IT- und Medienrecht

Beitragserhebung für Neuerstellung einer Entwässerungsanlage

Aktenzeichen  AN 1 K 17.02005

Datum:
7.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 14709
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKAG Art. 5 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Von der Herstellung einer neuen leitungsgebundenen Einrichtung ist im Regelfall auszugehen, wenn in der neuen Gesamteinrichtung die neuen Teile ein erhebliches Übergewicht aufweisen. Die Verwendung von Teilen der alten Anlage in der neuen Einrichtung wirkt sich allenfalls aufwandmindernd aus. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Rüge einer fehlerhaften Beitragskalkulation wegen fehlender Nachvollziehbarkeit des Zustandekommens der Beitragssätze verlangt substantiierte Einwendungen. (Rn. 30 – 31) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in der Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Beitragsbescheid des Beklagten vom 20. April 2012 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamtes … vom 22. August 2017 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
Der Beklagte konnte Beiträge zur Deckung des Aufwandes für die Herstellung der Entwässerungseinrichtung erheben, weil durch Art. 5 Abs. 1 KAG in der maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 4. April 1993, zuletzt geändert durch Gesetz vom 11. März 2014 (GVBl. S. 70), sowie die Bestimmungen der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung (BGS/EWS) des Beklagten vom 23. November 2011, in Kraft getreten am 1. Januar 2012, eine Rechtsgrundlage gegeben war und die dort genannten Voraussetzungen für die Beitragserhebung vorlagen.
a) Hinsichtlich der BGS/EWS führte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Urteil vom 16. Februar 2017 (Az.: 20 BV 16.90, juris) aus:
„Bedenken gegen das ordnungsgemäße Zustandekommen dieser Abgabesatzung und der zugrunde liegenden Entwässerungssatzung sind […] nicht ersichtlich. Der streitgegenständliche Bescheid hat auf jeden Fall eine rechtliche Grundlage in der BGS/EWS 2011, weil es sich bei der durch den streitgegenständlichen Bescheid abgerechneten Maßnahme um eine Neuherstellung der Entwässerungsanlage des Beklagten handelt, so dass es auf die Wirksamkeit der Vorgängersatzungen nicht ankommt.“
b) Der Beklagte ist auch für den Erlass des Herstellungsbeitragsbescheids sachlich zuständig und befugt. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (U.v. 16.2.2017, a.a.O.) stellte hierzu fest:
„Die Gemeinden können Kommunalunternehmen einzelne oder alle mit einem bestimmten Zweck zusammenhängende Aufgaben ganz oder teilweise übertragen (Art. 89 Abs. 2 BayGO). Die Aufgabe der Abwasserbeseitigung hat die Stadt … an das Kommunalunternehmen … durch § 2 Abs. 1 der Unternehmenssatzung des Kommunalunternehmens … vom 16. November 2004 übertragen, die entsprechende Befugnis, Abgabebescheide zu erheben, ausdrücklich jedoch nicht. Zwar ist zu beachten, dass eine dem Art. 22 Abs. 1 KommZG entsprechende Regelung, wonach ausdrücklich auch die Befugnis, Abgaben zu erheben auf den Zweckverband übergeht, in Art. 89 GO nicht enthalten ist und es eine allgemeine Regel, die Befugnis folge immer der Aufgabe, nicht gibt. Bei der Gründung von Kommunalunternehmen ist aber eine ausdrückliche Übertragung der Befugnis, Beiträge zu erheben neben der Aufgabenübertragung nicht erforderlich. Art. 91 Abs. 4 GO bestimmt, dass das Unternehmen zur Vollstreckung von Verwaltungsakten in demselben Umfang berechtigt ist wie die Gemeinde, wenn es auf Grund einer Aufgabenübertragung nach Art. 89 Abs. 2 hoheitliche Befugnisse ausübt und bei der Aufgabenübertragung nichts Abweichendes geregelt wird. Damit geht die Vorschrift stillschweigend davon aus, dass bei Kommunalunternehmen mit der Aufgabe auch die Befugnis übergeht.“
c) Es liegen auch die rechtlichen Voraussetzungen für die Erhebung eines Herstellungsbeitrages vor. Dabei ist der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung für eine öffentliche Einrichtung nicht verletzt, weil der Beklagte zu Recht von einer Neuherstellung der Wasserversorgungsanlage in seinem Zuständigkeitsgebiet ausgegangen ist.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (U.v. 16.2.2017, a.a.O.) erläuterte hierzu:
„Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt BayVGH, U.v. 19.5.2010 – 20 N 09.3077 – BayVBl. 2011, 116 = juris Rn. 43 m.w.N.) wird der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung für eine öffentliche Einrichtung dann nicht verletzt, wenn Beiträge für eine Neueinrichtung verlangt werden sollen, denn für sie war eine früher erbrachte Leistung nicht bestimmt. Von einer wiederum beitragsfähigen Herstellung einer neuen Einrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG ist bei leitungsgebundenen Einrichtungen dann auszugehen, wenn die vorhandene Einrichtung durch die Baumaßnahme grundlegend umgestaltet bzw. erneuert wird und sie nach der Verkehrsauffassung nun mehr als eine andere bzw. neue Einrichtung anzusehen ist. Dabei kommt es maßgeblich auf den bisherigen Umfang und Zustand der alten Einrichtung an, etwa ob sie unter Beachtung neuzeitlicher Anforderungen unzureichend oder untragbar geworden ist, und auf Erfordernisse und Zwänge, die Anlass für die Umgestaltung sind. Weisen in der neuen Gesamteinrichtung die neuen Teile ein erhebliches Übergewicht auf, ist im Regelfall von einer neuen Einrichtung auszugehen. An der Neuherstellung ändert sich auch nichts dadurch, dass in der neuen Einrichtung Teile der alten Anlage weiter verwendet werden, für die bereits Beiträge geleistet worden sind. Dies hindert nicht das Entstehen neuer Beitragspflichten, sondern wirkt sich allenfalls aufwandmindernd aus (vgl. BayVGH, U.v. 27.11.2003 – 23 B 03.1250 – BeckRS 2003, 31487, beck-online). Soweit Altanlagenteile in die Neuanlage einbezogen werden, ist zweckmäßigerweise deren Restbuchwert bei der Kalkulation der Beitragssätze für die neu erstellte Anlage zu berücksichtigen. Frühere Beitragsleistungen der Altanschließer sind durch die Gewährung eines Abschlags auf die neue Beitragsschuld zu berücksichtigen, der sich an dem Verhältnis des Restbuchwertes zum Gesamtbuchwert zu orientieren hat (vgl. Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 749 m.w.N.). So verhält es sich auch hier. Mit dem Zusammenschluss der vormals zumindest technisch getrennten Entwässerungsanlagen ist eine neue Entwässerungsanlage entstanden. Diese Betrachtung wird durch die getätigten umfangreichen Verbesserungsmaßnahmen untermauert. Nach dem unwidersprochenen Vortrag des Beklagten hätten Anlagegüter im Umfang von rund 65% des noch vorhandenen Wertes der Kläranlage erneuert oder zusätzlich geschaffen werden müssen. Die Kläranlagen in W… und Sch… sind aufgelassen worden. Die erforderlichen Maßnahmen zur Umgestaltung des Kanalnetzes hätten fast der Hälfte des Wertes des vorhandenen Kanalnetzes (zum Zeitpunkt des Zusammenschlusses) entsprochen. Die Umgestaltung beinhalte folgende Maßnahmen: Erstellung von Verbindungsleitungen (über 6,8 km) zur Zentralkläranlage, Auswechslung hydraulisch überlasteter Kanäle, Erneuerung bestehender Kanäle, Umstellung in Teilbereichen von Mischauf Trennsystem, Erweiterung des Kanalnetzes, 13 zusätzliche Sonderbauwerke, Erneuerung eines weiteren Sonderbauwerks in … Damit kann nicht mehr von einer Verbesserung, Reparatur oder Erneuerung gesprochen werden. Infolgedessen hat der Beklagte den Restbuchwert der vorhandenen Anlagenteile in die Kalkulation eingestellt, wobei allerdings die (Neu-)Investitionsmaßnahmen diesen Restbuchwert bei weitem überstiegen haben.“
Dem entsprechend geht der Einwand des Bevollmächtigten der Klägerin, dass die im Jahr 1990 geleisteten Vorauszahlungen kostendeckend gewesen seien und daher keine weiteren Beiträge mehr hätten erhoben werden dürfen, fehl, da aufgrund der Neuherstellung der Entwässerungsanlage die Voraussetzungen für eine Beitragserhebung neu entstanden sind.
d) Im Übrigen hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof festgestellt, dass die Restbuchwerte der Teile der Altanlage zutreffend in die Kalkulation eingestellt worden sind. Soweit der Bevollmächtigte der Klägerin trotzdem eine fehlerhafte Beitragskalkulation wegen fehlender Nachvollziehbarkeit des Zustandekommens der Beitragssätze und damit die Globalkalkulation der Beitragssätze rügt, ist festzustellen, dass er gerade keine durchgreifende und substantiierte Kalkulationsrüge erhoben hat.
Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (B.v. 17.1.2019 – 20 ZB 17.436 – juris, B.v. 19.3.2018 – 20 BV 17.1681 – juris; U.v. 29.4.2010 – 20 BV 09.2024 – juris Rn. 61) genügt es nicht, wenn eine Klagepartei ohne jegliche konkrete Belegung lediglich behauptet, die bestimmten Beitragssätze seien nicht ordnungsgemäß ermittelt worden. Zwar verlangt der Grundsatz der Amtsermittlung des § 86 VwGO, dass das Gericht alle vernünftigerweise zu Gebote stehenden Möglichkeiten zur Aufklärung des für seine Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts ausschöpft, die geeignet erscheinen, die dafür erforderliche Überzeugung zu gewinnen. Diese Pflicht findet aber in der Mitwirkungspflicht der Beteiligten eine Grenze. Diese besteht nicht nur darin, dass das Gericht die Beteiligten zur Erforschung des Sachverhalts mit heranziehen kann, sondern auch und gerade darin, dass die Klägerseite die zur Begründung ihrer Rechtsbehelfe oder ihrer Einwendungen dienenden Tatsachen und Beweismittel nach § 82 Abs. 1 Satz 3 VwGO angeben soll. Solange sie dieser Pflicht nicht nachkommt, überprüfbare und einem Beweis zugängliche Tatsachen vorzutragen, braucht das Gericht der bloßen Möglichkeit fehlerhaft bestimmter Beitragssätze nicht nachzugehen (vgl. BVerwG v. 17.4.2002, BVerwGE 116, 168; BayVGH, B.v. 2.8.2006 – 23 ZB 06.643, B.v. 25.10.2004 – 23 ZB 04.1222; U.v. 23.7.1998, BayVBl 1998, 593). Dass es für die Klägerin nicht ganz einfach ist, die von dem Beklagten in Zusammenarbeit mit dem … ermittelten Beitragssätze auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, entbindet sie nicht davon, sich im Rahmen der ihr obliegenden Mitwirkungspflicht selbst durch Akteneinsicht sachkundig zu machen, notfalls mit Hilfe eines von ihr beauftragten Sachverständigen. Um dieser Mitwirkungspflicht nachkommen zu können, ist der Klägerin ein umfangreiches Akteneinsichtsrecht in die Kalkulationsunterlagen eingeräumt (vgl. BayVGH, B.v. 10.8.2005 – Az. 23 ZB 05.1236; v. 30.7.1991 GK 1992 Nr. 65; v. 5.9.1989 BayVBl 1990, 622; U.v. 22.12.1987 GK 1988 Nr. 196).
Diesen Anforderungen an eine substantiierte Rüge der Globalkalkulation genügen die pauschalen Einwendungen der Klägerin nicht, da bereits die gewissenhafte Lektüre des Gutachtens des … vom 17. November 2011 zeigt, dass sich der Klägervertreter nicht substantiiert mit dem Gutachten auseinandergesetzt hat. So rügt der Bevollmächtigte der Klägerin, es sei mehrmals festgestellt worden, dass vorhandene Kanäle der Altanlage und auch Hausanschlüsse nicht von der Stadt …, sondern von den Anwohnern selbst bezahlt worden seien, sodass die gesamte spekulative Kostenermittlung in sich zusammenfalle. Nicht von der Stadt … aufgewendete Kosten könnten nicht zu den anrechenbaren Kosten gehören.
Hierzu führt das Gutachten des … jedoch unter Ziff. 4.1 (S. 6) aus, dass nach den erhaltenen Auskünften und vorhandenen Unterlagen die bis 1992 in Anliegerregie erstellten Grundstücksanschlüsse im Anlagennachweis enthalten sind, weil das gesamte Anlagevermögen erfasst worden ist. Die ab 1993 geänderte Grundstücksanschlusskostenfinanzierung (seit 1993 Kommunalregie) würde nach Auffassung des Beklagten zu einer Ungleichbehandlung der Beitragspflichtigen führen. Deshalb wolle der Beklagte die Grundstücksanschlüsse, die künftig in Kommunalregie erstellt, verbessert, erneuert, verändert, beseitigt und unterhalten werden sollen, nicht über Herstellungsbeiträge finanzieren. Deshalb sind die Kosten hierfür ausgegliedert worden.
Des Weiteren begründet der Bevollmächtigte der Klägerin seine Rüge damit, dass bei der Berechnung der Beiträge eine Zinslast spekulativ zulasten der Klägerseite angesetzt worden sei, obwohl davon auszugehen sei, dass kostendeckende Vorschüsse vorhanden hätten sein müssen. Bezüglich der Berücksichtigung einer Zinslast stellt das Gutachten in Ziff. 5.2.2 (S. 11) fest, dass zu den ansatzfähigen Kosten nach Art. 8 Abs. 3 KAG auch eine angemessene Verzinsung des Anlagenkapitals gehört. Bereits aus der Verweisung auf Art. 8 Abs. 3 KAG ergibt sich, dass dies ausschließlich für die Ermittlung der Benutzungsgebühren maßgeblich ist. Dies stellte der … mit seiner Stellungnahme vom 7. November 2018 unter Ziff. 2 auch nochmals klar und führte dazu aus, dass diese, also die kalkulatorischen Zinsen, für die Vermögensbewertung als Grundlage für den künftig zu erstellenden Anlagennachweise und für die Ermittlung des beitragsfähigen Herstellungsaufwands irrelevant gewesen und dort auch nicht eingeflossen sind.
Soweit der Bevollmächtigte der Klägerin seine Rüge auch auf den Aspekt stützt, dass bei der Beitragskalkulation nicht berücksichtigt worden sei, dass die Grundstückseigentümer sehr unterschiedlich mit Vorauszahlungsbescheiden herangezogen worden seien, hätte sich dem Klägervertreter nach Befassung mit der einschlägigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes aufdrängen müssen, dass die Vorauszahlungen für die Altanlage gerade nicht Einfluss auf die Beitragskalkulation haben, sondern im Wege der Anrechnung auf die Beitragsschuld aufwandsmindernd zu berücksichtigen sind. Damit ist sichergestellt, dass eben gerade nur bei Grundstückseigentümern, die Vorauszahlungen geleistet haben, eine Anrechnung erfolgt.
Unsubstantiiert blieb der Einwand, dass nicht klar sei, wie die Vermögensbewertung im Gutachten des Ingenieurbüros …, …, aus dem Jahr 2005 fortgeschrieben worden sei. Die Ermittlung der tatsächlichen Kosten sei nicht transparent. Die insoweit geltend gemachte Beanstandung, dass er keine ausreichende Akteneinsicht erhalten habe und ihm zugesagte Unterlagen zur Fortschreibung der Vermögensbewertung nicht übermittelt worden seien, greift jedoch nicht durch. Dem Bevollmächtigten wurde ausreichend Gelegenheit zur Akteneinsicht gegeben. Der Bevollmächtigte der Klägerin führte am 27. September 2012 eine mehrstündige Akteneinsicht in den Räumen des Beklagten durch. Auf die im Anschluss getätigte Feststellung, dass bei der Akteneinsicht „schlüssige Unterlagen, die den angeblichen Kostenaufwand belegten“ gefehlt hätten und nachzureichen seinen, wurde dem Bevollmächtigten der Klägerin durch die Widerspruchsbehörde u.a. mit Schreiben vom 11. Mai 2012, 30. September 2015 und 31. Mai 2017 mitgeteilt, dass der Beklagte bereit sei, noch fehlende Daten zu kopieren, sofern eine Aufstellung der benötigten Unterlagen vorgelegt werde und dass Jahresabschlüsse nur in den Räumen des Beklagten eingesehen werden könnten. Im Hinblick auf den Umfang der maßgeblichen Unterlagen wurde dem Bevollmächtigten der Klägerin nahegelegt, einen weiteren Termin zur Akteneinsicht beim Beklagten durchzuführen. Der Klägervertreter übermittelte im Folgenden jedoch weder eine Aufstellung der benötigten Unterlagen noch vereinbarte er einen weiteren Termin zur Akteneinsicht. Vielmehr teilte er mit Schreiben vom 16. August 2017 der Widerspruchsbehörde mit, dass keine weiteren Versuche einer Akteneinsicht unternommen würden, solange nicht zugesagt werde, dass alle Akten durchgesehen werden könnten, die die streitgegenständliche Forderung begründeten. Auch im gerichtlichen Verfahren ging der Bevollmächtigte nicht auf die Anregung des Bevollmächtigten des Beklagten im Schriftsatz vom 27. März 2019 ein, mit dem Beklagten einen Termin zu Akteneinsicht zu vereinbaren. Mit dieser Weigerung, eine weitere Akteneinsicht durchzuführen, kommt der Bevollmächtigte der Klägerin seiner Mitwirkungspflicht nicht nach (vgl. hierzu VG Regensburg, U.v. 22.11.2000 – RN 3 K 99.2316, BeckRS 2000, 26691). Durch die Verweisung auf die Durchführung der Akteneinsicht in den Räumen des Beklagten wurde die Akteneinsicht auch nicht unzumutbar erschwert, da Art. 29 Abs. 3 S. 1 BayVwVfG grundsätzlich festlegt, dass die Akteneinsicht bei der Behörde erfolgt, die die Akten führt (Stelkens/Bonk/Sachs/Kallerhoff/Mayen, 9. Aufl. 2018, VwVfG § 29 Rn. 77-85). Im Hinblick auf den Umfang der einzusehenden Unterlagen (Bilanzen) und der Bedeutung für den Beklagten ist es auch nicht ermessensfehlerhaft gewesen, die Unterlagen nicht an den Bevollmächtigten der Klägerin zu versenden, insbesondere da dieser die erforderlichen Dokumente nicht näher konkretisiert hat.
Soweit der Klägervertreter eine weitere Akteneinsicht von der Zusage, in alle relevanten Unterlagen Einsicht nehmen zu können, abhängig gemacht hat, so sind für das Gericht keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass dem Klägervertreter Einsicht in bestimmte Unterlagen verweigert worden wäre. Eine entsprechende Weigerung ergibt sich insbesondere nicht aus dem Unterlassen einer ggf. mündlich zugesagten Übersendung der Unterlagen bzw. gefertigter Kopien, da dem Klägervertreter gleichzeitig eine weitere Einsichtnahme in den Räumen der Beklagten angeboten worden war. Ein weitergehendes Akteneinsichtsrecht ergab sich für den Bevollmächtigten der Klägerin auch nicht aus § 100 VwGO, da sich § 100 VwGO nur auf die dem Gericht vorliegenden Verfahrensakten bezieht und solche Akten, um deren Vorlage bzw. Einsichtnahme vor Gericht gerade gestritten wird, nicht erfasst (BeckOK VwGO/Posser, 49. Ed. 1.10.2018, VwGO § 100 Rn. 9).
e) Bedenken gegen das ordnungsgemäße Zustandekommen der Beitragsveranlagung des Grundstücks der Klägerin im Bescheid vom 20. April 2012 sind weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Insbesondere wurden die früher geleisteten Beitragszahlungen ordnungsgemäß angerechnet. Die Kammer verweist hierzu auf die Ausführungen in ihrem Urteil vom 1. April 2014 (AN 1 K 12.01430, juris):
„Dem hat der Beklagte vorliegend sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach nachvollziehbar Rechnung getragen, indem er die in den Jahren 1992 und 1989 erbrachten Vorleistungen des Klägers mit einem jährlichen Abschreibungssatz von 2,88% unter Zugrundelegung eines von dem der Beitragszahlung jeweils folgenden Jahr bis 2010 reichenden Abschreibungszeitraums, in dem der Kläger als Altanschließer aus den Anlageteilen Vorteile – Nutzen – gezogen hat, gekürzt hat. Gegen die rechnerische Ermittlung des Abschreibungssatzes durch den Bayerischen Kommunalen Prüfungsverband (vgl. Vorauskalkulation 01.01.2012 – 31.12.2013: Ermittlung des Anteils der noch nicht verbrauchten Herstellungsbeiträge der bis 2008 selbstständigen Entwässerungseinrichtung …) hat der Kläger Maßgebliches nicht eingewendet; Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Ermittlung sind auch nicht ersichtlich.“
f) Auch war eine Beitragserhebung nicht wegen Zeitablaufs unzulässig, da die Frist des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 KAG mit Benutzbarkeit der Neuanlage, frühestens also 2008, begann. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (U.v. 16.2.2017, a.a.O.) führte hierzu aus:
„Handelt es sich um eine Neuherstellung einer Entwässerungsanlage, kommt es für das Entstehen der Vorteilslage und damit für die Berechnung des Laufes der Zwanzigjahresfrist nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 KAG auf die Fertigstellung und die Benutzbarkeit der Neuanlage an. Dies war frühestens im Jahr 2008. Obwohl in der neuen Anlage noch nicht vollends abgeschriebene Investitionsgüter aus den Altanlagen vorhanden sind, stellt dies keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Belastungsklarheit dar, denn dieser Umstand wurde durch die Ansetzung des Restbuchwertes in der Beitragskalkulation entsprechend berücksichtigt.“
Die Klage war daher abzuweisen.
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 124 a Abs. 1 VwGO nicht vorliegen.


Ähnliche Artikel

Unerwünschte Werbung: Rechte und Schutz

Ganz gleich, ob ein Telefonanbieter Ihnen ein Produkt am Telefon aufschwatzen möchte oder eine Krankenkasse Sie abwerben möchte – nervig können unerwünschte Werbeanrufe, -emails oder -schreiben schnell werden. Was erlaubt ist und wie Sie dagegen vorgehen können, erfahren Sie hier.
Mehr lesen

Was tun bei einer negativen Bewertung im Internet?

Kundenbewertungen bei Google sind wichtig für Unternehmen, da sich potenzielle Neukunden oft daran orientieren. Doch was, wenn man negative Bewertungen bekommt oder im schlimmsten Fall sogar falsche? Das kann schädlich für das Geschäft sein. Wir erklären Ihnen, was Sie zu dem Thema wissen sollten.
Mehr lesen

Der Influencer Vertrag

In den letzten Jahren hat sich Influencer Marketing einen starken Namen in der Werbebranche gemacht. Viele Unternehmen setzen auf platzierte Werbeanzeigen durch Influencer. Was jedoch zwischen Unternehmer und Influencer vertraglich im Vorfeld zu beachten ist, werden wir Ihnen im Folgenden erläutern.
Mehr lesen


Nach oben