IT- und Medienrecht

“Abgasskandal”: Keine Rückabwicklung des Kaufvertrags

Aktenzeichen  2 O 226/16

Datum:
31.10.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 135561
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, § 437 Nr. 2, § 439 Abs. 1, § 440 S. 1,§ 323 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, § 346 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Das streitgegenständliche Fahrzeug ist mangelhaft, da es eine unzulässige Software nutzt. (Rn. 22 – 37) (redaktioneller Leitsatz)
2 Dem Rücktritt steht entgegen, dass die Klägerin der Beklagten keine Möglichkeit der Nachbesserung eingeräumt hat. (Rn. 38 – 55) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 27.583,36 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist (derzeit) unbegründet.
I.
Der Klägerin stehen keine Ansprüche aus einem Rückabwicklungsschuldverhältnis auf Rückzahlung des Kaufpreises von 27.583,36 € abzüglich gezogener Nutzungen gemäß § 346 Abs. 1 BGB zu. Die Voraussetzungen gemäß §§ 437 Nr. 2, Alt. 1, 323 BGB sind nicht erfüllt.
1. Mangelhaftigkeit
Das streitgegenständliche Fahrzeug ist mangelhaft.
Die Sache ist gemäß § 434 Abs. 1 BGB frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, sonst wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.
a) Das Fahrzeug weicht nicht negativ von der zwischen den Parteien im Kaufvertrag vereinbarten Beschaffenheit ab. Soweit im Kaufvertrag in diesem Punkt relevant ein Fahrzeug mit „BlueMotion Technology“ verkauft wurde und damit das Vorhandensein dieser Eigenschaft vereinbart wurde, verfügt das Fahrzeug darüber.
Nach der Bewerbung durch den Hersteller steht BlueMotion Technology für Fahrzeugkonzepte, die Dynamik und Komfort mit Wirtschaftlichkeit verbinden. Die gebündelten BlueMotion Technology-Maßnahmen ermöglichen ein sparsameres Fahren und geringere Emissionen. Im Einzelnen wird die Verbrauchseinsparung erzielt durch angepasstes Motormanagement mit modifizierter Software, abgesenkte Leerlaufdrehzahl, längere Übersetzung der oberen Getriebestufen, Schaltempfehlung für die Wahl des effizientesten Ganges, optimierte Aerodynamik für einen geringeren Luftwiderstand durch Teileverkleidung im Unterbodenbereich, teilweise oder komplett geschlossen Kühlergrill, rollwiderstandsoptimierte Reifen, fahrzeugabhängigem Start-Stopp-System und fahrzeugabhängiger Bremsenergierückgewinnung. Nicht Gegenstand dieser Ausstattungsmerkmale ist die Zusage eines bestimmten Abgaswertes sondern generell nur eine Verbrauchsoptimierung relativ zu anderen Fahrzeugen des selben Typs ohne entsprechende Ausstattungsmerkmale. Soweit die Klagepartei behauptet, die Werbeaussage, dass Fahrzeuge mit dem BlueBotion Label jeweils die sparsamsten und umweltfreundlichsten Volkswagenmodelle ihrer Klasse seien, sei unrichtig und begründe einen Mangel ist der Vortrag unsubstantiiert und im Hinblick auf die behauptete Abweichung auch unrichtig, denn nach den von der Klagepartei zitierten Aussagen wird lediglich von sparsamsten …-Modellen der jeweiligen Klasse gesprochen; dass diese relative Aussage unzutreffend wäre, wird nicht substantiiert dargelegt sondern bloß behauptet.
b) Allerdings liegt ein Mangel nach § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB vor.
aa) Das streitgegenständliche Fahrzeug nutzt eine unzulässige Software zur Motorsteuerung und zur Reduzierung von Schadstoffwerten beim Betrieb des Fahrzeugs auf einem Rollenprüfstand. Dies folgt insoweit schon aus der eigenen Einlassung der Beklagten im Schreiben an den Prozessvertreter der Klägerin vom 01.02.2016, in dem bestätigt wird, dass das streitgegenständliche Fahrzeug über eine Software verfügt, die bei Dieselmotoren des Typs EA189 den Ausstoß von Stickoxid auf dem Rollenprüfstand optimiert.
Die Verwendung einer solchen Software verstößt nach Auffassung des Gerichtes gegen Art. 10 Abs. 1 der VO (EG) 715/2007, nach dem der Hersteller das Fahrzeug so auszurüsten hat, dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so konstruiert, gefertigt und montiert sind, dass das Fahrzeug unter normalen Betriebsbedingungen dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht. Der Hersteller des Fahrzeuges nutzt hier eine Software, die das Emissionsverhalten gezielt beim Betrieb auf einem Rollenprüfstand und dem entsprechenden Prüfzyklus „optimiert“, wodurch Emissionswerte erzielt werden, die außerhalb dieser Prüfkonfiguration unter normalen Betriebsbedingungen nicht erzielt werden können.
bb) Das Fahrzeug eignet sich trotz der manipulierten Abgassoftware für die gewöhnliche Verwendung in dem Sinne, dass das Fahrzeug zulässig und ohne Risiko für die Nutzer des Fahrzeuges im Verkehr benutzt werden kann. Die Argumentation der Klagepartei, durch Manipulationen an der Motorsoftware sei die Betriebserlaubnis erloschen bzw. gar nicht wirksam erteilt, sei die Nutzung rechtswidrig i.S.d. Immissionsschutzrechtes oder sei der Versicherungsschutz entfallen, wird durch das Gericht nicht geteilt.
(1) Dem streitgegenständlichen Fahrzeug wurde unstreitig die notwendige Typengenehmigung nach §§ 19 StVZO und der RL 2007/46/EG erteilt. Diese Erteilung erfolgt unbefristet und bleibt grundsätzlich über das gesamte Leben eines Kfz bestehen und erlischt ausnahmsweise nur, wenn sie kraft Gesetzes erlischt oder von der Behörde durch Verwaltungsakt entzogen wird (Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 19 StVZO Rn. 5).
(2) Die Typengenehmigung ist nicht durch den Einsatz der manipulierten Software unwirksam. Zwar ist gemäß Art. 10 der VO (EG) 715/2007 Voraussetzung für die Erteilung der Typengenehmigung für ein Kfz, dass dessen Emissionen den Grenzwerten der Verordnung entsprechen. Werden diese Grenzwerte durch Nutzung einer unzulässigen Motorsoftware erreicht, führt dies nach Auffassung des Gerichts jedoch nicht zur Unwirksamkeit der – ggf. materiell nicht berechtigten – Genehmigung.
Gemäß § 44 Abs. 1 VwVfG ist ein Verwaltungsakt dann nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Auch Art. 13 der VO (EG) 715/2007 sieht als Sanktionen für falsche Angaben des Herstellers nicht vor, dass auf dieser Basis erteilte Genehmigungen automatisch ihre Wirkung verlieren oder von Anfang an als unwirksam gelten sollen.
(3) Die Betriebserlaubnis erlischt auch nicht von Gesetzes wegen auf Grund der Bestimmung des § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 StVZO. Dies aus zweierlei Erwägungen: Zunächst setzt diese Bestimmung eine Änderung an dem Fahrzeug im Vergleich zu dem genehmigten Typ vor. Dies ist hier schon nicht der Fall; das streitgegenständliche Fahrzeug verfügte bereits werksseitig über die manipulierte Software. Insofern unterscheidet sich der Fall entscheidend von sogenannten „Chip-Tuning“ Fällen, bei denen nach Erteilung der Typengenehmigung Änderungen an der Motorsteuerung vorgenommen werden. Ferner ist im Rahmen des § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 StVZO im konkreten Einzelfall zu ermitteln, ob durch die betreffende Veränderung eine Verschlechterung des Abgasverhaltens eintritt (Huppertz, NZV 2011, 172).
(4) Ein Entzug der Betriebserlaubnis bzw. eine Rücknahme oder ein Widerruf der Typengenehmigung durch Verwaltungsakt des Kraftfahrtbundesamt nach §§ 48 und 49 VwVfG liegt jedenfalls noch nicht vor.
cc) Nachdem das Fahrzeug daher formell auch jedenfalls gegenwärtig den Anforderungen der EURO 5 Klassifizierung genügt, sind auch keine negativen Beeinträchtigungen bei der Besteuerung des Fahrzeuges und etwa dessen Nutzung in Umweltzonen zu befürchten. Voraussetzung hierfür wäre die Umsetzung einer tatsächlichen materiellen Divergenz beim Abgasverhalten nach dem vorgeschriebenen Prüfzyklus ohne die manipulierte Software und ein Tätigwerden der zuständigen Behörden um den betroffenen Fahrzeugen auch förmlich bestimmte Abgaseigenschaften abzusprechen oder ganz die Betriebserlaubnis zu entziehen. Diesen Entscheidungen, die wohl sämtlich Ermessensentscheidungen der zuständigen Fachbehörden sind, kann nicht im Rahmen eines zivilrechtlichen Klageverfahrens vorgegriffen werden.
dd) Das streitgegenständliche Fahrzeug weist jedoch angesichts der dargestellten Manipulation keine Beschaffenheit auf, die bei Sachen gleicher Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten darf.
Ein Durchschnittskäufer eines Neufahrzeuges kann davon ausgehen, dass die gesetzlich vorgegebenen und im technischen Datenblatt aufgenommenen Abgaswerte nicht nur deshalb eingehalten und entsprechend attestiert werden, weil eine Software installiert worden ist, die dafür sorgt, dass der Prüfstandlauf erkannt und über entsprechende Programmierung der Motorsteuerung in gesetzlich unzulässiger Weise insbesondere der Stickoxidausstoß reduziert wird. Insoweit resultiert die Mangelhaftigkeit nicht etwa daraus, dass die unter Laborbedingungen (Prüfstandlauf) gemessenen Werte im alltäglichen Straßenverkehr nicht eingehalten werden, sondern basiert darauf, dass der Motor die Vorgaben im Prüfstandlauf nur aufgrund der manipulierten Software einhält.
2. Rücktrittsrecht
Dem Rücktritt steht entgegen, dass die Klägerin der Beklagten keine Möglichkeit der Nachbesserung eingeräumt hat.
a) Nach § 323 Abs. 1 BGB kann der Gläubiger vom Vertrag im Falle einer nicht vertragsgemäß erbrachten Leistung zurücktreten, wenn er dem Schuldner zuvor eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat. Eine solche Fristsetzung ist nicht erfolgt, der Beklagten wurde keine Gelegenheit zur Nachbesserung gegeben.
b) Die Fristsetzung war nicht entbehrlich, weil eine Nachbesserung gemäß § 275 BGB unmöglich war.
aa) Soweit die Nachbesserung zum Rücktrittszeitpunkt tatsächlich nicht durch Austausch der Software erfolgen konnte, weil eine solche noch nicht entwickelt und vom KBA freigegeben war, stellt dies keine Unmöglichkeit i.S.d. § 275 BGB dar, weil die Nachbesserung jedenfalls nur ein einer angemessenen Frist möglich sein muss. Mangels konkreter Parteivereinbarung richtet sich die Bewertung der Angemessenheit hier nach objektiven Maßstäben. Insoweit ist zunächst die Dimension der Softwareproblematik bei diversen Dieselmotoren der W1-Fahrzeugflotte zu berücksichtigen. Bei der vom Kläger gerügten Mangelhaftigkeit handelt es sich nicht um einen Einzelfall. Vielmehr sind allein in Deutschland bekanntermaßen Millionen von Fahrzeugen betroffen. Insofern war und ist dem W1-Konzern und damit auch den W1-Vertragshändlern zuzugestehen, zunächst eine Problemlösung zu entwickeln und eine Strategie zur Umsetzung derselben zu entwerfen, insbesondereauch unter Einbeziehung der beteiligten Behörden. Ferner kann bei der Angemessenheit der Fristsetzung nicht vernachlässigt werden, dass die Fahrtauglichkeit des streitgegenständlichen Fahrzeugs nach derzeitigem Sach- und Streitstand nicht eingeschränkt ist und der Klägerin auch, wie oben ausgeführt, keine rechtlichen Nachteile und Nutzungsverbote treffe. Sie ist für die volle Nutzbarkeit des Pkw nicht auf die umgehende Durchführung des Softwareupdates angewiesen. Wann das Update aufgespielt wird ist – vorbehaltlich eines geplanten Verkaufs der Fahrzeugs, der hier nicht behauptet wird – für die Klägerin nicht entscheidend.
bb) Auch objektiv ist die Beseitigung des Mangels – hier der Software mit manipulativen Erkennung eines Testzyklus – möglich. Dies ist Gegenstand der vom Kraftfahrtbundesamt veranlassten Rückrufaktion.
cc) Die Klägerin kann jedenfalls nicht zum jetzigen Zeitpunkt geltend machen, dass eine Nachbesserung durch den Austausch der Motorsoftware deswegen unmöglich und unzumutbar ist, weil hierdurch weitere Mängel wie etwa ein Kraftstoffmehrverbrauch und eine erhöhte Rußbildung hervorgerufen werden. Nachdem die Software für den Motor des streitgegenständlichen Pkw noch nicht in Fahrzeugen installiert ist, wird damit praktisch ein Scheitern der Nacherfüllung i.S.d. § 440 BGB antizipiert und ins Blaue hinein behauptet. Dementsprechend bietet die Klagepartei auch Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nach Durchführung der Rückrufaktion an. Dies hält das Gericht für unzulässig. Dass Gesetz sieht weitere Mangelgewährleistungsrechte für den Fall vor, dass eine Nachbesserung scheitert, nicht aber für die Erwartung, dass die Nachbesserung scheitert. Denn wäre die klägerische Position tatsächlich zutreffend, müsste schon vor einer Nachbesserung der Kauf Rückabgewickelt werden, was dem dargestellten Beweisangebot die Grundlage entziehen würde, da dann keine Nachbesserung an dem Fahrzeug vorzunehmen wäre.
Ferner hat nicht jeder Mehrverbrauch (und damit zusammenhängend nicht jeder höhere CO² Ausstoß) zur Folge, dass eine Nachbesserung als gescheitert anzusehen wäre. Weicht der Kraftstoffverbrauch eines Neuwagens um weniger als 10 Prozent von den Prospektangaben des Herstellers ab, so liegt kein erheblicher Fahrzeugmangel vor, der zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigen würde (OLG Hamm, 2 U 163/14, Urteil vom 8.6.2015).
dd) Die Nachbesserung ist nicht deswegen ausgeschlossen, weil diese die Beklagte nicht selbst erbringen könne. Es ist aus Sicht des Gerichts zweifellos möglich, dass die Beklagte das Software-Update der Motorsoftware aufspielt und gegebenenfalls weitere Änderungen an der Motortechnik durchführt. Dass diese Maßnahmen durch den Hersteller vorbereitet werden ist unschädlich und ganz offenkundig im Falle von Mangelbeseitigungen im Rahmen von Rückrufaktionen üblich, nachdem auch der Hersteller Adressat dieser Anordnungen ist.
ee) Eine Nachbesserung ist auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil bei dem Fahrzeug dauerhaft ein merkantiler Minderwert anhaften würde. Dass auch bei einer erfolgreichen Nachbesserung durch die Beklagte ein solcher Minderwert verbleibt, ist von der Klagepartei ins Blaue hinein behauptet und kann auch durch das angebotene Sachverständigengutachten nicht bewiesen werden. Durch ein Sachverständigengutachten sind keine Aussagen zu künftigen Marktverhältnissen in Bezug auf das klägerische Fahrzeug möglich, weshalb dieses Beweismittel als zu diesem Punkt ungeeignet zurückzuweisen ist.
Dass gegebenenfalls gegenwärtig ein Minderwert des Fahrzeuges besteht begründet gleichfalls nicht die Unmöglichkeit der Nachbesserung, weil bei jeder mangelbehafteten Sache eine Wertminderung vorliegt, bis der Mangel beseitigt ist. Genau dies ist auch der Zweck der Nacherfüllung durch Nachbesserung.
ff) Schließlich wäre in jedem Fall eine Nacherfüllung durch die Lieferung einer neuen Sache möglich. Eine solche ist von der Klägerin bislang nicht gefordert worden, stellt jedoch nach § 439 Abs. 1 BGB ein Recht des Verkäufers im Falle eines Mangels an dem Fahrzeug dar. Nachlieferung ist nicht von vorne herein ausgeschlossen, weil das Modell VW Caddy zwischenzeitlich mit einem neuen Motor, der nun die EURO 6 Norm erfüllt, produziert wird, da auch ein Modell mit einem solchen Motor ist erfüllungstauglich ist (OLG Hamm, Urteil vom 22. Juli 2010 – 2 U 242/09 -, Rn. 29, juris).
c) Die Nacherfüllung ist auch nicht unzumutbar i.S.d. §§ 440 Satz 1 bzw. 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB.
aa) Die Unzumutbarkeit ergibt sich hier nicht aus der Person des Verkäufers. Dies wäre nur dann der Fall, wenn das Vertrauen des Käufers in eine ordnungsgemäße Nacherfüllung durch den Verkäufer nachhaltig gestört ist. Dies kommt etwa in Betracht, wenn der Verkäufer Nacherfüllungsversuche nur vorgetäuscht hat oder wenn der Mangel oder gescheiterte Nachbesserungsversuche darauf schließen lassen, dass im Betrieb des Verkäufers generell nicht sorgfältig gearbeitet wird, und der Verkäufer sich weigert, die Nacherfüllung durch Dritte vornehmen zu lassen (BeckOK BGB/Faust BGB § 440 Rn. 37). Nicht zwangsläufig liegt Unzumutbarkeit vor, wenn der Verkäufer den Käufer arglistig über den Mangel getäuscht hat (BGH NJW 2008, 1371 Rn. 18; Lorenz NJW 2004, 26 f.), jedoch kann in diesem Fall ein sofortiges Rücktrittsrecht nach § 323 Abs. 2 Nr. 3 gegeben sein, da in diesem Fall der Verkäufer schon vor der Lieferung bewusst eine Chance zur Behebung des Mangels verstreichen hat lassen, und deshalb ihm auch dann keine Möglichkeit zur Nacherfüllung gegeben werden muss, wenn diese dem Käufer an sich zumutbar wäre (BGH NJW 2007, 835 Rn. 13 f.; 2008, 1371 Rn. 19 f.).
bb) Eine arglistige Täuschung des Verkäufers, also der Beklagten, liegt indes nicht zur Überzeugung des Gerichts vor. Anhaltspunkte oder nur greifbare Indizien dafür, dass die Beklagte als …-Vertragshändlerin Kenntnis von den Vorgängen bei der technischen Ausführung der Motorsoftware und deren manipulativer Komponente hatte, liegen nicht vor.
(1) Eine Verschuldenszurechnung – soweit diese bei der Frage der arglistigen Täuschung überhaupt in Betracht kommen sollte – nach § 278 BGB findet nicht statt. Ein Vertragshändler muss sich ein Verschulden des Kfz-Herstellers beim Bau eines Neufahrzeug nicht gemäß § 278 BGB zurechnen lassen, weil der Hersteller nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers ist (OLG München, Urteil vom 23.04.2009 – 8 U 4070/08).
(2) Der Beklagten sind Kenntnisse von Vorständen oder anderen Personen des …-Konzerns auch nicht entsprechend § 166 BGB als eigene Kenntnisse zuzurechnen. Die …-AG ist nicht Wissensvertreterin der Beklagten im engeren Sinne. Die Beklagte sowie … sind auch keine einheitliche juristische Person (vgl. dazu BGHZ 132, 30). Ob eine Wissenszurechnung in einer Konstellation wie der vorliegenden, d. h. von unterschiedlichen juristischen Personen, die auch nicht, wie beispielsweise die Gesellschaften und Gesellschafter einer GmbH & Co. KG, unmittelbar gesellschaftsrechtlich miteinander verflochten sind, eine solche Zurechnung überhaupt erfolgen kann, kann offen bleiben. Selbst wenn dies der Fall wäre, so würde die dann vorzunehmende wertende Beurteilung (vgl. BGHZ 132, 30) nicht zur Wissenszurechnung führen, da insoweit auf Seiten der Klägerin keine Pflicht zur Organisation dahingehend bestand, sich mindestens dasjenige Wissen zur Kenntnis zu bringen, dass das streitgegenständliche Fahrzeug betraf (LG Bielefeld, Urteil vom 03. Februar 2010 – 3 O 222/09 -, Rn. 25, juris; LG Düsseldorf, Urteil vom 23. August 2016 – 6 O 413/15 -, juris).
Eine arglistige Täuschung der Klägerin durch Mitarbeiter der Beklagten läge nur dann vor,
cc) Eine Nachfristsetzung ist auch nicht deswegen unzumutbar, weil bei deren Abwarten sich die Klägerin weitergehender Sachmängelgewährleistungsansprüche begeben würde, falls eine Nachbesserung fehlschlägt. Selbst wenn sich Nachbesserungsversuche so weit verzögern würden, dass der Eintritt der Verjährung gedroht hätte, wäre es der Klägerin unbelassen geblieben, dann – noch vorheriger Aufforderung zur Nacherfüllung – den Rücktritt zu erklären. Es kann auch nicht von vornhinein ausgeschlossen werden, dass die Beklagte auf die Verjährungseinrede verzichtet hätte oder tatsächliche Nachbesserungsarbeiten durch ein hiermit verbundenes Anerkenntnis zur Unterbrechung der Verährung geführt hätten (vgl. BGH NJW 1999, 2961).
3. Mangels Rückabwicklungsanspruch bleibt der mit der Feststellungsklage verfolgte Anspruch auf Feststellung des Annahmeverzuges der Beklagten ebenfalls ohne Erfolg. Gleichsam unbegründet sind aus diesem Grund die geltend gemachten Ansprüche auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten und Zahlung von Verzugszinsen.
II.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 und 709 ZPO.


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