IT- und Medienrecht

Befreiung vom Rundfunkbeitrag für eine Zweitwohnung

Aktenzeichen  1 ZKO 681/20

Datum:
14.3.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Thüringer Oberverwaltungsgericht 1. Senat
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:OVGTH:2022:0314.1ZKO681.20.00
Normen:
Art 3 Abs 1 GG
Art 6 GG
§ 124a VwGO
§ 124a Abs 2 Nr 1 VwGO
§ 124a Abs 2 Nr 2 VwGO
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Spruchkörper:
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Leitsatz

Nur derjenige, der als inhaber einer Haupt- und Nebenwohnung als Beitragsschuldner für beide Wohnungen zur Leistung von Rundfunkbeiträgen herangezogen wird, hat einen Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht für die Zweitwohnung (vgl. BVerfG, Urt. v. 18.07.2018 – 1 BvR 1875/16 u.a. -, BVerfGE 149, 222, Rn. 107).(Rn.10)

Verfahrensgang

vorgehend VG Weimar, 26. August 2020, 3 K 1520/19 We, Urteil

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar vom 26. August 2020 – 3 K 1520/19 We – wird abgelehnt.
Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 612,50 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten eine (rückwirkende) Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht für eine Zweitwohnung.
Ihren Hauptwohnsitz hat die Klägerin in G…. Für die dortige Wohnung ist ihr Ehemann unter der Nummer … als Beitragsschuldner gemeldet. Die Klägerin bewohnt eine Wohnung in der B… in E… als Zweitwohnung. Für diese Wohnung nimmt der Beklagte die Klägerin unter der Beitragsnummer 391 376 046 zur Zahlung von Rundfunkbeiträgen in Anspruch.
Im laufenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren hat der Beklagte der Klägerin rückwirkend zum November 2019 eine unbefristete Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht gewährt. Nachdem das Verwaltungsgericht Weimar die auf Befreiung von den Rundfunkbeiträgen für den Zeitraum von Januar 2016 bis Oktober 2019 gerichtete Verpflichtungsklage abgewiesen hat, verfolgt sie ihr Begehren mit dem vorliegenden Antrag weiter.
II.
Der fristgemäß erhobene Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat jedoch auf der allein maßgeblichen Grundlage der Darlegungen in der Antragsbegründung (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) keinen Erfolg. Die Klägerin, die in ihrer Zulassungsbegründung keinen der in § 124 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 VwGO aufgeführten Zulassungsgründe konkret bezeichnet hat, macht mit ihrem Zulassungsvorbringen jedenfalls Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils geltend.
Ungeachtet dessen, ob der Zulassungsvortrag überhaupt den Darlegungsanforderungen nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügt – insoweit bestehen erhebliche Zweifel, ob sich die Begründung hinreichend substantiiert mit der angefochtenen Entscheidung und der obergerichtlichen Rechtsprechung auseinandersetzt – geben jedenfalls die vorgetragenen Einwände gegen die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung weder Anlass zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des Urteils i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO noch auch nur zu solchen Zweifeln, die sich im Rahmen des Zulassungsverfahrens nicht klären und den Ausgang des Berufungsverfahrens als offen erscheinen ließen, so dass aus diesem Grunde die Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten zuzulassen wäre (vgl. zum Verständnis der Regelung: ThürOVG, Beschl. d. 4. Senats v. 11. August 2000 – 4 ZKO 1145/97 – zit. n. juris).
Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Klägerin der geltend gemachte Befreiungsanspruch für den Zeitraum von Januar 2016 bis einschließlich Oktober 2019 nicht zusteht, denn die Klägerin wurde von dem Beklagten ausschließlich als Inhaberin der Nebenwohnung in der B… in E… zur Leistung eines Rundfunkbeitrags und damit insgesamt lediglich zu einem Beitrag herangezogen.
Entgegen ihrer Auffassung kann die Klägerin auch keinen Befreiungsanspruch für die Nebenwohnung aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2018 (- 1 BvR 1675/16, 1 BvR 745/17, 1 BvR 836/17 und 1 BvR 189/17 – zit. n. juris) herleiten.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung festgestellt, dass die Zustimmungsgesetze und Zustimmungsbeschlüsse der Länder zu Art. 1 des Fünfzehnten Staatsvertrags zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 15. Dezember 2010, soweit sie § 2 Absatz 1 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags in Landesrecht überführen, mit Art. 3 Abs. 1 GG insoweit unvereinbar sind, als Inhaber mehrerer Wohnungen über den Beitrag für eine Wohnung hinaus zur Leistung von Rundfunkbeiträgen herangezogen werden (Urteilstenor Nr. 1), weil es gegen den Grundsatz der Belastungsgleichheit verstoße, wenn dieselbe Person für die personenbezogene Möglichkeit der privaten Rundfunknutzung zu insgesamt mehr als einem vollen Rundfunkbeitrag herangezogen werde. Zugleich hat das Gericht entschieden, dass das bisherige Rundfunkbeitragsrecht bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber mit der Maßgabe weiter anwendbar ist, dass ab dem Tag der Verkündung des Urteils bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung diejenigen Personen, die nachweislich als Inhaber einer Wohnung ihrer Rundfunkbeitragspflicht nach § 2 Abs. 1 und 3 RBStV nachkommen, auf Antrag von einer Beitragspflicht für weitere Wohnungen zu befreien sind (Urteilstenor Nr. 2 Satz 1). Ist über Rechtsbehelfe noch nicht abschließend entschieden, kann nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ein solcher Antrag rückwirkend für den Zeitraum gestellt werden, der Gegenstand des jeweils angegriffenen Festsetzungsbescheids ist (Urteilstenor Nr. 2 Satz 2).
Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die sich aus dieser Entscheidung ergebenden Voraussetzungen für eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht für die hier streitgegenständlichen Zeiträume bei der Klägerin nicht vorliegen, da hier keine dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vergleichbare Fallgestaltung gegeben ist. Da die Klägerin nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts, die sie nicht angegriffen hat, von dem Beklagten in dem hier streitgegenständlichen Zeitraum ausschließlich hinsichtlich der Nebenwohnung in E… herangezogen wurde, während ihr Ehemann Beitragsschuldner für die Hauptwohnung in G… war, hat sie keinen Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht für ihre Zweitwohnung in diesem Zeitraum.
Die Klägerin kann sich für ihr Befreiungsbegehren nicht erfolgreich darauf berufen, dass die Wohnung in G… die gemeinsame Ehewohnung ist und die Begleichung der Beitragsschuld durch ihren Ehemann zugleich als Erfüllung für sie zu gelten hatte. Anders als die Klägerin meint, reicht es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht für eine Nebenwohnung nämlich nicht aus, dass für die Hauptwohnung überhaupt ein Rundfunkbeitrag gezahlt wird. Voraussetzung für die Befreiung ist vielmehr, dass die Klägerin selbst für beide Wohnungen als Rundfunkbeitragspflichtige herangezogen wird. Da der durch den Rundfunkbeitrag abgeschöpfte Vorteil nicht in einer Wertsteigerung der Wohnung liegt, führt allein das Innehaben mehrerer Wohnungen nicht zu dem vom Bundesverfassungsgericht gerügten Verstoß gegen den Grundsatz der Belastungsgleichheit. Ein solcher liegt ausschließlich dann vor, wenn der Zweitwohnungsinhaber für den personenbezogenen Vorteil, das Rundfunkangebot nutzen zu können, von der Landesrundfunkanstalt mehr als einmal als Beitragspflichtiger herangezogen wird (BVerfG, Urt. v. 18. Juli 2018 – 1 BvR 1675/16 u. a. – BVerfGE 149, 222, Rn. 107 = juris; vgl. auch BayVGH, Urt. v. 22. April 2021 – 7 BV 20.206 – juris, dort Rn. 27; SächsOVG, Urt. v. 5. Mai 2021 – 5 A 376/20 – juris, Rn. 29 ff. und NdsOVG, Beschl. v. 22. Juli 2021 – 4 LA 263/20 – juris, dort Rn. 8 ff.). Die gegenteilige Ansicht liefe auf ein wohnungsbezogenes Vorteilsverständnis hinaus. Dem Rundfunkbeitragsrecht und der Übergangsregelung des Bundesverfassungsgerichts liegt jedoch ein personenbezogenes und kein wohnungsbezogenes Vorteilsverständnis zugrunde (SächsOVG, Urt. v. 5. Mai 2021, juris, Rn. 50).
Die Klägerin kann auch nicht erfolgreich einwenden, dass sie ihrer Beitragspflicht für die Hauptwohnung nachgekommen sei, weil sie und ihr Ehemann über ein gemeinsames Konto verfügten, von dem die Beitragsschuld für die Hauptwohnung beglichen worden sei. Darauf, welche (Vermögens-)Verfügungen der Beitragspflichtige (in diesem Fall der Ehemann) trifft, um die Beitragsschuld zu begleichen, kommt es nicht an, ebenso wenig – insoweit entgegen der Auffassung der Klägerin – darauf, ob in Gesamtschuldverhältnissen der zahlende Gesamtschuldner im Innenverhältnis gegenüber dem anderen Wohnungsinhaber einen Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB durchsetzen kann (SächsOVG, Urt. v. 5. Mai 2021, juris, Rn. 39).
Beitragsschuldner für die Hauptwohnung in G… war allein der Ehemann der Klägerin. Das Bundesverfassungsgericht hat den Verstoß der Erhebung eines Beitrags für Zweitwohnungen nach den seinerzeit geltenden Bestimmungen gegen den aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleiteten Grundsatz der Belastungsgleichheit damit begründet, dass Zweitwohnungsinhaber für denselben (personenbezogenen) Vorteil doppelt herangezogen werden. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass das Bundesverfassungsgericht betont hat, dass die Bemessung des Rundfunkbeitrags insoweit zu beanstanden sei, als ein Rundfunkbeitrag auch für die Inhaberschaft von Zweitwohnungen erhoben werde (BVerfG, Urt. v. 18. Juli 2018, a. a. O., Rn. 73, 87 und 107). Dies bedeutet nicht, dass ein Beitragsschuldner von seiner Rundfunkbeitragspflicht für die Zweitwohnung bereits dann zu befreien wäre, wenn die Beitragspflicht für seine Hauptwohnung durch einen Dritten beglichen wird. Einen Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht hat nach Maßgabe des Urteilstenors Nr. 2 Satz 1 der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2018 – wie bereits ausgeführt – nur derjenige, der als Inhaber einer Haupt- und einer Nebenwohnung für die Hauptwohnung zur Leistung des Rundfunkbeitrags herangezogen wird und den Rundfunkbeitrag hierfür selbst entrichtet, so dass eine Heranziehung zu einem Rundfunkbeitrag für die Zweitwohnung seine doppelte Inanspruchnahme nach sich ziehen würde (ebenso Bay. VGH, Urt. v. 22. April 2021, juris, Rn. 17 ff.; ferner Sächs. OVG, Urt. v. 5. Mai 2021, juris, Rn. 29 ff.). Herangezogen wird eine Person, die von der Rundfunkanstalt auf Zahlung des Beitrags in Anspruch genommen wird. Wer von mehreren Wohnungsinhabern von der Rundfunkanstalt in Anspruch genommen wird und den Rundfunkbeitrag ihr gegenüber zu entrichten hat, legen die Wohnungsinhaber durch die Anmeldung gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 RBStV fest. Auf die Inhaberschaft einer Wohnung kommt es – entgegen der Ansicht der Klägerin – insoweit nicht an. Die Inhaberschaft der Wohnung ist lediglich der gesetzliche Anknüpfungspunkt zur typisierenden Erfassung der dem Individuum grundsätzlich flächendeckend bereitgestellten Möglichkeit des privaten Rundfunkempfangs, während der Rundfunkbeitrag für einen personen- und nicht wohnungsbezogenen Vorteil erhoben wird (s.o., vgl. BVerfG, Urt. v. 18. Juli 2018, juris, Rn. 107). Vor diesem Hintergrund hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass die Landesgesetzgeber bei einer Neuregelung für solche Zweitwohnungsinhaber von einer Befreiung absehen können, die die Entrichtung eines vollen Rundfunkbeitrags für die Erstwohnung durch sie selbst nicht nachweisen; die Gesetzgeber dürften aber auf keinen Fall von derselben Person Beiträge für die Möglichkeit der Rundfunknutzung über die Erhebung eines insgesamt vollen Betrags hinaus verlangen (BVerfG, Urt. v. 18. Juli 2018, juris, Rn. 111). Auch insoweit stellt das Bundesverfassungsgericht allein auf den personenbezogenen Vorteil ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz – GKG -.
Hinweis:Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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