IT- und Medienrecht

Beschwerde, Unterlassungsanspruch, Berichterstattung, Trennung, Tatsachenbehauptung, Auskunft, Pressefreiheit, Gesundheitszustand, Breitenwirkung, Auskunftsanspruch, Antragsgegner, Eingriff, Informationsinteresse, Entscheidungsdatum, Art und Weise

Aktenzeichen  7 CE 21.1531

Datum:
24.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 25081
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 10 E 21.868 2021-04-26 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Zur Beilegung des streitgegenständlichen Sachverhalts schlägt der Verwaltungsgerichtshof den Beteiligten folgenden Vergleich vor:
1. Der Antragsgegner verpflichtet sich, im Rahmen von mündlichen und/oder schriftlichen Pressemitteilungen keine weiteren Auskünfte zu den drei Polizeieinsätzen bei Herrn S. G. in der Nacht vom 2. Januar 2021 auf den 3. Januar 2021 zwischen 20.50 Uhr und 2.00 Uhr an seiner persönlichen Wohnanschrift in M.-H. zu erteilen, wie bereits durch einen Polizeisprecher gegenüber der B.-Zeitung geschehen.
Der Antragsteller stimmt dem zu.
2. Die Verfahrenskosten in beiden Rechtszügen trägt der Beklagte.
3. Die Beteiligten sind mit der Festsetzung eines Streitwerts für das Verfahren in beiden Instanzen auf jeweils 5.000 Euro einverstanden.
II. Dieser Vergleichsvorschlag kann von den Beteiligten nur durch schriftliche Erklärung angenommen werden, wobei der entsprechende Schriftsatz bis spätestens Freitag, den 17. September 2021, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingegangen sein muss.

Gründe

Dem Vergleichsvorschlag liegen folgende Erwägungen zu Grunde:
I. Mit dem vorliegenden Beschwerdeverfahren begehrt der Antragsteller weiterhin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Unterlassung von künftigen polizeilichen Presseauskünften zu drei Polizeieinsätzen an seinem Wohnsitz in der Nacht vom 2. Januar 2021 auf den 3. Januar 2021 zwischen 20.50 Uhr und 2.00 Uhr.
Streitig ist zwischen den Beteiligten die Frage, ob die streitgegenständlichen Auskünfte einen rechtswidrigen hoheitlichen Eingriff in das grundrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht des Antragstellers darstellten und einen öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG begründen. Das Verwaltungsgericht geht in dem mit der Beschwerde angegriffenen Beschluss davon aus, dass die Presseauskünfte in rechtmäßiger Erfüllung des Auskunftsanspruchs gemäß Art. 4 Abs. 1 BayPrG erfolgt seien. Ob durch die polizeilichen Presseauskünfte ein hoheitlicher Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Antragstellers zu bejahen sei, könne dahinstehen, da der Eingriff jedenfalls nicht rechtswidrig gewesen sei. Die vorzunehmende Abwägung zwischen der Pressefreiheit der B.-Zeitung und dem Persönlichkeitsrecht des Antragstellers führe zu dem Ergebnis, dass der Antragsgegner dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit zu Recht den Vorrang vor dem Persönlichkeitsschutz des Antragstellers gegeben habe. Es handele sich um eine wahre Tatsachenbehauptung, die weder eine besondere Stigmatisierung des Antragstellers befürchten lasse noch eine erhebliche Breitenwirkung entfalte. Da der Antragsteller und seine ehemalige Lebensgefährtin insbesondere durch die Online-Veröffentlichung von Fotos, die die beiden als Paar zeigten, bewusst die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf ihre Beziehung gelenkt hätten, seien sie in ihrem Persönlichkeitsrecht weniger schutzwürdig. Zudem handele es sich bei den erteilten Auskünften – Polizeieinsätze wegen verbaler Auseinandersetzung – um Tatsachen, die keinen tieferen Einblick in die persönlichen Lebensumstände vermittelten und weder herabsetzend seien noch gar ehrverletzend. Ob die Presseanfrage der Vorbereitung einer Sensationsberichterstattung zur Trennung des Antragstellers von seiner Lebensgefährtin gedient habe, sei unbeachtlich, da der Antragsgegner für die Art und Weise der Berichterstattung nicht verantwortlich sei.
II. Der Senat hat erhebliche Zweifel, ob die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts zutreffend ist.
1. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 BayPrG hat die Presse gegenüber Behörden ein Recht auf Auskunft. Die Auskunft darf nur verweigert werden, soweit aufgrund beamtenrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Vorschriften eine Verschwiegenheitspflicht besteht (§ 4 Abs. 2 Satz 2 BayPrG). Bei der Frage, ob eine Verschwiegenheitspflicht besteht, ist vorliegend schon zu berücksichtigen, dass hier durch die Identifizierbarkeit des Antragstellers aufgrund der Bestätigung seiner Adresse (E-Mail v. 16.1.2021) und insbesondere auch wegen der Autorisierung des “O-Tons” in dem von der B.-Zeitung vorgelegten Text (E-Mail v. 17.1.2021, unabhängig von der Änderung der “angegebenen Adresse” in die “angegebene Straße”) die Weitergabe personenbezogener Daten durch den Antragsgegner im Raum steht. Auch wenn Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayDSG und in gleicher Weise die vorrangige Bestimmung des Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DS-GVO als eigenständige Rechtsgrundlage für die Übermittlung personenbezogener Daten im Rahmen eines presserechtlichen Auskunftsanspruchs ausscheiden, kann letztere gleichwohl zur inhaltlichen Ausfüllung und Konkretisierung dieses Anspruchs und damit zu einer auf dieser Grundlage zu erfolgenden Abwägung der widerstreitenden Interessen herangezogen werden (vgl. BVerwG, U.v. 27.9.2018 – 7 C 5.17 – juris Rn. 28 f.).
2. Dies zugrunde gelegt sprechen gewichtige Gründe dafür, dass das grundrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht des Antragstellers (in Form des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung) das Informationsinteresse der B.-Zeitung aufgrund der Pressefreiheit überwogen und der Antragsgegner infolgedessen die streitgegenständlichen Auskünfte in Zukunft zu unterlassen hat.
a. Dabei ist zunächst festzustellen, dass der Antragsteller durch die streitgegenständlichen Auskünfte in seiner Privatsphäre betroffen ist. Bei einem presserechtlichen Auskunftsanspruch ist – in gleicher Weise wie bei Unterlassungsansprüchen gegen Presseveröffentlichungen – bei der Schutzbedürftigkeit und Schutzwürdigkeit personenbezogener Daten danach zu unterscheiden, ob die Intim-, die Privat- oder die Sozialsphäre betroffen ist. In Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dient diese Unterscheidung als Orientierungspunkt für die Beurteilung der Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung und für die Gewichtung der diese Beeinträchtigung rechtfertigenden Gründe (vgl. BVerwG, U.v. 27.9.2018 a.a.O. Rn. 33). Der Schutz der Privatsphäre ist sowohl thematisch als auch räumlich bestimmt; er umfasst besondere Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts typischerweise als “privat” eingestuft werden (vgl. BGH, U.v. 29.11.2016 – VI ZR 382/15 – juris Rn. 9). Die Angaben des Antragsgegners lassen zweifelsohne Rückschlüsse auf die Trennung bzw. die Art und Weise der Trennung des Antragstellers von seiner damaligen Lebensgefährtin zu und nicht etwa auf einen Polizeieinsatz wegen Diebstahls o.ä. (drei Einsätze wegen verbaler Auseinandersetzung; Mitnahme einer Person wegen Verstoßes gegen die aktuelle Infektionsschutzregelung) und betreffen somit die schützenswerte Privatsphäre des Antragstellers.
b. Auch wenn es mit dem verfassungsrechtlichen Schutz der Presse (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) nicht vereinbar ist, die Durchsetzung ihres Informationsinteresses von einer staatlichen Inhaltsbewertung des Informationsanliegens abhängig zu machen, da die Presse selbst entscheidet, was sie des öffentlichen Interesses für Wert hält und was nicht (vgl. BVerwG, U.v. 16.3.2016 – 6 C 65.14 – juris Rn. 18 f.) und deshalb jede Art der Selektion der Medien durch die auskunftspflichtigen staatlichen Stellen nach Seriosität und Zuverlässigkeit oder etwa ein Ausschluss sogenannter Sensationspresse unzulässig wäre (vgl. Soehring in Soehring/Hoene, Presserecht, 6. Aufl. 2019, Rn. 4.33), ist im Rahmen der Abwägung bei – wie hier – wahren Tatsachen, die die Privatsphäre betreffen, von entscheidender Bedeutung, ob sich die konkreten Angaben durch ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit rechtfertigen lassen (vgl. BVerfG, B.v. 10.6.2009 – 1 BvR 1107/09 – juris Rn. 17 m.w.N.; BGH, U.v. 29.11.2016 a.a.O. Rn. 16). Das Interesse der Öffentlichkeit an bloßer Unterhaltung hat gegenüber dem Schutz der Privatsphäre regelmäßig ein geringeres Gewicht und ist nicht schützenswert (vgl. BGH, U.v. 6.3.2007 – VI ZR 50/06 – juris Rn. 20). Vorliegend ist ein anerkennenswertes Interesse der Allgemeinheit an Aussagen, die über die Trennung bzw. die Art und Weise der Trennung eines Profifußballspielers von seiner Lebensgefährtin getroffen werden, nicht ersichtlich und wurde auch nicht vorgetragen (vgl. zu familiären Auseinandersetzungen Soehring in Soehring/Hoene, a.a.O Rn. 19.31).
c. Dabei ist es unbeachtlich, dass der Antragsteller mit einigen Bildern, die ihn zusammen mit seiner Lebensgefährtin zeigen, seine Beziehung (wohl über Instagram) öffentlich gemacht hat. Denn allein das Bekanntwerden einer Beziehung eines Prominenten, indem sich das Paar in der Öffentlichkeit zeigt, schränkt das Recht des Betroffenen auf Privatheit nicht ein, jedenfalls solange er Einzelheiten seines Privat- und Intimlebens der Öffentlichkeit nicht selbst preisgibt (vgl. BGH, U.v. 29.11.2016 – VI ZR 382/15 – juris Rn. 27 zu Tatsachen über den Gesundheitszustand eines Prominenten, die aufgrund von Presseverlautbarungen seiner Managerin der Öffentlichkeit bekannt wurden). Über die Trennung bzw. die Art und Weise der Trennung hat sich der Antragsteller unbestritten nicht geäußert; eine Anfrage der B.-Zeitung darüber, dass er seine Lebensgefährtin aufgefordert haben soll, seine Villa zu verlassen, wurde dementiert.
Ebenso wenig geht es zulasten des Persönlichkeitsrechts des Antragstellers, dass die B.-Zeitung (angeblich durch einen Nachbarn) bereits grobe Kenntnisse von den Polizeieinsätzen hatte, denn Sinn und Zweck der staatlichen Auskunftspflicht ist es nicht, der Presse Informationen über private Angelegenheiten eines hilfesuchenden Bürgers zukommen zu lassen, an denen kein anerkennenswertes Interesse der Allgemeinheit besteht. Auch erfolgte die “verbale Auseinandersetzung” nicht in der Öffentlichkeit, sondern innerhalb des geschützten Raums des Hauses des Antragstellers, der laut Aktenvermerke während der Einsätze das Haus zu keinem Zeitpunkt verlassen hat. Zudem kann bei der Gewichtung der in die Abwägung einzustellenden Umstände zugunsten des Persönlichkeitsrechts des Antragstellers nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Antragsteller selbst staatliche Hilfe in Anspruch genommen hat und gerade nicht Adressat polizeilicher Maßnahmen oder Ermittlungen war.
Der Senat geht daher davon aus, dass der gegenüber dem Antragsgegner geltend gemachte Unterlassungsanspruch besteht und schlägt den Beteiligten zur Beilegung des vorliegenden Rechtsstreits die im Tenor unter Nr. I. 1. aufgeführte Unterlassungsvereinbarung vor. Die beantragte Strafandrohung für den Fall der Zuwiderhandlung zur Vorbereitung der Vollstreckung der Unterlassungspflicht ist vorliegend entbehrlich.
III. Das Gericht regt an, einen Streitwert für beide Instanzen von jeweils 5.000 Euro festzusetzen, da mit der Entscheidung eine Vorwegnahme der Hauptsache verbunden ist (§ 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit). Anhaltspunkte dafür, dass der Streitwert nach § 52 Abs. 1 GKG auf 100.000 Euro – wie von der Bevollmächtigten des Antragstellers beantragt – festzusetzen wäre, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Heranziehung von § 48 Abs. 2 GKG scheidet aus, da die Vorschrift nur bei bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung findet. Mangels Regelungslücke scheidet auch die Festsetzung des Streitwerts nach § 48 Abs. 2 GKG analog aus. Das Gericht regt daher weiter an, dass die Bevollmächtigte des Antragstellers die erhobene Streitwertbeschwerde (AZ. 7 C 21.1532) zurücknimmt.


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