IT- und Medienrecht

Abwägung des Informationsinteresses der Presse mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung und der Freiheit des Mandats eines Landtagsabgeordneten

Aktenzeichen  7 B 16.454

Datum:
24.11.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BayVBl – 2017, 230
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayPrG Art. 4
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 S. 2
BayLV Art. 13 Abs. 2, Art. 100, Art. 101
BayAbgG Art. 4a Abs. 3, Art. 6 Abs. 7 aF, Art. 8
Gesetz zur Änderung des bayerischen Abgeordnetengesetzes vom 8. Dezember 2000 (GVBl. S. 792) § 2 S. 2

 

Leitsatz

1. Zur Abwägung des Informationsinteresses der Presse mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung und der Freiheit des Mandats eines Landtagsabgeordneten im Einzelfall (amtlicher Leitsatz)
2 Eine “Verschwiegenheitspflicht” iSv Art. 4 Abs. 2 S. 2 BayPrG kann sich auch daraus ergeben, dass die Beantwortung einer Anfrage im Einzelfall Grundrechte Dritter berührt. Widerstreitende und grundsätzlich gleichberechtigt nebeneinander stehende verfassungsrechtlich geschützte Interessen sind, wenn konkrete normative Vorgaben fehlen, in einer die Umstände des Einzelfalls berücksichtigenden Weise auszugleichen. (redaktioneller Leitsatz)
3 Mit dem verfassungsrechtlichen Schutz der Presse (Art. 5 Abs. 1 GG) ist es nicht vereinbar, die Durchsetzung ihres Informationsanliegens von einer staatlichen Inhaltsbewertung abhängig zu machen. Eine Bewertung und Gewichtung des Informationsinteresses der Presse kommt im Rahmen der Abwägung damit grundsätzlich nicht in Betracht. (redaktioneller Leitsatz)
4 Bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass ein Landtagsabgeordneter bei der Geltendmachung einer Kostenerstattung gegenüber dem Land für die Beschäftigung seines Ehegatten rechtliche Grenzen überschritten hat, so stehen das Recht des Ehegatten auf informationelle Selbstbestimmung und die Freiheit des Abgeordnetenmandats (Art. 13 Abs. 2 BayLV) einer Auskunft der Landtagspräsidentin gegenüber der Presse über das vom Ehegatten aus seiner Tätigkeit für den Abgeordneten bezogene monatliche Bruttogehalt entgegen. (redaktioneller Leitsatz)
5 Die “Altfallregelung” für die Beschäftigung von Familienangehörigen durch Abgeordnete nach § 2 S. 2 des Gesetzes zur Änderung des Bayerischen Abgeordnetengesetzes vom 8. Dezember 2000 (GVBl. S. 792) ist nicht zum 1. Juli 2004, sondern erst mit Wirkung ab 1. Juni 2013 aufgehoben worden. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 10 K 13.4759 2015-04-16 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I.Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 16. April 2015 wird abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
II.Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III.Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.Die Revision wird zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Beklagten hat Erfolg.
1. Der Kläger hat gegenüber dem Beklagten keinen Anspruch auf die von ihm begehrte presserechtliche Auskunft. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts müssen bei der gebotenen Abwägung der widerstreitenden gegenläufigen Interessen die schutzwürdigen Interessen der Beigeladenen nicht hinter dem Informationsinteresse der Presse zurücktreten.
a) Das Verwaltungsgericht geht zu Recht davon aus, dass der Kläger den von ihm geltend gemachten Auskunftsanspruch grundsätzlich auf Art. 4 des Bayerischen Pressegesetzes (BayPrG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. April 2000 (GVBl S. 340; BayRS 2250I), zuletzt geändert durch Verordnung vom 22. Juli 2014 (GVBl S. 286), stützen kann. Danach hat die Presse gegenüber Behörden ein Recht auf Auskunft, dass sie durch ihre Redakteure ausüben kann (Art. 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 BayPrG). Die Auskunft darf nur verweigert werden, wenn aufgrund gesetzlicher Vorschriften eine Verschwiegenheitspflicht besteht (Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayPrG).
Zutreffend geht das Verwaltungsgericht weiter davon aus, dass sich „Verschwiegenheitspflichten” im Sinne des Gesetzes mit der Folge einer Begrenzung des presserechtlichen Auskunftsanspruchs daraus ergeben können, dass die Beantwortung einer Anfrage im Einzelfall Grundrechte Dritter, vorliegend das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Beigeladenen, ergänzt durch die ebenfalls verfassungsrechtlich geschützte Freiheit des Abgeordnetenmandats im Fall des Beigeladenen zu 1, berührt. Widerstreitende und grundsätzlich gleichberechtigt nebeneinander stehende verfassungsrechtlich geschützte Interessen sind, wenn wie hier konkrete normative Vorgaben fehlen, in einer die Umstände des Einzelfalls berücksichtigenden Weise auszugleichen. Im gerichtlichen Verfahren ist deshalb abzuwägen, ob dem verfassungsrechtlich aufgrund der Pressefreiheit gewährleisteten Informationsinteresse des Klägers oder dem ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Interesse der Beigeladenen, keine Auskunft über ihre personenbezogenen Daten zu erteilen, der Vorzug zu geben ist.
b) Im Rahmen der gebotenen Abwägung kommt dabei eine Bewertung und Gewichtung des Informationsinteresses der Presse grundsätzlich nicht in Betracht. Mit dem verfassungsrechtlichen Schutz der Presse (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) ist es nicht vereinbar, die Durchsetzung ihres Informationsinteresses von einer staatlichen Inhaltsbewertung des Informationsanliegens abhängig zu machen. Die Presseentscheidet selbst, was sie des öffentlichen Interesses für Wert hält und was nicht. Es ist daher Sache der Presse, selbst zu beurteilen, welche Informationen sie benötigt, um ein bestimmtes Thema zum Zweck einer etwaigen Berichterstattung aufzubereiten (vgl. BVerwG, U.v. 16.3.2016 – 6 C 65/14 – juris Rn. 18 f.). Es ist deshalb für die gerichtliche Entscheidung unerheblich, welchen Zweck der Kläger mit der von ihm begehrten Auskunft verfolgt und ob die Auskunft geeignet ist, diesen zur Begründung des Auskunftsbegehrens genannten Zweck zu erfüllen.
c) Der Schutz des Einzelnen vor unbefugter Weitergabe seiner personenbezogenen Daten ist vom Recht auf informationelle Selbstbestimmung als einer Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG; Art. 100, 101 Bayerische Verfassung – BV) erfasst (grundlegend BVerfG, U.v. 15.12.1983 – 1 BvR 209/83 u.a. – BVerfGE 65, 1/43; BayVGH, U.v. 7.8.2006 – 7 BV 05.2582 – VGH n.F. 59, 196/204). Dieses Grundrecht gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte, zu denen auch die Höhe der zwischen den Beigeladenen individuell vereinbarten Arbeitsvergütung für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 2 zur Unterstützung der parlamentarischen Arbeit ihres Ehemannes im häuslichen Abgeordnetenbüro gehört, offenbart werden. Dieser Schutz ist entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht dadurch gemindert, dass der Beigeladene zu 1 das Mandat eines Landtagsabgeordneten innehatte. Gerade die Freiheit des Abgeordnetenmandats gewährleistet dem Mitglied des Bayerischen Landtags, der als Vertreter des Volkes nur seinem Gewissen verantwortlich und nicht an Aufträge gebunden ist (Art. 13 Abs. 2 BV), die Freiheit, im Rahmen der Gesetze selbst darüber zu entscheiden, welche Personen seines Vertrauens er nach der von ihm bestimmten Art und Weise zur Unterstützung seiner parlamentarischen Arbeit heranzieht und nach welchen Kriterien und in welcher Höhe er diese Tätigkeit vergütet. Der Landtagsabgeordnete entscheidet im Rahmen der geltenden Gesetze ebenso frei darüber, ob er Informationen in diesem Lebensbereich, der ihn sowohl als Privatperson wie auch als Landtagsabgeordneten betrifft, der Öffentlichkeit zugänglich macht oder nicht.
d) Die Beigeladenen müssen im vorliegenden Fall eine unbefugte Weitergabe ihrer personenbezogenen Daten nicht hinnehmen. Sie sind weder aufgrund gesetzlicher Vorgaben noch aus sonstigen Gründen in der Schutzwürdigkeit ihres rechtlichen Interesses eingeschränkt.
aa) Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung kann im überwiegenden Allgemeininteresse auf gesetzlicher Grundlage, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar erkennbar ergeben und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, eingeschränkt werden (vgl. BayVGH, B.v. 14.5.2012 – 7 CE 12.370 – VGH n.F. 65, 93 ff. m.w.N.). Eine derartige gesetzliche Vorgabe besteht vorliegend jedoch nicht.
Zwar enthält das Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Bayerischen Landtags (Bayerisches Abgeordnetengesetz – BayAbgG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. März 1996 (GVBl S. 82; BayRS 1100I), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. Mai 2015 (GVBl S. 82), unter anderem Bestimmungen, welche die Verpflichtung des Abgeordneten zur Anzeige und Veröffentlichung persönlicher Verhältnisse, etwa zur Art und Höhe bestimmter Einkünfte, regeln (vgl. Art. 4a Abs. 3 Nr. 1 BayAbgG). Eine ähnliche Regelung sieht das Gesetz jedoch im Hinblick auf die Kosten, die einem Mitglied des Landtags zur Unterstützung seiner parlamentarischen Arbeit im Hinblick auf Arbeits-, Dienst- und Werkverträge entstanden sind und deren Erstattung das Mitglied gegenüber dem Landtagsamt geltend macht, nicht vor. Öffentlich bekannt sind lediglich die Erstattungshöchstbeträge, bis zu deren Höhe ein Landtagsabgeordneter im Rahmen des Art. 8 BayAbgG (bis zum 30. Juni 2004: Art. 6 Abs. 7 BayAbgG a.F.) Kostenerstattungen verlangen kann, nicht jedoch die näheren persönliche Lebenssachverhalte, zu denen gehört, welche Kosten dem Abgeordneten in Bezug auf einzelne Mitarbeiter entstanden sind und inwieweit und in welcher Art diese Mitarbeiter Leistungen zur Unterstützung der parlamentarischen Arbeit erbracht haben. In diesem Bereich lässt der Gesetzgeber den Schutz personenbezogener Daten und die Freiheit des Mandats des Landtagsabgeordneten somit nicht hinter das Allgemeininteresse nach „erhöhter Transparenz” bei der Verwendung öffentlicher Mittel zurücktreten.
bb) Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Schutzwürdigkeit der personenbezogenen Daten der Beigeladenen unter Berücksichtigung der Freiheit des Mandats des Beigeladenen zu 1 auch nicht aus sonstigen Gründen eingeschränkt. Insbesondere gibt es keine konkreten Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Beigeladenen die ihnen gesteckten gesetzlichen Grenzen bei der Inanspruchnahme der einschlägigen Kostenerstattungsregelungen überschritten hätten.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann die Schutzwürdigkeit personenbezogener Daten eines einzelnen Abgeordneten oder einer Gruppe von Abgeordneten dem Informationsinteresse der Presse nicht entgegengehalten werden, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese Abgeordneten die rechtlichen Grenzen bei der Inanspruchnahme der ihnen zustehenden Leistungen überschreiten. Bei einer Gruppe von Abgeordneten müssen zumindest konkrete Anhaltspunkte für einen in dieser Gruppe verbreiteten Missbrauch festgestellt werden können (vgl. hierzu z.B. BVerwG, U.v. 16.3.2016 – 6 C 65/14 – NVwZ 2016, 1020 ff.).
Der Beigeladene zu 1 gehört zur Gruppe der – von der Präsidentin des Bayerischen Landtags im Mai 2013 namentlich bekanntgegebenen – 79 Landtagsabgeordneten, die aufgrund einer sie begünstigenden gesetzlichen „Altfallregelung” zur fortbestehenden Erstattungsfähigkeit von Verträgen mit Ehegatten (und anderen nahen Familienangehörigen), die vor dem 1. Dezember 2000 bestanden haben, entsprechende Kostenerstattungen hierfür gegenüber dem Landtagsamt geltend gemacht haben. Diese Kostenerstattungen haben allerdings dem geltenden Recht entsprochen. Der Beigeladene zu 1 gehört – wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist -nicht zum Kreis der 16 Abgeordneten, die noch kurz vor der am 1. Dezember 2000 in Kraft getretenen und die Erstattungsfähigkeit von Verträgen mit Ehegatten (und anderen nahen Familienangehörigen) ausschließenden Änderung des Abgeordnetengesetzes gleichwohl noch entsprechende Verträge mit nahen Familienangehörigen geschlossen haben. Auch sonst bestehen in Bezug auf die Beigeladenen keine Anhaltspunkte für einen Missbrauch der gesetzlichen Kostenerstattungsregelung.
(1) Art. 6 Abs. 7 BayAbG a.F. hatte in der bis zum 30. November 2000 geltenden Fassung des Gesetzes lediglich normiert, dass Aufwendungen für die Beschäftigung von Mitarbeitern nach Maßgabe des Haushaltsgesetzes ersetzt werden. Die Beschäftigung von Ehegatten und anderen Familienangehörigen war gesetzlich nicht eingeschränkt und damit ohne weiteres zulässig. Die näheren Voraussetzungen für die Erstattung von Leistungen für die Beschäftigung von Mitarbeitern, die bis dahin in Richtlinien geregelt worden waren, normierte der Gesetzgeber sodann mit Wirkung ab 1. Dezember 2000 unmittelbar im Gesetz (Art. 6 Abs. 7 BayAbG a.F.). Danach wurden auf Antrag einem Mitglied des Bayerischen Landtags zur Unterstützung bei der Erledigung seiner parlamentarischen Arbeit im Rahmen von Arbeits-, Dienst- und Werkverträgen in dem im Haushaltsgesetz vorgesehenen Umfang Aufwendungen gegen Nachweis erstattet (Art. 6 Abs. 7 Satz 1 BayAbG a.F.). Ergänzend bestimmte der Gesetzgeber darüber hinaus erstmals, dass eine Erstattung für Mitarbeiter, die mit dem Mitglied des Landtags verheiratet oder (im ersten Grad) verwandt oder verschwägert sind, ausgeschlossen ist (Art. 6 Abs. 7 Satz 2 BayAbG a.F.). Allerdings enthielt das Änderungsgesetz vom 8. Dezember 2000 (GVBl S. 792) in seinem das Inkrafttreten regelnde § 2 folgenden Satz 2: „Art. 6 Abs. 2 Satz 7 BayAbG findet auf die bei Inkrafttreten des Gesetzes bestehenden Arbeitsverhältnisse keine Anwendung.” Ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs (der Landtagsfraktionen der CSU, der SPD und BÜNDNIS 90 DIE GRÜNEN) blieben damit die bei Inkrafttreten des Änderungsgesetzes „bestehenden derartigen Arbeitsverträge auch über die Wahlperiode hinaus unberührt” (vgl. LT-Drs.14/4217 S. 4). Diese den Beigeladenen zu 1 begünstigende „Altfallregelung” ermöglichte nach dem Wortlaut und dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers auch über den 1. Dezember 2000 hinaus die Geltendmachung einer entsprechenden Kostenerstattung gegenüber dem Landtagsamt.
(2) Entgegen der Ansicht des Klägers ist die „Altfallregelung” nicht mit Wirkung vom 1. Juli 2004 aufgehoben worden. Zwar hat der Gesetzgeber zu diesem Zeitpunkt das Gesetz erneut geändert und die bisher in Art. 6 Abs. 7 BayAbgG a.F. enthaltene Kostenerstattungsregelung in den bis dahin nicht belegten Art. 8 des Gesetzes übernommen. Diese Änderung erfolgte jedoch ausschließlich aus Gründen der Übersichtlichkeit und besseren Verständlichkeit. Die Vorschrift selbst wurde ausweislich der Gesetzesbegründung inhaltlich lediglich neu gegliedert und redaktionell überarbeitet (vgl. LT-Drs. 15/771 S. 6). Diese Gesetzesänderung hat die Fortgeltung der „Altfallregelung” (§ 2 Satz 2 des Gesetzes vom 8. Dezember 2000) unberührt gelassen. Der Senat teilt insoweit nicht die Rechtsansicht, welche der Bayerische Oberste Rechnungshof in seinem Prüfbericht vom 12. August 2013 zur sogenannten „Verwandtenaffäre” im Hinblick auf den Wegfall der Bezugsnorm (Bezug auf „Art. 6 Abs. 2 Satz 7 BayAbG” a.F. in § 2 Satz 2 des Gesetzes vom 8. Dezember 2000) geäußert hat. Die Fortgeltung der „Altfallregelung” über die Wahlperiode hinaus (auf unbestimmte Zeit) entspricht nicht nur dem klaren Willen des Gesetzgebers, der diesen Willen nicht in jeder Legislaturperiode erneut ausdrücklich bestätigen muss. Sie entspricht auch der Vollzugspraxis des Bayerischen Abgeordnetengesetzes durch den Bayerischen Landtag selbst. Die vom Präsidium des Bayerischen Landtags im Einvernehmen mit dem Ältestenrat und damit fraktionsübergreifend erlassenen Richtlinien für den Vollzug des Art. 8 BayAbgG haben auch nach der Änderung des Gesetzes ausdrücklich vorgesehen, dass Aufwendungen für die am 1. Dezember 2000 bestehenden Verträge von Abgeordneten mit ihren (u.a.) Ehegatten erstattungsfähig bleiben. Der Gesetzgeber hat die „Altfallregelung” erst durch Gesetz vom 22. Mai 2013 (GVBl S. 299) ausdrücklich aufgehoben und damit dessen Geltung (erst) mit Wirkung für die Zukunft (1.6.2013) beendet (vgl. auch LT-Drs. 16/16549).
(3) Auch sonst gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass den Beigeladenen ein Fehlverhalten vorzuwerfen wäre und der Beigeladene zu 1 von der Kostenerstattungsregelung in missbräuchlicher Form Gebrauch gemacht hätte. Der Umstand, dass gegenüber einzelnen Abgeordneten der Vorwurf erhoben wurde, rechtliche Grenzen bei der Inanspruchnahme öffentlicher Mittel missachtet zu haben, genügt nicht, um im Hinblick auf die Beigeladenen die Schutzwürdigkeit ihrer personenbezogenen Daten herabzumindern.
(4) Entgegen der Ansicht des Klägers ist das Recht der Beigeladenen zu 2 auf informationelle Selbstbestimmung auch nicht im Hinblick darauf gemindert, dass die Vergütung von Beschäftigten im öffentlichen Dienst „festen Regeln folge” und „für jedermann transparent” sei. Die Beigeladene zu 2 ist keine Beschäftigte im öffentlichen Dienst. Sie hat mit dem Beigeladenen zu 1 eine individuelle Vereinbarung über die Mitarbeit im häuslichen Abgeordnetenbüro zur Unterstützung der parlamentarischen Arbeit des Beigeladenen zu 1 getroffen. Die Modalitäten dieser Vereinbarung sind – dem Willen der Beigeladenen entsprechend – der Öffentlichkeit unbekannt. Die vom Beigeladenen zu 1 im Rahmen der Kostenerstattungsregelung gegenüber dem Landtagsamt geltend gemachte Vergütung seiner Ehefrau gehört somit für beide Beigeladenen zu den schutzwürdigen personenbezogenen Daten, die gegenüber Dritten nicht unbefugt offenbart werden dürfen. Im Übrigen sind auch bei Beschäftigten im öffentlichen Dienst zwar die tariflichen Entgeltstufen bekannt, nicht jedoch die Umstände des Einzelfalls.
e) Das Informationsinteresse der Presse ist durch das Abwägungsergebnis nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt. Dem Kläger bleibt es unbenommen, ihn interessierende weitere Informationen dadurch zu gewinnen, dass er Fragen stellt, die ohne die unbefugte Weitergabe personenbezogener Daten beantwortet werden können.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten billigerweise selbst, weil sie keinen Sachantrag gestellt und sich damit auch keinem Prozesskostenrisiko ausgesetzt haben (§ 162 Abs. 3 VwGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.
3. Die Revision wird zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Rechtsmittelbelehrung
Nach § 139 VwGO kann die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) eingelegt werden. Die Revision muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. Sie ist spätestens innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist beim Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig (Postfachanschrift: Postfach 10 08 54, 04008 Leipzig), einzureichen. Die Revisionsbegründung muss einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen angeben, die den Mangel ergeben.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u.a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.
Häring Schmeichel Lotz-Schimmelpfennig
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt
(§ 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 2 GKG).
Häring
Schmeichel
Lotz-Schimmelpfennig


Ähnliche Artikel

Unerwünschte Werbung: Rechte und Schutz

Ganz gleich, ob ein Telefonanbieter Ihnen ein Produkt am Telefon aufschwatzen möchte oder eine Krankenkasse Sie abwerben möchte – nervig können unerwünschte Werbeanrufe, -emails oder -schreiben schnell werden. Was erlaubt ist und wie Sie dagegen vorgehen können, erfahren Sie hier.
Mehr lesen

Was tun bei einer negativen Bewertung im Internet?

Kundenbewertungen bei Google sind wichtig für Unternehmen, da sich potenzielle Neukunden oft daran orientieren. Doch was, wenn man negative Bewertungen bekommt oder im schlimmsten Fall sogar falsche? Das kann schädlich für das Geschäft sein. Wir erklären Ihnen, was Sie zu dem Thema wissen sollten.
Mehr lesen

Der Influencer Vertrag

In den letzten Jahren hat sich Influencer Marketing einen starken Namen in der Werbebranche gemacht. Viele Unternehmen setzen auf platzierte Werbeanzeigen durch Influencer. Was jedoch zwischen Unternehmer und Influencer vertraglich im Vorfeld zu beachten ist, werden wir Ihnen im Folgenden erläutern.
Mehr lesen


Nach oben