IT- und Medienrecht

Ablehnung der Rundfunkbeitragszahlung aus „Gewissensgründen“

Aktenzeichen  M 6 K 19.686

Datum:
22.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 12631
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RBStV § 2 Abs. 1, § 4 Abs. 6 S. 2
BayRG Art. 6 Abs. 2, Abs. 3, Art. 9 Abs. 2, Art. 13

 

Leitsatz

1. Weder der Verzicht auf die Nutzung von Rundfunkprogrammen aus religiösen Gründen oder Gewissensgründen noch die Ablehnung des Rundfunk als solchen stellen einen atypischen Sachverhalt im Sinne des § 4 Abs. 6 Satz 2 RBStV dar. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Erhebung des Rundfunkbeitrags verstößt nicht gegen die mit Art. 4 Abs. 1 GG gewährleistete Glaubens- und Gewissensfreiheit. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, da der Kläger keinen Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht hat und somit durch deren Ablehnung nicht in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO analog).
1. Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. Mai 2019 entschieden werden, obwohl der Kläger bei Aufruf seiner Sache nicht mehr anwesend war. Er wurde ausweislich der Postzustellungsurkunde vom 6. April 2019 ordnungsgemäß zum Termin geladen und darauf hingewiesen, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne diesen verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO).
2. Die Klage war gemäß § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass der Kläger Versagungsgegenklage erhoben hat mit dem Ziel, unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids und des Widerspruchsbescheids den Beklagten zu verpflichten, den Kläger ab dem Tag seiner Antragstellung am … Oktober 2017 von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien.
3. Die so ausgelegte Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.
Das Gericht nimmt vollumfänglich Bezug auf die Gründe des Widerspruchsbescheids vom 14. Januar 2019 und macht sich diese zur Begründung der vorliegenden Entscheidung zu eigen (§ 117 Abs. 5 VwGO).
3.1 Die seitens des Klägers vorgebrachten Gründe führen nicht zum Vorliegen eines besonderen Härtefalls im Sinn des § 4 Abs. 6 Satz 1 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag – RBStV. Zwar kann der Verwendung des Wortes „insbesondere“ in § 4 Abs. 6 Satz 2 RBStV entnommen werden, dass die dort genannten Härtefälle nicht abschließend aufgezählt sind. Von einem nicht ausdrücklich geregelten Härtefall wird allerdings nur auszugehen sein, wenn ein atypischer Sachverhalt vorliegt, den der Normgeber, hätte er ihn gekannt, so nicht zu Lasten des Beitragspflichtigen geregelt hätte.
Weder der Verzicht auf die Nutzung von Rundfunkprogrammen aus religiösen oder Gewissensgründen noch die Ablehnung des Rundfunks als solchem stellen einen derartigen atypischen Sachverhalt dar. Vielmehr wurde die Beitragspflicht bei der Verabschiedung des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages im privaten Bereich bewusst an das Innehaben einer Wohnung und nicht an das Bereithalten und/oder Nutzen von Rundfunkgeräten geknüpft. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2018 ist höchstrichterlich geklärt, dass dieses Abstellen auf die Wohnung als Anknüpfungspunkt für die Rundfunkbeitragspflicht keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet und der bewusste Verzicht auf Fernsehgeräte nicht zu einem Befreiungsanspruch führen kann, weil der Gesetzgeber die Beitragspflicht in zulässiger Weise an die reine Empfangsmöglichkeit geknüpft hat (BVerfG, U.v.18.7.2018 – 1 BvR 1675/16 – juris Rn 87ff und 81f.).
Das erkennende Gericht schließt sich insoweit den Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen im Urteil vom 21. September 2018 an, wonach sich aufgrund dieser Irrelevanz tatsächlicher Nutzung ergibt, „dass es auf die Gründe für die Nichtinanspruchnahme der Nutzungsmöglichkeit von vornherein nicht ankommen kann“ (OVG NRW, U.v.21.9.2018 – OVGNRW 2 A 1821/15 – juris Rn. 33, 34). Schon deshalb kann sich der Kläger vorliegend nicht mit Erfolg auf die angegebenen religiösen und weltanschaulichen und damit subjektiven Gründe berufen. Denn „es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber mit der generalklauselsartigen Härtefallregelung des § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV als gesetzlicher Ausprägung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die Möglichkeit einer Beitragsbefreiung auch aus solchen Gründen beabsichtigt hat, so dass eine richterrechtliche Schaffung bzw. Anerkennung einer solchen Option auch unter Aspekten der Gewaltenteilung nicht vertretbar erscheint, zumal Art. 4 Grundgesetz (GG) – wie sogleich auszuführen ist – zu einem solchen Verständnis nicht zwingt. Nach der vom Gesetzgeber geschaffenen – verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden – Systematik der im privaten Bereich ausschließlich wohnungsbezogenen Beitragspflicht besteht diese gerade unabhängig vom Vorhandensein und der Nutzung konkreter Empfangsgeräte, so dass eine an eine worauf auch immer beruhende Nichtnutzung anknüpfende Beitragsbefreiung einen systematischen Bruch darstellen würde. Für eine sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht derart bedeutsame Ausnahme von der Rundfunkbeitragspflicht hätte daher die Schaffung eines speziellen Befreiungstatbestandes einschließlich der Regelung seiner Voraussetzung und deren Überprüfung durch den Gesetzgeber selbst mehr als nahe gelegen.“ (OVG NRW, U.v.21.9.2018 – OVGNRW 2 A 1821/15 – juris Rn. 33, 34)
3.2 Unabhängig vom Willen des Normgebers wäre eine Befreiung zu erteilen, wenn dies zur verfassungskonformen Auslegung des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags erforderlich wäre. Durch die infolge der Nichtannahme eines Härtefalls abgelehnte Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht wird der Kläger aber auch nicht in seiner Gewissensfreiheit verletzt.
Die Erhebung des Rundfunkbeitrags verstößt nicht gegen die mit Art. 4 Abs. 1 GG. gewährleistete Glaubens- und Gewissensfreiheit. Da die Zahlung einer Abgabe wie des Rundfunkbeitrags als solche nicht mit der Äußerung eines weltanschaulichen oder religiösen Bekenntnisses verbunden ist, wird schon der Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 GG sowie des Art. 9 Europäische Menschenrechtskonvention durch die Beitragserhebung als solche nicht tangiert (OVG Berlin-Bbg, B.v. 5.2.2019 – OVG 11 N 88.15 – juris Rn. 20).
Bereits seit geraumer Zeit ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt, dass die Pflicht zur Steuerzahlung den Schutzbereich des Grundrechts der Gewissensfreiheit nicht berührt, da es aufgrund der strikten Trennung zwischen steuerlicher Staatsfinanzierung und haushaltsrechtlicher Verwendungsentscheidung für den einzelnen Steuerpflichtigen weder rechtserheblich noch ersichtlich sei, für welchen konkreten Verwendungszweck innerhalb der verschiedenen Haushalte seine Zahlungen dienen (vgl. BVerfG, B.v. 26.8.1992 – 2 BvR 478/92 – NJW 1993, 455).
Diese Rechtsprechung lässt sich auf den Rundfunkbeitrag übertragen, auch wenn es sich hierbei nicht um eine Steuer im abgabenrechtlichen Sinn handelt, da ihr entnommen werden kann, dass der Schutzbereich der Gewissensfreiheit nur so weit wie der eigene Verantwortungsbereich des Grundrechtsträgers reicht (vgl. auch BVerfG, B.v. 18.04.1984 – 1 BvL 43/81 – BVerfGE 67, 26). Entscheidend ist damit nicht, dass die Entscheidung über die Verwendung der Mittel – wie bei der Steuer – gerade einem Bundes- oder Landesparlament überantwortet ist, sondern dass sie dem konkreten Abgabenschuldner entzogen ist. Dies ist auch beim Rundfunkbeitrag der Fall, über dessen Verwendung die jeweilige Landesrundfunkanstalt nach Maßgabe der Bestimmungen des Rundfunkfinanzierungsstaatvertrags und der jeweiligen Errichtungsgesetze der Rundfunkanstalten (für den Beklagten das Gesetz über die Errichtung und die Aufgaben einer Anstalt des öffentlichen Rechts „Der Bayerische Rundfunk“ – BayRG) entscheidet und hierfür selbst den Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG genießt. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass der Beklagte seine Einnahmen und Ausgaben gem. Art. 13 BayRG in einen Haushaltsplan einzustellen hat (Abs. 1). Dieser wird vom Verwaltungsrat, dem die Landtagspräsidentin als Vorsitzende angehört (Art. 9 Abs. 2 BayRG), geprüft und bedarf außerdem der Genehmigung des Rundfunkrates, der sich aus Vertretern „bedeutsamer politischer, weltanschaulicher und gesellschaftlicher Gruppen“ nach Maßgabe des Art. 6 Abs. 2, 3 BayRG zusammensetzt. Der Jahresabschluss des Beklagten wird vom Obersten Rechnungshof geprüft (Art. 13 Abs. 2 BayRG), der über das Ergebnis wiederum dem Bayerischen Landtag berichtet (Abs. 4).
Der vom Kläger im Ergebnis behauptete Missbrauch der Stellung des Rundfunks durch einseitige und teilweise unrichtige Berichterstattung würde sich, wäre er gegeben, nur in der konkreten Programmgestaltung realisieren. Die Entscheidung über die Programmgestaltung liegt aber gerade nicht im Verantwortungsbereich des Klägers. Es wird zwar der Rundfunkbeitrag, insoweit anders als die Steuer, zu dem konkreten Zweck der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erhoben, jedoch steht nicht fest, für welche Programme und Programminhalte der konkrete Beitrag des Schuldners verwendet wird. Folglich kann der Beitragsschuldner, der sich wie der Kläger hier auf seine Glaubens- und Gewissensfreiheit beruft, nicht davon ausgehen, dass sein konkreter Beitrag für Sendungen verwendet wird, deren Inhalt er ablehnt (vgl. OVG Berlin-Bbg, B.v. 5.2.2019 – OVG 11 N 88.15 – juris Rn. 20).
3.3. Selbst wenn man entgegen der dargestellten Ansicht von einem Eingriff ausgehen wollte, wäre Art. 4 Abs. 1 GG durch die Verpflichtung zur Zahlung des Rundfunkbeitrags nicht verletzt. Das Grundrecht unterliegt zwar keinem Gesetzesvorbehalt. Nach dem Grundsatz der Einheit der Verfassung können den Freiheiten des Art. 4 GG aber durch andere Bestimmungen des Grundgesetzes Grenzen gezogen werden. Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses findet insbesondere dort ihre Grenzen, wo die Ausübung dieses Grundrechts durch einen Grundrechtsträger auf die kollidierenden Grundrechte anderer trifft. In diesem Sinn stellt Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, der die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk gewährleistet, kollidierendes Verfassungsrecht dar. Dieser verfassungsrechtlich gewährleistete Schutz der Rundfunkfreiheit erstreckt sich auf das Recht der bestehenden Rundfunkanstalten, der ihrem Auftrag entsprechenden Vielfalt der zu vermittelnden Programminhalte Rechnung zu tragen. Folglich ist eine Finanzierung notwendig, die es dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk ermöglicht, diese ihm zukommende Funktion zu erfüllen. In dieser Sicherstellung der Grundversorgung der Bevölkerung mit Rundfunkprogrammen findet sich die Rechtfertigung für die Finanzierung über Rundfunkbeiträge. Das Grundrecht des Klägers aus Art. 4 Abs. 1 GG müsste also im Hinblick auf die große Bedeutung, die der Rundfunkfreiheit und der damit verbundenen Meinungsvielfalt in einem demokratischen Staat zukommt, auch dann zurücktreten, wenn – wie hier nicht – von einem Eingriff auszugehen wäre (vgl. zu alledem OVG Berlin-Bbg, B.v. 5.2.2019 – OVG 11 N 88.15 – juris Rn. 20 sowie OVG RhPf, B.v. 21.12.2018 – 7 A 10740/18 – juris Rn. 10).
4. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. Zivilprozessordnung – ZPO.


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