IT- und Medienrecht

Auskunftsanspruch im Hinblick auf Beratungsangebote des Gesundheitsamtes zu sozialen- und psychosozialen Problemen

Aktenzeichen  W 1 K 17.501

Datum:
17.7.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
UnterbrG UnterbrG Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Abs. 2, Art. 7 Abs. 1 S. 4, Abs. 2 S. 1, Abs. 5
GDVG GDVG Art. 13 Abs. 1 S. 2 Nr. 2
VwGO VwGO § 44a S. 1, § 100
BayVwVfG BayVwVfG Art. 29 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Schreiben gemäß § 3 Abs. 1 UnterbrG, die nach ihrem Wortlaut nur ein Angebot darstellen, um bei einem Beratungs- oder Hilfebedarf zu sozialen oder psychosozialen Problemen über mögliche Hilfestellungen zu informieren und deren Annahme auf Freiwilligkeit beruhen, bedürfen keiner weitergehenden Erläuterung der Hintergründe. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2 Hat ein Kläger nach einem expliziten Hinweis auf die Möglichkeit nach § 100 VwGO, sowohl die Gerichts- als auch Behördenakten während eines Gerichtsverfahrens vollständig einzusehen, hiervon keinen Gebraucht gemacht, so ist ein Rechtsschutzbedürfnis für eine spätere gerichtliche Entscheidung betreffend eine solche Akteneinsicht nicht gegeben (ebenso BVerwG BeckRS 1987, 31286901). (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
3 Ein Anspruch auf Akteneinsicht nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens ergibt sich nicht aus Art. 29 Abs. 1 BayVwVfG (ebenso BVerwG BeckRS 1987, 31286901). Nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens wird Akteneinsicht vielmehr nur bei Vorliegen eines berechtigten Interesses nach pflichtgemäßem Ermessen der Behörde gewährt (ebenso BVerwG BeckRS 9998, 45165). (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Gerichtsbescheid ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Über die Klage konnte nach vorheriger Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da sie keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 VwGO).
Die Klage bleibt jedenfalls in der Sache ohne Erfolg.
1. Der Kläger begehrt eine Auskunftserteilung hinsichtlich der Gründe für die an ihn gerichteten Anschreiben des Beklagten vom 26. September 2016, 18. Oktober 2016 sowie 27. Oktober 2016. Dieses Begehren verfolgt der Kläger – statthaft im Wege einer allgemeinen Leistungsklage – auch nach seiner öffentlich-rechtlichen Unterbringung nach dem Unterbringungsgesetz fort; den Akten ist nicht zu entnehmen, dass der Beklagte dem Begehren zwischenzeitlich nachgekommen ist und somit Erledigung eingetreten wäre. Ungeachtet der Frage der Zulässigkeit dieses Klagebegehrens im Hinblick auf die Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO analog ist die Klage jedenfalls unbegründet, da keine Anspruchsgrundlage für das klägerische Begehren auf weitere Begründung bzw. Auskunftserteilung besteht.
Die Schreiben vom 26. September 2016 sowie 18. Oktober 2016 stellten nach ihrem eindeutigen Wortlaut ein Angebot an den Kläger dar, um diesem bei einem Beratungs- oder Hilfebedarf zu sozialen oder psychosozialen Problemen über mögliche Hilfestellungen zu informieren. Eine Pflicht zur Kontaktaufnahme oder gar zum Erscheinen im Gesundheitsamt beinhalteten diese ersichtlich nicht. Diese Angebote basieren, worauf auch der Beklagte hinweist, auf Art. 3 Abs. 1 UnterbrG, wonach die vorhandenen vorsorgenden Hilfen auszuschöpfen sind, um eine Unterbringung nach diesem Gesetz zu vermeiden. Hierzu sind nach Art. 3 Abs. 2 UnterbrG die Gesundheitsämter berufen. Auch nach Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 des Gesetzes über den öffentlichen Gesundheits- und Veterinärdienst, die Ernährung und den Verbraucherschutz sowie die Lebensmittelüberwachung (GDVG) ist es Aufgabe der Gesundheitsämter, gesundheitliche Beratung u.a. für Menschen anzubieten, die an einer psychischen Krankheit leiden bzw. von ihr bedroht sind, über Personen, Einrichtungen und Stellen, die vorsorgende Hilfen gewähren können. Diesen gesetzlichen Aufgaben ist das Gesundheitsamt … unter Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen durch die genannten Schreiben nachgekommen. Der Kläger leidet nach den Feststellungen der Amtsärztin des Gesundheitsamt … vom 14. Dezember 2016 an einer psychiatrischen Erkrankung bzw. ist zumindest hiervon gefährdet. Einer weitergehenden Erläuterung der Hintergründe für ein derartiges Hilfeangebot, dessen Annahme auf Freiwilligkeit beruht, bedurfte es auf der Grundlage der genannten Rechtsvorschriften nicht, insbesondere nicht im Vorfeld der Inanspruchnahme des Beratungsangebotes beim Gesundheitsamt …, welches durch ein persönliches Telefonat oder Beratungsgespräch erfolgen sollte. Zudem wurde dem Kläger im Schreiben vom 26. September 2016 zumindest erläutert, dass dem Beratungsangebot eine polizeiliche Information zugrunde lag. Ebenso wenig bedarf es nunmehr nachträglich einer Begründung für die unterbreiteten Beratungsangebote.
Das Schreiben vom 27. Oktober 2016 mit der Bitte, am 7. November 2016 zu einem Gespräch mit einem Amtsarzt im Gesundheitsamt zu erscheinen, bedurfte aus denselben vorbenannten Gründen keiner vorherigen oder nachträglichen Auskunftserteilung, da der (regelmäßig stattfindende) amtsärztliche Sprechtag, zu welchem die Einladung erfolgt ist, nach Auskunft des Beklagten der Beratung der Bürger dient. Selbst wenn man jedoch dieses Schreiben als Vorladung zur amtsärztlichen Begutachtung im Rahmen der Ermittlungen zu einer etwaigen öffentlich-rechtlichen Unterbringung nach dem Unterbringungsgesetz ansehen würde, so führt auch dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn nach Art. 7 Abs. 1 Satz 4 UnterbrG kann die Kreisverwaltungsbehörde den Betroffenen zu einem Amtsarzt vorladen und, soweit erforderlich, durch die Polizei vorführen lassen. Der Betroffene ist nach Art. 7 Abs. 2 Satz 1 Unterbringungsgesetz verpflichtet, diese Untersuchung zu dulden. Gegenstand der Untersuchung ist das Vorliegen der Voraussetzungen nach Art. 1 Abs. 1 UnterbrG sowie die Klärung der Frage, ob bzw. durch welche Hilfen nach Art. 3 UnterbrG eine Unterbringung vermieden werden kann. Einer näheren Information des Klägers im Vorfeld oder nach Durchführung der Untersuchung dahingehend, worauf die gewichtigen Anhaltspunkte für das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 UnterbrG, welche sich für das Gesundheitsamt hinreichend aus der Sachverhaltsmitteilung der PI … vom 5. September 2016 ergaben, basieren, bedarf es nach diesen Vorschriften, die der Gefahrenabwehr dienen, nicht. Darüber hinaus hätte es dem Kläger nach Art. 7 Abs. 5 UnterbrG freigestanden, gegen Maßnahmen zur Regelung einzelner Angelegenheiten im Rahmen der Vorbereitung der Unterbringung einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung beim Betreuungsgericht zu stellen.
2. Selbst wenn man das klägerische Begehren als allgemeine Leistungsklage auf Akteneinsicht, insbesondere im Hinblick auf den Polizeibericht vom 5. September 2016, auslegen würde – wovon jedoch nach dem erkennbaren Inhalt der Klageschrift nicht auszugehen ist -, so bliebe auch insoweit die Klage ohne Erfolg. Die Klage ist insoweit bereits unzulässig mangels Vorliegens eines Rechtsschutzbedürfnisses, da der Kläger jedenfalls während des Gerichtsverfahrens nach § 100 VwGO die Möglichkeit hatte, sowohl die Gerichts- als auch Behördenakten vollständig einzusehen und hierauf sogar explizit hingewiesen wurde. Wenn der Kläger aber von dieser einfacheren Möglichkeit zur Erreichung seines Klagezieles keinen Gebrauch macht, so ist ein Rechtsschutzbedürfnis für eine gerichtliche Entscheidung betreffend die Akteneinsicht in die Behördenakten nicht gegeben (vgl. BVerwG, B.v. 1.10.1987 – 8 B 108/87 – juris). Soweit eine Akteneinsicht während des noch laufenden Verwaltungsverfahrens begehrt wird, so ist eine hierauf gerichtete Klage darüber hinaus nach § 44a Satz 1 VwGO unzulässig, da es sich bei einer diesbezüglichen Ablehnung um eine nicht selbständig anfechtbare Verfahrenshandlung handelt, die nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen angegriffen werden kann (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 22. Auflage, § 44a, Rn. 5).
Eine derartige Klage wäre darüber hinaus aber auch unbegründet, worauf es nach vorstehenden Ausführungen jedoch nicht mehr entscheidungserheblich ankommt. Das vom Beklagten durchgeführte Verwaltungsverfahren nach dem Unterbringungsgesetz ist kurze Zeit nach Klageerhebung durch die Anordnung zur sofortigen Unterbringung vom 16. Dezember 2016 abgeschlossen worden. Ein Anspruch auf Akteneinsicht nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens ergibt sich nach allgemeiner Meinung nicht aus Art. 29 Abs. 1 BayVwVfG (vgl. BVerwG, a.a.O.; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Auflage, § 29 VwVfG Rn. 18, 38 m.w.N.). Nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens wird Akteneinsicht vielmehr nur bei Vorliegen eines berechtigten Interesses nach pflichtgemäßem Ermessen der Behörde gewährt (vgl. BVerwG, U.v. 5.6.1984 – 5 C 73/82 – juris). Der Kläger hat vorliegend jedoch keinerlei Gründe für ein diesbezügliches Akteneinsichtsbegehren benannt, sodass sich die Frage nach einer etwaigen Ermessensfehlerhaftigkeit einer Nichtgewährung der Akteneinsicht mangels Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzung eines berechtigten Interesses bereits nicht stellt. Hinzu kommt, dass der Kläger die Zusendung von Kopien aus der Akte verlangt hat, was der gesetzlichen Regelung widerspricht, dass die Akteneinsicht bei der Behörde erfolgt, die die Akten führt (Art. 29 Abs. 3 Satz 1 BayVwVfG analog).


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