IT- und Medienrecht

Abschleppen von Behindertenparkplatz

Aktenzeichen  M 7 K 16.3387

Datum:
3.8.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
PAG Art. 9 Abs. 2, Art. 25 Nr. 1, Art. 28 Abs. 3, Art. 76

 

Leitsatz

1. Bei unberechtigtem Parken auf einem Behindertenparkplatz ist eine Abschleppmaßnahme auch dann verhältnismäßig, wenn kein Berechtigter am Parken gehindert wird (Fortführung von VG München BeckRS 2016, 52435 mwN). (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Hinterlegen einer Parklizenz bzw. einer Visitenkarte hinter der Windschutzscheibe eines verbotswidrig abgestellten Fahrzeugs begründet schon deshalb keine polizeiliche Nachforschungspflicht, weil damit kein aktueller zeitlicher und örtlicher Situationsbezug hergestellt wird. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Anfechtungsklage gegen den Kostenbescheid des Beklagten ist unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der Beklagte hat den Kläger auf der Grundlage von Art. 28 Abs. 3 Satz 1 bzw. Art. 9 Abs. 2, Art. 76 PAG i.V.m. Artikel 1 Abs. 1, Art. 10 Abs. 1 Nr. 5 Kostengesetz, § 1 Polizeikostenverordnung (PolKV) zu Recht für die Kosten der tatsächlich erfolgten Abschleppmaßnahme des klägerischen Fahrzeugs am 7. April 2016 in Anspruch genommen.
Ausweislich der Angaben der Polizeivollzugsbeamten vor Ort i.V.m. den im Behördenakt befindlichen Lichtbildern parkte das klägerische Fahrzeug am 7. April 2016 auf einem Sonderpark Platz für Schwerbehinderte mit Sonderparkausweis. Ein entsprechender Sonderparkausweis befand sich jedoch nicht im Fahrzeug. Dadurch wurde der Tatbestand einer Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 24 StVG i.V.m. § 49 Abs. 3 Nr. 5, § 42 Abs. 2 StVO verwirklicht. Zudem bestand die Gefahr einer Behinderung der Leichtigkeit und Sicherheit im Straßenverkehr sowie dahingehend, dass tatsächlich Berechtigte daran gehindert waren, den Sonderpark Platz entsprechend zu nutzen.
Entgegen des klägerischen Vorbringens war die polizeiliche Abschleppmaßnahme verhältnismäßig, selbst wenn kein Berechtigter konkret an der Benutzung des Behindertenparkplatzes gehindert gewesen wäre und obwohl die Polizei bis zur Anordnung des Abschleppens (nur) knapp eine Viertelstunde wartete und hinter der Windschutzscheibe eine Visitenkarte der Ehefrau des Klägers und die Parklizenz der klägerischen Kanzlei gelegt waren.
Es entspricht der ständigen allgemeinen Rechtsprechung sowie der allgemeinen Auffassung in der Literatur, dass eine Abschleppmaßnahme bei unberechtigtem Parken auf einem Behindertenpark Platz auch dann verhältnismäßig ist, wenn tatsächlich kein Berechtigter am Parken gehindert wird (BayVGH, B.v. 11.7.1988 – 21 B 88.00504 – juris, BayVGH, B.v. 29.1.1996 – 24 B 94.1712 – juris., VG München, U.v. 9.12.2015 – M 7 K 15.3547 – juris., Schmidbauer/Steiner, Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, 4. Aufl. 2014, Art. 25 Rn. 115 m.w.N.). Insofern bestand auch keine grundsätzliche Notwendigkeit der Polizei im Rahmen der Verhältnismäßigkeitserwägungen, eine bestimmte festgelegte Wartezeit verstreichen zu lassen, bis die Abschleppmaßnahme angeordnet wurde.
Durch die Hinweise auf den Kläger mit der auf der Parklizenz angegebenen Rechtsanwaltskanzlei bzw. der hinter die Windschutzscheibe gelegten Visitenkarte der Ehefrau des Klägers mit deren Kontaktdaten in ihrer Rechtsanwaltskanzlei ergab sich keine Nachforschungspflicht für die Polizei. Die Polizei ist grundsätzlich nicht verpflichtet, vor Einleitung eines Abschleppvorgangs zunächst zu versuchen, den Halter zu ermitteln und informieren (std. Rspr., siehe u. a. BayVGH, U.v. 16.1.2001 – 24 B 99.1571 – juris Rn. 36, BayVGH, U. v. 22.2.2001 – 24 B 99.3318 – juris Rn. 39, BayVGH, B.v. 13.8.2003 – 24 ZB 03.1149 – juris Rn. 6). Ein Benachrichtigung des Halters könnte aus Verhältnismäßigkeitserwägungen dann in Betracht kommen, wenn sich dieser geradezu in greifbarer Nähe, somit in unmittelbarer Ruf- oder Sichtweite seines Fahrzeugs aufzuhalten erscheint (BayVGH, U.v. 16.1.2001 – 24 B 99.1571 – juris Rn. 36, BayVGH, U.v. 16.12.1998 – 24 B 98.1968 – juris Rn. 24). Das Hinterlegen einer Telefonnummer zur Erreichbarkeit, auch einer Mobilfunknummer, reicht dabei grundsätzlich nicht aus, die Polizei zu entsprechenden Erreichbarkeitsversuchen bzw. Nachforschungen zu veranlassen (BVerwG, B.v. 18.2.2002 – 3 B 149/01 – juris Rn. 7, BayVGH B.v. 1.12.2000 – 19 ZB 09.2367 – juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 13.8.2003 – 24 ZB 03.1149 – juris Rn. 6, VG München, U.v. 19.12.2016 – M 7 K 16.3701 – juris Rn. 20). Dem liegt zugrunde, dass das Hinterlegen einer Adresse oder Telefonnummer, z. B. durch eine Visitenkarte, mit ungewissen Erfolgsaussichten bezüglich der Erreichbarkeit des Fahrzeugführers einhergeht und weitere nicht abzusehende Verzögerungen entstehen könnten (BVerwG a.a.O.). Auch die Rechtsprechung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts sieht die Polizei nach den Umständen eines Einzelfalls zu einem Nachforschungsversuch nur dann als verpflichtet an, wenn mit dem Hinweis auf den Aufenthalt bzw. die Erreichbarkeit des Fahrers unter einer bestimmten Anschrift im unmittelbaren Nahbereich des Abstellorts des Fahrzeugs auch gleichzeitig erkennbar gemacht wurde, dass sich der Fahrer aktuell an dem angegebenen Ort befindet. Ein Hinweiszettel, der für eine Vielzahl von Situationen verbotswidrigen Parkens passe, liefere einen solchen aktuellen zeitlichen Situationsbezug nicht (Hamburg. OVG, U.v. 22.2.2005 – 3 BF 25/02 – juris Leitsatz 2 und Rn. 40, Hamburg. OVG, U.v. 14.8.2001 – 3 BF 429/00 – juris Leitsatz und Rn. 31ff.). Dem liegt zugrunde, dass – wie vorliegend – das Hinterlegen einer Visitenkarte hinter der Windschutzscheibe oder eines allgemeinen situationsübergreifenden Hinweiszettels gerade keinen Anlass für die Annahme liefert, dass der Fahrzeugführer imstande wäre, die bestehende Gefahr unverzüglich selber zu beseitigen, sodass es keiner Abschleppmaßnahme bedürfte. Durch die Visitenkarte der Ehefrau des Klägers konnte die Polizei vor Ort nicht entnehmen, dass tatsächlich in der – nicht in unmittelbarer Nähe befindlichen – Kanzlei der Ehefrau des Klägers deren Erreichbarkeit zum fraglichen Zeitpunkt gegeben gewesen und sie auch imstande gewesen wäre, das Fahrzeug unverzüglich wegzufahren.
Die Abschleppmaßnahme war somit rechtmäßig, insbesondere verhältnismäßig.
Gegen die Höhe der dem Kläger auferlegten Kosten bestehen ebenfalls keine Bedenken. Insoweit wird auf die Ausführungen des Beklagten in der Klageerwiderung Bezug genommen (vgl. zur Rechtmäßigkeit einer Amtshandlungsgebühr i.H.v. 54,00 Euro und einer Tagesgebühr i.H.v. 9,00 Euro auch VG München U.v. 9.12.2015 – M 7 K 15.3547 – juris –). Im Übrigen fehlt es insoweit an jeglicher klägerischer Begründung.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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