Insolvenzrecht

Wert der Insolvenzmasse bei Betriebsfortführung

Aktenzeichen  1 T 868/19

Datum:
23.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 22430
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
GKG § 58 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Bei der Ermittlung des Werts der Insolvenzmasse sind im Falle der Betriebsfortführung die damit verbundenen Kosten abzuziehen. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

4 IN 77/14 2019-07-17 Bes AGANSBACH AG Ansbach

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Insolvenzverwalters wird der Beschluss des Amtsgerichts Ansbach vom 17.07.2019, Az. 4 IN 77/14, aufgehoben.
Der Gegenstandswert für die Gerichtsgebühren wird festgesetzt auf 102.996,17 €.
2. Die weitere Beschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.
Der Beschwerdeführer ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der …. Das Insolvenzverfahren wurde mit Beschluss vom 1.5.2014 eröffnet, wobei zunächst Eigenverwaltung angeordnet wurde. Mit Beschluss vom 15.1.2015 wurde sodann die Anordnung der Eigenverwaltung aufgehoben und der Beschwerdeführer zum Insolvenzverwalter bestellt.
Mit Schlusskostenrechnung vom 28.5.2019, auf welche Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht Ansbach die Gerichtskosten für das eröffnete Verfahren (GKG-KV Nr. 2310) und für die Einstellung des Verfahrens (GKG-KV Nr. 2322) festgesetzt. Als Berechnungsgrundlage hat es jeweils einen Wert von 531.609,39 € herangezogen. Dies entspricht der Summe aus den Einnahmen in und nach Ende der Eigenverwaltung, dem Geldkontenbestand bei Insolvenzeröffnung und einer noch zu erwartenden Vorsteuererstattung abzüglich der Abfindungen von Aus- und Absonderungsrechten.
Mit seiner vom Amtsgericht als Erinnerung gegen den Kostenansatz ausgelegten sofortigen Beschwerde vom 12.6.2019 macht der Beschwerdeführer geltend, der Geschäftsbetrieb der Schuldnerin sei im eröffneten Verfahren nach Ende der Eigenverwaltung von ihm fortgeführt worden. Es seien daher auch die im Rahmen der Betriebsfortführung angefallenen Ausgaben bei der Wertermittlung zu berücksichtigen und mit den Einnahmen zu saldieren. Dies entspreche der Zielsetzung des Gesetzgebers und spiegele sich auch in der Berechnungsgrundlage für die Vergütung des Insolvenzverwalters wider. Bei Außerachtlassung der Ausgaben komme es zudem zu unverhältnismäßig hohen Gerichtskosten, die letztlich zu Lasten der Insolvenzgläubiger gingen.
Das Amtsgericht hat nach Einholung einer Stellungnahme der Bezirksrevisorin die Erinnerung mit Beschluss vom 17.7.2019, auf welchen ebenfalls Bezug genommen wird, zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Insolvenzverwalters vom 30./31.7.2019, welcher das Amtsgericht nicht abgeholfen hat.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet.
1.
Nach § 58 Abs. 1 S.1 GKG werden die Gebühren für den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und für die Durchführung des Insolvenzverfahrens nach dem Wert der Insolvenzmasse zur Zeit der Beendigung des Verfahrens erhoben.
In Rechtsprechung und Literatur ist hierzu umstritten, ob bei einer Betriebsfortführung nur der Überschuss oder sämtliche Einnahmen ohne Berücksichtigung der Ausgaben in die Berechnungsgrundlage einfließen. Der Bundesgerichtshof hat diese Frage bislang nicht entschieden (ausdrücklich offen gelassen im Urteil v. 5.3.2015, IX ZR 164/14).
Die Kammer schließt sich der Auffassung an, dass auch die mit der Betriebsfortführung verbundenen Kosten zu berücksichtigen und in Abzug zu bringen sind (ebenso Kübler / Prütting / Bork, InsO, 80. Lieferung, Rn. 250 zu § 13; Schneider / Volpert / Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 2. Aufl., Rn. 4 zu § 58 GKG).
Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 58 Abs. 1 S.1 GKG. Da auf die Insolvenzmasse bei Beendigung des Verfahrens abzustellen ist, müssen Einnahmen, die während des Verfahrens entstanden, aber ebenfalls während des Verfahrens durch entsprechende Ausgaben wieder abgeflossen sind, außer Betracht bleiben (OLG Hamm, Beschluss v. 14.5.2013, I-15 W 198/12; LG Bayreuth, Beschluss v. 28.10.2016, 42 T 196/16).
Die hierdurch erreichte einheitliche Berechnung des Gegenstandswerts für die Gerichtsgebühren und die Vergütung des Insolvenzverwalters entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers (BT-Drs. 12/3803, S.72; OLG Koblenz, Beschluss v. 20.1.2014, 12 W 640/13; OLG Stuttgart, Beschluss v. 30.4.2014, 8 W 149/14). Sie entspricht zudem dem in § 1 InsO festgelegten Zweck des Insolvenzverfahrens, nämlich der Gläubigerbefriedigung, indem sie verhindert, dass die für die Befriedigung der Insolvenzgläubiger zur Verfügung stehende Masse durch infolge hoher Verfahrenswerte möglicherweise ausufernde Gerichtskosten zusätzlich aufgezehrt wird (OLG Hamm a.a.O. sowie Beschluss v. 18.1.2014, I-25 W 262/12; OLG Dresden, Beschluss v. 26.8.2013, 3 W 739/13; OLG Koblenz a.a.O.; OLG Bamberg, Beschluss v. 5.1.2017, 8 W 87/16).
2.
Der Gegenstandswert für die Gerichtsgebühren beträgt vorliegend 102.996,17 €.
Er ermittelt sich wie folgt:
„Zunächst sind der Geldkontenbestand, sämtliche Einnahmen aus der Zeit der Eigenverwaltung und danach sowie der noch zu erwartende Massezufluss zu addieren. Dies führt – ausgehend von den Zahlen im Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 18.12.2019 – zu einem Betrag von 550.676,42 €, nach Abzug der Abfindungen von Aus- und Absonderungsrechten i. H. v. 17.163,39 € verbleiben noch 533.513,03 €. Hiervon sind, um eine Doppel-Berücksichtigung zu vermeiden, zunächst die Einnahmen aus Betriebsfortführung (408.080,92 € + 62.431,49 € = 470.512,41 €) abzuziehen. Sodann ist der Überschuss aus der Betriebsfortführung wieder zu addieren, welcher sich für die Zeit der Eigenverwaltung auf 17.103,66 € und für die Zeit danach auf 22.891,89 € beläuft.“
Entsprechend war der Gegenstandswert für die Gerichtsgebühren auf 102.996,17 € festzusetzen.
3.
Die weitere Beschwerde war zuzulassen, da die Frage der Berechnung der Gerichtsgebühren bei Betriebsfortführung im Insolvenzverfahren in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten und von grundsätzlicher Bedeutung ist.
4.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Das Verfahren ist nach § 66 Abs. 8 Satz 1 GKG gebührenfrei. Eine Kostenerstattung findet nach § 66 Abs. 8 Satz 2 GKG nicht statt.


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