IT- und Medienrecht

Disziplinarverfahren, Verteidiger, Dienstposten, Minderung, Dienstenthebung, Dienstvergehen, Soldat, Hauptverhandlung, Meinungsfreiheit, Bescheid, Verletzung, Antragsteller, Einstellung, Wiedereinsetzung, Aussage gegen Aussage, Ergebnis der Beweisaufnahme, Bundesrepublik Deutschland

Aktenzeichen  S 7 GL 03/20

Datum:
22.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 50936
Gerichtsart:
Truppendienstgericht Süd
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

Die durch den Kommandeur … angeordnete Nebenentscheidung (Nr. 2) zur Einleitungsverfügung vom 13.12.2018 (Az. 25-01-30 D 96/19) über die hälftige Einbehaltung der jeweiligen Dienstbezüge des Antragstellers wird rückwirkend zum 18.12.2018 aufgehoben.
Der die Anordnung bestätigende Bescheid des Kommandeurs … vom 24.02.2020 wird in gleichem Umfang aufgehoben.
Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Gründe

I.
Der Antrag richtet sich gegen eine vorläufige Dienstenthebung und eine teilweise Einbehaltung von Dienstbezügen.
Der 28jährige Antragsteller ist Soldat auf Zeit, dessen Dienstzeit voraussichtlich mit Ablauf des 30.06.2024 enden wird. Er wurde bis zu seiner im November 2018 erfolgten Versetzung auf ein dienstpostenähnliches Konstrukt im Stab …Ybataillon als Kompanieeinsatzoffizier in der 2./…Ybataillon verwendet.
1. Mit Verfügung vom 13.12.2018 (Az. 25-01-30 D 96/18), dem Antragsteller am 18.12.2018 ausgehändigt, leitete der Kommandeur … ein gerichtliches Disziplinarverfahren gegen den Antragsteller mit der Begründung ein, dieser sei hinreichend verdächtig, seine Dienstpflichten wie folgt schuldhaft verletzt zu haben:
„1. Sie „posteten“ in der WhatsApp Gruppe „HS 14“:
a) Am 05.05.2017 gegen 20:17 ein Bild von sich mit einem Sparschwein, welches die Aufschrift „fdgO“ sowie einen Oberlippenbart, wie ihn A. H. trug, zeigte, wobei Sie auf die Frage „Bart dran lassen oder ab?“ mit „na sicherlich antworteten“. In das Sparschwein sollte derjenige einzahlen, der besonders gravierend gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung, durch Sie mit „fdGO“ abgekürzt, verstoßen hatte.
b) Am 07.05.2017 zu einer nicht mehr näher feststellbaren Uhrzeit die Aussage „Also doch putschen“, wobei Sie diese Aussage vor dem Hintergrund einer von Ihnen mit anderen Soldaten geführten Diskussion über die aktuelle Lage der Bundeswehr und in diesem Zusammenhang geäußerte Kritik an Frau B. M. Dr. v. d. L. tätigten.
c) Am 13.05.2017 gegen 00:34 die Aussagen „ich rede die Woche 17 Mal von Putsch“, wobei Sie sich auf einen Putsch gegen Ihre oberste zivile und militärische Führung bezogen.
d) Am 17.11.2017 gegen 09:37 die Aussage: „Der Feind ist die eigene Führung…“, wodurch Sie Ihre Missachtung gegen Ihre zivile und militärische Führung ausdrücken wollten.
2. Sie „posteten“ in der WhatsApp Gruppe „Ein Käfig voller Helden“:
a) Am 03.03.2017 gegen 02:25 die Aussage „Männer! Wir feiern den glorreichen Rückschlag des deutschen Reiches! (auch wenn es erst in 159 Tagen ist).“, wobei Sie sich dabei auf den Tag des Beginns des deutschen Überfalls auf Polen zu Beginn des 2. Weltkrieges bezogen.
b) Am 08.03.2017 gegen 15:30 die Aussage „What’s the hardest part about walking over a bunch of dead bodies? My Penis“, wobei sie sich auf ein in der Gruppe zu sehendes Bild bezogen, auf dem ein Bild von im 2. Weltkrieg ermordeten Zivilisten zu sehen war.
c) Am 12.03.2018 gegen 10:09 ein Bild, das eine Person mit dunkler Haut zwischen drei Wehrmachtssoldaten zeigt, wobei dieses Bild mit der Aussage unterschrieben war: „Hans, Helmut, Fritz und der neue Minensucher.“, wodurch Sie Ihre Missachtung gegenüber Personen, die nicht helle Haut aufweisen ausdrücken wollten.
d) Am 06.04.2017 gegen 20:03 ein niederländisches SS-Rekrutierungs-/Propaganda- Plakat mit der Inschrift „Niederländer! Für eure Ehre und euer Gewissen! Gegen den Bolschewismus! Die Waffen-SS ruft euch“.
e) Am 03.05.2017 gegen 15:27 und am 04.05.2017 gegen 13:07 die Aussage „Ich wusste immer, dass die der jüdischen Wehrzersetzungsverschwörung angehört.“, wobei Sie diese Aussage auf Frau B. M. Dr. v. d. L. bezogen und dadurch Ihre Missachtung ihr gegenüber und gegenüber Angehörigen der jüdischen Religion ausdrücken wollten.
f) Am 05.05.2017 gegen 11:52 ein Bild einer Luger Pistole neben einem Eisernen Kreuz und trafen dazu die Aussage „Muss ich bei der aktuellen Lage jetzt eigentlich meine Luger-Pistole wegbringen?“, worauf sie am 05.05.2017 gegen 12:02, nachdem der OLt K Ihnen antwortete, „Wie geil is die denn. Mit der kannst du vdl sehr geil absetzen, da wette ich für.“ die Aussage trafen „Frau M., ich übernehme! Männer schafft sie weg. Mit MP 40 in eine Richtung winkend Komm se mat mit.“, wodurch Sie Ihre Missachtung gegenüber Frau B. M. Dr. v. d. L. ausdrücken wollten.
g) Am 07.05.2017 gegen 12:59 bezogen auf den damaligen Generalinspekteur der Bundeswehr General a. D. W die Aussage „Ohne Spaß ey, dem zieh ich eins mit meinem Karabiner über und dann wird er vom Hof gejagt!“, wobei es sich dabei um Ihre Reaktion auf die von diesem 2017 angeordnete Durchsuchung aller militärischen Liegenschaften nach Wehrmachtsandenken handelte. Ihnen kam es dabei darauf an, Ihre Missachtung gegenüber General a. D. W auszudrücken.
h) Am 08.05.2017 gegen 09:25 die Aussage „Von der Leyens Kristallnacht.“, wobei Sie sich auf die auf die 2017 angeordnete Durchsuchung aller Kasernen nach Wehrmachtsandenken bezogen. Ihnen kam es dabei darauf an, Ihre Missachtung gegenüber Frau B. M. Dr. v. d. L. auszudrücken.
i) Am 08.05.2017 gegen 16:53 die Aussage „Ich bin Reichsbürger, die können mich.“
j) Am 16.05.2017 um 20:03 die Aussage: „Die gesamte Generalität ist nichts weiter als ein niederträchtiger Haufen treuloser Feiglinge! Die Generalität ist das Geschmeiß des deutschen Volkes! Sie ist ohne Ehre.“, wobei Sie wussten, dass es sich dabei um einen Spruch A. H.handelte. Sie ergänzten diesen Post mit der Aussage: „72 Jahre. Die Worte waren nie wahrer.“ Ihnen kam es dabei zugleich darauf an, gegenüber sämtlichen Angehörigen der Bundeswehr im Generals- oder Admiralsrang Ihre Missachtung auszudrücken.
k) Am 10.06.2017 gegen 21:33 ein Bild, das den OLt Sch mit Frau B. M. Dr. v. d. L. zeigte und kommentierten dies mit dem Satz „Ich habe mit dem Feind paktiert“, wodurch Sie Ihre Missachtung gegenüber Frau B. M. Dr. v. d. L. und OLt Sch ausdrücken wollten.
3. Sie posteten in der WhatsApp Gruppe „Chat mit M“:
a) Am 15.05.2018 gegen 19:51 über Lt S folgende Aussage: „da müssen wir schon nen stabilen Masten finden, wenn wir ihn wegen Feigheit vorm Feind aufknüpfen…“, wobei es Ihnen darauf ankam, Ihre Missachtung gegenüber Lt S auszudrücken.
b) Am 24.07.2018 gegen 16:29 über Lt S die Äußerung: „Vor allem ich habe den heute beim gemeinsamen Mittagessen gesehen, sein ziegenficker Bart sieht in echt sogar noch schlimmer aus.“, wobei es Ihnen darauf ankam, Ihre Missachtung gegenüber Lt S auszudrücken.
c) Am 19.09.2018 gegen 20:28 nach Ihrer Aussage „ihr wisst wofür ihr kämpft!“ als Antwort: „Ostpreußen…“.
4. Zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt im Zeitraum 01.05.2017 bis 31.05.2017 antworteten Sie, als Sie in Ihrer dienstlichen Uniform an einer Hochzeit teilnahmen, im Hinblick auf die Aussage eines Kameraden gegenüber einer dritten Person, die nicht der Bundeswehr angehörte, dass Sie doch der größte Nazi seien, der hier rumläuft wie folgt: „Mist, jetzt ist es raus.“.
Dienstvergehen gemäß § 23 Absatz 1 Soldatengesetz (SG) in Verbindung mit §§ 7, 8, 10 Absatz 6, 12 Satz 2, 17 Absatz 1, 17 Absatz 2 Satz 1 Alternative 2 und Satz 3 Alternative 2 SG sowie § 17 Absatz 2 Satz 2 Alternative 2 SG in der bis zum 14.06.2017 geltenden Fassung des SG unter den erschwerenden Voraussetzungen des § 10 Absatz 1 SG.“
Zugleich enthob der Kommandeur … den Antragsteller im Rahmen von Nebenentscheidungen zur Einleitungsverfügung unter Nr. 1 gemäß § 126 Abs. 1 Wehrdisziplinarordnung (WDO) des Dienstes und verbot ihm das Tragen der Uniform. Unter Nr. 2 ordnete er an, dass gemäß § 126 Abs. 2 und Abs. 4 WDO die Hälfte der jeweiligen Dienstbezüge einzubehalten sei. Gemäß Nr. 3 sei die Anwesenheit des Antragstellers am Standort P nicht mehr erforderlich. Dieser habe jedoch sicherzustellen, jederzeit erreichbar zu sein. Die Erteilung von Erholungsurlaub bedürfe weiterhin der Erlaubnis seines nächsten Disziplinarvorgesetzten.
Zur Begründung führte der Kommandeur … aus, die vorläufige Dienstenthebung des Antragstellers sei zur Aufrechterhaltung der militärischen Ordnung erforderlich. Nach dem Ergebnis der bisherigen Ermittlungen bestehe der hinreichende Verdacht, dass der Antragsteller als Vorgesetzter gegen seine soldatischen Pflichten, insbesondere gegen §§ 7, 8, 10 Absatz 6, 12 Satz 2, 17 Absatz 1, 17 Absatz 2 Satz 1 Alt. 2 und Satz 3 Alt. 2 Soldatengesetz (SG) sowie gegen § 17 Absatz 2 Satz 2 Alt. 2 SG in der bis zum 14. Juni 2017 geltenden Fassung des SG in besonders schwerwiegender Weise verstoßen habe. Aufgrund der Schwere des Tatvorwurfs sei zu erwarten, dass im gerichtlichen Disziplinarverfahren auf Entfernung aus dem Dienstverhältnis erkannt werde. Dies rechtfertige die vorläufige Einbehaltung des tenorierten Bruchteils der Dienstbezüge. Eine Begründung des Uniformtrageverbots unterblieb.
Nach entsprechender Anordnung der Wehrdisziplinaranwaltschaft behält das Bundesverwaltungsamt seit dem 19.12.2018 die Hälfte der jeweiligen Dienstbezüge des Antragstellers ein.
2. Mit einer am 24.06.2019 beim Truppendienstgericht Süd eingegangenen Anschuldigungsschrift vom 12.06.2019 wird dem Antragsteller nunmehr unter Präzisierung der Vorwürfe in der Einleitungsverfügung 1b bis d, (dort 1, 3, 6) 2a bis k, (dort 8 bis 17, 19) 3a, b (dort 21, 22) sowie 4 (dort 23) ergänzend vorgehalten:
„2. Der Soldat postete 08.05.2017 zu einer nicht mehr näher feststellbaren Uhrzeit von einem nicht mehr näher feststellbaren Ort aus in die Whats-App Gruppe „HS 14“, der er angehörte, als Antwort auf die Nachricht des Leutnants (Lt) B an ihn, dass er sich lieber die Worte für seine Vernehmung nach dem Stubendurchgang seines Vorgesetzten sparen solle, die Aussage: „Lasst sie kommen! Die Horden von linksextremen, wehrkraftzersetzendenden Gutmenschen!“, um seine Missachtung gegenüber seinen Vorgesetzten zu äußern.
4. Der Soldat postete am 16.05.2017 zu einer nicht mehr näher feststellbaren Uhrzeit von einem nicht mehr näher feststellbaren Ort aus in die Whats-App Gruppe „HS 14“, der er angehörte: „Boa ich hass die alte so abgrundtief…“, um gegenüber Frau B. M. Dr. v. d. L. seine Missachtung auszudrücken, nachdem zuvor der OLt V in dieselbe Gruppe gepostet hatte „Das Zitat von vdL ist wie blanker Hohn“.
5. Der Soldat postete am 05.10.2017 gegen 16:22 Uhr von einem nicht mehr näher feststellbaren Ort aus in die Whats-App Gruppe „HS 14“, der er angehörte, die Aussage: „Wie kann es denn sein, dass schon wieder irgendwelche Zivilspasten! unangemeldet auf meine Stube gehen und sich darüber echauffieren, dass man einen Offiziersäbel auf Stube hat und das melden wollen!“, wodurch er seine Missachtung gegen zivile Angehörige der Bundeswehr ausdrücken wollte.
7. Der Soldat postete am 14.03.2018 gegen 13:58 Uhr von einem nicht mehr näher feststellbaren Ort aus in die Whats-App Gruppe „HS 14“, der er angehörte, die Aussage: „Ali aus dem Flüchtlings-Integrationsprogramm“, um seine Missachtung gegenüber Flüchtlingen auszudrücken, nachdem sich in der Gruppe zuvor über einen Schreibfehler bei der Formulierung einer Vorschrift ausgetauscht wurde und diskutiert wurde, wer hierfür verantwortlich gewesen sei.
18. Der Soldat postete am 24.05.2017 gegen 11:11 Uhr von einem nicht mehr näher feststellbaren Ort aus in die Whats-App Gruppe „Ein Käfig voller Helden „, der er angehörte, ein von ihm erstelltes sogenanntes Meme, welches einen Soldaten der SS zeigt und mit „Soll Meldung machen. Beim Führer“ versehen ist und äußerte sich dazu mit der Aussage „Das geht jetzt nicht! Eid auf die Ministerin“.
20. Der Soldat schrieb über Whats-App am 15.05.2018 gegen 19:49 Uhr von einem nicht mehr näher feststellbaren Ort aus an den OLt B die Frage „Volkssturm?“, nachdem OLt B gegenüber dem Soldaten über Whats-App zuvor über Lt S die Aussage getätigt hatte „naja gut, wo soll der denn sonst arbeiten“.“
Die Vorwürfe 1a und 3c der Einleitungsverfügung wurden nicht weiterverfolgt.
3. Mit an den Kommandeur … gerichtetem Schreiben vom 07.02.2020 beantragte der damalige Verteidiger des Antragstellers die Aufhebung der vorläufigen Dienstenthebung, des Uniformtrageverbots und der teilweisen Einbehaltung der Dienstbezüge.
4. Mit Bescheid vom 24.02.2020, dem Antragsteller laut Verteidiger zugestellt am 27.02.2020, wies der Kommandeur … den Antrag zurück und führte unter anderem Folgendes aus:
„Begründung:
Die vorläufige Dienstenthebung ist zur Aufrechterhaltung der militärischen Ordnung erforderlich, denn nach dem Ergebnis der Ermittlungen besteht hinreichender Verdacht, dass Sie gegen Ihre Pflichten zum treuen Dienen, zur politischen Treue und zum Eintreten für die demokratische Grundordnung, die Pflicht zur Zurückhaltung und Kameradschaft, zur Disziplin und Achtung der dienstlichen Stellung des Vorgesetzten sowie zu inner- und außerdienstlichem Wohlverhalten in besonders schwerwiegender Weise verstoßen haben. Bezüglich der einzelnen Tatvorwürfe sowie der Gründe für die Nebenentscheidungen verweise ich zunächst auf meine Verfügung vom 13. Dezember 2018 sowie die Anschuldigungsschrift vom 12. Juni 2019.
Das Bundesverwaltungsgericht führt in seinem Beschluss vom 15. November 2006 an, dass es für Maßnahmen, welche in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen des Soldaten eingreifen, wie die vorläufige Dienstenthebung, aus verfassungsrechtlichen Gründen eines besonderen, diese rechtfertigenden, Grundes bedarf. Zudem müssen vorläufige Maßnahmen dem Verfassungsgebot der Verhältnismäßigkeit genügen.
Der besondere rechtfertigende Grund liegt im vorliegenden Fall in der drohenden empfindlichen Störung des Dienstbetriebes sowie der zu erwartenden erheblichen Schädigung des öffentlichen Ansehens der Bundeswehr im Falle Ihrer Wiederaufnahme des Dienstes.
Sie haben eindeutig Ihre rechtsextreme, die Grundwerte der Bundesrepublik Deutschland ablehnende, gar negierende, Einstellung zum Ausdruck gebracht durch Ihre „WhatsAppPosts“ entsprechend Ziffern 1 – 22 der Anschuldigungsschrift vom 12. Juni 2019. Das Verfassen sowie Absenden der „Posts“ durch Sie ist nach dem Ergebnis der Auswertung Ihres Mobiltelefons bewiesen. Im Übrigen haben Sie die Tathandlungen als solche gemäß Ziffern 1 – 22 der Anschuldigungsschrift eingeräumt.
Ihre Äußerungen über „WhatsApp“ sind in derart frappierender Weise geschichtsvergessen, reaktionär, größtenteils rassistisch und antisemitisch, menschenverachtend und verantwortungslos, dass ganz grundsätzlich zunächst deren gänzliche Unvereinbarkeit mit den Grundwerten einer aufgeklärten liberalen Demokratie festzustellen ist. Dies gilt nach hiesiger Auffassung auch für Ihre Gesinnung, denn Ihre Äußerungen gemäß Ziffern 1 – 22 erfolgten nicht lediglich im Bedürfnis nach Anerkennung als eine Art „Mutprobe“ im Rahmen einer Art „Überbietungswettbewerb“ an „schlechten Scherzen“ und im Wechselspiel mit den anderen Mitgliedern der Gruppe.
Durch Ihre vorgenannten Äußerungen haben Sie nicht bloß Ihre fehlende Anerkennung demokratischer, liberaler, sozialer und ethischer Grundwerte, welche sich infolge der Aufklärung und der aus dem 2. Weltkrieg gezogenen Lehren in den westlichen Staaten als allgemeine und konsensual anerkannte gesellschaftliche Standards herausgebildet haben, mehr als deutlich zum Ausdruck gebracht. Sie haben insbesondere gegen diverse soldatische Pflichten in derart schwerwiegender, jede Verfassungstreue vermissen lassender, Art und Weise verstoßen, dass eine Wiederaufnahme des Dienstes wegen drohender erheblicher Störung des Dienstbetriebes und einer Ansehensschädigung der Bundeswehr nicht tragbar ist.
Betreffend die folgenden Ausführungen zu einzelnen Ihrer Äußerungen sei betont, dass diese nicht ausschließlich für die beispielhaft herausgegriffenen, sondern für sämtliche Vorwürfe, gelten sollen.
Als Sie gemäß Ziffer 10 der Anschuldigungsschrift etwa ein Bild mit drei Wehrmachtssoldaten und einer Person mit dunkler Hautfarbe „posteten“, welches unterschrieben war mit:,,Hans, Helmut, Fritz und der neue Minensucher“ spielten Sie darauf an, dass sich die drei deutschen Wehrmachtssoldaten des dunkelhäutigen Mannes als Minensucher „bedienten“, welcher auf Minenfelder vorgeschickt werden und damit in der Konsequenz „geopfert“ werden könnte, da sein Leben als dunkelhäutiger Mensch mit nicht deutschem, etwa afrikanischem, Aussehen „weniger wert“ sei. Jeder Anhänger der Grundwerte einer freiheitlich demokratischen Grundordnung kann Bild und Spruch gemäß Ziffer 10 nur zutiefst ablehnen. Der „Post“ zeugt von einer rassistischen, menschenverachtenden und völlig geschichtsvergessenen Ideologie, die, noch dazu bei einem Offizier und Vorgesetzten, untragbar ist. Die Äußerung ist keineswegs mehr als Satire oder geschmackloser „Scherz“ abzutun; auch nicht vor dem Hintergrund, dass sich die Mitglieder der „WhatsApp-Gruppe“ möglicherweise gegenseitig zu überbieten versuchten betreffend die Geschmacklosigkeit ihrer Äußerungen. Der sich aus Mitgliederzusammensetzung und Stil der übrigen Nachrichten der „WhatsAppGruppe“ ergebende Kontext kann nicht als Argument für ein Abtun als „schlecht gemeinten Scherz“ und als Ausfluss jugendlichen Leichtsinns angeführt werden. Sie sind Vorgesetzter, gut ausgebildeter Offizier und Akademiker und haben eindeutig die Grenze der auch für Soldaten geltenden Meinungsfreiheit überschritten, sodass sich jegliche Bagatellisierung verbietet. Auch waren Sie zum Zeitpunkt der Äußerung im März 2017 bereits 24 Jahre alt und damit kein Heranwachsender (vgl.§ 105 JGG) mehr, sodass Ihre Äußerungen nicht mit einem vermeintlichen jugendlichen Leichtsinn zu begründen sind. Die eindeutig ausländerfeindliche, reaktionäre und die Menschenwürde verkennende Botschaft Ihres „Posts“ gemäß Ziffer 10 lässt ausschließlich einen Rückschluss zu, nämlich den auf eine entsprechende Gesinnung, denn zu einer derartigen Grenzüberschreitung lässt sich ein verfassungstreuer und pflichtbewusster Soldat, auch nicht „im Scherz“, hinreißen, ohne dementsprechendem nationalsozialistischen Gedankengut anzuhängen. Sie haben dadurch klar zum Ausdruck gebracht, dass Sie die freiheitlich demokratische Grundordnung nicht in der erforderlichen Weise anerkennen. Es ist nach hiesiger Auffassung gar unmöglich, den Grundsatz der Unantastbarkeit der Menschenwürde verinnerlicht zu haben und gleichzeitig ein solches Bild mit diesem Spruch zu „posten“. Soweit Sie ausführen, teilweise vor den „Posts“ Alkohol konsumiert zu haben, so kann bereits im konkreten Fall nicht davon ausgegangen werden, dass Sie bei Absetzen dieses „Posts“ um 10:09 Uhr morgens derart alkoholisiert waren, dass Sie nicht wussten, was Sie taten. Im Übrigen führt ganz allgemein eine etwaige vereinzelte alkoholbedingte Enthemmung nicht zu einer Minderung des Unrechtsgehalts Ihrer Taten gemäß Ziffern 1 – 22 und für eine tatsächliche alkoholbedingte verminderte Einsichts- und Schuldfähigkeit liegen keine Anhaltspunkte vor.
Auch etwa der Gebrauch der Formulierung, „jüdische Wehrzersetzungsverschwörung“ (Ziffer 12) oder die Aussage über Ihren Kameraden Leutnant S: „da (sic) müssen wir schon nen (sic) stabilen Masten finden, wenn wir ihn wegen Feigheit vorm Feind aufknüpfen…“ (Ziffer 21) zeugen von einer antisemitischen, gewaltverherrlichenden, mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung ganz grundsätzlich nicht korrespondierenden, Einstellung, welche Sie hier klar zum Ausdruck brachten. Zu derartigen Äußerungen lässt sich ein pflichtbewusster, verfassungstreuer Offizier auch nicht unter gewissen, eine scherzhafte Atmosphäre anmuten lassenden, Umständen oder infolge alkoholbedingter Enthemmtheit, unterhalb der Grenze der erheblich eingeschränkten Einsichtsfähigkeit, hinreißen. Eine solche lag nach dem Ergebnis der Ermittlungen zu keinem Tatzeitpunkt vor (siehe oben). Ihre Aussagen waren von derartiger verfassungsfeindlicher und pflichtwidriger „Qualität“, dass sie nicht mehr auf „schwarzen Humor“, eine Art „Gruppenzwang“ oder alkoholbedingte Enthemmung geschoben werden können, sondern Ausfluss einer entsprechenden antiislamischen, antisemitischen und nationalsozialistischen Gesinnung und Einstellung sein müssen. Zudem handelt es sich nicht nur um ein oder zwei Einzelfälle, sondern um ein wiederholtes, fortwährendes Fehlverhalten, wodurch deutlich wird, dass Sie die offenbarten extremistischen Äußerungen verinnerlicht haben und damit grundsätzlich mit Ihren Überzeugungen nicht auf dem Boden der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland stehen.
Die Maßnahme der vorläufigen Dienstenthebung in Verbindung mit einem Uniformtrageverbot ist daher auch verhältnismäßig. Ihnen werden dabei keine Nachteile zugefügt, die außer Verhältnis zum Interesse des Dienstherrn, Sie bis zur endgültigen Klärung der schwerwiegenden Vorwürfe gegen Sie von der Dienstausübung auszuschließen, zugefügt. Es ist diesem nicht zuzumuten, einen Soldaten, der die verfassungsmäßigen Grundwerte, auf die er seinen Eid geleistet hat, derart offen negiert hat, überhaupt auf irgendeinem Dienstposten einzusetzen. Ihre defizitäre Einstellung, welche Sie mannigfaltig zum Ausdruck gebracht haben, insbesondere gegenüber Kameraden, hat zu einem vollständigen Vertrauensverlust des Dienstherrn in Ihre Person und Integrität geführt. Ihre Teilnahme am Dienst am Standort könnte den Dienstbetrieb erheblich stören, etwa, indem Sie weitere derartige Äußerungen gegenüber Kameraden tätigen und diese negativ beeinflussen. Aufgrund der ernsthaften Zweifel an Ihrer Verfassungstreue und dem hieraus resultierenden Vertrauensverlust in Bezug auf Sie ist nicht einmal eine Wiedereinsetzung in „Telearbeit“ von Ihrer Wohnung aus denkbar.
Außerdem bergen Ihre etwaige Wiederaufnahme des Dienstes sowie Erkennbarkeit als Bundeswehrangehöriger in Uniform das Potential, bei Publikwerden, etwa in den Medien, das Ansehen der Bundeswehr erheblich zu schädigen. Die begangenen Pflichtverstöße sind von so erheblichem Ausmaß, dass das Bekanntwerden einer, trotz der Vorwürfe gegen Sie, verfügten Wiederaufnahme Ihres Dienstes der Bundeswehr einen schweren, nicht wiedergutzumachenden, Ansehensschaden zuzufügen geeignet ist. Schließlich würde Ihre Teilnahme am Dienstbetrieb letztlich die Tolerierung eines sich offen verfassungsfeindlich äußernden Offiziers mit rassistischem, nationalistischem, antisemitischem und menschenverachtendem Weltbild, damit eine vermeintliche Bagatellisierung der gegen Sie erhobenen Vorwürfe durch den Dienstherrn, bedeuten. Daher ist zudem dringend zu vermeiden, dass Sie als Angehöriger der Bundeswehr in Uniform wahrgenommen werden.
Aufgrund der nach dem Ermittlungsergebnis feststehenden hohen Wahrscheinlichkeit, dass Sie dem vorgenannten verfassungsfeindlichen Gedankengut anhängen, ist zu erwarten, dass im gerichtlichen Disziplinarverfahren auf die Höchstmaßnahme, die Entfernung aus dem Dienstverhältnis, erkannt werden wird. Dies rechtfertigt die Einbehaltung der Hälfte Ihrer Dienstbezüge. Bezüglich der angeordneten Höhe der Kürzung der Dienstbezüge liegt hier kein Vortrag Ihrerseits vor, sodass davon ausgegangen werden konnte, dass die nach hiesiger Auffassung erforderliche Kürzung um die Hälfte angemessen sowie für Sie wirtschaftlich verkraftbar ist und Sie hierdurch nicht in Ihrer Möglichkeit der Rechtsverteidigung beeinträchtigt werden.“
5. Mit Schreiben vom 26.03.2020, welches am gleichen Tag per Telefax beim Truppendienstgericht Süd einging, hat der frühere Verteidiger gemäß § 126 Abs. 5 Satz 3 WDO die Aufhebung der in der Einleitungsverfügung vom 13.12.2018 unter den Nrn. 1 und 2 getroffenen Nebenentscheidungen und des bestätigenden Bescheids des Kommandeurs … vom 24.02.2020 beantragt.
Mit Schreiben vom 20.07.2020 führt der jetzige Verteidiger zur Begründung aus, durch die WhatsApp-Nachrichten des Antragstellers könne nicht auf dessen politische Einstellung geschlossen werden. Aus dem Gesamtkontext der Umgangsformen der WhatsApp-Gruppe und den jeweiligen Bezügen, die dem Chatverlauf eindeutig zu entnehmen seien, sei ein Verstoß gegen die politische Treuepflicht nach § 8 SG nicht abzuleiten. Es werde zwar nicht verkannt, dass grundsätzlich davon auszugehen sein werde, dass der Antragsteller seine gebotene Pflicht zur Zurückhaltung außer Dienst und auch seine Stellung als Vorgesetzter nicht gerecht geworden sei. Diese Pflichtverletzungen reichten jedoch nach den maßgeblichen Bemessungskriterien nicht aus, um im Hauptsacheverfahren eine Dienstgradherabsetzung zu rechtfertigen. Ausgangspunkt der Einleitungsverfügung seien die Angaben, die der Zeuge O. S. gemacht habe. Diese seien offensichtlich übertrieben, aus dem Zusammenhang gerissen oder entsprächen nicht den Tatsachen. Eine angezeigte Auseinandersetzung mit den Äußerungen des Antragstellers sowie ihre Einbettung in den richtigen Kontext sei unterblieben. Viele der gegen den Antragsteller erhobenen Vorwürfe bezögen sich auf zwei geschlossene Chatgruppen („HS 14“ und „Ein Käfig voller Helden“), in welchen ausschließlich Offiziere und Offiziersanwärter des Lehrgangs gewesen seien. Der Antragsteller habe daher darauf vertraut, dass die Äußerungen keinen anderen Kameraden zu Gehör kämen oder an die Öffentlichkeit gelangten. Der Umgang der Kameraden sei untereinander locker gewesen. Vermeintlich witzige Inhalte aus allen Bereichen seien in den Chats geteilt worden, wobei der Raum des Ernsthaften verlassen worden sei. Da sich alle Beteiligten untereinander gekannt hätten, sei es möglich gewesen, auch Aussagen in unüberlegter und überspitzter Weise zu treffen.
So habe der Antragsteller die Äußerung in Nr. 1 der Anschuldigungsschrift (Nr. 1b der Einleitungsverfügung) zwar getätigt. Sie sei aber nur als eine scherzhafte, wenn auch überspitzte, zustimmende Reaktion auf die vorherige Chat-Nachricht des Leutnants S, „ja guter Inhalt aber wird ohne Wirkung bleiben“, zu verstehen. Dessen Nachricht habe sich auf die Diskussion über einen Artikel der „Interessengemeinschaft Panzertruppenschule“ bezogen, in dem die damalige Bundesministerin von der Leyen wegen ihrer Aussage, die Bundeswehr hätte ein Haltungsproblem, kritisiert worden sei. Ein wirkliches „Putschen“ habe der Antragsteller mit seinem Beitrag sicherlich nicht gemeint, vielmehr verdeutlichten die drei Punkte am Ende der Nachricht, dass sie sich auf die vorherige Aussage beziehe, die Kritik werde ungehört verhallen, was die Resignation des Antragstellers verdeutliche.
Auch die Äußerung, „lasst sie kommen! Die Horden von linksextremen, wehrkraftzersetzenden Gutmenschen!“ (Nr. 2 der Anschuldigungsschrift), sei als eine offensichtliche scherzhafte Reaktion auf die Mitteilung des Leutnant B zu verstehen, er – der Antragsteller – solle sich seine Worte lieber für die Vernehmung nach dem Stubendurchgang aufheben. Dem sei vorausgegangen, dass der Antragsteller den Soldaten damit aufgezogen habe, sehr lange gebraucht zu haben, das „MG 3“ im eingebauten Zustand zu spannen. Eine Vernehmung habe aber nicht stattgefunden. Der Begriff „Horden“ lasse auch nicht auf Vorgesetzte schließen. Dies zeige, dass man sich nur gegenseitig aufgestachelt habe.
Die Aussage, „ich rede die Woche 17 Mal von Putsch“ (Nr. 1b der Einleitungsverfügung) sowie, „ich trage nur noch die Kombi, weil unser Hörsaal nicht behindert ist“ (insgesamt Nr. 3 der Anschuldigungsschrift), sei im Gesamtkontext als Eingehen auf die Mitteilung des Leutnants V zu verstehen. Dieser habe vorher einen Artikel der Landes-Zeitung gepostet, wonach sich eine Gruppe Offiziere, die in der …-Kaserne stationiert seien, angeblich auf einen Bürgerkrieg vorbereitet hätten. Daraufhin habe Oberleutnant Ki geschrieben: „Das klingt nach einem, der sonst auch kassiert worden wäre. Leider wird zwischen echten Fällen und Bauernopfern nicht mehr unterschieden.“ Leutnant V habe geschrieben, „ich finde das klingt nach jemandem, der einen schlechten Scherz gemacht hat.“ Daraufhin habe der Antragsteller die ihm vorgeworfene Aussage getätigt, „ich red 17 Mal die Woche von Putsch! (lachender Smilie)“. Damit habe er auf die Aussage von Leutnant V eingehen und ebenfalls einen schlechten Scherz machen wollen, was für jeden in der WhatsApp-Gruppe klar erkennbar gewesen sei und vom Antragsteller durch die Verwendung eines „lachenden Smilie“ auch erkennbar gemacht worden sei.
Die Äußerung, „wie kann es denn sein, dass schon wieder irgendwelche Zivilspasten! unangemeldet auf meine Stube gehen und sich darüber echauffieren, dass man einen Offizierssäbel auf Stube hat und das melden wollen!“ (Punkt 5 der Anschuldigungsschrift), bedaure der Antragsteller in der Wortwahl als unangemessen. Mitarbeiter des Bundeswehrdienstleistungszentrums hätten in der Vergangenheit wiederholt unangekündigt die Stuben der Offiziere betreten, dortige Sachen umplatziert, ohne sie zurückzulegen, um ihre etwaigen Tätigkeiten durchzuführen – so auch am 05. Oktober 2017 bei seinem Stubennachbarn. Dieser Mitarbeiter habe sich anschließend lautstark bei dem Stubennachbarn über dessen Offizierssäbel beschwert, der als Waffe anzusehen wäre und dort nichts zu suchen hätte, was gemeldet werden müsse.
Die Aussage, „der Feind ist die eigene Führung…“ (Nr. 6 der Anschuldigungsschrift, Nr. 1d der Einleitungsverfügung), bezöge sich unmittelbar auf einen von Oberleutnant Sa direkt zuvor geposteten Artikel von „ntv“. In diesem Artikel sei es um die extrem schlechte Lage bezüglich der Ersatzteilbeschaffung für den Kampfpanzer Leopard 2 gegangen. Unter anderem habe der Artikel folgende Aussagen beinhaltet: „Es ist und bleibt eine Frage der Leitung des Verteidigungsministeriums, die für die Sicherheit unseres Landes verantwortlich ist. […]. „Es muss die Frage gestellt werden, wer die Verantwortung für dieses Desaster trägt.“ Eine Zwischenüberschrift habe gelautet: „Strukturelle Mängel an der Spitze?“ Mit seinem Posting habe der Antragsteller den Tenor des Artikels mit einem Satz zusammengefasst. Jeder, der diesen Artikel gelesen habe, wovon der Antragsteller ausgegangen sei, habe dies auch verstanden, da es sich um ein den täglichen Dienst des Soldaten und seiner Kameraden betreffendes Thema gehandelt habe.
Die Äußerung des Antragstellers betreffend Nr. 7 der Anschuldigungsschrift sei im Zusammenhang mit der zum damaligen Zeitpunkt erfolgten Thematisierung in der Presse zur Frage der Integration und Arbeitsplatzbeschaffung für Flüchtlinge zu sehen. Der Antragsteller habe kurz zuvor eine neue Dienstvorschrift zitiert, in der es hieße: „Ein Halbzug besteht aus zwei Kampfpanzern…Er kann andere Kräfte verstärken und durch Kräften [sic] verstärkt werden.“ Über den Schreibfehler habe sich Oberleutnant Scha mit der anschließenden Aussage, „… und durch Kräften verstärkt werden…man man man wer hat das wieder geprüft (Zwinker-Smilie)“, amüsiert. Darauf habe der Antragsteller scherzhaft die vorgeworfene Aussage getätigt, die so zu verstehen sei, dass das Korrekturlesen von neuen Vorschriften nun auch unter die oben genannten, in der Presse thematisierten Maßnahmen falle.
Der Antragsteller gebe zu, die Äußerung betreffend Nr. 8 der Anschuldigungsschrift (Nr. 2a der Einleitungsverfügung) getätigt zu haben, allerdings unter sehr starkem Alkoholeinfluss. Dies werde dadurch belegt, dass er bei der Nachricht mehrere Rechtsschreibfehler gemacht und die Nachricht beim ersten Anlauf nicht einmal bis zum Ende hätte schreiben können. Außerdem hätte er sich als Ingenieur, wenn er wirklich den 01.09. gemeint haben sollte, um fast einen Monat verrechnet. Er sei nicht mehr Herr seiner Sinne gewesen und habe sich am nächsten Tag auch nicht mehr erinnern können, dass oder warum er diese Nachricht geschrieben habe.
Die Aussage unter Nr. 9 der Anschuldigungsschrift (Nr. 2b der Einleitungsverfügung) habe er nicht getätigt. Sie sei vielmehr Bestandteil des von ihm im Chat verschickten Bildes, welches er auf der Internetseite „9gag.com“ gefunden und es, ohne groß nachzudenken, mit der Gruppe geteilt habe. Die Gruppe sei hauptsächlich dazu genutzt worden, vermeintlich „lustige“ Bilder unter ihren Mitgliedern auszutauschen. Viele dieser Bilder seien geschmacklos gewesen, hätten aber keinen tieferen Sinn gehabt. Sie spiegelten weder die persönliche noch die dienstliche Einstellung des Antragstellers wider. Jeder dieser Gruppe habe versucht, mit seinem „schwarzen Humor“ noch „einen oben drauf zu setzen“. Letztlich sei die Versendung des Bildes ein unüberlegter und makabrer Scherz gewesen.
Dies gelte auch für das unter Nr. 10 der Anschuldigungsschrift (Nr. 2c der Einleitungsverfügung) vorgeworfene Posten des bezeichneten Bildes.
Das unter Nr. 11 der Anschuldigungsschrift (Nr. 2d der Einleitungsverfügung) bezeichnete Plakat habe der Soldat auf der Internetplattform „Instagram“ durch Zufall entdeckt. Da er den Text nicht habe übersetzen können, habe er einen niederländischen Kameraden nach der Übersetzung gefragt. Er sei lediglich neugierig gewesen, was auf Niederländisch auf dem Bild geschrieben gestanden habe.
Die Äußerung unter Nr. 12 der Anschuldigungsschrift (Nr. 2d der Einleitungsverfügung) bezöge sich auf eine Pressekonferenz der damaligen Verteidigungsministerin, die der Antragsteller mit anderen Kameraden zu diesem Zeitpunkt live verfolgt habe. Er habe die „jüdische Weltverschwörung“ mit dem Begriff der „jüdischen Wehrzersetzungsverschwörung“ verballhornen wollen. Mit den Silben „Wehrzersetzung“ habe er einen militärischen Sprachbezug herstellen wollen. Ihm sei klar, dass die „jüdische Weltverschwörung“ hinreichend als absurde Verschwörungstheorie bekannt sei und offensichtlich keine faktische Relevanz habe. Seine Aussage sei am Ende auch mit einem „lachenden Emoji“ verbunden, was die Scherzhaftigkeit seiner Aussage ausdrücke.
Das der Pistole des Modells Luger habe er im Internet auf der Plattform „Pinterest“ gefunden. Er habe es in der Gruppe gepostet (Anschuldigungspunkt 13, Einleitungsverfügung Nr. 2f), um einen Scherz zu machen, der offensichtlich auch aufgegriffen worden sei. Hintergrund seiner, damit im Zusammenhang stehenden Aussagen sei gewesen, dass der F. L ständig den Spruch „Kommse ma mit“ gebraucht habe, was den Antragsteller veranlasst habe, die vorgeworfene, imaginäre Konversation zu erfinden, die ebenfalls als Scherz gemeint und auch so verstanden worden sei.
Anschuldigungspunkt 14 (Einleitungsverfügung Nr. 2g) sei im Zusammenhang mit einer regen Diskussion in der WhatsApp-Gruppe über die zum damaligen Zeitpunkt durchgeführten Durchsuchungen militärischer Liegenschaften nach Wehrmachtsdevotionalien zu sehen, welche in der Truppe zu viel Unverständnis geführt hätten, da sich die Soldaten damit einem Generalverdacht ausgesetzt gesehen hätten. Die Aussage des Antragstellers stelle seine stark überspitzte, persönliche Meinung dar, die sich auf ein vorausgegangenes, scherzhaftes Gespräch bezogen habe, dass der damalige Generalinspekteur die Stuben ja persönlich durchsuchen könne.
Der Vorwurf unter Anschuldigungspunkt 15 (Einleitungsverfügung Nr. 2h) sei ebenfalls im Zusammenhang mit der zeitgleichen Suche nach vermeintlichen Devotionalien in militärischen Liegenschaften zu sehen. Dass aus den Vitrinen im Unterrichtsgebäude, wo sich Dutzende Miniatur-Panzermodelle aus allerlei Nationen und Epochen befänden, lediglich die entfernt worden seien, welche in den Jahren 1933 bis 1945 für die Wehrmacht gebaut worden seien, sei für den Antragsteller unverständlich. Es habe auf ihn den Eindruck gemacht, als würde ein wütender Mob durch alle Gebäude ziehen und alles entfernen, was auch nur im Geringsten mit der deutschen Geschichte vor 1945 zu tun habe. Er habe sich darüber abfällig mit dem ihm vorgeworfenen Halbsatz geäußert. Die von ihm bei seiner Aussage gewählte Analogie sei zwar durchaus fragwürdig, dennoch habe er lediglich einen überspitzten Scherz über die aktuelle Situation machen wollen, welcher von den Kameraden auch als solcher aufgefasst worden sei. Er habe mit seiner Äußerung in Anschuldigungspunkt 16 (Einleitungsverfügung Nr. 2i) auf die immer noch umfangreiche Berichterstattung der Medien über die sogenannten Reichsbürger angespielt, welche sich selbst aufgrund ihrer Weltanschauung vor dem Gesetz als „immun“ ansähen und meinten, sie hätten „nichts zu befürchten“. Die Aussage sei als ironischer Scherz gemeint gewesen und von den Kameraden auch so aufgefasst worden.
Die Chatmitteilung gemäß Nr. 17 der Anschuldigungsschrift (Einleitungsverfügung 2j) sei ein Zitat aus dem Film „Der Untergang“, welchen der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt in der Liegenschaft mit Kameraden angesehen habe. Als die Stelle im Film vorgekommen sei, habe er sie im Chat zitiert. Sie sei auf die Enttäuschung der Truppe und seines Hörsaals bezogen, dass militärische Liegenschaften in Deutschland verdachtsunabhängig nach Devotionalien durchsucht worden seien. Seine Kameraden und er hätten sich vom Inspekteur des Heeres dabei im Stich gelassen gefühlt und vielmehr gewünscht, dass sich dieser für die Truppe eingesetzt hätte.
Der Vorwurf Nr. 18 der Anschuldigungsschrift stelle keine Pflichtverletzung dar. Der Antragsteller habe das inkriminierte Bild im Internet gefunden, welches ebenfalls eine Szene aus dem Film „Der Untergang“ darstelle. Es zeige einen jungen, hochmotivierten Obersturmbannführer im Führerbunker, der auf die Frage, was er denn hier wolle, zackig den Satz, der auf dem Meme abgebildet sei, geantwortet habe. Die Pointe sei jedoch eigentlich die Antwort des im Film verkörperten General Krebs, welcher leicht angetrunken und abgekämpft vom Tisch aus sehr flapsig gesagt habe: „Das geht jetzt nicht.“ Gelegentlich sei diese Äußerung im Kameradenkreis nachgeäfft worden, um emsige Kameraden zu necken, so auch bei der vom Antragsteller zitierten Äußerung. Daher sei der Post auch mit dem Nachsatz und nicht nur mit dem Bild erfolgt. Außerdem sei der Satz „Eid auf die Ministerin“ mit einem „Hashtag“ versehen. Dieser bedeute so viel wie, dass der Soldat einen Eid auf die Ministerin geleistet habe und keine Meldung beim Führer machen könne.
Die in Anschuldigungspunkt 19 vorgeworfene Versendung und Kommentierung des Bildes, auf dem die damalige Bundesministerin für Verteidigung zusammen mit dem Oberleutnant Sch zu sehen sei, gründe sich auf dessen bekannte Abneigung ihr gegenüber, was er auch immer wieder kundgetan hätte. Daher habe der Umstand, dass er mit ihr bei einer Veranstaltung der Bundeswehr ein „Selfie“ gemacht habe, für reichlich Hohn und Spott seitens der Hörsaalangehörigen gesorgt, an dem sich auch der Antragsteller beteiligt habe. Oberleutnant Sch habe dem Bild zu keinem Zeitpunkt widersprochen. Es sei auch üblich gewesen, regelmäßig von den Kameraden des Hörsaals erstellte Bilder mit witzigen Texten zu versehen, worüber sich nie jemand beschwert habe. Genauso scherzhaft habe der Antragsteller bei seinem Post gehandelt, was nach seiner Kenntnis auch so aufgefasst worden sei.
Zu den Anschuldigungspunkten 20, 21 (Einleitungsverfügung Nr. 3a) und 22 (Einleitungsverfügung Nr. 3b) sei anzumerken, dass der Antragsteller in keinem guten Verhältnis zu dem Leutnant S gestanden habe. Diesem gegenüber habe er sich aber nie negativ geäußert oder ihn missachtend behandelt. Da Leutnant B Leutnant S zwar kenne, aber sonst nichts mit ihm zu tun habe, sei Leutnant B ein Art Ventil für den Antragsteller gewesen, dem er seine persönliche Meinung in wechselseitigen Nachrichten geschrieben habe, wenn Leutnant S ihn an manchen Tagen zur Weißglut getrieben habe. Im Nachhinein stelle er zwar fest, dass sein Verhalten falsch gewesen sei, nichtsdestotrotz stellten seine Nachrichten vertrauliche Äußerungen dar, die dem Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unterlägen und daher nicht Gegenstand einer disziplinaren Ahndung sein könnten.
Die in Nr. 23 der Anschuldigungsschrift (Nr. 4 der Einleitungsverfügung) vorgeworfenen Äußerungen habe er nicht getätigt. Auch sei der Zeuge S. überhaupt nicht auf der in Bezug genommenen Hochzeit gewesen. Bezeichnenderweise habe sich der Zeuge S. erst nachdem gegen ihn ein Disziplinarverfahren geführt worden sei, die Mühe gemacht, die vermeintlichen Vorfälle zu melden und nur die Kameraden in seine diesbezügliche Stellungnahme aufgenommen, die gegen ihn ausgesagt hätten.
In ähnlicher Weise hatte sich der Soldat mit einer schriftlichen Stellungnahme vom 23.10.2028 bereits zum Entwurf der Einleitungsverfügung geäußert.
6. Mit Schreiben vom 25.09.2020 hat der Vorsitzende der Truppendienstkammer die Wehrdisziplinaranwaltschaft um Stellungnahme gebeten, ob der vom Soldaten vorgetragene Zusammenhang der jeweiligen Äußerung im Chat zutrifft, nicht zutrifft oder jedenfalls nicht zu widerlegen ist. Außerdem wurde um Übersendung des vollständigen Chatverlaufs gebeten, sofern dieser zwischenzeitlich – möglicherweise aus anderen Verfahren – vorliegen sollte.
In ihrer Stellungnahme vom 26.11.2020 hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft mitgeteilt, der WhatsApp-Chat der Gruppe „Ein Käfig voller Helden“ habe bislang nicht im Original gesichert werden können. Die darin enthaltenen Nachrichten seien nach wie vor nur über die Aussage des Zeugen O. S. zu belegen. Der Chatverlauf der Gruppe „HS 14“ werde per gesonderter Post zugehen.
Inhaltlich wurde zu den einzelnen Anschuldigungspunkten wie folgt Stellung genommen:
Den Ausführungen des Verteidigers zu Anschuldigungspunkt 1 sei insoweit zuzustimmen, dass der Soldat mit seiner Aussage „Also doch putschen…“ selbstverständlich keinesfalls die Vorbereitung oder Durchführung eines tatsächlichen Staatstreiches habe anregen wollen. Bereits im Tatvorwurf der Anschuldigungsschrift werde klargestellt, dass der Satz im Kontext einer politischen Diskussion über die Richtigkeit der von der damaligen Verteidigungsministerin getätigten Aussage zum angeblichen Haltungsproblem in der Bundeswehr gestanden und als scharfe Kritik zu verstehen gewesen sei. Obgleich die Aussage mit einem ironischen Unterton getätigt worden sei, überschreite sie doch klar die Grenzen der Meinungsfreiheit. Kritik an Entscheidungen von Vorgesetzten sei zwar grundsätzlich in ernsthaftkonstruktiver oder humorvoller Form zulässig. Äußerungen, die eine Beseitigung von Vorgesetzten oder einen politischen Umsturz, wenn auch ironisch, guthießen, überschritten jedoch die Grenzen des Zulässigen eindeutig, da diese geeignet seien, die dem Soldaten und Vorgesetzten entgegengebrachte Achtung und das Vertrauen schwerwiegend zu untergraben.
Auch bei Anschuldigungspunkt 2 werde nicht bestritten, dass die Äußerung in einer ironischen Tonlage getätigt worden sei. Dies ändere doch nichts daran, dass der Soldat jedenfalls Teile seiner Vorgesetzten als linksextrem und wehrkraftzersetzend bezeichnet habe, was durchaus in den Gesamtkontext des Chats passe, indem der Soldat mehrfach klar seine krasse Missachtung, insbesondere der politischen Führung, kundgetan habe. Dies zeige sich etwa in Zitaten wie „Der Feind ist die eigene Führung“ oder über den damaligen Generalinspekteur mit der Aussage „Dem zieh ich eins mit meinem Karabiner über und dann wird er vom Hof gejagt“. Die Aussage sei zwar zugespitzt, da der Soldat nicht ernsthaft der Meinung sein dürfte, dass die CDU-Verteidigungsministerin linksextrem sei. Er stelle aber die ihm nicht genehmen politischen Ansichten der Führung bewusst mit Extremismus gleich. Irrelevant sei, dass die Äußerung an ein Filmzitat angelehnt worden sei.
Auch die unter Anschuldigungspunkt 3 aufgeführte Äußerung sei sarkastisch gemeint. Dennoch bringe der Soldat erneut seine tatsächliche politische Auffassung über die seiner Meinung nach inakzeptable Einstellung der politischen und militärischen Führung, wenn auch als Humor getarnt, zum Ausdruck. Kern der Aussage sei, dass die Führung keinerlei Respekt verdient habe und eigentlich ausgetauscht werden müsste. Selbst wenn der Sinngehalt auf sachliche Weise im Kreise einer Hörsaalgruppe geäußert werde, läge ein Verstoß gegen die Pflicht zur Zurückhaltung bei Meinungsäußerung für Offiziere gemäß § 10 Abs. 6 SG vor. Erst recht gelte dies, wenn die Meinung in Form eines äußerlich sarkastischhumorigen, von der Grundaussage her ernstgemeinten Putschaufrufs geäußert werde.
In Anschuldigungspunkt 4 bringe der Soldat seine tatsächliche Meinung zur damaligen politischen Führung auf den Punkt. Als einzelner Kommentar wäre die Äußerung für sich genommen noch als weniger schwerwiegender Pflichtverstoß zu werten, im Gesamtkontext einer gegenüber der militärischen und zivilen Führung von Verachtung und Hass geprägten Einstellung des Soldaten, die mal sachlicher, mal überspitzt mit humorvollem Unterton geäußert werde, wiege das Dienstvergehen jedoch als schwerer Verstoß gegen die Pflicht zur Zurückhaltung bei Meinungsäußerungen.
In Anschuldigungspunkt 5 entlaste den Soldaten sein Bedauern über seine unangemessene Wortwahl im Gesamtkontext nicht. Die Bezeichnung von zivilen Mitarbeitern des Bundeswehrdienstleistungszentrums als „Zivilspasten“ sei für sich betrachtet im Vergleich zu den anderen Punkten jedoch als weniger schwerwiegendes Dienstvergehen zu qualifizieren.
Die Aussage in Anschuldigungspunkt 6 unterstreiche, dass der Soldat der politischen und militärischen Führung der Bundeswehr keinerlei Respekt entgegenbringe. Die Aussage „Der Feind ist die eigene Führung…“ stelle keinesfalls eine zulässige Zusammenfassung des Tenors des zuvor geposteten ntv-Internetartikels über kaputte Panzer in der Bundeswehr da, der in sachlicher Weise strukturelle Mängel in der Führungsspitze beschreibe bzw. vermute. Eine sachlich begründete Kritik am Verteidigungsministerium damit zu kommentieren, dass die Führung ein „Feind“ der Truppe sei, sei weder humorvoll noch eine für einen Offizier zulässige Meinungsäußerung. Vielmehr nutze der Soldat den verteidigungspolitikkritischen Medienbeitrag, um erneut seine krasse Missachtung von Vorgesetzten zum Ausdruck zu bringen.
Die Grundaussage der Textnachricht in Anschuldigungspunkt 7, die eine Missachtung von Flüchtlingen zum Ausdruck bringe, werde nicht dadurch relativiert, dass diese in der Form eines vermeintlichen Scherzes über einen Rechtschreibfehler in einer Dienstvorschrift erfolge. Auch dies sei als Dienstvergehen, wenn auch geringerer Schwere, zu werten.
In Anschuldigungspunkt 8 vermöge die angebliche Trunkenheit beim Absetzen der Nachrichten den Soldaten nicht zu entlasten. Ohnehin sei die Einlassung, stark alkoholisiert gewesen zu sein, nicht glaubhaft. Einerseits gebe der Soldat an, sich nicht mehr an das Posten der Textnachricht erinnern zu können, andererseits will er aber noch wissen, an einem gewöhnlichen Abend vor dreieinhalb Jahren stark alkoholisiert gewesen zu sein. Ein Indiz für eine durch diese Textnachricht zum Ausdruck gebrachte extremistische Gesinnung sei, dass der Pkw des Soldaten das Kennzeichen … getragen habe. Das mit der Textnachricht versandte Bild zeige den Soldaten rauchend vor seinem Autokennzeichen.
Bei den Vorwürfen in den Anschuldigungspunkten 9 und 10 entlaste den Soldaten ebenso wenig, dass er den geposteten Spruch von einer Internetseite übernommen habe. Er mache sich in entwürdigender Weise über zivile Kriegsopfer lustig.
Die Einlassung des Soldaten zu Anschuldigungspunkt 11, dass er das Bild gepostet habe, um sich dieses von holländischen Kameraden übersetzen zu lassen, treffe nicht zu. In der WhatsApp-Gruppe „Ein Käfig voller Helden“ seien keine niederländischen Kameraden gewesen. Vielmehr habe der Soldat die deutsche Übersetzung des geposteten Plakats gleich mitgeliefert.
Auch wenn die in Anschuldigungspunkt 12 vorgeworfene Bezeichnung „jüdische Wehrzersetzungsverschwörung“ in Bezug auf die damalige Verteidigungsministerin nicht ernst gemeint gewesen sei, habe doch pointiert zum Ausdruck gebracht werden sollen, dass das Vorgehen der Ministerin gegen Tendenzen zur Verherrlichung und Verharmlosung der Wehrmacht durch Teile der Bundeswehr offen abgelehnt würde. Dies ergebe sich bereits aus dem Posting des Soldaten vom Vortag: „uschi spricht live zur nation.“ und „Wehrmacht finde ich doof. Wer die ok findet zieht die jacke aus. Außer Stauffenberg, der war cool.“ [sic]. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass sich der Soldat mit der Wehrmacht in indifferenzierter Weise identifiziere.
Bei den Posts in den Anschuldigungspunkten 13 und 14 werde auf geschmacklose Weise in gewolltem Humor verpackt die deutliche Botschaft versandt, dass die damalige Verteidigungsministerin bzw. der damalige Generalinspekteur so stark verachtet würden, dass diese am besten exekutiert oder verjagt werden sollten. Dies begründe einen schweren Verstoß unter anderem gegen die Pflicht zur Zurückhaltung bei Meinungsäußerungen für Offiziere.
Mit den Äußerungen in den Anschuldigungspunkten 15, 16 und 19 drücke der Soldat nicht nur seine Verachtung gegenüber der damaligen Verteidigungsministerin aus und verharmlose die Pogrome der früher sogenannten „Reichskristallnacht“, sondern verharmlose inzident die Verbrechen der Wehrmacht, indem hiergegen gerichtete Maßnahmen der politischen und militärischen Führung verächtlich gemacht würden. Wenn der Soldat – vermutlich sarkastisch – poste, er sei Reichsbürger, verharmlose er zudem eine Bewegung, die die Existenz der Bundesrepublik Deutschland gänzlich ablehne. Da die entsprechende Bemerkung im Kontext zu einer Verharmlosung der Wehrmacht erfolgt sei, werde durch diese Äußerung inzident eine ablehnende Haltung zur freiheitlich demokratischen Grundordnung nach dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland zum Ausdruck gebracht.
Die Einlassung des Soldaten zu Anschuldigungspunkt 17, wonach die Textnachricht anlässlich eines Films über den Untergang des 3. Reiches versandt worden sei, vermöge nicht zu rechtfertigen, dass der Soldat mit besonders krassen Worten sämtliche Angehörige der Bundeswehr im Generalsrang vorsätzlich beleidigt habe. Der Unwert der Äußerung sei gerade deswegen hoch, weil die Beleidigungen einen konkreten Bezug hätten, nämlich die Sichtung von Wehrmachtsdevotionalien, beauftragt von der politischen Führung und umgesetzt von der militärischen Führung. Besonders perfide sei, dass die Beleidigungen in Form eines Zitats von A. H. erfolgt seien. Satire oder Ironie sei nicht im Ansatz erkennbar, was auch für den Gesamtkontext der anderen, in Teilen mit ironischem oder sarkastischem Tonfall versehenen, vergleichbaren Äußerungen von Bedeutung sei. Auch diese stellten keine harmlosen Witze dar, sondern seien zielgerichtete Ehrverletzungen der jeweils angegriffenen Personen oder Personenkreise.
Die Beleidigungen des Leutnant S in den Anschuldigungspunkten 20 bis 22 stellten einfache Verstöße gegen die Pflicht zur Kameradschaft dar, die für sich genommen alleine maximal eine gerichtliche Disziplinarmaßnahme im unteren Bereich erfordern würden.
Der Vorwurf in Anschuldigungspunkt 23 werde durch die Aussage des Zeugen O. S. bestätigt werden, dem der Soldat von den Geschehnissen persönlich berichtet habe. Die Glaubwürdigkeit des Zeugen S. sei als hoch einzustufen, da dieser eine Vielzahl von Vorwürfen gegen verschiedene Soldaten erhoben habe, die in der großen Mehrheit durch Bildausdrucke, die der Zeuge seiner Meldung beigefügt habe, belegt würden. Den Anschuldigungspunkt bereits jetzt als nicht belegbar zu qualifizieren, würde dem Ergebnis der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung in unzulässiger Weise vorgreifen.
Die Wehrdisziplinaranwaltschaft hat zur rechtlichen Bewertung ausgeführt, soweit der Antragsteller wiederholt das nationalsozialistische Unrechtsregime bagatellisiere, die Wehrmacht verherrliche und sich in entwürdigender Weise über Bevölkerungsgruppen äußere, zeuge dies von einer rechtsextremen Grundeinstellung und einer zumindest ablehnenden Einstellung gegenüber der freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes. Während einzelne Textnachrichten bei isolierter Betrachtung noch als „verunglückter schwarzer Humor“ bezeichnet werden könnten, sei ihre Vielzahl aber ein deutlicher Beweis für eine entsprechende verfassungsfeindliche Gesinnung.
Nach ständiger Rechtsprechung des 2. Wehrdienstsenats des Bundesverwaltungsgerichts sei bei einer vorsätzlichen Betätigung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung nach § 8 SG im zweistufigen Prüfungsschema als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die Entfernung aus dem Dienstverhältnis anzusetzen.
Durchgreifende Milderungsgründe seien vorliegend nicht ersichtlich. Die erbrachten guten dienstlichen Leistungen des Antragstellers ermöglichten keine mildere Maßnahmenstufe. Hingegen stelle die wiederholte offen und teilweise in krasser Form (Erschießungsfantasien u.a.) kommunizierte Ablehnung der politischen und militärischen Führung durch zahlreiche Kundgaben der Missachtung in verschiedenster Form eine zusätzliche Verletzung der soldatischen Pflichten dar. Erschwerend wirke zudem, dass nicht nur der gesamte Hörsaal des Antragstellers Zeuge seiner im höchsten Grade respektlosen Äußerungen geworden sei, sondern auch niederländische Lehrgangsteilnehmer. Dadurch habe jederzeit eine erhebliche Gefahr bestanden, dass die Äußerungen auch in weiteren Kreisen, insbesondere bei Vorgesetzten, bekannt würden.
7. In einem Schreiben an das Truppendienstgericht vom 22.12.2020 hat der Verteidiger auf eine Parallelentscheidung der 5. Kammer des Truppendienstgericht Süd (TDG Süd, Urteil vom 26. November 2020 – S 5 VL 32/20) verwiesen, wonach ein soldatisches Mitglied der WhatsApp-Gruppe des Antragstellers vom Vorwurf der Begehung eines Dienstvergehens freigesprochen worden sei. Die Urteilsgründe seien auf den vorliegenden Fall übertragbar.
8. Mit Schreiben vom 04.03.2021 hat der Verteidiger rein vorsorglich für den Fall, dass die vorläufige Dienstenthebung nicht aufgehoben werden sollte, eine Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse mitgeteilt und am 12.03.2021 eine monatliche Kostenübersicht übersandt.
9. In einer weiteren Stellungnahme vom 10.06.2021 hat der Verteidiger seine in Nr. 5 dargestellte Argumentation teilweise wiederholt und vertieft.
10. Die Staatsanwaltschaft hatte bereits mit Verfügung vom 04.10.2018 (Az. 101 Js 10679/18) das Strafverfahren gegen den Antragsteller wegen des Verdachts, bei einer Vielzahl von Gelegenheiten in zwei WhatsApp-Gruppen strafbare Äußerungen, insbesondere solche volksverhetzenden und beleidigenden Inhalts, getätigt sowie möglicherweise verfassungswidrige Symbole verwendet zu haben, gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung eingestellt. Weder in der Abbildung eines deutschen Panzers aus dem 2. Weltkrieg mit Soldaten der Wehrmacht noch im sogenannten Atlantikwall oder einem Sparschwein mit einem an A. H. erinnernden Oberlippenbart seien tatrelevante Symbole zu sehen. Hinsichtlich der Äußerungen über einen möglichen Putsch, gerichtet gegen die Führung der Bundeswehr, sei zum einen auch die nach dem Grundsatz der Inneren Führung auch innerhalb der Bundeswehr geltenden Meinungsfreiheit zu berücksichtigen. Zum anderen habe es sich erkennbar um einen Diskurs im Zusammenhang mit der Kritik innerhalb der Bundeswehr an Entscheidungen der Ministerin und führender Offiziere gehandelt. Anhaltspunkte dafür, dass der Beschuldigte oder sonstige Mitglieder des Chats tatsächlich einen Putschversuch hätten unternehmen können, seien nicht erkennbar. Hinsichtlich ehrverletzender Äußerungen gegenüber der „Generalität“ sei bereits fraglich, ob damit ein hinreichend umgrenzter Personenkreis definiert sei. Selbst bei Bejahung fehle es am erforderlichen Strafantrag. Im Übrigen handele es sich bei den Gruppen von Menschen, hinsichtlich der Beschuldigte verächtliche, nicht um solche, die so klar abgegrenzt seien, dass der Straftatbestand des § 130 StGB erfüllt sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Akten verwiesen.
Der Kammer lagen bei der Beratung und der Entscheidung die Gerichtsakte zum gerichtlichen Disziplinarverfahren (Az: S 7 VL 68/19), die Gerichtsakte in der Antragssache nach § 126 Abs. 5 Satz 3 WDO (Az: S 7 GL 03/20), die Strafakte der Staatsanwaltschaft Amberg (Az: 101 Js 10679/18) sowie die Personalgrund- und -nebenakte des Antragstellers vor.
II.
1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Nach § 126 Abs. 5 Satz 3 WDO kann ein Soldat innerhalb eines Monats nach Zustellung der Ablehnungsentscheidung der Einleitungsbehörde die Entscheidung des Truppendienstgerichts beantragen. Ausgehend vom Datum der Zustellung des zurückweisenden Beschwerdebescheides des Kommandeurs … an den Antragsteller am 27. Februar 2020, ist der am 26. März 2020 bei Gericht eingegangene Antrag fristgerecht erhoben worden.
2. Der Antrag erweist sich bei der im vorläufigen Verfahren gemäß § 126 Abs. 5 Satz 3 WDO nur möglichen summarischen Prüfung der Sachlage als insoweit begründet, als die mit der Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens angeordnete Maßnahme der hälftigen Einbehaltung der jeweiligen Dienstbezüge einer gerichtlichen Überprüfung nach dem Ergebnis der bisherigen Ermittlungen nicht standhält. Im Übrigen ist der Antrag unbegründet.
a) Nach § 126 Abs. 1 WDO kann die Einleitungsbehörde einen Soldaten vorläufig des Dienstes entheben, wenn das gerichtliche Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet wird oder eingeleitet worden ist. Mit der vorläufigen Dienstenthebung kann unter denselben Voraussetzungen das Verbot, Uniform zu tragen, verbunden werden. Unter den Voraussetzungen des § 126 Abs. 2 WDO kann die Einleitungsbehörde schließlich eine Kürzung der Dienstbezüge anordnen. Diese vorläufigen Anordnungen setzten in formeller Hinsicht insbesondere aa) eine hinreichende Begründung voraus (§ 38 Verwaltungsverfahrensgesetz [VwVfG]), wobei diesbezügliche Mängel gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG heilbar sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. März 2020 – 2 WDB 2/20 -, Rn. 12, juris; BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2019 – 2 WDB 2/19 -, Rn. 9, juris). In materieller Hinsicht setzen sie bb) eine rechtswirksame Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens gegen den Soldaten und cc) einen besonderen, sie rechtfertigenden Grund voraus. Liegen diese Voraussetzungen vor, muss dd) das behördliche Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt worden sein (BVerwG, Beschluss vom 31. März 2020 – 2 WDB 2/20 -, Rn. 11, juris; BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2019 – 2 WDB 2/19 -, Rn. 9, juris; BVerwG, Beschluss vom 09. Oktober 2019 – 2 WDB 3/19 -, Rn. 11, juris).
aa) Die Anordnungen der vorläufigen Dienstenthebung, des Uniformtrageverbots und der teilweisen Einbehaltung der Dienstbezüge sind formell ordnungsgemäß ergangen. Sie beruhen auf den Ermächtigungsgrundlagen des § 126 Abs. 1 und 2 WDO und sind im Ergebnis ausreichend begründet (vgl. 39 VwVfG). Zwar wird zur Begründung der Nebenentscheidungen zur Einleitungsverfügung vom 13.12.2018 nur behauptet, der Soldat habe in schwerwiegender Weise gegen seine soldatischen Pflichten verstoßen, so dass im gerichtlichen Verfahren zu erwarten sei, dass auf Entfernung aus dem Dienstverhältnis erkannt werde. Im Bescheid vom 24.02.2020 finden sich jedoch ausführliche Darlegungen dazu, dass angesichts des Verhaltens des Soldaten bei einer Wiederaufnahme des Dienstes mit einer empfindlichen Störung beziehungsweise Gefährdung des Dienstbetriebes zu rechnen sei. Außerdem seien die begangenen Pflichtverstöße von so erheblichem Ausmaß, dass die Wiederaufnahme des Dienstes zu einer zu erwartenden, erheblichen Ansehensschädigung der Bundeswehr in der Öffentlichkeit führen werde. Des Weiteren würde die Teilnahme des Antragstellers am Dienstbetrieb letztlich die Tolerierung eines sich offen verfassungsfeindlich äußernden Offiziers mit rassistischem, nationalistischem, antisemitischem und menschenverachtendem Weltbild und damit eine vermeintliche Bagatellisierung der gegen den Antragsteller erhobenen Vorwürfe durch den Dienstherrn bedeuten. Daher sei zudem dringend zu vermeiden, dass der Soldat als Angehöriger der Bundeswehr in Uniform wahrgenommen werde. Darüber hinaus wird erläutert, aus welchen Gründen die Bezügekürzung angemessen sei. Schließlich wird begründet, warum auch alternative Verwendungsmöglichkeiten des Antragstellers – wie etwa „Telearbeit“ – fernlägen. Unter Berücksichtigung dieser nachträglichen Erwägungen gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG sind die Anordnungen hinreichend begründet worden.
bb) Das gerichtliche Disziplinarverfahren gegen den Antragsteller ist mit der ausgehändigten Einleitungsverfügung rechtswirksam eingeleitet worden. Vor Ergehen der Einleitungsverfügung ist ihm auch Gelegenheit zur Stellungnahme in der Sache (§ 93 Abs. 1 Satz 2 WDO) und zur Frage der Anhörung der Vertrauensperson nach § 4 Abs. 1 WDO i.V.m. § 28 Abs. 2 Soldatenbeteiligungsgesetz gegeben worden.
cc) Für die Anordnungen nach § 126 Abs. 1 und 2 WDO bedarf es eines besonderen rechtlichen Grundes, der hinsichtlich der vorläufigen Dienstenthebung und des Uniformtrageverbots, nicht aber hinsichtlich der Einbehaltungsanordnung vorliegt.
(1) Das Erfordernis eines besonderen rechtfertigenden Grundes beruht auf dem Umstand, dass das Gesetz nicht stets bei der Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens die nach § 126 Abs. 1 WDO vorgesehenen Maßnahmen anordnet, sondern dafür zusätzlich eine behördliche Einzelfallprüfung vorsieht. Des Weiteren folgt im Gegenschluss zu § 126 Abs. 2 WDO, demzufolge eine Einbehaltungsanordnung nur bei voraussichtlich zu verhängender Höchstmaßnahme ergehen darf, dass für den Erlass der sonstigen Anordnungen die Höchstmaßnahme nicht zwingend zu erwarten sein m.w.N.). Ein besonderer Grund kommt bei Anordnungen nach § 126 Abs. 1 WDO folglich regelmäßig vor allem dann in Betracht, wenn nach der vom Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Zweistufentheorie auf der ersten Stufe eine Dienstgradherabsetzung – als gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 4, § 62 WDO zweitschwerste Disziplinarmaßnahme – im Raum steht und der Dienstbetrieb bei einem Verbleib des Soldaten im Dienst empfindlich gestört oder in besonderem Maße gefährdet würde (BVerwG, Beschluss vom 31. März 2020 – 2 WDB 2/20 -, Rn. 15, juris; BVerwG, Beschluss vom 09. Oktober 2019 – 2 WDB 3/19 -, Rn. 17, juris; BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2019 – 2 WDB 2/19 -, Rn. 11, juris).
(BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2019 – 2 WDB 2/19 -, Rn. 11, juris)
Maßgebend ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (BVerwG, Beschluss vom 31. März 2020 – 2 WDB 2/20 -, Rn. 16, juris; BVerwG, Beschluss vom 19. Januar 2006 – 2 WDB 6/05 -, Rn. 24 m.w.N., juris; Weiß in: GKÖD, Yt § 126 Rn. 92 m.w.N.).
Liegt bei gerichtlichen Nachprüfungen von Anordnungen nach § 126 Abs. 1 und 2 WDO – wie vorliegend – bereits eine Anschuldigungsschrift vor, kommt es darauf an, ob diese eine geeignete Grundlage für die Voraussehbarkeit der genannten Disziplinarmaßnahmen bietet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. März 2020 – 2 WDB 2/20 – juris Rn. 16 m.w.N.; Dau/Schütz, Wehrdisziplinarordnung, 7. Aufl. 2017, § 126 Rn. 31).
Die Sachprüfung in diesem vorläufigen Verfahren gemäß § 126 Abs. 5 Satz 3 WDO muss sich hinsichtlich der zu treffenden tatsächlichen Feststellungen ihrem Wesen nach auf eine summarische Bewertung und entsprechende auf Tatsachen gestützte Wahrscheinlichkeitserwägungen auf der Grundlage des vorgeworfenen Tatgeschehens beschränken; für eine eingehende Beweiserhebung ist nach der gesetzlichen Regelung kein Raum (stRspr: vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. März 2005 – 2 WDB 1/05 -, Rn. 4, juris; BVerwG, Beschluss vom 19. Januar 2006 – 2 WDB 6/05 -, Rn. 24, juris).
(2) Davon ausgehend ist der Antragsteller bei summarischer Prüfung in tatsächlicher Hinsicht hinreichend verdächtig, die ihm in der Anschuldigungsschrift zu Last gelegten Handlungen 1 bis 19 begangen zu haben. Der hinreichende Tatverdacht ergibt sich insoweit aus der Stellungnahme des Oberleutnants Sch vom 31. Juli 2017 und den darin abgedruckten Screenshots.
Darüber hinaus hat der Antragsteller auch eingeräumt, die in den Vorwürfen aufgeführten Äußerungen gepostet zu haben.
Die Vorwürfe 19 bis 23 hat die Kammer entsprechend § 107 Abs. 2 WDO aus dem Antragsverfahren ausgeklammert, da sie für die hier zu treffende Entscheidung keine Auswirkungen hätten.
Soweit die Wehrdisziplinaranwaltschaft in ihrer Anschuldigungsschrift nicht mehr an den gegen den Antragsteller erhobenen Vorwürfe der Nrn. 1a und 3c der Einleitungsverfügung festhält, können sie insoweit auch nicht mehr für die Begründung der vorläufigen Dienstenthebung herangezogen werden, denn bei der Entscheidung darüber, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnungen der Einleitungsbehörde erfüllt sind, ist – wie ausgeführt – auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen.
(3) Im Übrigen begründet das Verhalten des Soldaten, soweit es die Vorwürfe 1 bis 19 betrifft, in rechtlicher Hinsicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Dienstvergehen nach § 23 Abs. 1 SG.
(a) Der Antragsteller dürfte im Hinblick auf die Postings in den Vorwürfen 1 bis 19 schuldhaft gegen seine nach § 10 Abs. 6 SG bestehende Verpflichtung verstoßen haben, innerhalb und außerhalb des Dienstes bei seinen Äußerungen die Zurückhaltung zu wahren, die erforderlich ist, um das Vertrauen als Vorgesetzter zu erhalten.
Dabei ist es als unschädlich zu bewerten, dass die Anschuldigungsschrift – im Gegensatz zur Einleitungsverfügung – die entsprechende Vorschrift nicht benennt. Die Anschuldigungsschrift muss zwar zur Gewährleistung einer effektiven Verteidigung alle Tatsachen aufführen, aus denen sich die vorgeworfene Pflichtverletzung ergibt, wobei zur Auslegung auch das Ermittlungsergebnis mit herangezogen werden kann (BVerwG, Urteil vom 15. Mai 2014 – 2 WD 3/13 -, Rn. 26, juris). Den Bestimmtheitsanforderungen im Hinblick auf die tatsächliche Seite der Vorwürfe wird die hier in Rede stehende Anschuldigungsschrift aber gerecht, weil sie sowohl im Anschuldigungssatz die Äußerungen des Antragstellers konkret anführt als auch im Ermittlungsergebnis darstellt, dass diesen Äußerungen eine fehlende Zurückhaltung beim Umgang mit WhatsApp als Kommunikationsmittel zugrunde läge. Die Rechtsausführungen der Anschuldigungsschrift geben dagegen den Wehrdienstgerichten nicht den rechtlichen Rahmen ihrer Prüfung vor. Es kommt daher weder darauf an, ob die Anschuldigungsschrift die verletzten Pflichten des Soldatengesetzes zutreffend und vollständig nennt, noch darauf, ob sie in der bemessungsrelevanten Rechtsfrage, ob die vorgeworfene Pflichtverletzung als Kernpflichtverletzung besonders hohes Gewicht hat, überhaupt – oder gar die richtigen – Ausführungen enthält (BVerwG, a.a.O.).
Nach § 10 Abs. 6 SG haben Offiziere und Unteroffiziere innerhalb und außerhalb des Dienstes bei ihren Äußerungen die Zurückhaltung zu wahren, die erforderlich ist, um das Vertrauen als Vorgesetzte zu erhalten.
Diese Regelung schränkt als allgemeines Gesetz i.S.d. Art. 5 Abs. 2 GG die Meinungsäußerungsfreiheit von Soldaten zum Schutz der Funktionsfähigkeit der Bundeswehr (Art. 17a Abs. 1 GG) ein (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 28. April 2007 – 2 BvR 71/07 -, Rn. 12, juris), wobei sie aus der Erkenntnis der grundlegenden Bedeutung der Meinungsfreiheit ihrerseits wiederum einschränkend auszulegen ist (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 28. April 2007 – 2 BvR 71/07 -, Rn. 16, juris; BVerwG, Urteil vom 01. Juli 2020 – 2 WD 15/19 -, Rn. 23, juris; BVerwG, Beschluss vom 16. Dezember 2020 – 2 WDB 9/20 -, Rn. 26, juris).
Zwar sind im Allgemeinen die Grenzen der Meinungsfreiheit nicht schon dann überschritten, wenn bezogen auf den Nationalsozialismus die anerkannte Geschichtsschreibung oder die Opfer nicht angemessen gewürdigt werden. Vielmehr sind von ihr auch offensichtlich anstößige, abstoßende und bewusst provozierende Äußerungen gedeckt, die wissenschaftlich haltlos sind und das Wertfundament der gesellschaftlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland zu diffamieren suchen (vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 22. Juni 2018 – 1 BvR 2083/15 -, Rn. 29, juris). Jedoch verpflichtet § 10 Abs. 6 SG zum Schutz der Funktionsfähigkeit der Bundeswehr Soldaten in einer Vorgesetztenstellung dazu, bei Äußerungen, die Untergebenen zu Gehör kommen oder in die Öffentlichkeit dringen können, ihre Meinung unter Achtung der Rechte anderer besonnen, tolerant und sachlich zu vertreten (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. März 2017 – 2 WD 16/16 -, Rn. 73 m.w.N., juris). Diese Verpflichtung kann im Einzelfall insbesondere dazu führen, dass ein Soldat bei seiner Meinungsäußerung von einer Wortwahl, die besonders emotionsbeladen ist und – selbst im Kontext ihrer Verwendung – zu erheblichen Missverständnissen und Fehlinterpretationen führen kann, absehen muss (BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. Juli 1992 – 2 BvR 1802/91 -, Rn. 69, juris). Insoweit unterliegt die Meinungsäußerungsfreiheit des Soldaten – anders als die eines nicht in einem besonderen Pflichtenverhältnis stehenden Grundrechtsträgers – auf der Grundlage des Art. 17 a GG nach Maßgabe der einzelnen Bestimmungen des Soldatengesetzes gesteigerten Beschränkungen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. Juli 1992 – 2 BvR 1802/91 -, Rn. 69, juris; zusammenfassend: BVerwG, Beschluss vom 16. Dezember 2020 – 2 WDB 9/20 -, Rn. 27, juris; ausführlich: BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2008 – 2 WD 1/08 -, Rn. 33 mit umfangreichen Nachweisen).
Die nach § 10 Abs. 6 SG jedem Offizier – und damit auch dem Antragsteller als Oberleutnant – bei dienstlichen und außerdienstlichen Äußerungen auferlegten Beschränkungen (Achtung der Rechte anderer, Besonnenheit, Toleranz und Sachlichkeit) sind für einen Vorgesetzten nach der gesetzlichen Entscheidung unerlässlich, um dienstliche Aufgaben erfüllen und seinen Untergebenen in Haltung und Pflichterfüllung Vorbild sein zu können (BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2019 – 2 WDB 2/19 -, Rn. 17, juris; BVerwG, Beschluss vom 31. März 2020 – 2 WDB 2/20 -, Rn. 20, juris).
Mit der in § 10 Abs. 6 SG normierten Mäßigungspflicht ist insbesondere ein Verhalten unvereinbar, das objektiv geeignet oder gar darauf angelegt ist, Ziele des NS-Regimes zu verharmlosen sowie Bestandteile der NS-Ideologie (wieder) gesellschaftsfähig zu machen (BVerwG, Beschluss vom 09. Oktober 2019 – 2 WDB 3/19 -, Rn. 20, juris; BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2008 – 2 WD 1/08 -, BVerwGE 132, 179-200, Rn. 54, zitiert nach juris).
§ 10 Abs. 6 SG erfasst alle Äußerungen, die geeignet sind, das Vertrauen in Vorgesetzte zu erschüttern.
Bei der Auslegung der jeweiligen Äußerung ist der objektive Erklärungsinhalt zu ermitteln, wie ihn ein unbefangener Dritter verstehen musste. Begleitumstände der Äußerung, ihr Kontext und die sprachliche sowie gesellschaftliche Ebene, auf der die Äußerung fiel, sind dabei zu berücksichtigen (BVerwG, Beschluss vom 16. Dezember 2020 – 2 WDB 9/20 -, Rn. 29, juris; BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2019 – 2 WDB 2/19 -, Rn. 18, juris). Vom objektiven Sinngehalt abweichende Erklärungen, Absichten und Vorstellungen des Betreffenden können nur insoweit Bedeutung erlangen, als sie in der Äußerung und in deren Kontext Ausdruck gefunden haben (BVerwG, Urteil vom Danach hat der Antragsteller mit seinen Postings die von einem Vorgesetzten zu erwartende Zurückhaltung nicht gewahrt, was er zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat.
Mit dem in Vorwurf 1 genannten Posting hat er sich im Kontext einer politischen Diskussion in der WhatsApp-Gruppe über den Inhalt eines von ihm wenige Minuten zuvor geposteten Artikels über die Richtigkeit der von der damaligen Verteidigungsministerin getätigten Aussage zum „Haltungsproblem in der Bundeswehr“ über diese im ironischen Unterton herabwürdigend geäußert, indem er ihre gewaltsame Absetzung als begrüßenswert dargestellt hat (vgl. zur Bewertung der bestätigenden Antworten auf dieses Posting: BVerwG, Beschluss vom 31. März 2020 – 2 WDB 2/20 -, Rn. 22, juris; BVerwG, Beschluss vom 09. Oktober 2019 – 2 WDB 3/19 -, Rn. 2 a.E., 19, juris). Dabei wird nicht verkannt, dass – offensichtlich unstreitig – ein tatsächlicher Putsch keineswegs beabsichtigt war. Die dem Posting innewohnende „Unterhaltungskomponente“ ändert nichts an dem objektiven Sinn und Gehalt der Äußerungen (BVerwG, Beschluss vom 31. März 2020 – 2 WDB 2/20 -, Rn. 22, juris). Bei solchen Äußerungen in größeren Chatgruppen und insbesondere solchen, in denen wohl (fast) alle Mitglieder eines Hörsaals vertreten sind und über die auch dienstliche Angelegenheiten koordiniert werden, ist mehr Zurückhaltung geboten als in kleineren privaten Chatgruppen. Auch kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass in so großen Chatgruppen mit so vielen Mitteilungen jeder Teilnehmer jeden Link liest und der Zusammenhang der Äußerung damit deutlich wird.
Vergleichbares gilt für das Posting in Vorwurf 3.
In die gleiche Richtung geht das Posting „Der Feind ist die eigene Führung“ in Vorwurf 6. Zwar kann man das Posting auch als eine inhaltliche Zusammenfassung des verteidigungspolitischen Medienbeitrags interpretieren. Die verkürzte plakative Formulierung deutet jedoch eher darauf hin, dass der Antragsteller eine Wertung über die Führung abgeben wollte und sich der Wirkung bewusst war. Auch wenn selbstverständlich Kritik zulässig ist, ist die Art und Weise der Kritik durch Bezeichnung der Führung als „Feind“ statt beispielsweise „die Verantwortung trägt“ nicht mehr besonnen, tolerant und sachlich.
Das in Vorwurf 19 dargestellt Posting „Ich habe mit dem Feind paktiert“ ist aus den gleichen Gründen nicht mehr ausreichend zurückhaltend. Gleichzeitig kritisiert er – wenn auch scherzhaft – das Verhalten seines Hörsaalkameraden als verwerflich, da bekannt sei, dass dieser seine damalige oberste Vorgesetzte nicht schätzte, sich aber trotzdem mit ihr ablichten ließ.
Vergleichbares wie zu den Vorwürfen 1 („putschen“) und 3 („Putsch“) gilt auch für das im Vorwurf 13 wiedergegebene Posting, in dem der Antragsteller seine Mitwirkung an der Absetzung der Verteidigungsministerin unter Einsatz von Waffengewalt zugesagt hat.
In die gleiche Richtung geht auch das im Vorwurf 14 dargestellte Posting, mit dem der Antragsteller seine Missachtung gegenüber dem früheren Generalinspekteur dadurch zum Ausdruck bringt, dass er ihn unter Anwendung von Gewalt und Begehung einer Körperverletzung von einem fiktiven Vorhaben abhalten würde, die militärische Liegenschaft zu durchsuchen.
Auch wenn dem Soldaten eine ablehnende Haltung gegenüber der früheren Verteidigungsministerin freisteht, lässt seine in Vorwurf 4 beschriebene verbale Äußerung „Boa ich hass die alte so abgrundtief“ (sic) über ihre Reaktion auf den Tod eines Soldaten während eines Übungsvorhabens jegliche sachliche Auseinandersetzung und Zurückhaltung vermissen.
Die Bezeichnung jedenfalls von Teilen von Vorgesetzten als „linksextreme, wehrkraftzersetzende Gutmenschen“ in Vorwurf 2 ist weder besonnen noch sachlich oder tolerant.
Gleiches gilt für die Verunglimpfung ziviler Mitarbeiter der Bundeswehr als „Zivilspasten in Vorwurf 5.
Das im Vorwurf 15 genannte Posting ist dem Inhalt nach gegenüber der früheren Verteidigungsministerin herabwürdigend und ehrverletzend, in dem er ihre Maßnahmen – wenn auch scherzhaft und übertrieben – mit solchen der Reichskristallnacht vergleicht, in der vom nationalsozialistischen Regime organisierte und gelenkte Gewaltmaßnahmen gegen Juden stattfanden (zur Bewertung von Äußerungen auf den Begriff „von der Leyens Kristallnacht“ vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. März 2020 – 2 WDB 2/20 -, Rn. 6 am Anfang, 22, juris). Eine weitere Auslegung dahingehend, dass er damit zugleich nationalsozialistisches Unrecht verharmlost oder gar verharmlosen will, erscheint hingegen eher fernliegend.
Mit seiner im Vorwurf 12 benannten Äußerung „ich wusst immer das die der jüdischen Wehrzersetzungsverschwörung angehört“ (sic) ruft er den Eindruck hervor, die Verteidigungsministerin beabsichtige eine Schwächung der Wehrfähigkeit. Dies ist gegenüber der Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt, deren Aufgabe das genaue Gegenteil ist, ehrenrührig. Sein Posting geht weit über eine sachliche Kritik an einer einzelnen Maßnahme der Führung, dem Vorgehen gegen die tendenzielle Verharmlosung und Verherrlichung der Wehrmacht im Rahmen des Traditionsverständnisses in der Truppe, hinaus.
Gleichzeitig unterstellt er Juden durch Verwendung des Fantasiebegriffs der „jüdischen Wehrzersetzungsverschwörung“ eine Verschwörung mit entsprechender Zielsetzung.
Indem er sich in Vorwurf 16 als Reichsbürger bezeichnet und dabei den Eindruck erweckt, als müsste er sich Kontrollen der Bundeswehr aus diesem Grund nicht beugen, distanziert er sich nicht deutlich von dieser die Bundesrepublik Deutschland sogar als Staatsgebilde ablehnenden Gruppierung (zur Reichbürgerbewegung vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21. April 2021 – 3d A 1595/20.BDG -, juris; VG Ansbach Urteil vom 06. November 2019 – 13b D 18.529, BeckRS 2019, 29392 Rn. 261ff, beckonline; Rixecker, „In Zeiten der zunehmenden Finsternis: Reichsbürger und Selbstverwalter“, Bundeswehrverwaltung, 2020, 1ff; Bundesamt für Verfassungsschutz, „Reichsbürger und Selbstverwalter“, Stand Dezember 2018, aufgerufen am 21.05.2021 über www.verfassungsschutz.de/DE/themen/reichsbuergerundselbstverwalter/reichsbuergerundselbstverwalter_node.html), auch wenn er primär wohl nur deutlich machen will, dass er die Durchsuchung von Stuben nach Wehrmachtsandenken ablehnt.
Mit dem im Vorwurf 17 aufgeführten Filmzitat würdigt er die Angehörigen der Bundeswehr im Generals- und Admiralsrang auf eine ehrverletzende Art und Weise herab. Gleichzeitig erweckt er den Eindruck, als stehe er hinter H. und dessen Aussage.
Auch mit dem Posting in Vorwurf 11 distanziert er sich nicht vom Nationalsozialismus. Vergleichbares gilt für das Posting in Vorwurf 8.
Das Posting in Vorwurf 18 erweckt den Eindruck, als würde er (gerne) als Soldat der SS Meldung beim Führer machen und könne dies (nur) wegen seines Eides auf die Ministerin nicht (siehe zu einem vergleichbaren Fall: BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2020 – 2 WD 17/19 -, BVerwGE 168, 323-338, Rn. 34, zitiert nach juris). Der von Antragsteller und seinem Verteidiger beschriebene Zusammenhang kommt für den maßgeblichen objektiven Betrachter nicht zum Ausdruck.
Bei dem Vorwurf 10 genannten Posting handelt es sich nach dem objektiven Erklärungsgehalt um eine äußerst geschmacklose, auf einen „Lacheffekt“ angelegte Äußerung, bei der in rassistischer Weise die Hautfarbe als Differenzierungskriterium herangezogen wird. Dabei wird der Eindruck vermittelt, dunkelhäutige Menschen seine weniger wert und könnten deshalb sogar als Minensucher verwendet werden. Weder der Umstand, dass das Posting in einen WhatsApp-Chat eingestellt wurde, noch die „Unterhaltungskomponente“ ändern etwas an diesem objektiven Erklärungsgehalt. Eine solche Äußerung ist geeignet, das Vertrauen in Vorgesetzte zu erschüttern (BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2019 – 2 WDB 2/19 -, Rn. 19, juris).
Das Posting in Vorwurf 9 kann das Vertrauen in ihn als Vorgesetzten untergraben. Es beinhaltet die Aussage, dass es den Verwendenden (sexuell) erregt, er es aber jedenfalls begrüßt, wenn er über eine Ansammlung von Toten schreitet. Unabhängig davon, ob er den Text auf dem Bild selbst verfasst hat, worauf wohl die Formulierung des Anschuldigungspunktes hinausläuft, oder ob er das Bild entsprechend seiner Einlassung nur auf 9gag.com gefunden und unüberlegt eingestellt hat, stellt er jedenfalls mit dem unkommentierten Versenden im Chat das in ihn als Vorgesetzter erforderliche Vertrauen in Frage. Gerade von einem militärischen Vorgesetzten wird erwartet, dass er sich bei der Gewaltanwendung der Folgen bewusst ist und versucht, die notwendigen Folgen so gering wie möglich zu halten und nicht den Tod anderer Soldaten oder gar Zivilisten begrüßt.
Das Posting im Vorwurf 7 stellt eine klischeehafte und herablassende Äußerung über flüchtende Menschen dar, die der deutschen Sprache möglicherweise nicht vollständig mächtig sind.
Die manchen Postings innewohnende „Unterhaltungskomponente“, auf die sich der Antragsteller über seinen Verteidiger beruft, indem er sie überwiegend als „schlechte Scherze“ bezeichnet, ändert nichts am dem objektiven Sinn und Gehalt der Äußerungen (BVerwG, Beschluss vom 31. März 2020 – 2 WDB 2/20 -, Rn. 22, juris; BVerwG, Beschluss vom 09. Oktober 2019 – 2 WDB 3/19 -, Rn. 20, juris) und der damit verbundenen Verletzung der Zurückhaltungspflicht.
Gleiches gilt, soweit der Verteidiger für die verbalen Angriffe auf die militärische Führung, insbesondere auf die frühere Verteidigungsministerin, teilweise die Enttäuschung des Antragstellers über die angeordnete Suche nach Wehrmachtsdevotionalien als wesentlichen Beweggrund anführt.
Dies schließt aber eine Berücksichtigung bei der Maßnahmebemessung nicht aus.
Die in den Vorwürfen 1 bis 19 benannten Postings sind auch Äußerungen, die Untergebenen „zu Gehör kommen“ oder „in die Öffentlichkeit“ dringen können, denn sie wurden in aus Teilnehmern eines Offizierlehrgangs bestehende WhatsApp-Gruppen eingestellt, denen weitere Soldaten angehörten, was die Gefahr begründete, dass sie durch diese in die Öffentlichkeit getragen werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. März 2020 – 2 WDB 2/20 -, Rn. 24, juris; BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2019 – 2 WDB 2/19 -, Rn. 22 m.w.N., juris). Zwar handelte es sich bei ihnen als Hörsaalteilnehmer nach derzeitigem Erkenntnisstand wohl überwiegend um gleichrangige Offiziere, somit nicht um Untergebene; dies schloss jedoch nicht die Gefahr aus, dass die Äußerungen Untergebenen bekannt werden oder in die Öffentlichkeit dringen konnten (BVerwG, Beschluss vom 09. Oktober 2019 – 2 WDB 3/19 -, Rn. 21, juris). Soweit TDG Süd, Urteil vom 25. November 2020 – S 5 VL 32/20 [nrk], unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 1996 – 2 WD 22/96 -, S. 22f, …DOS, das Gegenteil vertritt, erscheint dies nicht überzeugend. Denn das Bundesverwaltungsgericht hatte in seiner Entscheidung aus dem Jahr 1996 lediglich völlig nachvollziehbar eine Verletzung des § 10 Abs. 6 SG für den Fall ablehnt, dass Inhalte aus einem Vieraugengespräch Untergebenen mittelbar zur Kenntnis gegeben werden. In dieser Zweierkonstellation ist die Gefahr, dass der Inhalt bekannt wird, deutlich geringer, da erstens weniger Personen beteiligt sind, zweitens die Äußerung nicht schriftlich niedergelegt ist und daher nicht so leicht und beweiskräftig an Dritte weitergegeben werden kann und drittens die Quelle des Vertrauensbruchs leicht identifiziert werden kann. Die Kammer tendiert daher dazu, jedenfalls bei den in Rede stehenden Gruppengrößen diese Gefahr anzunehmen. Ob davon auch bei Chats unter zwei Personen ausgegangen werden kann, kann hier dahinstehen, da die insoweit relevanten Vorwürfe 20 bis 22 ausgeklammert wurden.
Selbst wenn man diese Rechtsfrage anders bewerten würde, dürfte aber eine Verletzung der Wohlverhaltenspflicht des § 17 Abs. 2 SG vorliegen (siehe sogleich unter (b)).
(b) Damit einher geht voraussichtlich ein vorsätzlicher Verstoß gegen die Wohlverhaltenspflicht nach § 17 Abs. 2 SG. Hinsichtlich der Vorwürfe wird noch aufzuklären sein, ob es sich um einen inner- oder außerdienstlichen Verstoß handelt. Das in den Vorwürfen bezeichnete Verhalten ist geeignet, das dienstliche Ansehen des Antragstellers bei Untergebenen, Gleichgestellten und Vorgesetzten ernstlich zu beeinträchtigen (BVerwG, Beschluss vom 31. März 2020 – 2 WDB 2/20 -, Rn. 26, juris; BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2019 – 2 WDB 2/19 -, Rn. 23, juris).
(c) Zugleich dürfte der Antragsteller im Hinblick auf die Vorwürfe 2, 4, 6, 12 bis 15, 17 und 19 gegen seine in § 17 Abs. 1 SG geregelte Pflicht verstoßen haben, Disziplin zu wahren und die dienstliche Stellung des Vorgesetzten zu achten. Untergebene sind nach dieser Vorschrift gehalten, die dienstliche Autorität ihrer militärischen Vorgesetzten sowie der Ministerin selbst (vgl. Metzger in: Eichen/Metzger/Sohm, Soldatengesetz, 4. Aufl. 2020, § 17 Rn. 29 m.w.N. 26-30) ohne Rücksicht auf persönliche Sympathien oder Antipathien anzuerkennen und ihr Verhalten danach auszurichten. Abfällige und herabsetzende Äußerungen (BVerwG, Beschluss vom 27. Juni 1989 – 2 WDB 5/89 -, Rn. 10, juris) verletzen diese Pflicht.
(d) Der Antragsteller dürfte mit den in den Vorwürfen 2, 17 und 19 genannten Postings zudem vorsätzlich gegen § 12 Satz 2 SG verstoßen haben, der alle Soldaten unter anderem dazu verpflichtet, die Ehre und die Rechte seiner Kameraden, unabhängig von Dienstgrad und Dienststellung, zu achten (BVerwG, Beschluss vom 31. März 2020 – 2 WDB 2/20 -, Rn. 27, juris; zum Kreis der Kameraden vgl. Metzger in: Eichen/Metzger/Sohm, Soldatengesetz, 4. Aufl. 2020, § 12 Rn. 13).
(e) Mit den in den Vorwürfen 8, 10 bis 11 und 17 bis 18 dargestellten Postings hat der Antragsteller voraussichtlich zugleich seine ihm gemäß § 8 SG obliegende politische Treuepflicht verletzt.
(aa) Ein Soldat ist verpflichtet, die freiheitliche demokratische Grundordnung des Grundgesetzes anzuerkennen und durch sein gesamtes Verhalten für ihre Erhaltung einzutreten. Die Verletzung dieser Kernpflicht wiegt stets schwer (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2020 – 2 WD 17/19 -, Rn. 36, juris; BVerwG, Urteil vom 23. März 2017 – 2 WD 16/16 -, Rn. 67, juris). Der Begriff „freiheitliche demokratische Grundordnung“ in § 8 SG ist identisch mit dem Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, wie er bezogen auf Art. 21 Abs. 2 GG konstruiert worden ist und beschränkt sich auf wenige, zentrale Grundprinzipien, die für den freiheitlichen Verfassungsstaat schlechthin unentbehrlich sind. Ausgangspunkt für die Bestimmung des Begriffsinhalts sind demnach die Würde des Menschen und das Demokratieprinzip, für das die Möglichkeit gleichberechtigter Teilnahme aller am politischen Willensbildungsprozess sowie die Rückbindung der Ausübung von Staatsgewalt an das Volk maßgeblich ist. Schließlich erfasst der Begriff den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2020 – 2 WD 17/19 -, BVerwGE 168, 323-338, Rn. 37 zitiert nach juris, unter Hinweis auf BVerfG, Urteil vom 17. Januar 2017 – 2 BvB 1/13 -, BVerfGE 144, 20-369, Rn. 535, zitiert nach juris).
Mit der Pflicht aus § 8 SG ist demnach ein Verhalten unvereinbar, das objektiv geeignet oder sogar darauf angelegt ist, die Ziele des NS-Regimes zu verharmlosen sowie Kennzeichen, Symbole oder sonstige Bestandteile der NS-Ideologie (wieder) gesellschaftsfähig zu machen. Denn das Grundgesetz bildet gleichsam den „Gegenentwurf zu dem Totalitarismus des nationalsozialistischen Regimes“ (vgl. BVerfG, Beschluss vom 04. November 2009 – 1 BvR 2150/08 -, BVerfGE 124, 300-347, Leitsatz 1 und Rn. 65, zitiert nach juris). Der Treuepflicht zum Grundgesetz widersprechen somit alle Bestrebungen, die objektiv oder subjektiv darauf angelegt sind, im Sinne der „nationalsozialistischen Sache“ zu wirken. Dementsprechend liegt eine Verletzung der Pflicht nach § 8 SG dann vor, wenn ein Soldat Propagandamaterial einer NSDAP-Auslandsorganisation verbreitet, das „Horst-Wessel-Lied“ singt, Massenmorde an Menschen jüdischen Glaubens während des NS-Regimes leugnet, vor der NS-Hakenkreuzfahne oder anderen NS-Symbolen posiert, „Sieg Heil“ ruft, den „H.-Gruß“ verwendet oder wenn er Ausdrücke verwendet, die auf Sympathien zum NS-Regime und zur WaffenSS schließen lassen (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2020 – 2 WD 17/19 -, BVerwGE 168, 323-338, Rn. 38, zitiert nach juris, unter Hinweis auf die Zusammenfassung der Rechtsprechung des Wehrdienstsenates des Bundesverwaltungsgerichts in BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2008 – 2 WD 1/08 -, BVerwGE 132, 179-200, Rn. 54, zitiert nach juris).
Der Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2020 – 2 WD 17/19 -, BVerwGE 168, 323-338, Rn. 38, zitiert nach juris) folgt in dieser neueren Entscheidung der Auffassung, dass eine Verletzung der Pflicht aus § 8 SG bereits dann vorliegen kann, wenn objektiv ein Verhalten gezeigt wird, das objektiv geeignet ist, die Ziele des NS-Regimes zu verharmlosen sowie Kennzeichen, Symbole oder sonstige Bestandteile der NS-Ideologie (wieder) gesellschaftsfähig zu machen, auch wenn dem Verhalten keine verfassungsfeindliche Einstellung zugrunde liegt. Diese Frage ist seit Jahrzehnten umstritten (vgl. im Ergebnis oder ausdrücklich für die Auffassung, dass die politische Treuepflicht oder Verfassungstreuepflicht auch ohne verfassungsfeindliche innere Einstellung vorliegen kann: BVerwG, Urteil vom 14. Januar 2021 – 2 WD 7/20 -, Rn. 28ff, juris; BVerwG, Beschluss vom 16. Dezember 2020 – 2 WDB 9/20 -, Rn. 34, juris; BVerwG, Urteil vom 23. März 2017 – 2 WD 16/16 -, Rn. 66f, juris, beim Zeigen des H.grußes; Verwaltungsgericht des Saarlandes, Urteil vom 13. Juni 2008 – 7 K 1107/07 -, Rn. 43 und Orientierungssatz 1, juris; BVerwG, Urteil vom 12. Februar 2003 – 2 WD 8/02 -, BVerwGE 117, 371-380, Rn. 15, zitiert nach juris; BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2002 – 2 WD 35/01 -, Rn. 4, 8, 11, juris; BVerwG, Urteil vom 07. November 2000 – 2 WD 18/00 -, Rn. 4, juris; BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2000 – 2 WD 43/99 -, BVerwGE 111, 45-51, Rn. 3; a.A. (im Ergebnis), die nur eine Verletzung anderer Dienstpflichten wie der Pflicht zur Zurückhaltung nach § 10 Abs. 6 SG oder der Pflicht zur Achtungs- und Vertrauenswahrung nach § 17 Abs. 2 SG im Soldatenrecht bzw. der Pflicht zur Mäßigung und Zurückhaltung und der Pflicht Achtungs- und Vertrauenswahrung im Beamtenrecht annehmen: BVerwG, Beschluss vom 31. März 2020 – 2 WDB 2/20 -, Rn. 31, juris; BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2019 – 2 WDB 2/19 -, Rn. 27, juris; BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2008 – 2 WD 1/08 -, BVerwGE 132, 179-200, Rn. 66, zitiert nach juris; BVerwG, Beschluss vom 17. Mai 2001 – 1 DB 15/01 -, Rn. 30f, juris, Tragen eines Siegelrings; nicht eindeutig: BVerwG, Beschluss vom 18. November 2003 – 2 WDB 2/03 -, BVerwGE 119, 206-216, Rn. 25f, zitiert nach juris; ausführlich: Weiß in: Fürst, Gesamtkommentar Öffentliches Dienstrecht (GKÖD), Band II, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder – Kommentar, J 700, Lieferung I….85, Rn. 59a – 88; im Rahmen von Entlassungsverfahren wurde eine Verletzung von § 8 SG angenommen durch: Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen, Beschluss vom 20. November 2019 – 2 LA 258/18 -, Rn. 13, juris; Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, Urteil vom 19. Oktober 2015 – 2 LB 25/14 -, Rn. 30, juris).
Die neueren Entscheidungen des Wehrdienstsenates (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2020 – 2 WD 17/19 -, BVerwGE 168, 323-338, Rn. 39, zitiert nach juris; BVerwG, Urteil vom 14. Januar 2021 – 2 WD 7/20 -, Rn. 28ff, juris) differenzieren zwischen einer Pflicht zur Anerkennung der freiheitlich demokratischen Grundordnung nach § 8 Alt. 1 SG und einer solchen zum Eintreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung nach § 8 Alt. 2 SG (kritisch zum dogmatischen Ansatz: Sohm in: Eichen/Metzger/Sohm, Soldatengesetz, 4. Aufl. 2020, § 8 Rn. 26-30, der allerdings das Ergebnis teilt, dass eine Verletzung des § 8 SG bereits bei einem entsprechenden objektivierbaren Verhalten nach außen vorliegen kann; vgl. Rn. 30 a.E.). Danach geht die Verpflichtung zum Eintreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung nach § 8 Alt. 2 SG weiter als die Pflicht zu ihrer Anerkennung gemäß § 8 Alt. 1 SG. Sie verlangt, dass der Soldat – wie der Beamte – sich nicht nur innerlich, sondern auch äußerlich von Gruppen und Bestrebungen distanziert, die den Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren. Ein Soldat darf daher auch nicht entgegen seiner inneren verfassungstreuen Gesinnung aus Solidarität zu Freunden, aus Übermut, aus Provokationsabsicht oder aus anderen Gründen nach außen hin verfassungsfeindliche Bestrebungen unterstützen und sich objektiv betrachtet illoyal verhalten (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2020 – 2 WD 17/19 -, BVerwGE 168, 323-338, Rn. 39, zitiert nach juris).
Die Kammer teilt die Auffassung, dass eine Verletzung der Pflicht aus § 8 SG bereits dann vorliegen kann, wenn der Soldat sich objektiv gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung betätigt, auch wenn dem keine verfassungsfeindliche Einstellung zugrunde liegt. Der Wortlaut „eintreten“ fordert ein objektives Verhalten, an dem sich ein Soldat messen lassen muss.
(bb) Die genannten Postings 8, 11 und 17 bis 18 erwecken den Anschein einer positiven Einstellung zum Nationalsozialismus und dürften damit eine Verletzung der Pflicht aus § 8 Alt. 2 SG darstellen.
Bei den Postings 8 und 11 distanziert er sich nicht vom Nationalsozialismus.
Posting 17 erweckt den Eindruck, als stehe der Antragsteller hinter H. und dessen Aussage.
Das Posting in Vorwurf 18 erweckt – wie ausgeführt – den Eindruck, als würde er (gerne) als Soldat der SS Meldung beim Führer machen und könne dies (nur) wegen seines Eides auf die Ministerin nicht (siehe zu einem vergleichbaren Fall: BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2020 – 2 WD 17/19 -, BVerwGE 168, 323-338, Rn. 34, zitiert nach juris). Der von Antragsteller und seinem Verteidiger beschriebene Zusammenhang kommt für den maßgeblichen objektiven Betrachter nicht zum Ausdruck.
Das Posting 10 hinterlässt einen rassistischen Eindruck.
(cc) Ein Verstoß des Antragstellers gegen seine Pflicht, die freiheitliche demokratische Grundordnung gemäß § 8 1. Alt SG anzuerkennen, erscheint allerdings noch nicht hinreichend wahrscheinlich.
Zwar braucht ein solcher Verstoß im Verfahren nach § 126 Abs. 5 Satz 3 WDO noch nicht feststehen; erforderlich ist aber ein hinreichender Grad an Wahrscheinlichkeit (BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2019 – 2 WDB 2/19 -, Rn. 26, juris; BVerwG, Beschluss vom 09. Oktober 2019 – 2 WDB 3/19 -, Rn. 23, juris).
Ein dahingehender, hinreichend begründeter Verdacht einer der freiheitlichen demokratischen entgegenstehenden Gesinnung des Antragstellers ergibt sich aus den Vorwürfen noch nicht.
Diese sei zwar nach dem Inhalt der Stellungnahme des Oberleutnants Sch vom 31. Juli 2017 als „besonders zweifelhaft“ anzusehen. So soll der Antragsteller sich als besonders großer Fan der Wehrmacht auszeichnen und jeder aus dem Hörsaal wisse um seine „rechte Gesinnung“.
Demgegenüber deuten die Äußerungen in den WhatsApp-Gruppen bisher eher auf ein Bedürfnis nach Anerkennung in der Offiziersgruppe (BVerwG, Beschluss vom 31. März 2020 – 2 WDB 2/20 -, Rn. 34, juris) und auf einen sehr fragwürdigen Humor in Bezug auf ausgesprochen geschmacklose und menschenverachtende Bemerkungen (BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2019 – 2 WDB 2/19 -, Rn. 27, juris) hin.
Bei einer fairen Bewertung darf auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Äußerungen des Antragstellers in der Regel spontan und situativ erfolgten.
Gegen eine verfassungsfeindliche Einstellung könnte auch sprechen, dass er nach dem Inhalt der Personenbeschreibung des stellvertretenden Kompaniechefs der 2./…Ybataillon während der gesamten Dienstzeit als auch darüber hinaus bei Veranstaltungen geselliger Art oder Freizeitveranstaltungen des Unteroffizierskorps der Einheit eine vorbildliche Haltung zum Selbstverständnis des Offiziersberufs gezeigt habe und sich zu keiner Zeit befürwortend bezüglich des Nationalsozialismus oder Antisemitismus präsentiert oder diesbezügliche Tendenzen habe erkennen lassen. Auch kein Angehöriger der Einheit traue ihm ein solches Denken zu.
Dies korrespondiert mit der Stellungnahme der Vertrauensperson vom 05. November 2018, wonach sich der Antragsteller im Offizierskorps in keiner Weise als rechtsradikal beziehungsweise als Soldat mit rechtsextremistischem Hintergrund und Interessen dargestellt habe.
Auch hat das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst wiederholt, zuletzt mit Schreiben 29. März 2019 und fernmündlicher Auskunft gegenüber der Wehrdisziplinaranwaltschaft im November 2020, mitgeteilt, dass aufgrund der Ermittlungen bisher keine Erkenntnisse vorlägen, die den Verdacht des Rechtsextremismus gegen den Antragsteller erhärteten.
Da der straf- und – entgegen des in der Stellungnahme des Oberleutnants Sch aufgeführten Sachverhalts – tatsächlich nicht disziplinar belastete Antragsteller eine verfassungsfeindliche Gesinnung zudem in Abrede gestellt hat, bedürfte es insoweit weiterer Ermittlungen von Seiten der Wehrdisziplinaranwaltschaft (BVerwG, Beschluss vom 31. März 2020 – 2 WDB 2/20 -, Rn. 35, juris; BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2019 – 2 WDB 2/19 -, Rn. 27, juris).
(f) Ob der Antragsteller durch sein Verhalten zugleich gegen § 7 SG verstoßen hat, kann offenbleiben, da damit jedenfalls kein die Schwere der Dienstpflichtverletzungen erhöhender Umstand einherginge (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2020 – 2 WD 17/19 -, BVerwGE 168, 323-338, Rn. 41, zitiert nach juris).
(g) Der disziplinaren Ahnung des Soldaten steht die Einstellung des gegen ihn geführten Strafverfahrens nicht entgegen. Die Verletzung der Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten ist auch bei nicht strafbarem Verhalten ebenso möglich wie die Verletzung der politischen Treuepflicht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. März 2020 – 2 WDB 2/20 -, Rn. 25, juris).
(4) Ausgehend vom bisherigen Ermittlungsergebnis ist gegenwärtig nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass der Antragsteller im Hauptsacheverfahren aus dem Dienst entfernt werden wird, jedoch steht eine Dienstgradherabsetzung im Raum.
Die (neuere) Rechtsprechung des Wehrdienstsenates des Bundesverwaltungsgerichts geht bei der Verletzung der politischen Treuepflicht des § 8 SG durch das Zeigen eines „H.grußes“ grundsätzlich von der Höchstmaßnahme aus, wenn dies zugleich Ausdruck einer nationalsozialistischen Gesinnung ist. Auch für andere Verhaltensweisen und Kundgabeformen, die Ausdruck einer tatsächlich verfassungsfeindlichen, nationalsozialistisch geprägten Gesinnung sind, kann nichts anderes gelten (für Tätowierungen vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 – 2 C 25/17 -, BVerwGE 160, 370-396, Rn. 25, zitiert nach juris). Denn in diesen Fällen liegt sowohl eine Verletzung der Anerkennungspflicht aus § 8 Alt. 1 SG als auch der Eintretenspflicht aus § 8 Alt. 2 SG vor (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2020 – 2 WD 17/19 -, BVerwGE 168, 323-338, Rn. 44 m.w.N., zitiert nach juris).
Beruht die Verwendung nationalsozialistischer Kennzeichen, Grußformen oder Rituale nicht auf einer verfassungsfeindlichen Einstellung, muss nach dieser Rechtsprechung eine mildere Maßnahmeart den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bilden. Dies folgt aus dem auch für das Disziplinarrecht geltenden Schuldprinzip sowie aus dem Übermaßverbot. Beide Grundsätze gebieten eine differenzierende Abstufung des Ausgangspunkts der Zumessungserwägungen. Anderenfalls bestünde die Gefahr, dass generalpräventive Erwägungen eine allein ausschlaggebende Bedeutung erlangen, obgleich § 38 Abs. 1 WDO mit den spezialpräventiven Bemessungsfaktoren „Maß der Schuld“, „Persönlichkeit und bisherige Führung“ und – vor allem auch – „Beweggründe“ zum Ausdruck bringt, dass diese Aspekte gleichermaßen bedeutsam sind. Im Wehrdisziplinarrecht steht auch ansonsten nicht die Tat als solche im Vordergrund, sondern die durch sie zum Ausdruck gekommenen Charakter- und Persönlichkeitsmängel (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2020 – 2 WD 17/19 -, BVerwGE 168, 323-338, Rn. 45 m.w.N., zitiert nach juris; auch Weiß betont in Fürst, GKÖD, Band II, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder – Kommentar, J 700, Lieferung I….85, Rn. 61, dass es bei der disziplinarrechtlichen Bewertung „in erster Linie darauf ankommt, die Persönlichkeit des Beamten zu erkennen und nicht etwa beim Erfassen des dienstlichen Handlungsunwertes des zur Last gelegten Dienstvergehens stehen zu bleiben“). Allerdings gebieten Verhaltensweisen, die den irrigen Eindruck einer hohen Identifikation mit dem Nationalsozialismus vermitteln, nach dieser Rechtsprechung die Dienstgradherabsetzung zum Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen zu machen. Dazu gehört etwa das Erweisen des sogenannten H.grußes. Dies hat seinen Grund darin, dass der H.gruß Außenstehenden als Ausdruck der Verehrung des Führers des nationalsozialistischen Unrechtsregimes erscheinen muss und dass die öffentliche Verwendung dieses nationalsozialistischen Kennzeichens im Inland nach § 86a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StGB strafrechtlich untersagt ist (BVerwG, Urteil vom 14. Januar 2021 – 2 WD 7/20 -, Rn. 35, juris). Ebenso spricht auch in anderen Fällen die strafrechtliche Ächtung eines entsprechenden Verhaltens für die Dienstgradherabsetzung als Regelmaßnahme, wobei die spezifisch strafrechtlichen Einschränkungen (Inlandsbezug, Öffentlichkeit) für die disziplinarrechtliche Einstufung nicht so bedeutsam sind, dass sie für eine Dienstgradherabsetzung zwingend vorliegen müssen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 – 2 C 25.17 – BVerwGE 160, 370 Rn. 29, 74, 76, zitiert nach juris; BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2020 – 2 WD 17/19 -, BVerwGE 168, 323-338, Rn. 46, zitiert nach juris).
Zeigt ein Soldat hingegen niedrigschwelligere, bagatellisierende Verhaltensweisen von einigem Gewicht, bildet nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich ein Beförderungsverbot den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen. Angesichts der großen Bandbreite möglicher niedrigschwelliger Verletzungen der politischen Treuepflicht ist eine Typisierung in diesem Bereich allerdings nur eingeschränkt möglich. Insbesondere bei einmaligen, unüberlegten oder aus jugendlicher Unreife verübten Verstößen im niedrigschwelligeren Bereich können gerichtliche Disziplinarmaßnahmen nach Maßgabe des § 38 Abs. 1 WDO unangemessen sein (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2020 – 2 WD 17/19 -, BVerwGE 168, 323-338, Rn. 47, zitiert nach juris).
Nach gegenwärtigem Ermittlungsstand ist – wie ausgeführt – unter anderem von einem schuldhaften Verstoß gegen die politische Treuepflicht nach § 8 Alt. 2 SG auszugehen, der jedoch (bisher) keine ausreichenden Rückschlüsse auf eine entsprechende verfassungsfeindliche Gesinnung des Antragstellers zulässt.
Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen ist bei niederschwelligen, den Nationalsozialismus bagatellisierender Verhaltensweisen von einigem Gewicht (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2020 – 2 WD 17/19 -, BVerwGE 168, 323-338, Rn. 47, zitiert nach juris) grundsätzlich ein Beförderungsverbot.
Jedoch ist hier auf der zweiten Stufe der Maßnahmebemessung eine Verschärfung geboten: Der Soldat hat mehrere dieser Äußerungen getätigt. Hinzu kommen eine Vielzahl von weiteren leichteren Pflichtverletzungen durch Äußerungen, die u.a. gegen die Pflicht zur Zurückhaltung bei Äußerungen, gegen die Kameradschaftspflicht, die Pflicht zur Disziplinwahrung und die Pflicht zur Achtungs- und Vertrauenswahrung verstoßen. Deshalb dürfte eine Dienstgradherabsetzung geboten sein.
Soweit sich der Antragsteller dahingehend eingelassen hat, er habe bei dem Posting in Vorwurf 8 erheblich unter Alkohol gestanden, ist festzustellen, dass nach ständiger Rechtsprechung eine alkoholbedingte Enthemmung regelmäßig nicht zu einer Maßnahmemilderung führt. Denn ein Soldat ist grundsätzlich für Art und Umfang seines Alkoholkonsums selbst verantwortlich und hat ihn einzustellen, bevor es zu einer alkoholbedingten Enthemmung kommt (BVerwG, Beschluss vom 16. Dezember 2020 – 2 WDB 9/20 -, Rn. 49, juris). Im Übrigen belegen die anderen Postings, dass er nicht nur im alkoholisierten Zustand zur Überschreitung sprachlicher Grenzen neigt.
dd) Die Anordnungen der vorläufigen Dienstenthebung und des Uniformtrageverbots sind ermessensfehlerfrei, insbesondere unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ergangen. Diese Anforderungen sind nur erfüllt, wenn der Dienstbetrieb bei einem Verbleiben des Soldaten im Dienst empfindlich gestört oder in besonderem Maße gefährdet würde. Dabei dürfen dem Soldaten keine Nachteile zugefügt werden, die außer Verhältnis zu dem Interesse des Dienstherrn stehen, einen Soldaten, der eines mit einer gerichtlichen Disziplinarmaßnahme zu ahndenden Dienstvergehens hinreichend verdächtig ist, bis zur endgültigen Klärung dieses Vorwurfs von der Dienstausübung auszuschließen. Das Wehrdienstgericht ist insoweit auf eine Überprüfung der behördlichen Ermessensentscheidung beschränkt und trifft – im Gegensatz zur späteren Disziplinarmaßnahme – keine originäre gerichtliche Entscheidung (BVerwG, Beschluss vom 27. Juli 2020 – 2 WDB 5/20 -, Rn. 44, juris; BVerwG, Beschluss vom 31. März 2020 – 2 WDB 2/20 -, Rn. 37, juris) BVerwG, Beschluss vom 09. Oktober 2019 – 2 WDB 3/19 -, Rn. 26, juris).
Die Entscheidung der Einleitungsbehörde, den Antragsteller vorübergehend auf keinem Dienstposten einzusetzen, begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Bereits der Anschein, der Antragsteller bekenne sich nicht zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung, schadet in erheblichem Maße dem Ansehen der Bundeswehr in der Öffentlichkeit, die sich in der letzten Zeit zunehmend des Vorwurfs ausgesetzt sieht und erwehren muss, rechtsradikalen Umtrieben nicht energisch genug entgegenzutreten. Auch der Dienstbetrieb würde ansonsten erheblich gefährdet oder sogar Schaden nehmen, weil ansonsten der Eindruck der Bagatellisierung der gegen den Antragsteller erhobenen Vorwürfe entstünde (BVerwG, Beschluss vom 27. Juli 2020 – 2 WDB 5/20 -, Rn. 45, juris; BVerwG, Beschluss vom 31. März 2020 – 2 WDB 2/20 -, Rn. 38, juris; BVerwG, Beschluss vom 09. Oktober 2019 – 2 WDB 3/19 -, Rn. 27, juris). Dem Antragsteller musste sich bereits angesichts der Deutlichkeit der verwendeten Symbole und Bilder, insbesondere der SS-Runen, der Darstellung eines Wehrmachtssoldaten in SS-Uniform und der rassistischen Darstellung in Bezug auf dunkelhäutige Menschen, selbst bei nur oberflächlicher Betrachtung aufdrängen, dass ihre (lehrgangsinterne) Verbreitung, die jederzeit öffentlich bekannt werden konnte, geeignet ist, das Ansehen der Bürger in die Funktionsfähigkeit und Neutralität des Staates und das Vertrauen darin zu gefährden, dass er als Soldat der Bundeswehr die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten. Dies gilt auch dann, wenn die Verhängung der Höchstmaßnahme noch nicht wahrscheinlich ist, denn dieser Bewertungsmaßstab ist nur für die Einbehaltung der Dienstbezüge nach § 126 Abs. 2 WDO, nicht aber für die Anordnungen nach § 126 Abs. 1 WDO von Bedeutung (BVerwG, Beschluss vom 09. Oktober 2019 – 2 WDB 3/19 -, Rn. 27, juris).
b) Da nach summarischer Prüfung die Voraussetzungen für die Einbehaltungsanordnung bereits zum Zeitpunkt ihres Erlasses nicht vorlagen, war die Nebenentscheidung Nr. 2 zur Einleitungsverfügung insoweit rückwirkend aufzuheben.
Im Verfahren gemäß § 126 Abs. 5 WDO über die Aufrechterhaltung einer auf § 126 Abs. 2 Satz 1 WDO gestützten Einbehaltungsanordnung ist ebenfalls grundsätzlich von der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung auszugehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Juli 2020 – 2 WDB 5/20 -, Rn. 18 m.w.N., juris; BVerwG, Beschluss vom 19. Januar 2006 – 2 WDB 6/05 -, Rn. 24 m.w.N., juris). Ergibt sich dabei, dass die Einbehaltungsanordnung aufzuheben ist, ist weiter zu prüfen, ob sie auch schon zuvor rechtswidrig war und deshalb rückwirkend aufzuheben ist. An der diesbezüglichen Feststellung besteht ein Rechtsschutzinteresse, weil die nach § 126 WDO einbehaltenen Beträge gemäß § 127 Abs. 1 Nr. 1 WDO verfallen, wenn im disziplinargerichtlichen Verfahren auf die Höchstmaßnahme erkannt wird. Der Verfall tritt indes nicht ein, soweit die Einbehaltungsanordnung aufgehoben wurde (BVerwG, Beschluss vom 11. Februar 2021 – 2 WDB 10/20 -, Rn. 18, juris; BVerwG, Beschluss vom 16. Dezember 2020 – 2 WDB 9/20 -, Rn. 12 m.w.N., juris; Dau/Schütz, Wehrdisziplinarordnung, 7. Aufl. 2017, § 126 Rn. 31; Weiß in GKÖD, I Yt § 126 Rn. 96).
Damit kann dahinstehen, ob die seit Dezember 2018 bestehende Einbehaltensanordnung zwischenzeitlich allein schon wegen der Dauer aus Gründen der Verhältnismäßigkeit Bedenken begegnet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bildet eine Einbehaltensanordnung nur unter Beachtung des Beschleunigungsgrundsatzes eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Maßnahme (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Februar 2021 – 2 WDB 10/20 -, Rn. 22 m.w.N., juris, in dem dies bei einer Dauer von sechseinhalb Jahren beanstandet wurde, und BVerwG, Beschluss vom 31. März 2021 – 2 WDB 13/20 -, Rn. 27, juris, in dem eine vierzehnmonatige Einbehaltung der Dienstbezüge noch akzeptiert wurde).
III.
Einer Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bedarf es nicht. Diese werden von der zur Hauptsache ergehenden Kostenentscheidung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens miterfasst (stRspr. vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Februar 2021 – 2 WDB 10/20 -, Rn. 24, juris; BVerwG, Beschluss vom 16. Dezember 2020 – 2 WDB 9/20 -, Rn. 52, juris; BVerwG, Beschluss vom 31. März 2020 – 2 WDB 2/20 -, Rn. 40, juris; BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2019 – 2 WDB 2/19 -, Rn. 32, juris).


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