IT- und Medienrecht

10 C 2/20

Aktenzeichen  10 C 2/20

Datum:
26.4.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2021:260421U10C2.20.0
Spruchkörper:
10. Senat

Leitsatz

Der Bereichsausnahme nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a UIG unterfallen nur Informationen, die im Rahmen der Gesetzgebung generiert werden.

Verfahrensgang

vorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 29. März 2019, Az: OVG 12 B 13.18, Urteilvorgehend VG Berlin, 19. Dezember 2017, Az: 2 K 236.16, Urteil

Tenor

Die Revision wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Beklagte und die Beigeladene die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers je zur Hälfte.

Tatbestand

1
Der Kläger, eine Umweltschutzvereinigung, begehrt Zugang zu einem Vermerk sowie einer Präsentation, die die Beigeladene am 4. November 2015 an das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur übermittelt hat. Die Unterlagen betreffen Fragen im Zusammenhang mit CO2-Emissionen von der Beigeladenen hergestellter Kraftfahrzeuge.
2
Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen zurückgewiesen. Das Bundesministerium sei informationspflichtig. Es könne sich nicht darauf berufen, dass die begehrten Informationen im Rahmen der unionalen Rechtsetzung verwendet würden; denn die Bereichsausnahme einer Tätigkeit im Rahmen der Gesetzgebung gelte nur für die nationale Ebene. Davon abgesehen fehle es an einem funktional-inhaltlichen Zusammenhang der im Streit stehenden Unterlagen mit einem konkreten Gesetzgebungsverfahren. Nachteilige Auswirkungen auf die Durchführung strafrechtlicher Ermittlungen seien nicht zu besorgen. Nach Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft Braunschweig bestehe keine Vermutung mehr dafür, dass der Untersuchungszweck bei einer Offenlegung der Informationen nachteilig betroffen sein könne. Ein Ablehnungsgrund sei auch nicht dargelegt, soweit sich die Beklagte und die Beigeladene auf nachteilige Auswirkungen auf laufende Gerichtsverfahren und den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren beriefen. Schließlich stehe dem Anspruch auch nicht der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen entgegen. Zwar stellten die in der Präsentation niedergelegten Informationen über Messrandbedingungen und der gegenüber dem Ministerium geltend gemachte Unterstützungsbedarf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen dar; auch habe die Beigeladene die Unterlagen vertraulich an das Ministerium übermittelt, ohne dass sie hierzu verpflichtet gewesen sei. Es handele sich bei den Informationen über Messrandbedingungen aber um Umweltinformationen über Emissionen, zu denen der Zugang aus diesen Gründen nicht abgelehnt werden dürfe. Hinsichtlich der übrigen Informationen überwiege das öffentliche Informationsinteresse das Geheimhaltungsinteresse.
3
Zur Begründung ihrer Revision führt die Beigeladene aus: Der Offenlegung der Unterlagen stehe der Ablehnungsgrund nachteiliger Auswirkungen auf die Durchführung strafrechtlicher Ermittlungen entgegen. Das Berufungsgericht habe die subjektive Schutzdimension des Ablehnungsgrundes und die Anforderungen an die Darlegungslast verkannt. Der Umstand, dass die Staatsanwaltschaft Braunschweig das gegen sechs Beschuldigte geführte Ermittlungsverfahren (“CO2-Verfahren”) Ende April 2020 eingestellt habe, dürfe in der Revision keine Berücksichtigung finden. Der Offenlegung der Informationen stünden weiterhin die Ablehnungsgründe nachteiliger Auswirkungen auf laufende Gerichtsverfahren sowie auf den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren entgegen. Soweit es um Informationen über Handlungs- und Produktstrategien gehe, stelle das Berufungsgericht überhöhte Anforderungen an die Darlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Soweit das Berufungsgericht den Tatbestand von Ablehnungsgründen verneint habe, fehle es an einer umfassenden Interessenabwägung. Mehrere Ausschlussgründe seien bei der Abwägung kumulativ zu berücksichtigen.
4
Die Beklagte trägt noch vor, von einer Informationspflicht sei nicht nur die Tätigkeit im Rahmen der nationalen, sondern auch der europäischen Gesetzgebung ausgenommen. Der inmitten stehende Sachverhalt sei im Januar 2016 Auslöser für einen Vorschlag der Europäischen Kommission für ein Gesetzgebungspaket gewesen, an dessen Bearbeitung die Beklagte beteiligt gewesen und noch immer beteiligt sei.
5
Die Beigeladene und die Beklagte beantragen jeweils,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. März 2019 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 19. Dezember 2017 zu ändern und die Klage abzuweisen.
6
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
7
Er verteidigt das angefochtene Urteil.


Ähnliche Artikel

Unerwünschte Werbung: Rechte und Schutz

Ganz gleich, ob ein Telefonanbieter Ihnen ein Produkt am Telefon aufschwatzen möchte oder eine Krankenkasse Sie abwerben möchte – nervig können unerwünschte Werbeanrufe, -emails oder -schreiben schnell werden. Was erlaubt ist und wie Sie dagegen vorgehen können, erfahren Sie hier.
Mehr lesen

Was tun bei einer negativen Bewertung im Internet?

Kundenbewertungen bei Google sind wichtig für Unternehmen, da sich potenzielle Neukunden oft daran orientieren. Doch was, wenn man negative Bewertungen bekommt oder im schlimmsten Fall sogar falsche? Das kann schädlich für das Geschäft sein. Wir erklären Ihnen, was Sie zu dem Thema wissen sollten.
Mehr lesen

Der Influencer Vertrag

In den letzten Jahren hat sich Influencer Marketing einen starken Namen in der Werbebranche gemacht. Viele Unternehmen setzen auf platzierte Werbeanzeigen durch Influencer. Was jedoch zwischen Unternehmer und Influencer vertraglich im Vorfeld zu beachten ist, werden wir Ihnen im Folgenden erläutern.
Mehr lesen


Nach oben