IT- und Medienrecht

Ablehnung des Erlasses einer eA: Beschränkung der Einkaufsmöglichkeit eines Gefangenen auf Nutzung eines Bestellzettels anstelle des Sichteinkaufs stellt keinen eine eA rechtfertigenden schweren Nachteil dar

Aktenzeichen  2 BvQ 56/10

Datum:
23.8.2010
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Ablehnung einstweilige Anordnung
ECLI:
ECLI:DE:BVerfG:2010:qk20100823.2bvq005610
Normen:
GG
§ 32 Abs 1 BVerfGG
StVollzG
Spruchkörper:
2. Senat 3. Kammer

Gründe

1
Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall – auch schon vor Anhängigkeit eines Verfahrens in
der Hauptsache – einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur
Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist.

2
Für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer einstweiligen Anordnung nach § 32 BVerfGG ist ein strenger Maßstab anzulegen
(vgl. BVerfGE 93, 181 ). Dies gilt nicht nur im Hinblick darauf, dass einstweilige Anordnungen des Bundesverfassungsgerichts
weittragende Folgen haben können (vgl. BVerfGE 3, 41 ; stRspr), sondern auch im Hinblick auf die besondere Funktion und
Organisation des Bundesverfassungsgerichts. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 32 BVerfGG ist – anders
als der von Art. 19 Abs. 4 GG geprägte vorläufige Rechtsschutz im fachgerichtlichen Verfahren – nicht darauf angelegt, möglichst
lückenlosen vorläufigen Rechtsschutz zu bieten (vgl. BVerfGE 94, 166 ; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten
Senats vom 3. November 1999 – 2 BvR 2039/99 -, NJW 2000, S. 1399 ). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das
Bundesverfassungsgericht kommt danach nur unter wesentlich engeren Voraussetzungen in Betracht als die Gewährung vorläufigen
Rechtsschutzes durch die Fachgerichte. Insbesondere sind, wenn eine einstweilige Anordnung zur Abwendung eines geltend gemachten
schweren Nachteils erstrebt wird, erheblich strengere Anforderungen an die Schwere des Nachteils zu stellen (vgl. BVerfG,
Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Februar 2009 – 2 BvQ 7/09 -, juris).

3
Der Antragsteller hat nicht dargelegt, dass nach dem anzulegenden strengen Maßstab der Erlass einer einstweiligen Anordnung
dringend geboten wäre.

4
Der Antragsteller, der geltend macht, in eigener Person krankheitsbedingt am sogenannten Sichteinkauf nur unter Schmerzen
teilnehmen zu können, trägt nicht vor und es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass ihm neben der Möglichkeit, im Wege der
Beauftragung eines Mitgefangenen am sogenannten Sichteinkauf teilzunehmen, auch der Einkauf über einen Bestellzettel verwehrt
würde. Vielmehr hat das Landgericht in seiner Eilentscheidung darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer die Möglichkeit
habe, “unter den von der Antragsgegnerin vorgegebenen Modalitäten am Einkauf teilzunehmen”. Der Beschwerdeführer erläutert
nicht, um welche Modalitäten es sich dabei handelt. Auf dieser Grundlage kann von einem dem Beschwerdeführer drohenden derart
schweren Nachteil, dass ein Eingreifen des Bundesverfassungsgerichts in Betracht käme, nicht ausgegangen werden. In der vorübergehenden
Beschränkung auf die Möglichkeit des Bestelleinkaufs liegt ein solcher Nachteil nicht. Zwar kann es als nachteilig angesehen
werden, dass beim Einkauf über einen Bestellzettel die Auswahl der konkreten Waren nach Maßgabe des Bestellzettels nicht durch
eine Vertrauensperson des Beschwerdeführers erfolgt, während im Falle des Sichteinkaufs durch eine beauftragte Vertrauensperson
dieser die Möglichkeit eingeräumt werden kann, innerhalb der Bestellvorgaben des Beschwerdeführers gewisse Auswahlentscheidungen
zu treffen. Dieser Nachteil erreicht jedoch offensichtlich nicht entfernt die Schwere, die ein Eingreifen des Bundesverfassungsgerichts
im Wege der einstweiligen Anordnung rechtfertigen würde.

5
Der Beschwerdeführer wird für etwaige künftige Verfahren auf die Möglichkeit der Verhängung einer Missbrauchsgebühr (§ 34
Abs. 2 BVerfGG) hingewiesen.

6
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.


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