IT- und Medienrecht

Anzuwendendes Recht auf das dingliche Rechtsgeschäft an einer Sache

Aktenzeichen  13 U 539/15

Datum:
1.6.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 115052
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
EGBGB Art. 43

 

Leitsatz

1. Das dingliche Rechtsgeschäft an einer Sache bestimmt sich nach dem Recht des Staates, in dem sich die Sache befindet. (redaktioneller Leitsatz)
2. Nach italienischem Recht ist ein gutgläubiger Erwerb auch an abhanden gekommenen Sachen möglich. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

40 O 11106/14 2015-01-21 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

I.
Auf die Berufung des Beklagten vom 10.02.2015 wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 21.01.2015, Az.: 40 O 11106/14, wie folgt abgeändert:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Auf die Widerklage des Beklagten wird die Klägerin verurteilt, der Herausgabe des Pkw BMW X5 mit der Fahrzeugidentitäts-Nr. WBAZW … mit dem derzeitigen amtlichen Kennzeichen M-… an den Beklagten zuzustimmen.
3. Die Klägerin wird verurteilt, den Beklagten von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 1.358,86 € freizustellen.
4. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000,– € vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 70.420,22 € festgesetzt.

Gründe

I. Die Parteien streiten darum, wer Eigentümer des im Tenor unter Ziffer 1. genannten Kraftfahrzeuges ist.
Das Fahrzeug BMW X5, Fahrgestell-Nummer und amtliches Kennzeichen wie im Tenor, war bei der Klägerin haftpflicht- und kaskoversichert. Ursprünglicher Eigentümer des Fahrzeugs war seit 03.07.2012 die Fa. S., vertreten durch ihren Geschäftsführer B. (Anlage HFB 4). Diesem wurde das Fahrzeug in Italien in der Nähe von Salerno am 10.08.2012 zusammen mit 2 Originalschlüsseln geraubt. Die Klägerin hat die Ansprüche des Versicherungsnehmers befriedigt durch den Kauf und Übergabe eines Ersatz-Pkws. Der BMW hatte im Zeitpunkt des Raubes einen Wert von 83.779,52 € brutto bzw. 77.354,72 € netto (Anlage HFB 5 a, die insoweit Schweizer Franken ausweist). Das Fahrzeug wurde am 19.11.2013 durch die Polizei sichergestellt und befindet sich in amtlicher Verwahrung in München.
Mit Beschluss des Amtsgerichts München vom 04.04.2014 (Anlage HFB 1) wurde der Klägerin aufgegeben, binnen einer Frist von 2 Monaten nach Zugang des Beschlusses ihre Rechte an dem streitgegenständlichen BMW X5 vor dem zuständigen Zivilgericht geltend zu machen. Die Klägerin erhob daraufhin am 06.06.2014 die hiesige Klage.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des Endurteils des LG München I vom 21.01.2015 Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Das Erstgericht stellte fest, dass die Klägerin Alleineigentümerin des streitgegenständlichen BMW X5 sei und wies die Widerklage des Beklagten ab.
Tragend stellte es darauf ab, dass der Beklagte weder nach deutschem noch nach italienischem Recht Eigentümer geworden sei. Nach deutschem Recht sei ein gutgläubiger Erwerb an abhanden gekommenen Sachen nicht möglich, nach italienischem Recht gebe es zwar einen gutgläubigen Erwerb nach Art. 1153 des Codice Civile, der Beklagte sei allerdings nicht gutgläubig gewesen.
Gegen dieses dem anwaltlichen Vertreter des Beklagten am 28.01.2015 zugestellte Urteil legte derselbe mit Schriftsatz vom 10.02.2015 (Bl. 68/71 d. A.), eingegangen beim Oberlandesgericht München am 11.02.2015, Berufung ein, die er gleichzeitig begründete.
Der Beklagte argumentierte, die Frage des Eigentumserwerbs sei nach italienischem Recht zu beurteilen und dass er angesichts des dem italienischen Marktpreis entsprechenden Kaufpreises sowie der vorgelegten Originalschlüssel gutgläubig gewesen sei und dies auch sein durfte.
Der Beklagte beantragt,
das Endurteil des Landgerichts München I vom 21.01.2015 dahingehend abzuändern,
dass die Klage abgewiesen und auf die Widerklage hin die Klägerin verurteilt wird, der Herausgabe des BMW X5 mit der Fahrzeugidentitäts-Nr. WBAZW … mit dem derzeitigen amtlichen Kennzeichen M-… an den Beklagten zuzustimmen und den Beklagten von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 1.358,96 € freizustellen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage, ob der sichergestellte BMW X5 sowohl auf dem deutschen als auch auf dem italienischen Markt einen zu erzielenden Kaufpreis von (nur) ca. 32.000,– € gehabt habe. Der Sachverständige Dipl.-Ing. (FH) Christoph S. hat unter dem 09.10.2015 ein schriftliches Sachverständigengutachten erstattet (Bl. 101/140 d. A.) mit Beteiligung des italienischen Sachverständigen Francesco G. In seiner Sitzung vom 04.05.2016 hat der Senat beide Sachverständige sowie den Beklagten angehört (Bl. 168/172 d. A.). Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 04.05.2016 Bezug genommen (Bl. 168/172 d. A.).
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird Bezug genommen auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie auf das Protokoll vom 04.05.2016.
II. Auf die zulässige Berufung des Beklagten war das Endurteil des LG München I abzuändern und die Klage abzuweisen sowie der Widerklage stattzugeben.
Im Einzelnen:
Es kann dahinstehen, ob der Kaufvertrag deutschem oder italienischem Recht unterfällt (Rom I 12), denn Vorfragen sind selbstständig anzuknüpfen (Palandt-Thorn, BGB, 74. Auflage 2015, Art. 43 EGBGB, Rz. 4). Damit beurteilt sich nach Art. 43 EGBGB das dingliche Rechtsgeschäft nach italienischem Recht als lex rei sitae. Unstreitig befand sich das streitgegenständliche Fahrzeug im Zeitpunkt des Abhandenkommens berechtigt in Italien und wurde dem Beklagten in Neapel übergeben.
Nach italienischem Recht – Art. 1153 Codice Civile – ist ein gutgläubiger Erwerb auch an abhanden kommenden Sachen möglich.
Nach Überzeugung des Senats war der Beklagte sowohl im Zeitpunkt der dinglichen Einigung als auch der Übergabe gutgläubig.
Ein Anhaltspunkt dafür, dass es sich bei dem Kfz um „heiße Ware“ gehandelt haben könnte, ergibt sich nicht aus dem Kaufpreis. Zwar mag der BMW X5 nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) S. in seinem schriftlichen Gutachten wie auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf dem deutschen Markt einen nachvollziehbaren Händlerverkaufswert in einer Größenordnung von 48.300,– € brutto und einen Händlereinkaufswert in Höhe von 41.600,– € brutto gehabt haben. Auf dem italienischen privaten Gebrauchtfahrzeugmarkt lag allerdings der Verkaufswert in einer Größenordnung von 29.000,– € brutto. Dies hat insbesondere der italienische Sachverständige G. sowohl in seinem schriftlichen Gutachten wie auch im Rahmen seiner mündlichen Anhörung vor dem Senat ausgeführt. Dies beruht darauf, dass in Italien im Jahre 2011 eine Luxussteuer eingeführt wurde unter anderem auf Kraftfahrzeuge mit mehr als 185 kW Motorleistung. Dabei ist nicht die anfallende Steuer als solche das Problem, sondern dass die Betroffenen sodann Steuerprüfungen – auch auf offener Straße durch die guardia financia – zu gewärtigen haben, ob sie sich das Auto angesichts ihrer Steuererklärung auch leisten können. Dies hat dazu geführt, dass nicht nur in Norditalien, sondern insgesamt in Italien der Markt für derartige Luxusfahrzeuge faktisch zusammengebrochen ist und derartige Fahrzeuge nur noch mit erheblichem Abschlag verkauft werden können.
Der Senat hat sich auch vom Beklagten auf dessen Smartphone vorführen lassen, dass bei Autoscout24 einfach auf den europäischen Markt geschaltet werden kann, um sodann europaweit die angebotenen Fahrzeuge sehen zu können. Der Kaufpreis kann somit nicht als Indiz für eine Bösgläubigkeit herangezogen werden.
Auch die Autoschlüssel können nicht als Indiz herangezogen werden. Unstreitig hat es sich im konkreten Fall um die beiden Originalschlüssel gehandelt, so dass die Frage dahinstehen kann, ob gefälschte Schlüssel zu erkennen wären.
Auch aus den Papieren hat sich nach Überzeugung des Senats kein Indiz entnehmen lassen, zumal selbst die Zulassungsstelle München die vorgelegten Unterlagen nicht als Fälschung erkannt hat.
Auch aus den vom Beklagten glaubwürdig geschilderten sonstigen Umstände, dem gemeinsamen Essen mit dem Verkäufer und dessen Erzählen von seiner Familie, konnte der Beklagte keinen Verdacht hinsichtlich einer Unredlichkeit des Verkäufers haben.
Der Senat ist daher nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme von der Gutgläubigkeit des Beklagten überzeugt.
Der Beklagte hat somit nach italienischem Recht Eigentum erworben. Er hat damit gegen die Klägerin einen Anspruch auf Zustimmung zur Herausgabe des Pkws aus der amtlichen Verwahrung.
Da die Klägerin den Beklagten außergerichtlich zur Schadensregulierung aufgefordert hat, wie dem Klagevortrag auf Seite 10 zu entnehmen ist, war der Beklagte gehalten, sich ebenfalls anwaltlichen Beistand zu holen, dessen Kosten er nunmehr als Folgeschaden der Eigentumsvorenthaltung ersetzt verlangen kann.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 ZPO.
IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit fußt in § 709 ZPO.
V. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung.
VI. Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1, 40, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, 3 ZPO.


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