IT- und Medienrecht

Anforderungen an die Substantiierung der Mangelhaftigkeit des Kaufobjekts

Aktenzeichen  21 U 979/16

Datum:
19.12.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 21267
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 434 Abs. 1, § 438 Abs. 4 S. 2, § 441

 

Leitsatz

1 Derjenige, der Mängel am Kaufobjekt geltend macht, muss die Fehler bzw. Störungen sowohl im Rahmen eines Nachbesserungsverlangens als auch im Prozess soweit konkretisieren, dass der Vertragspartner bzw. das Gericht nachvollziehen kann, inwieweit eine Abweichung von der vertraglich geschuldeten Leistung geltend gemacht wird. Die pauschale Rüge, das Kaufobjekt entspreche nicht den vertraglichen Vereinbarungen, ist nicht ausreichend. (redaktioneller Leitsatz)
2 Auch die pauschale Behauptung, dass etwas (hier: unter der Projekt-Bezeichnung „e-Bike mobility“ entwickelte automatische Fahrradparksysteme sowie damit ggf. kombinierbare Ladetechniksysteme für elektrische Fahrräder) nicht funktioniere, genügt nicht. Eine darauf gestützte Beweiserhebung würde die Grenze zur Ausforschung überschreiten. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

31 O 14098/14 2016-01-20 Urt LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 21.01.2016 sowie die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 12.04.2016, jeweils AZ: 31 O 14098/14, werden zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die in Ziffer 1 genannten Urteile des Landgerichts München I sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf jeweils die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

I. Die Kläger fordern von der Beklagten die Restkaufpreiszahlung in Höhe von € 290.000,- aus einem zwischen den Parteien am 03.07.2012 geschlossenen „Vertrag über den Kauf von Entwicklungsergebnissen, einschließlich Know-How und Schutzrechten sowie weiteren Rechten“ im Zusammenhang mit dem Projekt „e-bike mobility“.
Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird zunächst auf die umfassenden Ausführungen im angefochtenen Ersturteil vom 21.01.2016 – bzw. im Ergänzungsurteil vom 12.04.2016 – Bezug genommen. Ergänzend gilt Folgendes:
Die Kläger („alle Veräußerer“) haben nach der „Präambel“ des vorgenannten Vertrags unter der Projekt-Bezeichnung „e-Bike mobility“ Fahrradparklösungen und automatische Fahrradparksysteme, insbesondere sogenannte „Bike-tower“, sowie damit ggf. kombinierbare Ladetechniksysteme für elektrische Fahrräder entwickelt. Sie haben ihre Entwicklung in den Jahren 2011/2012 in drei Prototypen umgesetzt.
Mit dem streitgegenständlichen Vertrag übertrugen die Kläger der Beklagten die gesamte Entwicklung „e-Bike mobility“, im Detail nach Vertrag: Register-Schutzrechte, Software, Internetdomains, „Know-how“ und „Good-Will“.
Folgende Passagen des als Anlage K 1 vorgelegten Vertrags sind besonders herauszustellen:
Präambel 1. und 2. Absatz
„… Alle Veräußerer haben Anteil am Entwicklungsergebnis, welches technische und nicht-technische Komponenten umfasst, und möchten mit diesem Vertrag das gesamte Entwicklungsergebnis einschließlich zugehöriger Schutzrechte, Software, Know-How und „Good Will“ vollständig auf die Erwerberin übertragen und dieser zu alleinigen Nutzung überlassen. … Für das gesamte Entwicklungsergebnis will die Erwerberin einen Pauschalpreis zahlen, dessen Aufteilung rein interne Angelegenheit der Veräußerer ist.“
Präambel Nr. 4, S. 5 ff.
„Die Veräußerer geben an, dass die zu übertragende Technologie noch nicht das Stadium der Serienreife erreicht hat, dennoch seien die technischen und softwaretechnischen Entwicklungen so weit gediehen, dass drei Prototypen (Bike-Tower Me., Wa., SE./Elsaß) gebaut und in Betrieb genommen werden konnten. Der Bike-Tower Me. befindet sich seit Sommer 2011, der Bike-Tower Wa. seit Februar 2012 im Kundenbetrieb (24h-Dauerbetrieb). Anhand der Prototypen wurden Erkenntnisse für weitere Optimierungen gewonnen. Die Erwerberin hat zumindest einen der drei Prototypen (Me.) zur Kenntnis genommen und erkannt, dass es sich in diesem Fall nicht um ein Serienprodukt, sondern um einen – für den Kundenbetrieb tauglichen – Prototyp handelt.“
Präambel Nr. 5 (Auszüge)
„… Aufgrund der zur Verfügung gestellten Informationen geht die Erwerberin davon aus, dass das übertragene Entwicklungsergebnis eine Qualität aufweist, die die Herstellung von betriebstauglichen Prototypen erlaubt. Die Veräußerer haben bereits im Vorfeld des Vertragsschlusses die aus ihrer Sicht für die Übertragung des Entwicklungsergebnisses maßgeblichen Informationen zusammengetragen und der Erwerberin in elektronischer Form zur Verfügung gestellt, und zwar durch Übersendung eines USB-Sticks mit Begleitschreiben vom 21. März 2012. Die Erwerberin hat diese Informationen bzw. Unterlagen inhaltlich noch nicht geprüft.“
Vereinbarung A § 1 (1)
„Die Veräußerer verkaufen an die Erwerberin die gesamte in der Präambel bezeichnete Entwicklung „e-Bike mobility“ gemäß heutigem Stand …“.
Vereinbarung A II. § 7 (1)
„Der Erwerberin ist bekannt, dass es sich bei der Vertrags-Softare um eine Prototypensoftware handelt, die bei den Prototypen gemäß Ziffer 4. der Präambel im Einsatz ist. Die Veräußerer leisten daher nicht Gewähr für eine Qualität, wie sie für ein serienreifes Produkt erwartet werden kann, sondern nur Gewähr für Qualität, wie sie für einen für den Kundenbetrieb tauglichen Prototypen erwartet werden kann.
Vereinbarung B § 14 (3)
„Die Verteilung des Pauschalbetrages regeln die Veräußerer intern. Sie ist nicht Gegenstand dieses Vertrages und für die Erwerberin auch nicht von Interesse.“
Die Beklagte ist vor allem im Bau- und Planungsbereich tätig. Sie hat nach Erwerb der streitgegenständlichen Entwicklung selbst in B. eine Bike-Station errichtet. Hierbei hat sie die gekaufte Technologie eingesetzt und lediglich die Gebäudehülle weiter entwickelt. Da sich die Ladetechnik gegenüber den ursprünglichen Prototypen geändert bzw. fortentwickelt hat (ein Akku wird nunmehr mit 36 Volt aufgeladen), musste ergänzend die Software der Ladetechnik modifiziert werden, worin die Kläger die Beklagte unterstützt haben. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Bike-Station in B. technisch bedingt ab und zu nicht „funktioniere“ (so der Beklagteneinwand) oder lediglich bei den Kunden bzw. konkret der Firma m-w., Unzufriedenheit mit dem Service der Beklagten bestehe (so die Behauptung der Klageseite).
Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung des Restkaufpreises aus dem streitgegenständlichen Kaufvertrag verurteilt. Der Anspruch sei nicht aufgrund einer Minderung der Beklagten gemäß § 441 BGB erloschen, da insbesondere ein Mangel der übertragenen Technologie nicht substantiiert dargelegt worden sei. Die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten seien als Verzugsschaden angefallen.
Gegen beide Verurteilungen wendet sich die Beklagte.
Erstmalig im Berufungsverfahren erhebt sie den Einwand mangelnder Aktivlegitimation, da auf Klageseite letztlich von einer „Gelegenheitsgesellschaft“ bzw. von einem „Gläubigerpool“ und damit einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts auszugehen sei. Eine bereinigende Rubrumsberichtigung sei nicht möglich, da Herr Wofgang H. zwar am Projekt mitgewirkt habe, jedoch kein Verfahrensbeteiligter sei.
Hinsichtlich der Mängelproblematik habe das Landgericht unter Verweis auf die „Symptomtheorie“ die Anforderungen überspannt. Für die Schlüssigkeit und die Beweiserheblichkeit reiche danach ein konkreter Vortrag zu den äußeren Erscheinungen des Defekts aus, wobei der Käufer die Ursache des Defekts, der symptomhaft zu beschreiben ist, nicht anzugeben habe. Dementsprechend habe die Beklagte bereits in erster Instanz unter Beweis gestellt, „dass sich mit den erworbenen Technologien ein für den Kundenbetrieb tauglicher Prototyp nicht herstellen lässt“ (vgl. Berufungsbegründung, Bl. 185/206 d. A.; S. 12). Der Beklagten stehe wegen der Mangelhaftigkeit der Kaufsache auch die „Mängeleinrede“ nach § 438 Abs. 4 S. 2 BGB zu, so dass es grundsätzlich einer Nachbesserungsfrist nicht bedurft habe. Vorsorglich habe die Beklagte gleichwohl in der Berufungsbegründung eine Nachbesserungsfrist bis zum 25.05.2016 gesetzt. Konkrete Mängel hat die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung und im Berufungstermin nicht weiter dargetan, sondern sich auf ihren erstinstanzlichen Vortrag bezogen, wonach sie anhand der im Kaufvertrag ausdrücklich benannten „Referenzobjekte“ vorgetragen habe, warum selbst diese Referenzobjekte sich als für den Kundenbetrieb nicht tauglich erwiesen hätten.
Abschließend kritisiert die Berufung die fehlerhafte Rechtsanwendung durch das Landgericht hinsichtlich §§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB.
Die Beklagte beantragt:
1. Unter Aufhebung des Endurteils des Landgerichts München I vom 21.01.2016 (AZ: 31 O 14098/14) wird die Klage abgewiesen.
2. Unter Aufhebung des Ergänzungsurteils des Landgerichts München I vom 12.04.2016 wird die Klage auch in Bezug auf die durch das Ergänzungsurteil zugesprochenen Nebenforderungen abgewiesen.
Die Kläger beantragen,
die Berufungen der Beklagten zurückzuweisen.
Es bestehe keine Veranlassung, die Sachlegitimation der Kläger als Gläubigermehrheit in Zweifel zu ziehen. Die Kaufpreisforderung stehe einer Personenmehrheit zu, von denen jede einen anderen Teil der Entwicklung verkaufe. Die interne Verteilung des Kaufpreises führe nicht zur Annahme einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts. Insbesondere der Beklagten sei es darum gegangen, dass alle Verkäufer für die Erfüllung des Kaufvertrages einstehen sollten, gleich von wem welcher Teil die Entwicklung stamme.
Die Kläger schuldeten nur ein Entwicklungsergebnis, welches die Herstellung für im Kundenbetrieb tauglicher Prototypen erlaube, und keine vollständig betriebstauglichen und mangelfreien Bike-Stationen zur serienreifen Fertigung. Der Vortrag der Beklagten, dass der Erwerbsgegenstand „nicht funktioniert“ bzw. das „Entwicklungsergebnis bezüglich der Ladetechnik und der Elektronik/Steuerung die Herstellung von für den Kundenbetrieb tauglichen Prototypen nicht erlaubt“ hätte, genüge – auch unter dem Blickwinkel der Symptomtheorie – einer hinreichenden Mängelsubstantiierung nicht.
Der Senat hat im Termin am 05.12.2016 (vgl. Protokoll, Bl. 277/280 d. A.) Herrn Ba. „im Namen der Kläger“ sowie den Vorstand der Beklagten, Herrn Thomas Bo., zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts informatorisch angehört. Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll vom 05.12.2016 verwiesen.
II. Die gemäß §§ 511 ff. ZPO zulässigen Berufungen der Beklagten haben jeweils keinen Erfolg.
Die Beklagte ist zur Zahlung des Restkaufpreises in Höhe von € 290.000,00 (nebst Zinsen) aus dem streitgegenständlichen Kaufvertrag vom 03.07.2012 (entsprechend dem Urteil des Landgerichts München vom 21.01.2016) sowie zur Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten (entsprechend dem Urteil des Landgerichts München I vom 12.04.2016) verpflichtet.
Der Senat verweist daher zunächst auf die Entscheidungsgründe des Landgerichts und macht sich diese zu Eigen.
Im Einzelnen:
1. Gegen die Aktivlegitimation der Kläger bestehen keine Bedenken.
Der Senat hat die Sachbefugnis auf Klageseite als Prozessvoraussetzung von Amts wegen in jedem Verfahrensstadium zu prüfen. Der erst im Berufungsverfahren von der Beklagten erhobene Einwand fehlender Aktivlegitimation ist mithin nicht verspätet.
Die Kläger sind aktivlegitimiert.
Der Senat geht von einer Gesamtgläubigergemeinschaft auf Klageseite aus und nicht von einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, der lediglich als Gesamthand der eingeklagte Kaufpreis zusteht. Die Kläger haben weder einen sogenannten „Gläubigerpool“ gebildet noch ist durch die gemeinschaftliche Projektentwicklung und Veräußerung eine „Gelegenheitsgesellschaft“ entstanden.
Sofern die Beklagte das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 07.05.1991 (vgl. NJW 1991, 2629) bemüht, ist dieses nicht einschlägig, da nach dortiger Sachverhaltskonstellation sich die Kläger ausdrücklich „zur besseren Durchsetzung ihrer Rechte zu einem Gläubigerpool zusammengeschlossen hatten“. Eine solche Vereinbarung wird im hiesigen Fall weder von der Klageseite vorgetragen – vielmehr sogar in Abrede gestellt – noch ist sie im streitgegenständlichen Vertrag angelegt. Ausweislich der Vertragsurkunde war auf Verkäuferseite keine Gesellschaft bürgerlichen Rechts Vertragspartner, sondern als Veräußerer sind die auf Seite 1 genannten Personen und GmbHs aufgetreten. Nach dem Wortlaut der Präambel (vgl. Tatbestand: … Für das gesamte Entwicklungsergebnis will die Erwerberin einen Pauschalpreis zahlen, dessen Aufteilung rein interne Angelegenheit der Veräußerer ist.“) bzw. der eigentlichen Vereinbarung (vgl. Tatbestand: B § 14 (3): „Die Verteilung des Pauschalbetrages regeln die Veräußerer intern. Sie ist nicht Gegenstand dieses Vertrages und für die Erwerberin auch nicht von Interesse.“) ist vielmehr davon auszugehen, dass jedenfalls auch im Interesse der Beklagten – zumindest bei Vertragsschluss – lediglich ein einheitlicher Veräußerungsprozess mit Pauschalkaufpreis aus Praktikabilitätsgründen als Vertragsgrundlage gewählt worden war.
Dieser Vorgang der bloßen einheitlichen Veräußerung des Entwicklungsergebnisses an einen Dritten schafft auch keinen selbstständigen Gesellschaftszweck im Sinne von § 705 BGB mit der Folge der Entstehung einer „Gelegenheitsgesellschaft“. Der Beklagten ist zwar beizupflichten, dass durch die bloße Wortwahl rechtliche Gegebenheiten nicht ausgehebelt werden können. Zwingende Voraussetzung für eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, auch in Form einer Innengesellschaft, ist jedoch, dass sich die Gesellschafter vertraglich geeinigt haben, einen gemeinsamen Zweck zu verfolgen und diesen darüber hinaus durch vermögenswerte Leistungen zu fördern (vgl. Palandt, 76. Aufl., Sprau zu § 705 BGB, Rn. 20.). Die Kläger sowie Herr Wolfgang H. haben sich aber bereits in der Projektentwicklungsphase nicht als gesellschaftsrechtliche Einheit verstanden. So stellt auch die Vertrags-Präambel lediglich heraus, dass „alle Veräußerer Anteil am Entwicklungsergebnis“ hatten, dass der Erwerb der Beklagten aber völlig „unabhängig davon“ erfolge, „welchem Veräußerer welche Komponenten des Entwicklungsergebnisses zustehen“. Vor diesem Hintergrund steht auch die Forderungsabtretung von Herrn Wolfgang H. vom 13.06./07.07.2014 (vgl. Anlage K 8 ) der Aktivlegitimation der Kläger nicht entgegen.
2. Die Beklagte ist gemäß § 433 Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem zwischen den Parteien (sowie Herrn Wolfgang H.) am 03.07.2012 geschlossenen Kaufvertrag zur Zahlung des Restkaufpreises in Höhe des ausgeurteilten Betrages verpflichtet.
Der Zahlungsanspruch ist nicht aufgrund einer Minderung der Beklagten gemäß § 441 BGB erloschen, da ein Mangel des Kaufgegenstands, also an der übertragenen Technologie, speziell an der Software oder dem „Know-How“, bereits nicht hinreichend substantiiert seitens der Beklagten dargelegt worden ist. Beweiserhebungen sind nicht veranlasst.
2.1. Nach § 434 Abs. 1 Satz 1 bzw. Satz 2 1. Alt. BGB ist eine Sache frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet.
Wegen dieser Korrelation von Beschaffenheit und Mangel ist die Beschaffenheit des hiesigen Kaufgegenstands klar herauszuarbeiten.
Die Beklagte hat nach Vertrag lediglich das Entwicklungsergebnis des Projekts „e-Bike mobility“ mit technischen und nicht-technischen Komponenten erworben, also keinen Bike-Tower als fertiges Objekt, dem allenfalls bautechnisch eine andere „Gebäudehülle“ überzustülpen ist. Die übertragene Technologie hat nämlich – so ausdrücklich der Vertragstext – „noch nicht das Stadium der Serienreife“ erreicht. Allerdings sind die technischen Entwicklungen und die Software so weit gediehen, dass drei Prototypen gebaut und in Betrieb genommen werden konnten, wobei die Erwerberin erkannt hat, dass es sich hierbei lediglich „um einen für den Kundenbetrieb tauglichen Prototyp“ handelt (vgl. Präambel Nr. 4 Satz 1).
Der Begriff „Prototyp“ ist vielfältig belegt. Die Klageseite hat mit Anlage K 10 einen entsprechenden Internet-Wikipedia-Ausdruck vorgelegt. Darin wird der „Funktionsprototyp“ als Prototyp umschrieben, der bereits entscheidende funktionale Eigenschaften eines später in Serie gefertigten Bauteils aufweist, der „technische Prototyp“ als ein „mit dem Endprodukt weitgehend identisches Versuchsmodell“. Diese Beschränkung auf eine nur „weitgehende Identität mit dem Versuchsmodell“ spiegelt sich aus Sicht des Senats auch im streitgegenständlichen Vertrag wieder (vgl. Präambel Nr. 4, Satz 3), wenn es dort heißt: „Anhand der Prototypen wurden Erkenntnisse für weitere Optimierungen gewonnen“.
Dem Entwicklungsergebnis des Projekts „e-Bike mobility“ war danach ein Optimierungsbedarf immanent, dessen konkreter Umfang sich bei der praktischen Erprobung der drei Prototypen herausstellte. Die Parteien haben sogar selbst vorgetragen, dass nach Veräußerung z. B. die Ladetechnik weiter fortentwickelt (Akkus mit 36 Volt) wurde und entsprechend die Software angepasst werden musste. Es ist daher nicht ersichtlich, dass bei Veräußerung des streitgegenständlichen Entwicklungsergebnisses an die Beklagte keinerlei Optimierungsbedarf mehr bestanden hat. Aus Sicht des Senats würde dann nämlich das Stadium der Serienreife erreicht sein.
Unstreitig war es aber der Beklagten möglich, die erworbene Technologie selbst in der Bikestation in B. zu implementieren, während sie die Gebäudehülle weiter entwickelt hat.
2.2. Vor diesem Hintergrund genügt der Vortrag der Beklagten – auch im Hinblick auf die bemühte „Symptom-Theorie“ – nicht den Substantiierungsanforderungen betreffend eines Sachmangels.
Nach der – allerdings zunächst zum Werkvertragsrecht von der Rechtsprechung entwickelten – Symptomtheorie genügt der Besteller seiner Darlegungslast, wenn er lediglich Mangelerscheinungen, die er der fehlerhaften Leistung des Unternehmers zuordnet, genau bezeichnet. Zu den Ursachen der Mangelerscheinungen muss der Besteller nicht vortragen. Diese Ursachenkette ist vielmehr Gegenstand des Beweises. Derjenige, der Mängel an der Leistung geltend macht, muss allerdings die Fehler bzw. Störungen sowohl im Rahmen eines Nachbesserungsverlangens als auch im Prozess soweit konkretisieren, dass der Vertragspartner bzw. das Gericht nachvollziehen kann, inwieweit eine Abweichung von der vertraglich geschuldeten Leistung geltend gemacht wird. Spiegelbildlich zur Abhilfe wäre beispielsweise die pauschale Rüge, das Kaufobjekt „entspreche nicht den vertraglichen Vereinbarungen“ gerade nicht ausreichend.
Im vorliegenden Fall mangelt es bereits am Vortrag zu den Mangelerscheinungen. Zu erwarten wäre, wie der Senat auch im Verhandlungstermin am 05.12.2016 ausgeführt hat, dass die Beklagte konkrete Mangelerscheinungen hinsichtlich der von ihr in der Bikestation B. implementierten Technologie und Software benennt, denn dort hat sie zum ersten Mal nach Kauf ihre Erwerbung „nutzen“ und entsprechende Erfahrungen sammeln können. Da die Beklagte die Bikestation selbst erstellt hat, ist es für den Senat auch nicht nachvollziehbar, weswegen es der Beklagten nicht möglich sein soll, Mängel, ggf. sogar ausdrücklich vom Kunden gerügt, im Einzelnen aufzulisten und darzulegen. Eine solche Konkretisierung ist jedoch auch im Termin nicht nachgeholt worden. Der Vorstand der Beklagten hat lediglich geäußert: „Die Anlage funktionierte immer wieder, dann aber auch wieder nicht“ (vgl. Protokoll, Bl. 277/280 d. A., S. 3). Letztlich hat die Beklagte selbst im Termin eingeräumt, dass sie fachlich nicht in der Lage sei, die technischen Mangelerscheinungen zu verorten und konkret zu benennen. Die pauschale Behauptung, dass etwas nicht funktioniere, genügt nicht; eine darauf gestützte Beweiserhebung würde die Grenze zur Ausforschung überschreiten. Durch die Erklärung „funktionierte immer wieder, dann wieder nicht“ bleibt völlig unklar, wann genau welche konkreten Störungen aufgetreten sind. Es lässt sich auch nicht einmal laienhaft nachvollziehen, dass Störungen aufgetreten sind, die ihre Ursache in dem veräußerten technischen Know-how haben. Da zudem nicht für die Qualität eingestanden wird, wie sie für ein serienreifes Produkt erwartet werden kann, hätte die Beklagte zumindest ansatzweise nachvollziehbar aufzeigen müssen, dass bei einer Prototypensoftware derartige Schwierigkeiten nicht auftreten dürfen.
Da die Beklagte die selbst festgestellte Unbrauchbarkeit ihrer Erwerbung darlegen muss, genügt eine Bezugnahme auf behauptete Mängel an den vor dem Kaufvertragsabschluss bereits gebauten drei Prototypen (Bike-tower Me., Wa., SE.Elsass), wie sie sich zusammengefasst im Urteil des Landgerichts bei den Behauptungen der Beklagtenseite findet (vgl. Urteil, S. 4-6), generell nicht, unabhängig vom Grad der jeweiligen Konkretisierung der behaupteten Mängel nach Ort, Häufigkeit und Zeit o.ä.
Eine Bezugnahme wäre im vorliegenden Fall aber auch deswegen besonders problematisch, weil einerseits bei den Prototypen bereits Optimierungsprozesse und damit die Notwendigkeit der Optimierung wegen etwaiger Fehler vertraglich festgehalten worden waren. Zudem sind die behaupteten Probleme offensichtlich nicht in der Zeit aufgetreten, in der sich die Beklagte selbst von der Funktionstüchtigkeit der Prototypen vor Vertragsschluss über mehrere Monate ein Bild machen konnte. Störungen, die später eingetreten sind z. B. bei Sturm, Wassereinbruch, Minustemperaturen oder an eingebauten Drittelementen, sind aber aus Sicht des Senats geradezu typische Konstellationen, die erst bei Echtbetrieb und einem gewissen Verschleiß auftreten können und eben einen Prototyp vom Serienmodell unterscheiden.
Die Kläger haben zwar allgemein bestritten, dass es technische Mängel an der Bikestation in B. gegeben habe. Es ist jedoch nicht erforderlich, Sachverständigenbeweis zu erheben, weil die Beklagte etwaige Mangelerscheinungen bereits nicht hinreichend substantiiert dargelegt hat.
Entsprechend fehlte es auch an einem hinreichenden Nachbesserungsverlangen.
3. Da der Beklagten der Nachweis eines Sachmangels nicht gelungen ist, kann sie gegenüber der Restkaufpreiszahlung auch nicht die Mängeleinrede erheben (vgl. § 438 Abs. 4 S. 2 BGB).
4. Auch soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 05.12.2016 den Einwand der mangelnden Erfüllung erhoben hat, weil der Mitveräußerer, Herr Wolfgang H., bereits vor Vertragsschluss seine Rechte an die Firma S. Manufaktur GmbH übertragen habe, greift der Einwand nicht durch. Der Senat hat keinen Zweifel, dass die Beklagte durch die Übertragung der Rechte im streitgegenständlichen Vertrag wirksam Inhaberin der Rechte geworden ist. Insoweit haben sämtliche Veräußerer zusammen gewirkt, wie es im Vertrag auch vorgesehen ist. Abgesehen davon hat die Beklagte unstreitig die erworbenen Patente durch Nichtzahlung von Gebühren mittlerweile selbst zum Erlöschen gebracht, was im Zuge der Vergleichsverhandlungen vor dem Senat zur Sprache kam.
5. Die Beklagte kann auch keine Herabsetzung des Gesamtkaufpreises auf allenfalls € 650.000,- und damit letztlich eine Klageabweisung aus §§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB erreichen, weil angeblich die Ladetechnik im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses in einem noch nicht „für den kundenbetriebtauglichen Zustand“ war, was die Klageseite im Gegensatz zur Beklagten gewusst habe (vgl. Berufungsbegründung, S. 19-21).
Der Senat verweist zu diesem Punkt vollumfänglich auf die Ausführungen des Landgerichts und macht sich diese zu Eigen (Urteil, S. 12/13): Wegen des Vorrangs der Sachmängelhaftung käme dieser Anspruch allenfalls bei vorsätzlichem Verhalten der Kläger in Betracht, dessen Nachweis der Beklagten nicht gelungen ist.
Ein vorsätzliches Hintergehen der Verkäuferseite ist für den Senat auch bereits deswegen nicht nachvollziehbar, weil der Beklagten im Rahmen der Vertragsanbahnung mehrere Monate Zeit zur Verfügung standen, sich anhand der Prototypen ein Bild vom Stand des Entwicklungsergebnisses der Kläger zu machen und insbesondere Feststellungen hinsichtlich der für ihre Kaufentscheidung zentralen Aspekte zu machen, um somit ggf. auch etwaige Klauseln zur eigenen Absicherung in den Vertrag aufzunehmen.
Nach dem letzten Absatz der Präambel haben zudem „die Veräußerer bereits im Vorfeld des Vertragsschlusses die aus ihrer Sicht für die Übertragung des Entwicklungsergebnisses maßgeblichen Informationen zusammengetragen und der Erwerberin in elektronischer Form zur Verfügung gestellt, und zwar durch Übersendung eines USB-Sticks mit Begleitschreiben vom 21. März 2012.“ Es lag somit auch in der Verantwortung der Beklagten, sich mit dem zu erwerbenden Produkt – sowohl in tatsächlicher als auch in technischer Sicht, notfalls unter Einschaltung von Spezialisten – vor Vertragsschluss auseinanderzusetzen. Dass die Ladetechnik noch nicht ausgereift war, war auch stets thematisiert worden. Nach dem letzten Satz der Präambel hat aber die Erwerberin auch diese Informationen bzw. Unterlagen auf dem USB-Stick, die für die Übertragung des Entwicklungsergebnisses offensichtlich maßgeblich sind, zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht gesichtet gehabt. Diese Möglichkeit der Informationsbeschaffung wurde der Beklagten auch weiterhin – jedenfalls solange noch nicht alle Raten des Kaufpreises gezahlt waren – gewährt und ergänzende Unterstützung bei der Fortentwicklung der Ladetechnik angeboten (vgl. z. B. e-mail von Herrn Wolfang H, an Herrn Bo, vom 15.05.2013, Anlage K 21). In vorgenanntem Schreiben wird zum Beispiel auch thematisiert, dass die Firma Ba, die notwendige Unterstützung leisten könne, „ohne dass es weiteres know-how von Herrn L., bedarf“, der offensichtlich das vorgegebene Pflichtenheft zur Entwicklung der Ladetechnik (vgl. Berufungsbegründung, S. 20) nur zu einem geringen Teil umgesetzt hatte.
In einer Gesamtschau vermag der Senat daher keine vorsätzliche Täuschung seitens der Klageseite betreffend den tatsächlichen Entwicklungsstand der Ladetechnik erkennen.
6. Ebenso kann die Beklagte eine Herabsetzung des Gesamtkaufpreises auf allenfalls € 650.000,- auch nicht im Wege der Vertragsanpassung nach den Grundsätzen des Wegfalls oder des Fehlens der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) verlangen (vgl. Berufungsbegründung, S. 21/22), weil angeblich das Produkt nicht den gemeinsamen Parteivorstellungen vom Entwicklungsstand entspreche.
Zunächst verweist der Senat auf die bereits unter Ziffer 4 thematisierte Konkurrenz der Anspruchsgrundlagen. Letztlich versucht nämlich auch hier die Beklagte, über einen angeblichen Wegfall der Geschäftsgrundlage Gewährleistungsansprüche zu realisieren.
In der Tat war gemeinsame Geschäftsgrundlage der Parteien, dass das zu verkaufende Entwicklungsergebnis einen Käufer in die Lage versetze, einen kundentauglichen Prototypen eines Bike-Towers bzw. einer Bikestation zu erstellen. Dass diese Geschäftsgrundlage weggefallen sei – so der Berufungseinwand -, ist aber gerade zwischen den Parteien streitig und wird von der Klageseite ausdrücklich in Abrede gestellt.
Dass die Beklagte aus ihrer Sicht letztlich ein „schlechtes“ Geschäft gemacht hat, weil sich die avisierten Geschäfte mit der Firma m-w, nicht realisieren ließen, und sie nach eigenem Vortrag im Termin am 05.12.2016 nicht über hinreichendes technisches Know-how zur offensichtlich notwendigen Fortentwicklung des erworbenen Produkts verfügt, kann nicht zulasten der Kläger gehen.
Letztlich sind die Berufungseinwände aus Sicht des Senats von Kaufreue getragen.
7. Der Zinsanspruch betreffend den Restkaufpreis folgt aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB, da sich die Beklagte nach Ablauf der im Vertrag kalendermäßig bestimmten Fristen mit der Zahlung der Kaufpreisraten in Verzug befand.
8. Die Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 4.965,57 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 02.09.2014 folgt ebenfalls als Verzugsschaden aus §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 1 BGB (i. V. m. §§ 291, 288 Abs. 2 BGB).
Der Senat verweist insofern auf Ziffer 5 sowie die Ausführungen im Ergänzungsurteil vom 12.04.2016.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 2 ZPO nicht vorliegen.


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