IT- und Medienrecht

Ausschluss des Nacherfüllungsanspruchs bei vom Abgasskandal betroffenem Pkw nach Modellwechsel

Aktenzeichen  1 U 106/17

Datum:
18.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 154110
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 291
BGB § 133, § 157, § 434 Abs. 1, § 437 Abs. 1 Nr. 1, § 439 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Zur Vermeidung unnötiger Beweisaufnahmen ist es dem Gericht unbenommen, seine Überzeugung auf Informationen aus allgemein einfach zugänglichen, zuverlässigen Quellen zu stützen, zu denen unter anderem auch Internetseiten gehören können. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ob eine Ersatzlieferung in Betracht kommt, ist gemäß §§ 133, 157 BGB nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Willen der Vertragsparteien bei Vertragsschluss zu beurteilen. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Modellwechsel schließt den Nacherfüllungsanspruch wegen eines Mangels am Pkw aus. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

1 U 106/17 2017-11-07 Endurteil OLGBAMBERG LG Bayreuth

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Bayreuth vom 18.07.2017, Az.: 21 O 170/17, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Bayreuth ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 37.537,96 € festgesetzt.

Gründe

I.
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 18.07.2017 Bezug genommen.
Im Berufungsverfahren beantragt der Kläger:
1. Das Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 18.07.2017, 21 O 170/17, wird aufgehoben und wie folgt abgeändert:
2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein mangelfreies fabrikneues typengleiches Ersatzfahrzeug aus der aktuellen Serienproduktion des Herstellers mit identischer technischer Ausstattung wie das Fahrzeug X. um Zug gegen Rückübereignung des mangelhaften Fahrzeugs X. nachzuliefern.
3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des im Klageantrag Ziffer 1 genannten Fahrzeugs in Verzug befindet.
4. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.434,74 € freizustellen.
Zur Darstellung der Angriffe des Klägers im Berufungsverfahren wird vollumfänglich Bezug genommen auf die Berufungsbegründung vom 20.10.2017 (Blatt 632-668 d.A.).
II.
Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Bayreuth vom 18.07.2017, Az 21 O 170/17, ist gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 07.11.2017 (Blatt 671-677 d.A.) Bezug genommen. Die Ausführungen im Schriftsatz der Klägervertreterin vom 04.12.2017 (Blatt 686-689 d.A.) geben keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Es sind folgende Ergänzungen veranlasst:
1. Es ist im Verfahren unstreitig, dass es einen Modellwechsel gegeben hat und das aktuelle Modell des Pkw X. mit einer andere Motorisierung ausgestattet ist, welche die elektronische Abschaltvorrichtung nicht aufweist. Der Senat ist auch unter Berücksichtigung des weiteren Vorbringens des Berufungsführers der Überzeugung, dass die Veränderungen der Modellreihe einen Nachlieferungsanspruch des Klägers ausschließen.
a. Soweit in dem Beschluss vom 07.11.2017 konkrete Veränderungen aufgeführt sind (abweichender Motor E2.; Motorleistung 150 PS statt 140 PS; erhöhte Höchstgeschwindigkeit; veränderte Länge; veränderter Radstand), konnte diese auch ohne Vortrag der Beklagten berücksichtigt werden, nachdem es sich gem. § 291 ZPO um offenkundige Tatsachen handelt. Zur Vermeidung unnötiger Beweisaufnahmen ist es dem Gericht unbenommen, seine Überzeugung auf Informationen aus allgemein einfach zugänglichen, zuverlässigen Quellen zu stützen, zu denen unter anderem auch Internetseiten gehören können (Zöller-Greger, ZPO, 32. Aufl., § 291 Rn. 1). Im Übrigen hat die Klagepartei diese technischen Daten inhaltlich auch nicht in Abrede gestellt.
b. Ziff. IV.6. der Neuwagen-Verkaufsbedingen steht nicht entgegen. Ob eine Ersatzlieferung in Betracht kommt, ist gemäß §§ 133, 157 BGB nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Willen der Vertragsparteien bei Vertragsschluss zu beurteilen. Möglich ist die Ersatzlieferung nach der Vorstellung der Parteien dann, wenn die Kaufsache im Falle ihrer Mangelhaftigkeit durch eine gleichartige und gleichwertige ersetzt werden kann (BGH, Urteil v. 07.06.2006, Az. VIII ZR 209/05), wobei vorliegend die vereinbarte Klausel zur Auslegung heranzuziehen ist. Diese bezieht sich indes nach Ansicht des Senats auf geringfügige Veränderungen, welche die Gattung nicht berühren, welche bei Kraftfahrzeugen entscheidend durch die Modellreihe geprägt sind. Hingegen sind Kaufentscheidungen im Bereich des privaten Automobilkaufs zumindest auch durch die Motorisierung des Fahrzeugs geprägt. Änderungen des Motorentyps, der Leistung sowie der Abgasregelung sind erhebliche Änderungen, die nicht unter die Geringfügigkeitsklausel nach Ziff. IV. 6. der Neuwagen-Verkaufsbedingungen fallen. Dieses wäre offenkundig, wenn seitens der Verkäufers/Herstellers eine Verringerung der Leistung vorgenommen würde. Auf diese müsste sich der Käufer mangels Zumutbarkeit nicht einlassen. Für den umgekehrten Fall der Steigerung der Leistung kann dann aber nichts anderes gelten.
Der Senat erachtet insgesamt die an dem streitgegenständlichen Fahrzeugtyp mit dem Modellwechsel im Jahr 2016 vollzogenen Änderungen für derart umfangreich, dass es sich nicht mehr um eine gleichartige und gleichwertige Sache (dazu BGH, Urteil v. 17.10.2012, Az. VIII ZR 226/11) handelt. Dieses wird auch durch den Begriff des „Facelifts“ nicht in Frage gestellt.
c. Entgegen der mit Schriftsatz vom 04.12.2017 dargelegten Auffassung ist auch die überwiegende Instanzrechtsprechung der Ansicht, dass ein Modellwechsel den Nacherfüllungsanspruch ausschließt (vgl. bspw. Landgericht Hagen, Urteil vom 07.10.2016, Az.: 9 O 58/16 Landgericht Bayreuth, Urteil vom 20.12.2016, Az.: 21 O 34/16 Landgericht Dessau-Roßlau, Urteil vom 07.03.2017, Az.: 2 O 131/16 Landgericht Aachen, Urteil vom 21.03.2017, Az.: 10 O 177/16 Landgericht Darmstadt, Urteil vom 27.03.2017, Az.:13 O 543/16; Landgericht Kempten, Urteil vom 29.03.2017, Az.:13 O 808/16 Landgericht Braunschweig, Urteil vom 19.05.2017, Az.: 11 O 3605/16; Landgericht Braunschweig, Urteil vom 01.06.2017, Az.: 3 O 1276/16 Landgericht Braunschweig, Urteil vom 09.06.2017, Az.: 11 O 3838/16 Landgericht Braunschweig, Urteil vom 19.06.2017, Az.: 11 O 3605/17; Landgericht Heidelberg, Urteil vom 30.06.2017, Az.: 3 O 6/17 Landgericht Krefeld, Urteil vom 05.07.2017, Az.: 7 O 150/16 Landgericht Braunschweig, Urteil vom 11.10.2017, Az.: 3 O 2990/16 Landgericht Braunschweig, Urteile vom 15.11.2017 Az.: 3 O 271/17, 3 O 429/17, 3 O 719/17). 2.
Der Zurückweisung steht auch weder eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO entgegen noch die Notwendigkeit der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO.
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn eine klärungsbedürftige Rechtsfrage zu entscheiden ist, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einheitlicher Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (grundlegend BGH, Beschluss v. 04.07.2002, Az. V ZB 16/02; Zöller-Heßler, ZPO, 32. Aufl., § 543 Rn. 11). Der vorliegende Fall ist hingegen gekennzeichnet durch Fragestellungen in tatsächlicher Hinsicht zum Gegenstand des Nachlieferungsanspruchs. Abweichende obergerichtliche Entscheidungen sind bisher nicht ergangen. Vielmehr befindet sich der Senat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg (Beschluss v. 20.09.2017, Az. 6 U 5/17).
Aus diesen Gründen war die Berufung des Klägers als unbegründet zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1, 1. HS ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens war gemäß §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 63 Abs. 2 GKG, 3 ZPO auf 37.537,96 € festzusetzen.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Der Influencer Vertrag

In den letzten Jahren hat sich Influencer Marketing einen starken Namen in der Werbebranche gemacht. Viele Unternehmen setzen auf platzierte Werbeanzeigen durch Influencer. Was jedoch zwischen Unternehmer und Influencer vertraglich im Vorfeld zu beachten ist, werden wir Ihnen im Folgenden erläutern.
Mehr lesen

Gültigkeit von Gutscheinen

Sie erweisen sich immer wieder als beliebtes Geschenk oder werden oft bei Rückgabe von Waren statt Geld ausgezahlt: Gutscheine. Doch wie lange sind Gutscheine eigentlich gültig, ist eine Einlösbarkeit von einem Monat überhaupt rechtmäßig und was passiert, wenn der Gutschein doch einmal verfällt?
Mehr lesen