IT- und Medienrecht

Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung, Polizeibeamter, Chat-Verkehr zu Black Metal Musik mit rechtsorientiertem Sprachgebrauch

Aktenzeichen  M 19L DA 21.4338

Datum:
30.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 26846
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDG Art. 29
StPO §§ 94 ff.

 

Leitsatz

Tenor

I. Angeordnet wird die Durchsuchung der Person des Antragsgegners, seiner Wohnung mit Nebenräumen, seines Arbeitsplatzes, beschränkt auf die ihm zugewiesenen Arbeits- und Büroräume sowie die ihm zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel (insbes. Schränke, Schreibtische, Spinde), seines Fahrzeugs (VW Touran, amtl. Kennz. …) und der mitgeführten Gegenstände des Antragsgegners nach folgenden Gegenständen:
Mobiltelefone, Computer bzw. EDV-Geräte, Speichermedien, Musikdatenträger, szenetypische Bekleidung und weitere Gegenstände mit rechtsradikalen, nationalistischen, nationalsozialistischen oder gewaltverherrlichenden Inhalten.
II. Die Anordnung erstreckt sich auch auf vom Durchsuchungsobjekt räumlich getrennte Speichermedien, soweit auf diese von den durchsuchten Räumlichkeiten aus zugegriffen werden kann.
III. Angeordnet wird weiter die Beschlagnahme von bei der Durchsuchung aufgefundenen Beweismitteln.
IV. Angeordnet wird ferner die Durchsuchung und Beschlagnahme der dienstlichen E-Mail-Kommunikation des Antragsgegners (…@polizei.bayern.de) und seines Home-Laufwerks einschließlich des Unterordners „Ordner_Persönlich“.
V. Die Durchsicht der aufgefundenen Unterlagen, elektronischen Speichermedien und elektronischen Postfächer wird dem Antragsteller übertragen.
VI. Die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung unter Nr. I bis IV gilt für sechs Monate ab dem Datum des vorliegenden Beschlusses.
VII. Der Antragsteller wird mit der Zustellung dieses Beschlusses an den Antragsgegner beauftragt. Die Zustellung hat spätestens einen Tag nach Durchführung der unter Nr. I bis IV genannten Maßnahmen zu erfolgen.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt den Erlass einer Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung.
1. Der am … 1975 geborene Antragsgegner trat nach abgeschlossenem Studium der Biologie und der Tiermedizin mit anschließender Promotion am …. Juli 2007 in den Dienst der Bayerischen Landesspolizei. Am …. November 2010 wurde er zum Beamten auf Lebenszeit ernannt. Er ist seit … Februar 2017 bei der PI … (…) des Polizeipräsidiums M. als Dienstgruppenleiter tätig. Am … August 2019 wurde er zum Polizeioberkommissar (Besoldungsgruppe A 10) befördert. In der Beurteilung 2018 erhielt er 8 Punkte.
2. Im Rahmen anderweitiger Ermittlungen der beim Bayerischen Landeskriminalamt eingerichteten SOKO Nightlife gegen den bei der PI … tätigen PHM M. wegen volksverhetzenden und nationalsozialistischen Verhaltens wurde bekannt, dass der Antragsgegner bislang feststellbar im Zeitraum vom … Oktober 2018 bis … Juli 2019 mit PHM M. einen WhatsApp-Chat insbesondere zu verschiedenen Black Metal Bands führte und dabei seine Begeisterung für die Bands und ihre Musik zum Ausdruck brachte. Die Songtexte der genannten Bands weisen dabei nationalistische, nationalsozialistische, antisemitische und gewaltverherrlichende Inhalte auf; die Bands sind überwiegend in der beim Bundeskriminalamt geführten Datenbank „Datenbank Rechtsextremismus, Tonträger“ (DAREX) gelistet.
In einem Auswertevermerk des Bayerischen Landeskriminalamts (Behördenakte Bl. 1-5) im Ermittlungsverfahren gegen PHM M. sind die Inhalte des Chats auszugsweise wie folgt wiedergegeben und mit Anmerkungen versehen:
3. Das Polizeipräsidium M. leitete deshalb mit Verfügung vom 3. August 2021 ein Disziplinarverfahren gegen den Antragsgegner ein. Um den Ermittlungserfolg nicht zu gefährden, erfolgte keine Aushändigung der Einleitungsverfügung an ihn.
4. Am 13. August 2021, ergänzt am 27. August 2021, stellte das Polizeipräsidium M. beim Verwaltungsgericht München den Antrag auf Anordnung
1. der Durchsuchung der Person des Antragsgegners und der mitgeführten Gegenstände sowie der im Tenor genannten Örtlichkeiten und Fahrzeuge
nach den ebenfalls im Tenor genannten Gegenständen.
2. der Beschlagnahme der aufgefundenen Beweismittel sowie
3. der Durchsuchung und Beschlagnahme der dienstlichen E-Mail-Kommunikation des Antragsgegners und seines Home-Laufwerks einschließlich des Unterordners „Ordner_Persönlich“.
Auf den gestellten Antrag wird verwiesen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, die Durchsuchung werde beantragt, weil bisher nur der genannte Chat bekannt und zu vermuten sei, dass vom Antragsgegner zudem einschlägige Musik-Dateien, szenetypische Konzertkleidung sowie weitere Chats vorgehalten würden.
Ein dringender Tatverdacht liege vor und ergebe sich aus den Ermittlungsergebnissen der SOKO Nightlife in dem gegen PHM M. geführten Strafverfahren. In dem Chat würden offenkundig von beiden Teilnehmern nationalistische, nationalsozialistische, antisemitische und gewaltverherrlichende Inhalte befürwortet, die von den genannten Musikbands dargeboten würden. Nach dem Auswertevermerk der SOKO Nightlife werde der Kommunikationsstrang zudem von rechtsorientiertem Sprachgebrauch beherrscht. Aus einigen genau bezeichneten Äußerungen lasse sich eine Hinwendung des Antragsgegners zu einer rechtsradikalen Gesinnung entnehmen. Der Antragsgegner stehe damit in dem dringenden Verdacht, gegen die Pflicht zur Verfassungstreue (§ 33 Beamtenstatusgesetz – BeamtStG) und die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG) verstoßen zu haben.
Die beantragten Maßnahmen seien auch verhältnismäßig. Die Durchsuchung und Beschlagnahme seien geeignet, weitere Beweismittel für die Verletzung der Pflicht zur Verfassungstreue zu erlangen. Das Mobiltelefon sei nicht der einzige Ort, um zu chatten und Musikdateien zu speichern und abzuspielen. An dem bisher vorliegenden Chat-Verlauf zeige sich, dass der Antragsgegner rechtes und gewaltverherrlichendes Gedankengut, das in der genannten Musik zum Ausdruck komme, besitze und – wie der Austausch mit einem Kollegen zeige – hierzu gegenüber Kollegen seine Meinung verbreiten wolle. Es sei anzunehmen, dass insoweit auch die dienstliche E-Mail-Kommunikation und das dienstliche Home-Laufwerk zur Anwendung gelangten. Die Anordnung der Durchsuchung und Beschlagnahme seien zur Sicherstellung der benötigten Beweismittel auch erforderlich sowie verhältnismäßig im engeren Sinn. Im Falle einer erwiesenen rechtsradikalen Gesinnung bzw. Verfassungsuntreue wäre die Verhängung der Höchstmaßnahme gerechtfertigt. In Anbetracht der charakterlichen Anforderungen, die an einen Polizeivollzugsbeamten, insbesondere in einer Führungsfunktion als Dienstgruppenleiter, gestellt würden, sei bereits der bisher vorliegenden Chat-Verlauf geeignet, das Bekenntnis des Antragsgegners zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung massiv infrage zu stellen.
Im Übrigen werde darauf hingewiesen, dass die dienstliche Internetnutzung nach der EDV-Rahmenrichtlinie vom 1. März 2001 nur zu dienstlichen Zwecken zulässig sei.
Die Beteiligung des Antragsgegners im gerichtlichen Verfahren unterblieb, weil sie den Zweck der Anordnungen gefährdet hätte.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorgelegten Behördenakten und der Gerichtsakte verwiesen.
II.
Dem Antrag auf Erlass einer Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung wird entsprochen.
Nach Art. 29 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Disziplinargesetz (BayDG) kann der oder die Vorsitzende der Kammer für Disziplinarsachen auf Antrag durch Beschluss Beschlagnahmen und Durchsuchungen anordnen. Die Anordnung darf nach Art. 29 Abs. 1 Satz 3 BayDG nur getroffen werden, wenn der Beamte des Dienstvergehens dringend verdächtig ist und die Maßnahme zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis steht. Die Bestimmungen der Strafprozessordnung (StPO) über Beschlagnahmen und Durchsuchungen gelten nach Art. 29 Abs. 1 Satz 4 BayDG entsprechend.
Die Regelung des Art. 29 Abs. 1 BayDG ist anwendbar (1.). Im vorliegenden Fall ist sowohl ein dringender Tatverdacht (2.) als auch die Verhältnismäßigkeit der begehrten Anordnung (3.) gegeben. Die angeordneten Maßnahmen sind nach der StPO zulässig (4.). Weiter ist die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung hinreichend bestimmt formuliert (5.). Von einer Zustellung des Antrags und einer Anhörung des Antragsgegners konnte abgesehen werden (6.).
1. Art. 29 Abs. 1 BayDG ist hier anwendbar. Gegen den Antragsgegner wurde mit Verfügung vom 3. August 2021 ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Die nach Art. 22 Abs. 1 Satz 1 BayDG vorgeschriebene Unterrichtung, Belehrung und Anhörung über die Einleitung konnten vorerst unterbleiben, weil sie nicht ohne Gefährdung der Aufklärung des Sachverhalts möglich waren (vgl. Art. 22 Abs. 1 Satz 1 a.E. BayDG).
2. Ein dringender Tatverdacht der Verletzung der beamtenrechtlichen Treuepflicht durch Unterstützung von nationalistischem, nationalsozialistischem, rechtem und rassistischem Gedankengut durch den Antragsgegner ist gegeben. Ein dringender Tatverdacht liegt vor, wenn eine große Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Beamte das ihm zur Last gelegte Dienstvergehen begangen hat (BayVGH, B.v. 5.10.2020 – 16b DC 20.1871 – juris Rn. 6; B.v. 28.4.2014 – 16b DC 12.2380 – juris Rn. 6).
Die dem Antragsgegner vorgeworfene Nähe zu diesem Gedankengut ergibt sich aus dem zwischen ihm und PHM M. über WhatsApp im Zeitraum vom … Oktober 2018 bis … Juli 2019 geführten Chat, der vollumfänglich unter I. wiedergegeben ist. In dem Chat erhielt oder verschickte der Antragsgegner Empfehlungen zu Black Metal Bands (etwa Mgla, Graveland, Marduk, Cannibal Corpse, Tiamat, Stahlgewitter) und bekundete seine Begeisterung für die Bands und deren Musik. Die Songtexte der genannten Bands enthalten neben gewaltverherrlichendem auch nationalistisches, nationalsozialistisches und rechtsextremes Gedankengut. Etwa die Band Graveland wird auf Wikipedia dem NSBM (National Socialist Black Metal, eine Bezeichnung für neonazistische Strömungen innerhalb der Black-Metal-Subkultur) zugeordnet, die Band Stahlgewitter dort als Rechtsrock-Band bezeichnet. Angesichts der zustimmenden Bekundungen des Antragsgegners zu den Bands (etwa „Graveland sind grad meine absolute Lieblingsband“ am 31.10.2018 um 11:36 Uhr oder „Sind Legende“ zu Cannibal Corpse am 14.11.2018 um 12.20 Uhr) ist anzunehmen, dass er die Bands, ihre Auftritte in der Öffentlichkeit, ihr gesamtes Gebaren und ihre Songtexte mit jedenfalls teilweise rechtsradikalen und damit disziplinarrechtlich relevanten Inhalten befürwortet. Angesichts des bildungsmäßigen Hintergrunds des Antragsgegners, der vor Eintritt in den Dienst der Bayerischen Polizei ein Hochschulstudium abgeschlossen und promoviert hat, ist davon auszugehen, dass er die von den Bands vertretene Gesinnung und Ideologie politisch einzuordnen vermag und eindeutig erfasst, dass die Texte in weiten Teilen nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in Einklang stehen.
Maßgeblich kommt hinzu, dass der zwischen dem Antragsgegner und PHM M. geführte Chat geprägt ist von rechtsorientiertem Sprachgebrauch, etwa
– „ordentliche Black Metal Band mit germanischem Gedankengut“ (versendet am 14.10.2018, 14:28 Uhr)
– „Gemeint ist der deutsche Tiger Kampfpanzer Marduk sind unübertroffen“ … „Hab ich als T-Shirt Kamerad“ (versendet am 17.10.2018, 19:56 Uhr)
– „Die Texte hätten dem Onkel auch gefallen Wie läuft´s sonst so Kamerad“ (versendet am 31.10.2018, 11:36 Uhr, wobei mit „Onkel“ mit größter Wahrscheinlichkeit Adolf Hitler gemeint ist)
– „Scheiß Linken Gesocks“ … „Linke Dreckspack“ (versendet am 26.4.2019, 19:57 Uhr).
Diese Wortwahl lässt vermuten, dass die von den Bands vertretene rechte Ideologie auch vom Antragsgegner geteilt wird.
3. Die beantragten Maßnahmen stehen nicht zu der Bedeutung der Sache und zu der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme außer Verhältnis. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist dabei in zweierlei Hinsicht zu beachten: Zum einen darf die Maßnahme, um die ersucht wird, nicht zur Bedeutung der Sache, zum anderen darf sie auch nicht zu der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme außer Verhältnis stehen (BayVGH, B.v. 5.10.2020 – 16b DC 20.1871 – juris Rn. 15; B.v. 28.4.2014 – 16b DC 12.2380 – juris Rn. 12).
3.1. Die beantragten Maßnahmen sind verhältnismäßig.
Die Durchsuchung der im Allein- oder Mitgewahrsam befindlichen Wohnung des Antragsgegners mit Nebenräumen, des von ihm genutzten Fahrzeugs und seiner Dienststelle nach szenetypischen Gegenständen und elektronischen Kommunikations- und Speichermedien mit den vorgeworfenen Inhalten und die Beschlagnahme dieser Gegenstände und Medien sind geeignet, die erforderlichen Beweismittel für die Bestätigung oder Entkräftung des gegen ihn erhobenen Vorwurfs der Nähe zu nationalistischem, nationalsozialistischem und rechtem Gedankengut zu erlangen. Das Speichern und Abspielen von rechtsgerichteter Musik oder Meinungskundgaben mit entsprechendem Inhalt werden mit hoher Wahrscheinlichkeit jedenfalls auch über elektronische Medien getätigt, so dass deren Beschlagnahme und Auswertung weitere Erkenntnisse verspricht.
Zur Sicherstellung der Verhältnismäßigkeit war die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung zu befristen; die richterliche Prüfung kann die Einhaltung der rechtlichen Grundlagen nicht für unabsehbare Zeit gewährleisten.
3.2. Die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung steht auch zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis (vgl. Art. 29 Abs. 1 Satz 2 BayDG). Regelmäßig kommen entsprechende Zwangsmaßnahmen nur in Betracht, wenn die Zurückstufung oder die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu erwarten ist (BayVGH, B.v. 5.10.2020 – 16b DC 20.1871 – juris Rn. 15; B.v. 28.4.2014 – 16b DC 12.2380 – juris Rn. 14 m.w.N.). Dies ist hier der Fall, wenn sich der Vorwurf gegen den Antragsgegner erhärten sollte, er vertrete aktiv nationalistisches, nationalsozialistisches, rechtes oder fremdenfeindliches Gedankengut oder toleriere dieses auch nur. Dann käme allein deswegen die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis in Betracht. Die Grundlagen des Beamtenverhältnisses lassen es nicht zu, Personen mit der Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt zu betrauen, die die freiheitliche demokratische Verfassungsordnung ablehnen (vgl. BayVGH, B.v. 5.10.2020 – 16b DC 20.1871 – juris Rn. 17; BVerwG, U.v. 17.11.2017 – 2 C 25.17 – juris Rn. 91; VG Regensburg, U.v. 26.11.2018 – RN 10 B DK 17.1988 – S. 17, n.v.; VG Trier, U.v. 14.8.2018 – 3 K 2486/18.TR – juris Rn. 53 ff.; OVG Sachsen-Anhalt, U.v. 15.3.2018 – 10 L 9/17 – juris Rn. 56 ff.; VG München, U.v. 8.2.2018 – M 19L DK 17.5914 – n.v.).
Nach Erlangung weiteren Materials wird sorgfältig zu prüfen sein, inwieweit der Schluss gezogen werden kann, dass der Antragsgegner die politische Treuepflicht verletzt hat. Zu klären wird sein, ob er die in den Chats genannte Black Metal Musik mit teilweise rechtsradikalen Texten nur gedankenlos konsumiert oder ob er die dortigen Inhalte unterstützt und die zugrunde liegende Ideologie teilt. Letzteres lässt der rechtsorientierte Sprachgebrauch in dem Chat vermuten.
Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist zudem zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner als Polizeibeamter in der Öffentlichkeit eine besondere Vertrauens- und Garantenstellung genießt (vgl. nur BVerwG, B.v. 2.5.2017 – 2 B 21.16 – juris Rn. 10; U.v. 10.12.2015 – 2 C 50.13 – Ls. 1 und Rn. 35 ff.). Der Erlass einer Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung ist hier auch deshalb gerechtfertigt, um nach dem ersten dringenden Verdacht gegen den Antragsgegner weitere Erkenntnisse zu erlangen und dadurch letztendlich das Ansehen der Polizei zu wahren, das erheblichen Schaden nimmt, wenn ihr angehörende Beamte – statt einer rechtsgerichteten Gesinnung entschieden entgegen zu treten – eine solche selbst innehaben.
4. Die angeordneten Maßnahmen sind von den Bestimmungen der Strafprozessordnung gedeckt.
Nach § 102 StPO kann die Durchsuchung der Wohnung und anderer Räume, der Person und der ihr gehörenden Sachen angeordnet werden, wenn zu vermuten ist, dass sie zur Auffindung von Beweismitteln führen wird. Hinsichtlich der Durchsuchung der Wohnung ist unerheblich, ob der Antragsgegner Allein- oder Mitinhaber ist (Hegmann in BeckOK StPO, Stand 1.1.2021, § 104 Rn. 8). Nach § 102 StPO ist auch die Durchsuchung des von ihm genutzten Fahrzeugs und der ihm zur Verfügung gestellten dienstlichen Schränke zulässig.
Die Durchsuchungsanordnung bezieht sich auch auf von diesen Durchsuchungsobjekten räumlich getrennte Speichermedien, soweit auf sie von den durchsuchten Räumlichkeiten aus zugegriffen werden kann (§ 110 Abs. 3 Satz 1 StPO).
Die Zulässigkeit der Beschlagnahme nicht freiwillig herausgegebener Gegenstände ergibt sich aus § 94 Abs. 2 StPO.
Die Übertragung der Befugnis zur Durchsicht der elektronischen Postfächer auf den Dienstherrn erfolgt in entsprechender Anwendung von § 100 Abs. 3 Satz 2 StPO. Eine Übermittlung der E-Mails zur Durchsicht an das Gericht würde zu einer nicht hinnehmbaren Verzögerung führen.
5. Die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung ist hinreichend bestimmt ausgestaltet. Da die Ermächtigung der Exekutive, im Wege der Durchsuchung in den grundrechtlich geschützten Bereich des Betroffenen einzugreifen, regelmäßig den Gerichten vorbehalten ist, trifft diese als Kontrollorgan zugleich die Pflicht, durch eine geeignete Formulierung des Durchsuchungsbeschlusses im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren sicherzustellen, dass der Eingriff in die Grundrechte messbar und kontrollierbar bleibt (BayVGH, B.v. 28.4.2014 – 16b DC 12.2380 – juris Rn. 22). Diesen Anforderungen genügen die tenorierten Maßnahmen.
6. Von einer Zustellung des Antrags und einer Anhörung des Antragsgegners vor Erlass des Beschlusses konnte abgesehen werden.
Zwar gebietet Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) grundsätzlich die vorherige Anhörung des Antragsgegners. Die Sicherung gefährdeter Interessen kann jedoch in besonderen Verfahrenslagen einen sofortigen Zugriff notwendig machen, der die vorherige Anhörung ausschließt (BVerfG, B.v. 16.6.1981 – 1 BvR 1094/80 – juris Rn. 52 ff.). In diesen Fällen ist der Betroffene auf eine nachträgliche Anhörung zu verweisen, was Art. 29 Abs. 1 Satz 4 BayDG i.V.m. § 33 Abs. 4 Satz 1 StPO zulässt.
Aus den dargestellten Gründen war die handelnde Behörde mit der Zustellung des Beschlusses an den Antragsgegner zu beauftragen (Art. 3 BayDG, § 173 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO, § 168 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO).
Die Kostenentscheidung bleibt, weil es sich um eine unselbständige Nebenentscheidung handelt, dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.


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