IT- und Medienrecht

Dieselskandal: Kein Rücktritt vom Kaufvertrag bei unangemessen kurzer Frist

Aktenzeichen  12 O 505/16

Datum:
19.4.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 155530
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 323, § 346 Abs. 1, § 348, § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, § 437 Nr. 2

 

Leitsatz

1 Der Käufer eines Fahrzeugs mit manipulierter Abgassoftware hat gegen den Verkäufer keinen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises gem. §§ 346 Abs. 1, 348 BGB iVm 437 Nr. 2, 323 BGB, wenn er eine unangemessen kurze Frist zur Mängelbeseitigung von nur 11-13 Tagen gesetzt hat. (Rn. 76 – 83) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ist die vom Käufer gesetzte Frist unangemessen kurz, so wird eine angemessene Frist in Kraft gesetzt, die bei Fahrzeugen mit manipulierter Abgassoftware mindestens 9 Monate beträgt. (Rn. 84) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 33.430,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.
A.
Die Klage ist zulässig.
Die sachliche und örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Bamberg ist gegeben.
Es kann dahinstehen, ob hinsichtlich Antrag Ziffer 2 ein Feststellungsinteresse gemäß § 256 ZPO gegeben ist, da die Klage insgesamt unbegründet ist.
B.
Die Klage ist in der Sache unbegründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 33.430,- € Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Pkw.
I.
Der Klägerin steht kein Anspruch gemäß §§ 346 Abs. 1, 348 BGB i.V.m. 437 Nr. 2, 323 BGB zu, da sie nicht wirksam von dem zwischen den Parteien am 08.08.2015 geschlossenen Kaufvertrag bezüglich des VW Tiguan zurückgetreten ist.
1. An an dem streitgegenständlichen Pkw lag zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs zwar ein Sachmangel gemäß § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB vor, da dieser eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art unüblich ist und der Käufer nach der Art der Sache nicht erwarten kann.
a) Zwar eignet sich das Fahrzeug trotz der unstreitig vorhandenen manipulierten Abgassoftware für die gewöhnliche Verwendung. Durch den Einbau einer Umschalteinrichtigung, die dafür sorgt, dass das Fahrzeug im Prüfstandbetrieb andere Emissionswerte vortäuscht, als es im normalen Straßenverkehr einhalten kann, weist das Fahrzeug allerdings eine Beschaffenheit auf, die bei Sachen gleicher Art unüblich ist. Der Durchschnittskäufer erwartet nicht, dass die gesetzlich vorgegebenen und im technischen Datenblatt aufgenommenen Abgaswerte nur deshalb eingehalten und entsprechend attestiert werden, weil eine Software installiert worden ist, die dafür sorgt, dass der Prüfstandlauf erkannt und über entsprechende Programmierung der Motorsteuerung in gesetzlich unzulässiger Weise insbesondere der Stickoxidausstoss reduziert wird (LG Münster, Urteil vom 14.03.2016, Az. 011 O 341/15).
b) Die Mangelhaftigkeit resultiert somit nicht daraus, dass die unter Laborbedingungen (Prüfstandlauf) gemessenen Nennwerte im alltäglichen Straßenverkehr nicht eingehalten werden, sondern basiert darauf, dass der Motor die Vorgaben im Prüfstandlauf nur aufgrund der manipulierten Software einhält (LG Münster a.a.O.).
c) Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob, wie die Beklagte vorträgt, durch die Umschalteinrichtung eine Manipulation der Abgasrückführung stattfindet oder, wie die Klägerseite vorträgt, die Abschaltung des Emissionskontrollsystems erfolgt. Welche technischen Maßnahmen der Fahrzeughersteller gewählt hat, um in unzulässiger Weise bessere Emissionswerte vorzutäuschen, ist ohne Belang. Ebenso ist unerheblich, ob man diese Software als „Schummelsoftware“ oder „Abschalteinrichtung“ bezeichnet (vgl. LG Bochum, Urteil vom 15.03.2016, Az. I-2 O 425/15).
d) Es kann somit dahinstehen, ob zwischen den Parteien eine konkludente oder ausdrückliche Beschaffenheitsvereinbarung zur Einhaltung der Euro5-Norm getroffen wurde, obgleich das Gericht der Auffassung ist, dass sich hierfür allein aufgrund des wenig substantiierten Sachvortrags der Klagepartei keine hinreichend deutlichen Anhaltspunkte ergeben, denn einseitige Vorstellungen des Käufers sind hierfür nicht ausreichend (vgl. Faust, in: BeckOK BGB, Stand: 39. Edition, § 434, Rdnr. 40).
2. Allerdings liegt kein erfolgloser Ablauf einer angemessenen Frist gemäß § 323 Abs. 1 BGB vor.
a) Die Fristsetzung der Klägerin zur Behebung des Mangels „Abschalteinrichtung“ mit Schreiben vom 26.07.2016 (Anl. K2) zum 09.08.2016 war nach Auffassung des Gerichts nicht angemessen im Sinne von § 323 Abs. 1 BGB. Das auf 26.07.2016 datierte Schreiben ist unter Berücksichtigung des üblichen Postlaufs ein bis drei Tage nach Absendung eingegangen, so dass der Beklagtenpartei maximal 11 bis 13 Tage zur Behebung des klägerseits gerügten Mangels zur Verfügung standen.
1) Zwar richtet sich die Angemessenheit der Frist zur Mangelbehebung nach der Intention des Gesetzgebers (BT-Drucks. 10/6040) vorrangig nach den Interessen des Käufers. Dieser kann – gerade bei Alltagsgeschäften – eine kurzfristige Reparatur oder einen sofortigen Austausch der mangelhaften Sache verlangen (vgl. Ring, NJW 2016, 3121).
Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Verkäufer dem Käufer die Zeit zugestehen muss, die dieser für die geforderte Art der Nacherfüllung bei objektiver Betrachtung benötigt, weshalb letztendlich die Frage der Angemessenheit der Frist nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls beantwortet werden kann (LG Frankenthal, Urteil vom 12.05.2016, Az. 8 O 208/15 m.w.N.). Anders ausgedrückt bestimmt sich die Angemessenheit der Frist nach dem Umständen des konkreten Vertrags, wobei die Interessen beider Vertragsparteien zu berücksichtigen sind.
Einerseits hat der Gläubiger ein Interesse an alsbaldiger Klage darüber, ob der Schuldner die Leistung erbringen wird; andererseits soll dem Schuldner die letzte Möglichkeit gegeben werden, die Leistung tatsächlich noch zu erbringen. Die Frist muss daher so lang bemessen sein, dass der Schuldner in der Lage ist, die bereits begonnene Erfüllung zu beschleunigen und zu vollenden. Sie braucht jedoch nicht so lang zu sein, dass der Schuldner die Möglichkeit hat erst jetzt mit den Leistungsvorbereitungen zu beginnen (vgl. LG Frankenthal a.a.O. m.w.N.).
2) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze und mangels konkreter Parteivereinbarung, richtet sich die Bewertung der Angemessenheit somit nach objektiven Maßstäben.
Insoweit ist zunächst die Dimension der Softwareproblematik bei diversen Dieselmotoren der …-Fahrzeugflotte zu berücksichtigen. Bei der von der Klägerin gerügten Mangelhaftigkeit handelt es sich nicht um einen Einzelfall. Vielmehr sind allein in Deutschland bekanntermaßen Millionen von Fahrzeugen betroffen. Insofern war und ist dem …-Konzern, den Vertragshändlern und im Ergebnis der Beklagten zuzugestehen, zunächst eine Problemlösung zu entwickeln und eine Strategie zur Umsetzung der selben zu entwerfen, insbesondere auch unter Einbeziehung der beteiligten Behörden. Ferner kann bei der Angemessenheit der Frist nicht vernachlässigt werden, dass die Fahrtauglichkeit des streitgegenständlichen Fahrzeugs nach derzeitigen Sach- und Streitstand in keiner Weise eingeschränkt ist. Die Klägerin ist für die volle Nutzbarkeit des Pkw nicht auf die umgehende Durchführung des Softwareupdates angewiesen. Letztlich ist es für sie daher unerheblich, wann das Update aufgespielt wird (vgl. LG Münster, Urteil vom 14.03.2016, Az. 011 O 341/15). Die Klägerin hat auch nicht vorgetragen, auf die zügige Behebung des Softewareproblems angewiesen zu sein.
Ferner ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass der …-Konzern eine Lösungsstrategie für diesen Abgasskandal entwickelt hat und dabei in enger Absprache mit dem Kraftfahrbundesamt tätig geworden ist, welches den Zeitplan des …-Konzern gebilligt hat und die Einstufung der betroffenen Fahrzeuge in die jeweiligen Abgasnormen bislang nicht widerrufen oder aufgehoben hat.
3) Im Ergebnis ist die vorliegend gesetzte Frist von 11 bis 13 Tagen zum 09.08.2016 unter Berücksichtigung der oben geschilderten Gesamtumstände unangemessen kurz.
4) Dies hat jedoch zur Folge, dass die Fristsetzung entgegen der Ansicht der Beklagten nicht schlechthin unwirksam ist, sondern vielmehr eine angemessene Frist in Kraft setzt. Das Gericht ist vorliegend der Ansicht, dass eine Frist von mindestens 9 Monaten noch angemessen ist.
Das Landgericht Paderborn (Urteil vom 19.09.2016, Az. 2 O 55/16) erachtet im Hinblick auf den Zeitplan des KBA sogar Nacherfüllungsfristen von bis zu einem Jahr als noch angemessen an.
5) Angesichts dessen war die angemessene Frist weder zum Zeitpunkt der Anhängigkeit der Klage am 14.12.2016, noch zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit am 12.01.2017 noch zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung am 08.03.2017 erfolglos abgelaufen. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass der …-Konzern der Klägerin bereits zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Dezember 2016 unstreitig mitgeteilt hat, dass für ihr Fahrzeug ein Softwareupdate zur Verfügung steht und sie sich mit ihrem Vertragspartner in Verbindung setzen solle.
Das Nachbesserungsangebot wurde seitens der Beklagten mittels Schreiben vom 30.01.2017 und somit in nach wie vor laufender angemessener Frist erneuert, von der Klägerin jedoch bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht wahrgenommen.
6) Die klägerseits vorgebrachten Argumente, der Beklagten sei keinesfalls eine länger als zwei Monate andauernde Frist einzuräumen, greifen vorliegend angesichts der Dimensionen der Gesamtdimensionen des …-Abgasskandals nicht durch.
Auch geht der Verweis der Klagepartei auf Rechtsprechung zu Höchstfristen im Rahmen der Nachbesserung in allgemeinen Geschäftsbedingungen fehl. Zwar mag eine zweimonatige Höchstfrist, die bereits formularmäßig vereinbart ist, in aller Regel in Kaufverträgen den Käufer unangemessen benachteiligen. Vorliegend liegt der Fall jedoch anders. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass, wie die Beklagte zutreffend vorträgt, es auch im Interesse der Klägerin sein muss, dass für die zugrundeliegende Abgasmanipulationsproblematik nicht „auf die Schnelle“ eine möglicherweise unbefriedigende Lösung herbeigeführt wird, sondern in enger Absprache zwischen dem …-Konzern und dem Kraftfahrtbundesamt eine endgültige und gut organisierte Mängelbeseitigung vorgenommen wird.
7) Auch aus verjährungsrechtlichen Gründen kann vorliegend nichts anderes gelten. Unzweifelhaft hat die Beklagte bis Ende des Jahres 2016 auf die Geltendmachung der Einrede der Verjährung verzichtet. Bereits vor Ablauf dieses Einredeverzichts, war der Klägerin durch den …-Konzern direkt die Nachbesserung angeboten worden. Angesichts der Tatsache, dass die Beklagte mit Schreiben vom 30.01.2017 deutlich gemacht hat auch zu weiteren Nachbesserungen bereit zu sein und sich auch Ende Januar 2017 nicht auf die Einrede der Verjährung zu berufen, entstehen der Klägerin durch diese – zugegebenermaßen ungewöhnlich lange – Frist keinerlei gravierende Nachteile.
8) Vielmehr hat die Klägerin binnen laufender angemessener Frist gegen die ihr obliegende Mitwirkungspflicht verstoßen (vgl. Grüneberg in: Palandt, BGB, 76. Aufl. 2017, Rdnr. 15) in dem sie trotz Nachbesserungsangebot des …-Konzerns und der Beklagten hierauf nicht eingegangen ist.
9) Somit liegt auch zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung kein erfolgloser Ablauf einer angemessenen Frist vor.
3. Die Fristsetzung war auch nicht entbehrlich.
a) Eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung der Beklagtenpartei gemäß § 353 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist nicht gegeben.
An dieses Vorliegen sind strenge Anforderungen zu stellen, die Weigerung des Schuldners muss als sein letztes Wort aufzufassen sein (vgl. Grüneberg in: Palandt, BGB, 76., 2017, § 323 Rdnr. 18 m.w.N.). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Vielmehr hat die Beklagte stets deutlich gemacht, nachbesserungsbereit zu sein, allerdings bereits mit dem ersten Einlassungsschreiben vom 08.08.2016 (Anl. K3) und auch im weiteren außergerichtlichen Schriftverkehr (Schreiben vom 06.09.2016) deutlich gemacht, hierfür mehr Zeit zu benötigen. Ihre Nachbesserungsbereitschaft wurde mit Schreiben vom 30.01.2017 nochmals erneuert.
b) Es liegt auch kein Ausschluss der Fristsetzung gemäß § 326 Abs. 5 BGB vor. Die Nachefüllung ist nach Auffassung des Gerichts nicht unmöglich.
1) Das Gericht tritt der Ansicht der Klagepartei, dass die Nachbesserung nicht folgenlos möglich sei, nicht bei. Die Klagepartei beruft sich hierbei auf eine Vielzahl von Studien, Zeitungsartikeln sowie eine Untersuchung einer amerikanischen Universität zu einem ebenfalls von dem …-Abgasskandal betroffenen Fahrzeug des …-Konzerns, dem … Amarok. Selbst wenn nachteilige Auswirkungen bei anderen Fahrzeugtypen aus der Flotte des …-Konzerns aufgetreten wären, rechtfertigt dies noch keinen zwingenden Rückschluss auf Auswirkungen beim Fahrzeugtyp Tiguan TDI 2.0, wie ihn die Klägerin gekauft hat.
Soweit auf ein Gutachten (K70), welches in der Bild-Zeitung thematisiert wurde Bezug genommen wird (dieses betraf offenbar einen VW Tiguan), erfolgte dieser Sachvortrag nach Schluss der mündlichen Verhandlung. Eine Schriftsatzfrist hatte die Klagepartei nicht beantragt.
2) Demgegenüber hat die Beklagte mit Anl. B3 substantiiert dargelegt, dass das Kraftfahrtbundesamt für den sog. Clustertyp 7 d (von dem nach der der Anlage beigefügten Tabelle auch der streitgegenständliche Motortyp Tiguan, den die Klägerin kaufte, erfasst ist) bestätigte, dass die von … für die betroffenen Fahrzeuge vorgestellte Änderung der Applikationsdaten geeignet ist, die Vorschriftsmäßigkeit der genannten Fahrzeuge herzustellen.
Unter C ist dort als Ergebnis aufgeführt, dass die Grenzwerte und die anderen Anforderungen hinsichtlich der Schadstoffemission und Dauerhaltbarkeit von emissionsminderenden Einrichtungen eingehalten wird. Unter D ist aufgeführt, dass die ursprünglich vom Hersteller angegebenen Kraftstoffverbrauchswerte und Co2-Emissionen in Prüfungen durch einen technischen Dienst bestätigt wurden. Die bisherige Motorleistung das maximale Drehmoment blieben unverändert, ebenso die bisherigen Geräuschemissionswerte.
Sofern die Klagepartei die Richtigkeit der Urkunde B3 gemäß § 417 ZPO rügt, sieht das Gericht keinen greifbaren Anhaltspunkt dafür, dass es sich hierbei um eine Fälschung handelt. Auch der Einwand der Klagepartei, bei dem Test des KBA sei möglichweise nicht ein Tiguan sondern ein vollständig anderes Fahrzeug getestet worden, greift nicht durch. Denn das Kraftfahrtbundesamt hat die Einhaltung sämtlicher Werte nach Softewareupdate ausdrücklich für den Motorklastertyp 7 bestätigt, unter welchen auch der Motor des streitgegenständlichen Fahrzeug zu fassen ist. Im Übrigen beruft sich die Klagepartei gegenbeweislich selbst auf Studien, die andere Fahrzeugtypen betreffen.
3) Im Ergebnis liegen keine ausreichenden Anknüpfungspunkte vor, dass die Nachbesserung von vorne herein nicht erfolgreich sein kann oder sogar unmöglich ist. Eine Beweisaufnahme war insofern nicht veranlasst.
Selbst wenn man der Klagepartei hinsichtlich der Zweifel bezüglich der Richtigkeit der Feststellungen des Kraftfahrtbundesamts in der Anl. B3 folgen würde, ist zu berücksichtigen, dass die von der Beklagten beabsichtigte Nacherfüllung jedenfalls nicht von vorneherein untauglich erscheint, den Mangel zu beheben oder anderweitige negative Auswirkungen auf das Fahrzeug zu haben.
In diesem Zusammenhang ist auch der bei Kaufverträgen geltende Vorrang der Nacherfüllung zu berücksichtigen. Hierauf hat sich die Klägerin einzulassen. Im Ergebnis ist es allein Sache des Verkäufers, mit welchen Mitteln und auf welchem Wege er die geschuldete Nacherfüllung leistet, ohne dass er im Detail gehalten wäre, seine beabsichtigte Nacherfüllungsmethode im Vorfeld bereits einer Tauglichkeitsprüfung durch den Käufer unterziehen zu lassen.Bei nicht erfolgreichem Verlauf der Nachbesserung, stünden der Klagepartei ohnehin weitere Gewährleistungsansprüche zu. Der Klägerin ist es somit nicht unzumutbar, die angemessene Frist, wie oben geschildert, abzuwarten (vgl. hierzu auch LG Paderborn, Urteil vom 19.09.2016, Az. 2 O 55/16).
c) Die Fristsetzung ist auch nicht gemäß § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB bzw. § 440 BGB entbehrlich.
Dies wäre in der Regel nur der Fall, wenn der Verkäufer einen Mangel der gekauften Sache arglistig verschwiegen hat (vgl. BGH, NJW 2007, 835, BGH NJW 2008, 1371). Unabhängig von der Frage, ob tatsächlich eine arglistige Täuschung von den maßgeblich Verantwortlichen im …-Konzern vorgelegen hat, liegen zunächst keinerlei greifbaren Anhaltspunkte vor, dass Mitarbeiter der Beklagtenpartei bereits vor Bekanntwerden des …-Abgasskandals in den Medien Kenntnis von durchgeführten Manipulationen bei der Abgassoftware durchgeführt hätten. Hierzu fehlt es auch bereits an hinreichend substantiiertem Vortrag der Klagepartei. Die Beklagte selbst hat vorgetragen erst über die Medienberichterstattung von der Manipulationssoftware erfahren zu haben. Ein etwaiges zeitliches früheres Wissen der maßgeblichen Verantwortlichen des …-Konzerns muss sich die Beklagte jedoch nicht zurechnen lassen, da die … AG nicht Erfüllungsgehilfin der Beklagten gemäß § 278 BGB ist. Diese war in keinster Weise am Zustandekommen des streitgegenständlichen Kaufvertrags beteiligt und konnte hierauf auch keinen Einfluss nehmen. Die Beklagte handelte im eigenen Namen und auf eigene Rechnung und ist eine rechtlich unabhängige juristische Person ohne gesellschaftsrechtliche oder personelle Verpflichtungen mit dem …-Konzern (vgl. hierzu LG Düsseldorf, Urteil vom 24.10.2016, Az. 21 O 10/16, Rdnr. 29).
Die Beklagte ist nach eigenen unwidersprochenen Angaben nicht einmal Vertragshändlerin des …-Konzerns.
Sofern die Klägerin hier das zusprechende Urteil des Landgerichts München vom 14.04.2016 (Az. 23 O 23033/15) in Bezug nimmt, ist zu berücksichtigen, dass dort eine Sonderkonstellation gegeben war, wonach die dortige Vertragshändlerin aufgrund einer durchgehenden Beteiligungskette der zwischengeschalteten Gesellschafter direkt zum …-Konzern gehöre und als 100%-ige Konzerntochter anzusehen sei. Dies ist vorliegend unzweifelhaft nicht der Fall.
d) Eine Fristsetzung war auch nicht gemäß § 440 BGB entbehrlich, da für eine Unzumutbarkeit der Nacherfüllung aus klägerischer Sicht keine besonderen Umstände dargetan sind.
1) Dabei ist zu berücksichtigen, dass es bereits auf der Hand liegt, dass eine umfassende Rückrufaktion und auch die Entwicklung einer Software, die noch vom Kraftfahrtbundesamt zu genehmigen ist, nicht innerhalb weniger Wochen realisierbar ist. Auch aus dem Umstand, dass zum Zeitpunkt des Nacherfüllungsverlangen seitens der Beklagten noch kein konkreter Termin zur Nacherfüllung genannt werden konnte, führt nicht zu einer Unzumutbarkeit der Fristsetzung insgesamt.
2) Eine Unzumutbarkeit resultiert auch nicht daraus, dass nach Auffassung der Klagepartei die Gefahr des Verbleibs eines merkantilen Minderwerts an dem streitgegenständlichen Fahrzeug gegeben ist.
Die Behauptung des Entstehen eines merkantilen Minderwerts rechtfertigt die Unzumutbarkeit einer Fristsetzung nicht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte einen Verjährungsverzicht bis Ende des Jahres 2016 erklärt hat. Zudem ist für einen verbleibenden Minderwert trotz einer möglichen erfolgreichen Nachbesserung kein plausibler Grund ersichtlich und vorgetragen. Unterstellt, das Aufspielen des Softwareupdates würde zu einer erfolgreichen Nachbesserung führen, bliebe nach Ansicht des Gerichts kein merkantiler Minderwert.
In diesem Zusammenhang ist bereits fraglich, ob diese von der Rechtsprechung entwickelte Schadensposition in der vorliegenden Konstellation überhaupt zum Tragen kommt. Von einem merkantilen Minderwert ist die Rede, wenn bei technisch gesehen erfolgreicher Nachbesserung der objektiv unbegründete Verdacht verborgene Mängel verbleibt. Die bisherige Rechtsprechung hat einen merkantilen Minderwert in erster Linie bei gravierenden Bauschäden wie Schimmelbelastung und Feuchtigkeitseindringen im Dachstuhl und Keller oder bei Verkehrsunfällen, die nicht lediglich im Bagatellbereich liegen.
Anders als in diesen genannten Fallgruppen, ist hier – zumindest nach dem Nachbesserungsplan des …-Konzerns in Abstimmung mit dem Kraftfahrtbundesamt, offenbar eine Schadensbehebung durch ein einfaches Softwareupdate und ggf. Einbau eines Strömungsgleichrichters möglich und keine aufwendige Schadenssanierung, wie dies beispielsweise bei einem verschimmelten Dachstuhl oder einem umfangreich verunfallten Fahrzeug der Fall wäre. Denn bei letzten Schadensbehebungen besteht stets die wenn auch noch so geringe Möglichkeit, dass Kleinigkeiten übersehen würden, die letztlich den technisch unbegründeten Verdacht verborgener Mängel rechtfertigen.
Abgesehen davon sind auch die klägerseits vorgelegten Berichte und Studien nicht geeignet, den Nachweis eines merkantilen Minderwerts nach erfolgreicher Nachbesserung zu rechtfertigen.
Soweit die Klagepartei Zeitungsberichte, Studien und Mitteilungen zum Preisverfall von betroffenen …-Gebrauchtwägen vorlegte, hat die Beklagte im Gegenzug ihrerseits gegenteilige Erhebungen von und …H vorgelegt. Substantiierter Sachvortrag, Statistiken und Zahlenwerke der Klagepartei fehlen jedoch vorliegend. Die Beweiserhebung, beispielsweise durch Einholung eines Marktforschungsgutachtens, liefe somit auf einen im Rahmen der Zivilprozessordnung unzulässigen Ausforschungsbeweis hinaus.
Auch aus der Tatsache, dass seitens … oder Audi Rabattaktionen oder Garantieverlängerungen angeboten werden, resultiert allein noch kein befürchteter merkantiler Minderwert bei betroffenen Dieselfahrzeugen der …-Fahrzeugflotte. Derartige Rabattaktionen werden auch von anderen Anbietern gelegentlich zu Werbezwecken angeboten. Es wäre zu kurz gegriffen hieraus bereits einen merkantilen Minderwert zu konstruieren. Das Gericht tritt dem jedenfalls nicht bei.
3) Auf einen Vertrauensverlust wegen arglistiger Täuschung durch den …-Konzern kann sich die Klagepartei nicht berufen. Unabhängig von der Frage, ob eine solche Täuschung seitens der maßgeblich Verantwortlichen im …-Konzern überhaupt vorlag, ist eine Zurechnung an die Beklagtenpartei – wie oben dargestellt – jedenfalls nicht vorzunehmen. Anders als in den vom LG Krefeld (Az. 2 O 72/16 und 2 O 83/16) zu entscheidenden Fällen, war die Beklagte vorliegend auch keine Vertragshändlerin von …
Zudem erfolgte der gesamte Prozess der Entwicklung des Software-Updates sowie der Zeitplan der Nachrüstung der betroffenen Fahrzeugflotte unter ständiger Kontrolle und Aufsicht des Kraftfahrtbundesamts, mithin einer staatlichen Behörde, die letztlich auch die Freigabe des Software-Updates erkärte. Etwaiges Misstrauen der Klägerin in die Tätigkeit der Beklagten im Rahmen einer Nachbesserung wird hierdurch vollumfänglich kompensiert.
Bei Annahme der Unzumutbarkeit der Fristsetzung würden im Ergebnis der Vorrang der Nacherfüllung und die Wertung des § 440 S. 2 BGB umgangen.
4. Auf die Frage einer etwaigen Unerheblichkeit der Pflichtverletzung gem. § 323 Abs. 5 S. 2 BGB wonach ein Rücktritt ausgeschlossen wäre, kam es daher nicht streitentscheidend an.
Gleiches gilt für die Frage, ob ein Rücktrittsrecht gem. § 323 Abs. 6 BGB wegen überwiegender Verantwortlichkeit der Klagepartei ausgeschlossen ist.
II.
Der Klägerin steht auch kein Rückzahlungsanspruch gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alternative 1 BGB infolge Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gegen die Beklagte zu.
Wie oben bereits dargetan, ist für eine eigene Täuschungshandlung der Mitarbeiter der Beklagtenpartei nichts ersichtlich, eine Wissenszurechnung etwaiger Kenntnis der Verantwortlichen des …-Konzerns hat vorliegend nicht stattzufinden.
III.
Der Klägerin steht auch kein (großer) Schadensersatzanspruch gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 3., 281, 434, 437, 440 BGB zu. Hierzu gilt im Ergebnis das oben Gesagte entsprechend. Eine angemessene Fristsetzung liegt seitens der Klagepartei nicht vor. Die dadurch in Kraft getretene angemessene Frist ist noch nicht abgelaufen und diese war auch nicht entbehrlich. Darüber hinaus liegt keine zurechenbare Pflichtverletzung der Beklagtenpartei vor.
IV.
Der Klägerin steht auch kein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 16 UWG zu. Unterstellt, es lägen in den maßgeblichen Prospekten unwahre Angaben vor, fehlt es bereits an einem vorsätzlichen Handeln der Beklagten oder an einer Zurechnung eines etwaigen vorsätzlichen Handeln des Herstellers der Beklagten (vgl. hierzu LG Düsseldorf, Urteil vom 24.10.2016, Az. 21 O 10/16).
V.
Mangels Begründetheit des Hauptanspruchs steht der Klägerin auch kein Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Zinsen zu. Ferner besteht kein Anspruch auf Feststellung des Annahmeverzuges sowie der geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1, S. 2 ZPO.
Dem Antrag des Beklagtenvertreters in der letzten mündlichen Verhandlung auf Einräumung einer Schriftsatzfrist zu dem Schriftsatz der Klagepartei vom 27.02.2017 war nicht nachzukommen, da streitentscheidend weniger das neue Tatsachenvorbringen der Klagepartei, sondern rechtliche Erwägungen waren. Rechtsvortrag nach Schluss der mündlichen Verhandlung konnte Berücksichtigung finden.


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