IT- und Medienrecht

Anspruch auf Schadensersatz aus Dienstpflichtverletzung

Aktenzeichen  M 21 K 16.2846

Datum:
7.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 21797
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BBG § 60, § 61, § 75 Abs. 1 S. 1
BGB § 280 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Steht fest, dass der Beamte objektiv eine Dienstpflicht verletzt hat, so trifft ihn nach dem auch im Beamtenrecht heranzuziehen Rechtsgedanken des § 280 Abs. 1 BGB die materielle Beweislast dafür, dass er die Dienstpflichtverletzung ohne für die Haftung ausreichendes Verschulden begangen hat. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2 In Fällen, in denen der Beamte durch pflichtwidriges Verhalten einen Dritten geschädigt hat, dem der Dienstherr dafür Ersatz ohne Weiteres leistet, weil er von der Berechtigung des Anspruchs überzeugt ist, ist das pflichtwidrige Verhalten des Beamten für die Zahlung schon dann ursächlich, wenn der Dienstherr sich ohne dieses Verhalten nicht zu der Zahlung veranlasst gesehen hätte. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.

Gründe

Nach entsprechendem Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die Klage ist zwar zulässig, aber unbegründet.
Der Leistungsbescheid vom 10. Februar 2016 und der Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 2016 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Beamtinnen und Beamte, die vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihnen obliegenden Pflichten verletzt haben, haben dem Dienstherrn, dessen Aufgaben sie wahrgenommen haben, nach § 75 Abs. 1 Satz 1 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.
Diese Voraussetzungen sind im Fall des Klägers erfüllt.
Durch Auslieferung der Paketsendung Identnummer JJD1405812080180 mit der Modalität „Wunschort: Edmund H.“ hat der Kläger die ihm obliegenden Pflichten verletzt.
Laut Seite 137 des von der Beklagten auszugsweise in Kopie vorgelegten Handbuchs für Paketzustellung kann der Empfänger die Deutsche Post schriftlich oder online beauftragen, für ihn bestimmte Sendungen entweder an einem von ihm gewünschten Ort abzulegen oder an einen von ihm gewünschten Nachbarn auszuliefern, wenn er bei der Zustellung nicht angetroffen wird. Der Handscanner zeigt an, welche Empfänger dies veranlasst haben. Sendungen für die im Verzeichnis aufgeführten Empfänger dürfen nur an dem dort jeweils aufgeführten Wunschort abgelegt bzw. an den Wunschnachbarn zugestellt werden.
Diesen Bestimmungen und der Pflicht, gemäß der jeweiligen konkreten Situation unmittelbar und mittelbar den Dienstherrn schädigende Handlungen zu unterlassen (§§ 60, 61 BBG), hat der Kläger zuwider gehandelt.
Die Empfängerin C. P. hat die Deutsche Post im vorgenannten Sinn weder schriftlich noch online beauftragt. Die unter dem 7. März 2008 für die Anschrift B.straße 42, I., erteilte Vollmacht zum Empfang von Paketsendungen ist nicht von der Empfängerin C. P., sondern mit „SR R.“ unterzeichnet worden. Zudem bezieht sich diese Vollmacht nicht auf die Adresse der Empfängerin C. P.
Unstreitig hat der Kläger das von ihm zuzustellende Paket zudem außerhalb seines Bemessungsbezirks zugestellt und auch dadurch die ihm obliegenden Pflichten verletzt.
Er hat auch jeweils grob fahrlässig gehandelt.
Steht – wie hier – fest, dass der Beamte objektiv eine Dienstpflicht verletzt hat, so trifft ihn nach dem auch im Beamtenrecht heranzuziehen Rechtsgedanken des § 280 Abs. 1 BGB die materielle Beweislast dafür, dass er die Dienstpflichtverletzung ohne für die Haftung ausreichendes Verschulden begangen hat (vgl. nur Plog/Wiedow, BBG, Stand Februar 2018, § 75 Rn. 32 m.w.N.).
Dieser Entlastungsbeweis ist dem Kläger nicht gelungen.
Eine Pflichtverletzung ist dem Schadensverursacher als grob fahrlässig vorzuwerfen, wenn er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt objektiv in besonders schwerem Maße und auch subjektiv schlechthin unentschuldbar verletzt hat. Dies setzt voraus, dass der Beamte die einfachsten, ganz nahe liegenden Überlegungen nicht angestellt und Verhaltenspflichten nicht beachtet hat, die im gegebenen Fall jedem einleuchten müssen. Umstände, die im Einzelfall dem Beamten ein sorgfältiges Handeln erschweren, etwa feststellbare erhebliche Arbeitsüberlastung, Eilbedürftigkeit oder Notwendigkeit des Handelns in einer Gefahrenlage, können immerhin dem Vorwurf grob fahrlässiger Pflichtverletzung entgegenstehen (vgl. zu all dem nur Plog/Wiedow, BBG, Stand Februar 2018, § 75 Rn. 39 f. m.w.N.).
Daran gemessen hat der Kläger grob fahrlässig gehandelt. Unstreitig sind ihm als erfahrenem Paketzusteller die für ihn täglich maßgeblichen und damit auch zentral wichtigen Zustellvorschriften, denen er zuwider gehandelt hat, bekannt gewesen. Sie sind klar und haben ihm keinen Interpretationsspielraum im Sinne der von ihm an den Tag gelegten Verhaltensweise gelassen. Anerkannte, potentiell entlastende Umstände des Einzelfalls, hat der Kläger schon nicht geltend gemacht. Dagegen hat er sich auf einen Servicegedanken berufen, der den Vorwurf grob fahrlässigen Verhaltens keinesfalls entkräften kann.
Zwischen dem in unstreitiger Höhe entstandenen Schaden von 506,99 € und dem die Dienstpflichten verletzenden Verhalten des Klägers besteht auch ein hinreichender Ursachenzusammenhang.
In Fällen wie dem vorliegenden, in denen der Beamte durch pflichtwidriges Verhalten einen Dritten geschädigt hat, dem der Dienstherr dafür Ersatz ohne Weiteres leistet, weil er von der Berechtigung des Anspruchs überzeugt ist, ist das pflichtwidrige Verhalten des Beamten für die Zahlung schon dann ursächlich, wenn der Dienstherr sich ohne dieses Verhalten nicht zu der Zahlung veranlasst gesehen hätte. Das gilt grundsätzlich selbst dann, wenn man nachträglich zum Ergebnis kommen sollte, der Anspruch des Dritten sei unberechtigt gewesen (vgl. zu all dem nur Plog/Wiedow, BBG, Stand Februar 2018, § 75 Rn. 65 f. m.w.N.).
Der Schaden in Höhe von 506,99 € ist auch nicht zugunsten des Klägers nach dem Gedanken des Vorteilsausgleichs gemindert.
Hat die Verletzung der Dienstpflichten neben dem Schaden auch Vorteile für den Dienstherrn (mit-) verursacht, so mindern diese zwar grundsätzlich den Schaden (vgl. zu all dem nur Plog/Wiedow, BBG, Stand Februar 2018, § 75 Rn. 73 m.w.N.). Der Vorteil besteht aber regelmäßig in einer Vermögensvermehrung, die stets tatsächlich eingetreten sein muss (vgl. nur Oetker, in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2016, § 249 Rn. 229 m.w.N.).
Im Fall des Klägers ist es zwar angesichts des Umstands, dass die Empfängerin durch ihre Unterschriften unter die Rechnungen des Unternehmens O2 jeweils vom 24. August 2015 bestätigt hat, die dort bezeichneten Handys als Ware erhalten zu haben, nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die Beklagte dem Absender zu Unrecht auf Garantie gehaftet hat. Das steht aber keinesfalls fest und führt schon deshalb nicht im Zuge des Vorteilsausgleichs angesichts etwaiger Ansprüche der Beklagten gegen den Absender zu einer Schadensminderung zugunsten des Klägers.
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 Sätze 1 und 2 ZPO.


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