IT- und Medienrecht

Abschleppmaßnahme als unmittelbare Ausführung bei einem in einem absoluten Halteverbot abgestellten Fahrzeug

Aktenzeichen  M 7 K 15.4567

Datum:
13.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayPAG BayPAG Art. 4, Art. 5, Art. 9, Art. 25 Nr. 1, Art. 28 Abs. 3, Art. 76
StVO StVO § 1, § 41 Abs. 1, Abs. 2 S. 3, § 49 Abs. 3 Nr. 4
Anlage 2 zur StVO Nr. 61, Nr. 62
StVG StVG § 24
BayKG BayKG Art. 1 Abs. 1, Art. 10 Abs. 1 Nr. 5
BayPolKV BayPolKV § 1

 

Leitsatz

Verwaltungsakte in Form von Verkehrszeichen sind bekannt gemacht, wenn sie so aufgestellt sind, dass sie für die Verkehrsteilnehmer, an die sie sich richten, bei Anlegung des von § 1 StVO vorgegebenen Sorgfaltsmaßstabes ohne Weiteres wahrgenommen werden können; ob die Betroffenen das Verkehrszeichen tatsächlich gesehen haben, ist unerheblich. (redaktioneller Leitsatz)
An die Sichtbarkeit von Verkehrszeichen, die den ruhenden Verkehr betreffen, sind dabei niedrigere Anforderungen zu stellen als an solche für den fließenden Verkehr. In Bezug auf Einschränkungen des Parkens und Haltens ist ein Verkehrsteilnehmer grundsätzlich verpflichtet, sich nach etwa vorhandenen Verkehrszeichen mit Sorgfalt umzusehen und sich über den örtlichen und zeitlichen Geltungsbereich eines mobilen Halteverbotsschildes zu informieren (vgl. OVG Münster BeckRS 2015, 40605). (redaktioneller Leitsatz)
Die Polizei darf ein Fahrzeug, das in einem absoluten Halteverbot steht, sofort abschleppen lassen (vgl. VGH München BeckRS 2002, 26821). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
Der Leistungsbescheid des Beklagten vom 19. September 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO -). Der Beklagte hat zu Recht vom Kläger die Kosten für die veranlasste Abschleppmaßnahme erhoben.
Rechtsgrundlage für die Erhebung der Kosten der Abschleppmaßnahme sind Art. 9 Abs. 2 Satz 1, Art. 28 Abs. 3 Satz 1, Art. 76 Polizeiaufgabengesetz (PAG) i. V. m. Art. 1 Abs. 1, Art. 10 Abs. 1 Nr. 5 Kostengesetz (KG), § 1 Polizeikostenverordnung (PolKV). Danach setzt die Kostenerhebung voraus, dass die Polizei anstelle des Verantwortlichen eine Maßnahme selbst oder durch einen Beauftragten unmittelbar ausgeführt hat und die abgerechneten Kosten dafür angefallen sind. Weiter besteht Einigkeit darüber, dass die Kostenerhebung auch davon abhängt, dass die Polizeimaßnahme rechtmäßig gewesen ist (vgl. BayVGH, U. v. 17.4.2008 – 10 B 08.449 – BayVBl 2009, 21).
Die Voraussetzungen der unmittelbaren Ausführung einer Sicherstellung des Kraftfahrzeuges (Art. 9 Abs. 1 i. V. m. Art. 25 Nr. 1 PAG) lagen vor. Das Fahrzeug des Klägers stand am 19. September 2015 unter Verwirklichung des objektiven Tatbestandes einer Verkehrsordnungswidrigkeit gemäß § 24 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i. V. m. § 49 Abs. 3 Nr. 4, § 41 Abs. 1 Straßenverkehrsordnung (StVO) i. V. m. Anlage 2 lfd. Nr. 62 Zeichen 283 zur StVO im absoluten Haltverbot. Die Beschilderung war entgegen der Auffassung des Klägers ordnungsgemäß angebracht, ihr Inhalt eindeutig und ihr Regelungsgehalt damit vom Kläger zu befolgen.
Verwaltungsakte in Form von Verkehrszeichen sind bekannt gemacht, wenn sie so aufgestellt sind, dass sie für die Verkehrsteilnehmer, an die sie sich richten, bei Anlegung des von § 1 StVO vorgegebenen Sorgfaltsmaßstabes ohne weiteres wahrgenommen werden können, wobei unerheblich ist, ob die Betroffenen das Verkehrszeichen tatsächlich gesehen haben. Hierbei sind an die Sichtbarkeit von Verkehrszeichen, die den ruhenden Verkehr betreffen, niedrigere Anforderungen zu stellen als an solche für den fließenden Verkehr. Einen Verkehrsteilnehmer, der sein Kraftfahrzeug abstellt, treffen dementsprechend andere Sorgfalts- und Informationspflichten hinsichtlich der Beschilderung als einen Teilnehmer am fließenden Verkehr. In Bezug auf Einschränkungen des Parkens und Haltens ist ein Verkehrsteilnehmer grundsätzlich verpflichtet, sich nach etwa vorhandenen Verkehrszeichen mit Sorgfalt umzusehen und sich über den örtlichen und zeitlichen Geltungsbereich eines mobilen Haltverbotsschildes zu informieren (vgl. OVG Hamburg, U. v. 30.6.2009 – 3 Bf 408/07 – juris Rn. 33 m. w. N.; OVG NRW, B. v. 20.6.2014 – 5 A 1435/13 – juris Rn. 6). Entsprechend war für den Kläger beim Abstellen seines Fahrzeuges deutlich erkennbar, dass hier ein absolutes Haltverbot bestand. Für den kurzen Straßenabschnitt waren drei Haltverbotsschilder vorübergehend angebracht worden. Der Kläger hatte sein Fahrzeug mit Blickrichtung auf den Gehsteig zwischen dem linken und mittleren Verbotsschild abgestellt. Auch wenn an den Stangen jeweils mehrere Hinweise bzw. Gebote und Verbote angebracht waren, waren diese beim Aussteigen und ruhigen Betrachten gut zu verstehen. Soweit der Kläger vorgetragen hat, dass für ihn nicht erkennbar gewesen sei, dass die Haltverbotsschilder das zulässige Parken für Anwohner außer Kraft gesetzt hätten, ist in der StVO geregelt, dass vorübergehend angeordnete Halteverbote durch Zeichen 283 Verkehrszeichen oder Markierungen aufheben, die das Parken erlauben (vgl. lfd. Nr. 61 der Anlage 2 zur StVO). Weiter enthalten gemäß § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO Zusatzzeichen zu Haltverboten nur allgemeine Beschränkungen der Verbote oder allgemeine Ausnahmen von ihnen. Das bedeutet, dass sich die Zusatzzeichen „Rikschas frei“ und „vom 19.9.2015 mit 4.10.2015“ nur auf das angeordnete Haltverbot bezogen und nicht die Zeiteingrenzung auf das Zusatzschild „Rikschas frei“.
Das Abschleppen des klägerischen Fahrzeugs war ermessensfehlerfrei (Art. 5 PAG) und verhältnismäßig (Art. 4 PAG). Die Polizei darf ein Fahrzeug, das in einem absoluten Haltverbot steht, sofort abschleppen lassen (vgl. BayVGH, B. v. 6.8.2002 – 24 ZB 01.2666 – juris Rn. 4). Auch das der Anordnung des Haltverbots zugrundeliegende Sicherheitskonzept erfordert ein unverzügliches Handeln der Polizei.
Die Kostenerhebung entspricht auch der Billigkeit (vgl. Art. 76 Satz 4 PAG). Insbesondere ist die straßenverkehrsrechtliche Änderung mit einer ausreichenden Vorlaufzeit angekündigt worden. Die vorübergehend geltenden Haltverbotsschilder sind vorliegend rechtzeitig – sogar mehr als drei volle Tage vor dem angeordneten Verbot – aufgestellt worden (vgl. BayVGH, U. v. 17.4.2008 – 10 B 08.449 – BayVBl 2009, 21). Zusätzlich wurde – wie jedes Jahr – frühzeitig in der Presse darauf hingewiesen, dass sich Autofahrer und Anwohner der Theresienwiese während der Oktoberfestzeit wieder auf erhebliche Behinderungen und Beschränkungen einstellen müssen.
Der Kläger war als Halter und Fahrer des Fahrzeuges der richtige Adressat des Kostenbescheides. Einwendungen gegen die Kostenhöhe wurden nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 268,65 festgesetzt (§ 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz -GKG-).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,– übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.


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