geltend gemachten Zuschläge in der bereits bei der Vergütungsfestsetzung im Beschluss vom 20. Juli 2015 erfolgten Höhe.
8
2. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
9
a) Die Rechtsbeschwerden sind zulässig. Auf die Frage, ob die Beteiligte zu 6 ihre zur Tabelle angemeldete und festgestellte Insolvenzforderung während des Rechtsbeschwerdeverfahrens vollständig abgetreten hat, kommt es nicht an. Eine Abtretung der Insolvenzforderung nach Einlegung der Beschwerde lässt die Beschwerdeberechtigung gemäß § 64 Abs. 3 Satz 1 InsO nicht entfallen. Dies folgt aus der gemäß § 4 InsO entsprechenden Anwendung des § 265 Abs. 2 ZPO.
10
Insolvenzgläubiger im Sinne des § 64 Abs. 3 Satz 1 InsO (und im Rahmen anderer insolvenzverfahrensrechtlicher Vorschriften, welche einem Insolvenzgläubiger ein Beschwerderecht geben) ist jeder Gläubiger, der seine Forderung im eröffneten Insolvenzverfahren zur Tabelle angemeldet hat (BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2006 – IX ZB 1/04, ZIP 2007, 647 Rn. 7; Jaeger/Gerhardt, InsO § 6 Rn. 29; Gerhardt, in Festschrift für Uhlenbruck, S. 75 ff, 85; MünchKomm-InsO/Ganter/Bruns, 4. Aufl., § 6 Rn. 26; Uhlenbruck/Mock, InsO, 15. Aufl., § 64 Rn. 24). Weder das Insolvenzgericht noch das Beschwerdegericht sind dazu berufen, die Insolvenzgläubigereigenschaft festzustellen; dies ist vielmehr Aufgabe des Insolvenzverwalters und der übrigen Gläubiger (BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2004 – IX ZB 114/04, ZIP 2004, 2339, 2340; vom 7. Dezember 2006, aaO). Nur wenn rechtskräftig festgestellt wird, dass dem (vermeintlichen) Gläubiger die zunächst angemeldete Forderung nicht zusteht, entfällt dessen Beschwerdeberechtigung (BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2006, aaO). Besteht die Insolvenzforderung hingegen, ergibt sich aus der entsprechenden Anwendung des § 265 Abs. 2 ZPO, dass eine Abtretung der Forderung und der darin liegende Wechsel des Gläubigers nach Einlegung der Beschwerde die Beschwerdebefugnis unberührt lassen.
11
b) Im Ausgangspunkt nimmt das Beschwerdegericht zutreffend an, dass die – rechtskräftige – Festsetzung der Vergütung aufgrund des Beschlusses vom 20. Juli 2015 der vom Beteiligten zu 10 begehrten Festsetzung einer weiteren Vergütung weder entgegensteht noch hinsichtlich der Ausführungen zur Berechnungsgrundlage und zum Vergütungssatz einschließlich der hierfür bejahten oder verneinten Zu- oder Abschläge Bindungswirkung entfaltet. Diese nehmen als bloße Vorfragen nach allgemeinen Grundsätzen nicht an der materiellen Rechtskraft der Vergütungsfestsetzung teil (BGH, Beschluss vom 20. Mai 2010 – IX ZB 11/07, BGHZ 185, 353 Rn. 10; vom 14. Juli 2016 – IX ZB 23/14, ZIP 2016, 1599 Rn. 17).
12
c) Weiter zutreffend nimmt das Beschwerdegericht an, dass eine nachträgliche Ergänzung der Vergütungsfestsetzung grundsätzlich rechtlich möglich ist. Dies hat der Bundesgerichtshof wiederholt für spätere Massezuflüsse entschieden (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2013 – IX ZB 9/12, ZIP 2014, 334 Rn. 9; vom 6. April 2017 – IX ZB 3/16, ZIP 2017, 932 Rn. 12; vom 20. Juli 2017 – IX ZB 75/16, ZIP 2017, 1629 Rn. 8). Sie kommt insbesondere für Massezuflüsse im Zeitraum zwischen der Einreichung der Schlussrechnung und dem Schlusstermin in Betracht (BGH, Beschluss vom 26. Januar 2006 – IX ZB 183/04, ZIP 2006, 486 Rn. 15). Dies gilt gleichermaßen für Massezuflüsse bis zur Aufhebung des Verfahrens (BGH, Beschluss vom 6. April 2017, aaO). Erst bei Massezuflüssen nach der Aufhebung des Verfahrens scheidet eine Ergänzung der Festsetzung aus (BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2011 – IX ZB 12/11, ZIP 2011, 2115 Rn. 11 mwN; vom 6. April 2017, aaO). Hingegen ist eine nachträgliche Festsetzung ausgeschlossen, sofern die Vergütung des Insolvenzverwalters bereits rechtskräftig festgesetzt ist (BGH, Beschluss vom 20. Juli 2017, aaO Rn. 9). Die materielle Rechtskraft einer Festsetzung gemäß § 64 Abs. 1 InsO, § 8 Abs. 1 und 2 InsVV bezieht sich dabei auf den einheitlichen Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters (BGH, Beschluss vom 20. Mai 2010 – IX ZB 11/07, BGHZ 185, 353 Rn. 10). Dies steht jedoch einem Zweitantrag nicht entgegen, wenn sich durch neue Tatsachen die Sachlage nach der Erstfestsetzung zugunsten des Antragstellers verändert hat (BGH, Beschluss vom 20. Mai 2010, aaO Rn. 4, 6). Weitere Einnahmen, die der Masse tatsächlich nach Einreichung der Schlussrechnung des Verwalters zufließen, stellen neue Tatsachen dar, die zu einer ergänzenden Vergütungsfestsetzung führen können (BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2011, aaO Rn. 10 mwN; vom 19. Dezember 2013, aaO Rn. 6; vom 6. April 2017, aaO Rn. 17; vom 20. Juli 2017, aaO Rn. 15 mwN).
13
d) Gleichwohl scheidet die Festsetzung einer (weiteren) Vergütung des Beteiligten zu 10 derzeit aus. Rechtsfehlerhaft geht das Beschwerdegericht davon aus, dass die Vergütung fällig sei. Dies führt zum Erfolg der Rechtsbeschwerde.
14
aa) Eine Festsetzung der Vergütung als Insolvenzverwalter gemäß § 64 Abs. 1 InsO, § 8 InsVV setzt voraus, dass der Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters fällig ist. Fehlt es an der Fälligkeit, kann der Insolvenzverwalter nur einen Vorschuss auf seine Vergütung gemäß § 9 InsVV verlangen.
15
(1) Im Allgemeinen wird der Anspruch des Insolvenzverwalters nach Erledigung der zu vergütenden Tätigkeit fällig (BGH, Beschluss vom 29. März 2007 – IX ZB 153/06, ZIP 2007, 1070 Rn. 5 mwN). Dies ist im Regelfall erst mit Beendigung des Insolvenzverfahrens der Fall (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Februar 2017 – IX ZB 103/15, BGHZ 214, 78 Rn. 43; MünchKomm-InsO/Stephan, 4. Aufl., § 63 Rn. 24; Zimmer, InsVV, 2. Aufl., § 1 Rn. 25; Prasser/Stoffler in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2015, Vor § 1 InsVV Rn. 6; Haarmeyer/Mock, InsVV, 6. Aufl., Vor § 1 Rn. 89; Keller, Vergütung und Kosten im Insolvenzverfahren, 5. Aufl., § 15 Rn. 9; Graeber/Graeber, InsVV, 3. Aufl., Vor § 1 Rn. 34c). Die Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung sieht keine Festsetzung der Vergütung des Insolvenzverwalters nach Zeitabschnitten vor (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2004 – IX ZB 96/03, BGHZ 157, 282, 300). Teilfälligkeiten der Verwaltervergütung kennt das Gesetz nicht (MünchKomm-InsO/Stephan, aaO; Uhlenbruck/Mock, InsO, 15. Aufl., § 63 Rn. 55). Ist der Anspruch auf eine Vergütung noch nicht fällig, kommt nur eine Festsetzung eines Vorschusses in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Juli 2016 – IX ZB 70/14, BGHZ 211, 225 Rn. 83 zur Vergütung des vorläufigen Sachwalters).
16
Zwar setzt die Fälligkeit nicht die Aufhebung oder Einstellung des Insolvenzverfahrens durch gerichtlichen Beschluss voraus. Jedoch muss das Geschäft erledigt sein (vgl. Zimmer, InsVV, 2. Aufl., § 1 Rn. 25). Dies ist der Fall, wenn das Insolvenzverfahren abschlussreif ist. Im Regelfall gehört zu den von dem Insolvenzverwalter zuvor zu erledigenden Aufgaben nach § 66 Abs. 1 InsO, dass er bei der Beendigung seines Amtes einer Gläubigerversammlung Rechnung legt (BGH, Beschluss vom 29. März 2007, aaO). Unabhängig davon muss die Verwertung der Insolvenzmasse abgeschlossen sein. Solange der Insolvenzverwalter weitere Verwertungsmaßnahmen durchführt, ist seine Tätigkeit nicht erledigt (vgl. auch MünchKomm-InsO/Riedel, 4. Aufl., § 8 InsVV Rn. 3). Demgemäß kann der Insolvenzverwalter im Regelfall eine Festsetzung seiner Vergütung erst verlangen, wenn nur noch der Schlusstermin und die (abschließende) Schlussverteilung ausstehen.
17
(2) Dementsprechend bestimmt § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO ausdrücklich, dass der Regelsatz nach dem Wert der Insolvenzmasse zur Zeit der Beendigung des Insolvenzverfahrens berechnet wird. Auch die übrigen Bestimmungen zur Vergütung des Insolvenzverwalters zeigen, dass die Fälligkeit erst mit Erledigung der zu vergütenden Tätigkeit eintritt. Nach § 63 Abs. 1 Satz 3 InsO wird dem Umfang und der Schwierigkeit der Geschäftsführung des Verwalters durch Abweichungen vom Regelsatz Rechnung getragen. Eine Entscheidung über zu gewährende Zu- oder Abschläge kann erst erfolgen, wenn das Insolvenzverfahren beendet ist. Die Festsetzung der Vergütung erfordert die genaue Überprüfung und Beurteilung aller für einen Zu- oder Abschlag in Frage kommenden Umstände, insbesondere der vom (vorläufigen) Insolvenzverwalter beantragten Zuschläge (ständige Rechtsprechung, vgl. jüngst etwa BGH, Beschluss vom 10. Juni 2021 – IX ZB 51/19, NZI 2021, 838 Rn. 50 mwN). Diese Prüfung hängt ebenso wie die Bemessung der Höhe der Zu- und Abschläge einschließlich der stets erforderlichen Gesamtwürdigung (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 10. Juni 2021, aaO Rn. 50 ff) davon ab, dass der Umfang der Tätigkeit des Verwalters und die im Rahmen der Insolvenzverwaltung angefallenen Aufgaben abschließend bekannt sind.
18
bb) Diese Voraussetzungen für die Fälligkeit der Vergütung sind nicht erfüllt. Zu Unrecht beruft sich der Beteiligte zu 10 auf die Regelungen des verfahrensbegleitenden Insolvenzplans.
19
(1) Das Insolvenzgericht hat das Insolvenzverfahren bislang weder aufgehoben noch eingestellt. Es ist nicht ersichtlich, dass die Tätigkeit des Beteiligten zu 10 erledigt oder das Insolvenzverfahren abschlussreif ist. Der Insolvenzplan sieht ausdrücklich vor, dass das Insolvenzverfahren abweichend von § 258 Abs. 1 InsO nicht aufgehoben, sondern das Regelverfahren fortgesetzt werden soll. Die Verwertung des schuldnerischen Vermögens dauert weiter an.
20
(2) Dass der Beteiligte zu 10 entsprechend den Regelungen des rechtskräftigen verfahrensbegleitenden Insolvenzplans bereits am 12. Mai 2015 eine Schlussrechnung gelegt hat, führt nicht zur Fälligkeit der Vergütung. Gleiches gilt für den am 27. August 2015 abgehaltenen Schlusstermin. Sofern – wie im Streitfall – die Tätigkeit des Insolvenzverwalters nicht erledigt ist, begründen weder die Vorlage einer Schlussrechnung noch die Durchführung eines Schlusstermins die Fälligkeit der Vergütung des Insolvenzverwalters. Eine Vergütungsfestsetzung für einzelne Zeitabschnitte eines Insolvenzverfahrens sehen weder die Insolvenzordnung noch die Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung vor.
21
Aus § 8 Abs. 1 Satz 3 InsVV folgt nichts Anderes. Danach soll der Vergütungsantrag gestellt werden, wenn die Schlussrechnung an das Gericht gesandt wird. Diese Regelung beruht jedoch darauf, dass im Regelfall das Amt des Insolvenzverwalters mit der Rechnungslegung beendet ist. § 66 Abs. 1 InsO bestimmt ausdrücklich, dass der Insolvenzverwalter bei der Beendigung seines Amtes Rechnung zu legen hat. Zwar kann der Insolvenzplan gemäß dem im Streitfall anwendbaren § 66 Abs. 1 Satz 2 InsO in der seit 1. März 2012 geltenden Fassung (seit 1. Januar 2021 § 66 Abs. 4 InsO) eine abweichende Regelung treffen. Machen die Gläubiger von dieser Möglichkeit – wie im Streitfall – Gebrauch, hat dies jedoch keinen Einfluss auf die Fälligkeit der Vergütung des Insolvenzverwalters. Auch in diesem Fall bleibt die Beendigung der Tätigkeit der maßgebliche Anknüpfungspunkt für die Fälligkeit der Vergütung. Dies setzt – unabhängig von der Frage, ob der Insolvenzplan für die Schlussrechnung von § 66 Abs. 1 Satz 1 InsO abweichende Bestimmungen trifft – voraus, dass der Insolvenzverwalter keine weiteren Verwertungstätigkeiten mehr vornehmen muss, das Insolvenzverfahren also in dem Sinne abschlussreif ist, dass eine Aufhebung jedenfalls erfolgen kann, sobald die Vergütung des Insolvenzverwalters festgesetzt worden ist.
22
(3) Der Insolvenzplan enthält keine Regelungen, die eine Fälligkeit der Vergütung vor Erledigung des Amtes herbeiführen.
23
(a) Regelungen über die Festsetzung der Insolvenzverwaltervergütung können nicht Gegenstand eines Insolvenzplans sein (BGH, Beschluss vom 16. Februar 2017 – IX ZB 103/15, BGHZ 214, 78 Rn. 17, 20 ff). Die gesetzlichen Vorschriften über die Vergütung des Insolvenzverwalters sind planfest (BGH, Beschluss vom 16. Februar 2017, aaO Rn. 27 ff). Dies gilt auch für die Fälligkeit der Vergütung.
24
(b) Es kann dahinstehen, wie sich die rechtskräftige Bestätigung eines Insolvenzplans auf darin enthaltene Regelungen über die Vergütung des Insolvenzverwalters auswirkt. Im Streitfall enthält der verfahrensbegleitende Insolvenzplan keine Regelung, welche die gesetzlichen Voraussetzungen für die Festsetzung der Vergütung des Insolvenzverwalters betrifft. Insbesondere sieht der Insolvenzplan nicht vor, dass eine Vergütung abweichend von der gesetzlichen Regelung bereits fällig wird, bevor das Verfahren abschlussreif ist. Soweit der Insolvenzplan im gestaltenden Teil unter C. III. 6. a) bestimmt, dass der Insolvenzverwalter Schlussrechnung legen könne, sobald er die Prüfung der zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderungen abgeschlossen habe, folgt daraus nicht, dass die Vergütung des Insolvenzverwalters abweichend von der gesetzlichen Regelung vor der Verfahrensbeendigung fällig ist.
25
Die Regelung im darstellenden Teil des Insolvenzplans unter B. VI. 7. d) betrifft ebenso wie die Regelung im gestaltenden Teil unter C. III. 6. c) bb) nicht die Fälligkeit der Insolvenzverwaltervergütung. An beiden Stellen sieht der Insolvenzplan vor, dass vor einer Ausschüttung im Rahmen der vom Insolvenzplan ermöglichten Nachtragsverteilung bestimmte Kosten zu berichtigen sind und nennt hierzu auch die Vergütung des Insolvenzverwalters. Dies setzt jedoch voraus, dass zu diesem Zeitpunkt bereits eine Vergütung des Insolvenzverwalters nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen festgesetzt worden ist. Hingegen lässt sich dieser Bestimmung keine Regelung dahin entnehmen, dass die Vergütung des Insolvenzverwalters abweichend von der gesetzlichen Regelung vor Erledigung der Tätigkeit des Insolvenzverwalters fällig werden sollte. Das Ziel der Regelung, die Vergütungsansprüche des Insolvenzverwalters nicht durch eine (vollständige) Ausschüttung der verfügbaren Masse im Rahmen einzelner Nachtragsverteilungen zu entwerten, gleichwohl aber eine frühzeitige Ausschüttung zu ermöglichen, lässt sich bereits durch entsprechende Einbehalte erreichen. Unberührt bleibt zudem die Möglichkeit, Vorschüsse auf die Vergütung des Beteiligten zu 10 festzusetzen. Die Entnahme festgesetzter Vorschüsse ist von diesen Regelungen des Insolvenzplans gedeckt. Weitere Regelungen des Insolvenzplans, aus denen auf eine Fälligkeit der Vergütung geschlossen werden könnte, sind nicht ersichtlich.
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