IT- und Medienrecht

Ansprüche aus einem Kaufvertrag über Patientenstammdaten nach Praxisaufgabe

Aktenzeichen  64 O 1580/18

Datum:
6.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 58390
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 134, § 433 Abs. 1
StGB § 299a

 

Leitsatz

Zu der Bestimmung des Begriffs “Zuführung” im Sinne von § 299 a Nr. 3 StGB. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
A.
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht Regensburg gemäß §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG, § 13 ZPO sachlich und örtlich zuständig.
B.
Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erfüllung der vertraglich vereinbarten Verpflichtungen.
I.
Der Kläger kann aus dem zwischen den Parteien am 25.05.2017 geschlossenen Vertrag (Anlage K 1) keine Ansprüche gemäß § 433 Abs. 1 BGB geltend machen, da der Vertrag gemäß § 134 BGB in Verbindung mit § 299a StGB nichtig ist.
1. Die Parteien haben vorliegend einen Vertrag geschlossen, der folgende Vereinbarungen enthält:
-Übergabe und Übereignung der Patientendaten
-Weiterleitung der Domain der Beklagten auf die Homepage des Klägers
-Weiterleitung der Telefonnummer auf den Anschluss des Klägers
-Anschreiben der Beklagten an ihre Patienten mit einer Empfehlung für den Kläger sowie die Übersendung eines Praxis-Flyers des Beklagten als Anlage.
2. Zwar erfüllen die Vereinbarungen in § 2 des von den Parteien am 25.05.2017 geschlossenen Vertrages für sich genommen die Kriterien des von der Rechtsprechung entwickelten Zwei-Schrank-Modells, so dass die ärztliche Schweigepflicht im Sinne von § 203 StGB und das Selbstbestimmungsrecht der Patienten gemäß Art. 2 Abs. 1 GG bei Übergabe der Patientendaten gewahrt wären.
Anders als in den von der Rechtsprechung entschiedenen Fällen zum Zwei-Schrank-Modell liegt eine Praxisübernahme vorliegend jedoch nicht vor. Die oben genannten zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen begründen eine solche nicht.
Es handelt sich nicht um die Veräußerung einer Praxis an einen Nachfolger, der die Praxis an derselben oder einer anderen Örtlichkeit fortsetzt. Entgegen der Ansicht der Klagepartei liegt hier eine deutliche Abweichung zu einer Praxisübernahme vor, bei der sowohl der Veräußerer als auch der Erwerber ein von der Rechtsprechung anerkanntes Interesse daran hat, dass der Erwerber vom bestehenden Patientenstamm möglichst viele Patienten selbst (weiter) behandeln kann. Vielmehr geht es dem Kläger in der Gesamtschau allein um die Akquise von neuen Patienten für seine bestehende Praxis, so dass der Vertrag in seiner Gesamtheit gegen § 229a StGB verstößt und daher insgesamt nichtig ist gemäß § 134 BGB.
a) Die Weiterleitung der Domain sowie die Weiterleitung der Telefonnummer und das Anschreiben der Beklagten samt Praxisflyer des Klägers (egal ob unverschlossen oder verschlossen) dienen dem Kläger ausschließlich dazu, neue Patienten für seine bestehende Praxis zu gewinnen und ihm in Verbindung mit den übergebenen und übereigneten Patientendaten im Falle der Einwilligung den Zugriff auf diese zu ermöglichen.
Es liegt weder eine materielle noch eine ideelle Praxisübernahme vor, da nach Beendigung der Tätigkeit der Beklagten von ihrer Praxis bis auf die Patientendaten nichts fortbesteht, was übernommen werden könnte. Die Weiterleitung der Domain sowie die Weiterleitung des Telefonanschlusses dienen ausschließlich dem Zweck, Patienten, die sich bei der Beklagten melden oder erkundigen wollen, an den Kläger zu vermitteln. Es handelt sich dabei um werbende Maßnahmen, die dem Hauptzweck des geschlossenen Vertrages – Zuführung und Behandlung neuer Patienten – überhaupt erst ermöglichen sollen.
Das in § 4 des Vertrages vereinbarte Schreiben der Beklagten an ihren Patientenstamm würde lediglich deshalb erfolgen, weil die Beklagte als Gegenleistung einen Betrag in Höhe von 12.000 € vom Kläger erhält. Die Formulierung in dem als Anlage K 2 vorgelegten Entwurf „Ich möchte mich selbstverständlich nicht von Ihnen verabschieden, ohne Sie vertrauensvoll an meinen Kollegen Herrn Dr. … zu verweisen.“ oder eine anderweitige Empfehlung des Klägers durch die Beklagte erfolgt ins Blaue hinein, um eine vertragliche Verpflichtung zu erfüllen, ohne dass hierbei dem besonderen Schutz des Arzt-Patienten-Verhältnisses ausreichend Rechnung getragen wird. Es handalt sich allein um eine werbende Maßnahme gegen Entgelt.
Durch die Weiterleitung der Domain und der Telefonnummer wird den Patienten der Beklagten weiter suggeriert, es handele sich bei dem Kläger um den Praxisnachfolger bzw. jemanden, der zur Übernahme der Patienten in besonderer Weise geeignet oder legitimiert ist. Dass sowohl die Empfehlung als auch die Weiterleitung ausschließlich aufgrund einer Entgeltzahlung erfolgen, bleibt den Patienten dagegen verbogen.
Von den bisherigen Merkmalen der Praxis bleibt – abgesehen von der Telefonnummer und der Domain – aus Sicht eines eine ärztliche Behandlung suchenden Patienten dagegen nichts übrig.
b) Die zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen zielen daher entgegen der Ansicht der Klagepartei nicht auf eine Praxisübernahme ab, sondern dienen der Zuführung von neuen Patienten an den Kläger gegen ein Entgelt in Höhe von 12.000 €, so dass der Tatbestand des § 299 a Nr. 3 StGB erfüllt ist. Der Begriff Zuführung im Sinne von § 299 a Nr. 3 StGB ist weit zu fassen. „Zu verstehen ist darunter jede Einwirkung auf den Patienten mit der Absicht, dessen Auswahl eines Arztes oder eines anderen Leistungserbringers zu beeinflussen. Erfasst werden danach Zuweisungen und Überweisungen sowie Verweisungen und Empfehlungen. Mit der Verwendung des Begriffes „Zuführung“ anstelle von „Zuweisung“ soll deutlich gemacht werden, dass es auf die Form der Einwirkung auf den Patienten nicht ankommt. Auch mündliche und unverbindliche Empfehlungen sind erfasst.“ (BT-Drs. 18/6446, Seite 20). In den unter Ziffer I.1. genannten Vereinbarungen ist eine solche Zuführung im Sinne des § 299a Nr. 3 StGB zu sehen. Die Beklagte hat sich zu einer Empfehlung verpflichtet, der keine medizinische Indikation zugrunde gelegt werden kann, sondern die vielmehr aus rein wirtschaftlichen Überlegungen erfolgt.
3. Die zwischen den Parteien vereinbarte salvatorische Klausel sowie die Bemühungen der Parteien, den geschlossenen Vertrag anderweitig „zu retten“ gehen ins Leere. Es ist von den Parteien vorliegend keine Praxisübernahme, sondern ein isolierter Verkauf von Patientendaten gewollt, der durch das Anschreiben sowie die Weiterleitungen den gewollten Effekt – die Zuführung von neuen Patienten – ermöglichen soll. Der Vertrag ist aufgrund des Verstoßes gegen § 299a Nr. 3 StGB in seiner Gesamtheit nichtig im Sinne von § 134 BGB.
II.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 ZPO:
Verkündet am 06.02.2019


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