IT- und Medienrecht

Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, Duldung des Einbaus eines elektronischen Wasserzählers mit deaktivierter Funkfunktion, unzureichende Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung

Aktenzeichen  W 2 S 21.1641

Datum:
20.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 2926
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 3
GO Art. 24 Abs. 4

 

Leitsatz

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 17. November 2021 wird wiederhergestellt.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung der seitens des Antragsgegners ausgesprochene Verpflichtung zur Duldung des Einbaus eines Ultraschallwasserzählers mit ausgeschaltetem Funkmodul.
1. Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Anwesens „A.“ in … B., das an die als öffentliche Einrichtung betriebene Wasserversorgungsanlage des Antragsgegners angeschlossen ist.
In dem Anwesen ist ein analoger Wasserzähler installiert, dessen Eichgültigkeit mit Ablauf des Jahres 2018 endete. Da der Antragsgegner bereits damals den flächendeckenden Einbau digitaler Wasserzähler mit Funkfunktion im Anschlussgebiet plante, erfolgte keine Nacheichung des Wasserzählers.
Mit Schreiben vom 26. Januar 2017 widersprach die Antragstellerin dem Einbau eines digitalen Wasserzählers mit Funkfunktion. In der Folgezeit wurden auch von weiteren Anschlussnehmern Bedenken insbesondere in Bezug auf den Umfang der Datenspeicherung und das Vorhandensein einer hinreichend konkreten gesetzlichen Grundlage hierfür vorgebracht.
2. Mit Bescheid vom 17. November 2021 ordnete der Antragsgenger für das streitgegenständliche Anwesen unter Anordnung der sofortigen Vollziehung den Einbau eines Ultraschallwasserzählers mit ausgeschaltetem Funkmodul bis zum 31. Dezember 2021 an.
Zur Begründung wurde ausgeführt: Nach § 19 Abs. 1 der Satzung für die öffentliche Wasserversorgung des Marktes Burkardroth (Wasserabgabesatzung – WAS) und Art. 24 Abs. 4 GO bestimme die Gemeinde als Wasserversorger die Art der Wasserzähler. Der Antragsgegner habe sich flächendeckend für den Einsatz eines Ultraschallzählers des Typs multical 21 von der Herstellerfirma Kamstrup mit Funkauslesung bzw. ausgeschaltetem Funkmodul im Falle eines Widerspruchs nach Art. 24 Abs. 4 GO entschieden. Dieser Zähler erfülle alle gesetzlichen Vorgaben des Musters des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration für eine gemeindliche Wasserabgabesatzung gemäß Bekanntmachung vom 20. Februar 2019, die der Antragsgegner mit unverändertem Wortlaut in § 19 a WAS übernommen habe.
Die sofortige Vollziehbarkeit des Bescheides habe angeordnet werden könnten, da die richtige Verbrauchsmengenerfassung durch den Ablauf der gesetzlichen Eichfrist nach § 37 MessEG nicht mehr sichergestellt sei.
3. Hiergegen erhob die Antragstellerin mit Schreiben vom 22. November 2021 Widerspruch und beantragte, die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheides auszusetzen.
Zur Begründung machte die Antragstellerin datenschutzrechtliche und baubiologische Bedenken geltend. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei nicht erforderlich, da bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verwaltungsverfahrens eine Nacheichung des vorhandenen analogen Wasserzählers oder dessen Austausch gegen einen geeichten, analogen Zähler möglich sei.
Mit Schreiben vom 29. November 2021 teilte der Antragsgegner mit, dass er dem Widerspruch nicht abhelfe und der Antrag auf Aussetzung der Anordnung der sofortigen Vollziehung abgelehnt werde.
4. Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 20. Dezember 2021, bei Gericht am gleichen Tag elektronisch eingegangen, ließ die Antragstellerin einstweiligen Rechtschutz begehren.
Zur Begründung ließ sie im Wesentlichen vortragen: Die Anordnung der sofortigen Vollziehung genüge den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht. Der Antragsgegner begründe nicht, weshalb ein unverzüglicher Einbau eines elektronischen Wasserzählers mit ausgeschaltetem Funkmodul erforderlich sei und der rechtskräftige Abschluss des Verwaltungsverfahrens nicht abgewartet werden könne.
Der Bescheid vom 17. November 2021 sei rechtswidrig. Bei der getroffenen Anordnung handele es sich gem. § 25 WAS um eine Ermessensentscheidung. Der Antragsgegner habe sein Ermessen indes nicht ordnungsgemäß ausgeübt. Er sei auf die geltend gemachten datenschutzrechtlichen Bedenken hinsichtlich der lokalen Datenspeicherung auch bei deaktiviertem Funkmodul nicht eingegangen und habe diese offenkundig nicht berücksichtigt.
Auch bei deaktivierter Funkfunktion würden eine Vielzahl an personenbezogener Daten lokal auf dem Gerät gespeichert. Ausweislich des Datenblattes protokolliere der streitgegenständliche Wasserzähler täglich, monatlich und jährlich die Wasser- und Umgebungstemperatur. Es würden verschiedene Register anlegt mit Daten der letzten 460 Tage, 36 Monate und 10 Jahre. Einzelne Parameter würden alle 32 Sekunden erfasst, anderer minütlich und ein zweiminütlicher Mittelwert oder täglicher Mittelwert gebildet. Darüber hinaus sei es dem Produkt möglich, zahlreiche weitere Parameter wie den Maximaldurchfluss und die Durchflussgeschwindigkeit zu erheben und zu speichern. Eine solch umfangreiche Datenerhebung und -speicherung sei zu Abrechnungszwecken nicht erforderlich und verstoße gegen den Grundsatz der Datensparsamkeit. Auf das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichtes vom 5. Januar 2021, Az. 1 C 273/2020, werde verwiesen.
Zudem sei fraglich, ob eine hinreichend bestimmte Rechtsgrundlage hinsichtlich des zulässigen Umfangs der Datenspeicherung durch elektronische Wasserzähler bestehe. In Art. 24 Abs. 4 Satz 2 BayBO sei lediglich allgemein geregelt, dass in einem elektronischen Wasserzähler nur Daten gespeichert und verarbeitet werden dürften, die zur Erfüllung der Pflichtaufgabe der Wasserversorgung und zur Gewährleistung der Betriebssicherheit und Hygiene der gesamten Wasserversorgungseinrichtung erforderlich seien. § 19 a WAS enthalte keine weitere Konkretisierung zum Umfang der zulässigen Datenspeicherung. Es fehle damit an einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Vorgabe, welche Daten in welcher Taktung zu welchen Zwecken wie lange von digitalen Wasserzählern gespeichert und aufbewahrt werden dürften.
Darüber hinaus habe die Antragstellerin Zweifel an der technischen Sicherheit der deaktivierten Funkfunktion sowie gesundheitliche Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen der Ultraschalltechnik auf das Lebensmittel Trinkwasser.
Die Antragstellerin lässt beantragen,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 17. November 2021 wiederherzustellen.
Der Antragsgegner lässt beantragen,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wird ausgeführt: Realistische wissenschaftliche Erkenntnisse darüber, dass von digitalen Wasserzählern Gesundheitsgefahren ausgingen, existierten nicht. Auch die technische Sicherheit sei gewährleistet. Entgegen den Befürchtungen der Antragstellerin bestehe keine Möglichkeit, von außen auf den Zähler zuzugreifen oder die Funkfunktion zu aktivieren. Den Anforderungen des Datenschutzes sei ausreichend Rechnung getragen. Mit Art. 24 Abs. 4 GO bestehe eine gesetzliche Grundlage für den Einsatz digitaler und funkunterstützter Wasserzähler. Das Ermessen sei ordnungsgemäß ausgeübt worden. Im Verhältnis zur Beschaffung und Unterhaltung großer Chargen von digitalen Wasserzählern sei es unwirtschaftlich, für die Antragstellerin weiterhin einen analogen, geeichten Zähler zu beschaffen und zu unterhalten.
Der Sofortvollzug sei gesondert begründet worden. Es sei für den Antragsgegner geboten, kurzfristig den analogen Zähler mit abgelaufener Eichung durch einen digitalen Zähler mit Eichung zu ersetzen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
1. Der zulässige Antrag ist auch in der Sache begründet.
Die Anordnung des Sofortvollzugs entspricht nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung i.S.d § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO und ist daher formell rechtwidrig.
Nach § 80 Abs. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Will die Behörde von diesem Regelfall abweichen, so muss sie gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO in den Fällen des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich begründen. Die Begründung nach § 80 Abs. 3 VwGO muss dabei kenntlich machen, dass sich die Behörde bewusst war, von einem rechtlichen Ausnahmefall Gebrauch zu machen. Daher ist es im Regelfall unzureichend, die sofortige Vollziehung allein mit dem Vorliegen eines öffentlichen Interesses am Vollzug zu begründen. Das für die sofortige Vollziehung erforderliche Interesse ist ein qualitativ anderes Interesse als das Interesse am Erlass und der Durchsetzung des Verwaltungsakts. Zur Begründung des besonderen Vollziehungsinteresses müssen deshalb regelmäßig andere Gründe angeführt werden, als sie zur Rechtfertigung des zu vollziehenden Verwaltungsaktes herangezogen wurden (OVG Schleswig-Holstein, B.v. 18.6.2020 – 4 MB 21/20 – juris). Die Behörde muss vielmehr grundsätzlich die besonderen, auf den konkreten Fall bezogenen Gründe benennen, die sie dazu bewogen haben, abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung, die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes anzuordnen (BayVGH, B.v. 18.10.2021 – 15 CS 21.2407 – juris).
Diesen Anforderungen wird die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung durch den Antragsgegner im Bescheid vom 17. November 2021 nicht gerecht. Die Begründung des Antragsgegners erschöpft sich darin, dass durch den Ablauf der Eichfrist die richtige Verbrauchsmengenerfassung nach § 37 MessEG nicht mehr sichergestellt sei. Sie enthält keinerlei Ausführungen, die eine besondere Dringlichkeit an der sofortigen Vollziehung der Duldungsverfügung begründen könnten. Weshalb statt einer Nacheichung des vorhandenen analogen Wasserzählers ein unverzüglicher Einbau eines digitalen Wasserzählers vor einem rechtskräftigen Abschluss des Verwaltungsverfahrens – für das namentlich die Frage von zentraler Bedeutung sein wird, ob der Umfang der Datenspeicherung durch elektronische Wasserzähler hinreichend konkret geregelt ist – im überwiegenden öffentlichen Interesse erforderlich sein soll, legt der Antragsgegner nicht dar.
Dem Eilantrag war somit stattzugeben.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5. des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (2013).


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