IT- und Medienrecht

Dieselskandal, VW, Gebrauchtwagen, EA 288

Aktenzeichen  31 O 437/19

Datum:
2.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 51407
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 826

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird festgesetzt auf Euro 27.100,00 €.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Sie ist sogar unschlüssig, so dass unechtes Versäumnisurteil gegen die Klägerseite zu ergehen hat.
Die örtliche Zuständigkeit des LG Bayreuth folgt aus § 32 ZPO im Hinblick auf die behauptete Schädigung des klägerischen Vermögens am klägerischen Wohnsitz.
Gegenstand der Klage ist kein Kaufvertrag über ein erstmals von der Beklagten in Verkehr gebrachtes Neufahrzeug, sondern ein Kaufvertrag über ein Gebrauchtfahrzeug.
Es kann dahinstehen, ob die Beklagte den hier verbauten Motor mit einer gegenüber dem Motor EA 189 gleichartigen Umschalteinrichtung versehen hat.
Das Landgericht schließt sich unter Aufgabe bisheriger Rechtsprechung der Ansicht des Oberlandesgerichts Bamberg (Urteil vom 06.11.2019, Aktenzeichen 8 U 73/19) an, wonach in den Fällen des V.-„Dieselskandals“ eine deliktische Haftung der Beklagten für den Erwerb eines Gebrauchtfahrzeugs ausscheidet:
Ein Anspruch aus § 826 BGB ist jedenfalls deshalb nicht gegeben, da das Inverkehrbringen des Fahrzeugs ohne Hinweis auf die Umschaltlogik keine besondere Verwerflichkeit des Verhaltens im Verhältnis zum Erstkäufer oder zum Gebrauchtwagenkäufer beinhaltet und damit keine sittenwidrige Schädigung des Käufers vorliegt.
Im Gegenteil kann ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Beklagte damit rechnete, die Manipulation werde nicht entdeckt werden oder im Falle des Entdeckens jedenfalls (wie geschehen) nicht zu einer eingeschränkten Nutzbarkeit des Fahrzeugs oder sonstigen Nachteilen für den Käufer führen. Dass dies der Beklagten möglicherweise nur aufgrund ihrer Marktmacht und/oder politischer Einflussnahme gelang, ist im Verhältnis zum Käufer ohne Bedeutung.
Der Mehrausstoß von Stickoxid-Gasen mag Umwelt und Allgemeinheit schädigen, nicht aber den Käufer, jedenfalls nicht in besonders verwerflicher Weise (so OLG Bamberg, l.c. Seite 8).
Da der erhöhte Ausstoß des Fahrzeugs an Stickoxid-Gasen das Ergebnis einer technischen und wirtschaftlichen Optimierungsaufgabe ist, ist es ohnehin wahrscheinlicher, dass die Beklagte davon ausging, im Interesse ihrer typischen Kunden zu handeln, wenn sie diese Optimierungsaufgabe zugunsten von Leistung, Verbrauch (auch CO₂-Werten) und nicht zuletzt Preis des Fahrzeugs löste. Aus dem Klägervortrag ergibt sich nichts Gegenteiliges.
Abweichende individuelle Vorstellungen auf Klägerseite (namentlich, es sei darauf angekommen, ein besonders „umweltfreundliches“ Fahrzeug zu erwerben) sind für die Frage der subjektiven Vorstellung (Bewusstsein der Umstände, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergibt) der Beklagten nicht relevant.
Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB (Betrug) scheitert jedenfalls daran, dass bei der Beklagten die Absicht rechtswidriger Bereicherung (subjektives Tatbestandsmerkmal des Betrugs) nicht angenommen werden kann. Durch den Gebrauchtwagenkauf erzielt die Beklagte keinen rechtswidrigen Vermögensvorteil. Direkt deshalb nicht, weil sie den Kaufpreis nicht vereinnahmt. Indirekt nicht, weil die Beklagte regelmäßig nicht weiß, ob überhaupt und wenn ja von wem, wie oft und zu welchen vertraglichen Bedingungen das Gebrauchtfahrzeug weiterverkauft wird. Auch die weiteren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Weiterverkaufs (Marktlage, Mineralölsteuer, Umweltgesetzgebung, Zustand des Fahrzeugs) sind beim Inverkehrbringen regelmäßig nicht vorhersehbar; es gibt keine wie auch immer geartete Verpflichtung der Beklagten, das Interesse eines Gebrauchtwagenverkäufers an der Erzielung eines möglichst hohen Verkaufspreises wahrzunehmen. Aus diesem Grund kann auch keine Absicht der Beklagten im Hinblick auf eine rechtswidrige Bereicherung des Gebrauchtwagenverkäufers angenommen werden.
Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 6 Abs. 1,27 Abs. 1 EG-FGV scheitert daran, dass die zitierte Vorschrift der EG-FGV keinen drittschützenden Charakter hat (OLG Bamberg l.c; Oberlandesgericht Braunschweig vom 19.02.2019, Aktenzeichen 7 U 134/17).
Weitere Anspruchsgrundlagen sind nicht einschlägig.
Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 709, 91, 3 ZPO.


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