IT- und Medienrecht

Eilantrag auf Unterlassung in Bezug auf eine verwaltungsinterne Äußerung

Aktenzeichen  M 5 E 16.5852

Datum:
5.4.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 123

 

Leitsatz

1 Die alleinige Tatsache, dass sich Gerichtsverfahren über mehrere Jahre hinziehen können und ein Kläger gegebenenfalls einen längeren Zeitraum bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung abwarten muss, begründet keinen Anordnungsgrund. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine verwaltungsinterne und nicht öffentliche Stellungnahme schließt einen Abwehranspruch zwar nicht grundsätzlich aus (Anschluss an BayVGH BeckRS 2014, 55965; abweichend von OVG Münster BeckRS 2008, 34779). Gleichwohl muss der Aspekt der Nichtöffentlichkeit bei der Bewertung des Anordnungsgrundes Berücksichtigung finden. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
3 Der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch setzt voraus, dass die konkrete Gefahr einer Wiederholung der in Rede stehenden Äußerung gegeben ist. Dabei ist auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen und sind auch die Schwere des Eingriffs, die Umstände der Verletzungshandlung, der fallbezogene Grad der Wahrscheinlichkeit einer Wiederholung und die Motivation des Verletzenden zu betrachten (Anschluss an BayVGH BeckRS 2015, 49600 u.a.). (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der 1966 geborene Antragsteller steht als Oberrechtsrat (Besoldungsgruppe A 14) als Leiter des Rechtsamtes in den Diensten des Antragsgegners.
In einer Diskussion per E-Mail zwischen dem Antragsteller, der Ersten Bürgermeisterin des Antragsgegners sowie weiteren Mitarbeitern des Antragsgegners über die Erstellung einer Beschlussvorlage für die Marktgemeinderatssitzung am 7. Dezember 2016 sowie die Angelegenheit „L.“ äußerte die erste Bürgermeisterin in ihrer E-Mail vom 22. November 2016 an den Antragsteller gerichtet wörtlich: „In Sachen L. haben Sie bislang ohnehin nur auf Anweisung verwertbare Leistungen erzielt“. Daraufhin forderte der Antragsteller diese mit E-Mail vom 9. Dezember 2016 auf, die Formulierung zurückzunehmen oder konkret zu plausibilisieren. Das lehnte die Bürgermeisterin am 12. Dezember 2016 ab.
Mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2016, eingegangen bei Gericht am 23. Dezember 2016, hat der Antragsteller Klage erhoben (M 5 K 16.5853) sowie einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt und beantragt,
Der Antragsgegner hat es vorläufig zu unterlassen, die Behauptung der Ersten Bürgermeisterin in der E-Mail vom 22. November 2016 „in Sachen L. haben Sie bislang ohnehin nur auf Anweisung verwertbare Leistungen erzielt“ zu wiederholen.
Der Antragsteller habe gegenüber seinem Dienstherrn einen Anspruch auf Wahrung seiner Ehre, was sich schon aus dessen Fürsorgepflicht ergebe. Ein Anordnungsgrund liege vor, da es dem Antragsteller nicht zuzumuten sei, eine Rechtsverletzung bis zum rechtskräftigen Abschlusses des Hauptsacheverfahrens hinzunehmen.
Demgegenüber hat der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 1. Februar 2017 beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die Äußerung stelle eine aus Sicht der Ersten Bürgermeisterin zutreffende Bewertung der Leistungen des Antragstellers dar und sei als Kritik von ihr als dessen Vorgesetzter zulässig. Es bestehe keine Wiederholungsgefahr. Auch fehle es an einem Anordnungsanspruch, da dem Antragsteller kein unwiderruflicher, nicht mehr rückgängig zu machender Nachteil drohe.
Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
1. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 des § 123 Abs. 1 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, notwendig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. § 123 Abs. 1 VwGO setzt daher sowohl einen Anordnungsgrund, d. h. ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes in Form der Gefährdung eines eigenen Individualinteresses, als auch einen Anordnungsanspruch voraus, d. h. die bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage hinreichende Aussicht auf Erfolg oder zumindest auf einen Teilerfolg des geltend gemachten Begehrens in der Hauptsache. Der Antragsteller hat die hierzu notwendigen Tatsachen glaubhaft zu machen.
2. Der Antragsteller hat bereits keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Es ist nicht erkennbar, welche unwiderruflichen, nicht mehr rückgängig zu machenden Nachteile dem Antragsteller für den Fall einer Wiederholung der Aussage entstehen würden. Der Antragsteller hat hierzu, abgesehen von der Verfahrensdauer, nichts vorgetragen. Die alleinige Tatsache, dass sich Gerichtsverfahren über mehrere Jahre hinziehen können und ein Kläger gegebenenfalls einen längeren Zeitraum bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung abwarten muss, führt jedoch nicht zu einem Anordnungsgrund. Andernfalls wäre ein solcher bei jedem Klageverfahren anzunehmen, was jedoch dem Sinn und Zweck der Regelung zuwiderlaufen würde. Erforderlich ist ein über das allgemeine Interesse an einem zügigen Verfahren hinausgehendes besonderes Dringlichkeitsinteresse (Schoch in Schneider/Bier/Schoch, VwGO, Stand: Juni 2016, § 123 Rn. 81).
Bei der Bewertung der Eilbedürftigkeit ist auch zu berücksichtigen, dass es sich lediglich um eine verwaltungsinterne Äußerung handelt. Die E-Mail, in der die Aussage getätigt wurde, war ausschließlich an Mitarbeiter des Antragsgegners adressiert und gelangte nicht an die Öffentlichkeit. Zwar mag eine verwaltungsinterne und nicht öffentliche Stellungnahme nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes einen Abwehranspruch nicht grundsätzlich ausschließen (B.v. 14.8.2014 – 3 ZB 12.2776 – juris Rn. 5; a. A. wohl OVG Münster, B.v. 29.4.2008 – 6 A 930/06 – juris Rn. 3 f.). Gleichwohl muss der Aspekt der Nichtöffentlichkeit bei der Bewertung des Anordnungsgrundes Berücksichtigung finden. Schwerwiegende Nachteile für den Antragsteller sind insofern nicht erkennbar.
3. Auch das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs ist nicht glaubhaft gemacht.
Das Begehren des Antragstellers auf Unterlassung der Äußerung wäre bei Vorliegen der Voraussetzungen auf Grundlage des allgemein anerkannten öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs durchzusetzen. Dieser erfordert, dass ein rechtswidriger hoheitlicher Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen oder in sonstige subjektive Rechte des Betroffenen vorliegt und die konkrete Gefahr der Wiederholung droht. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass amtliche Äußerungen sich an den allgemeinen Grundsätzen für rechtsstaatliches Verhalten in der Ausprägung des Willkürverbots und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu orientieren haben. Aus dem Willkürverbot ist abzuleiten, dass Werturteile nicht auf sachfremden Erwägungen beruhen dürfen, d.h. bei verständiger Beurteilung auf einem im Wesentlichen zutreffenden oder zumindest sachgerecht und vertretbar gewürdigten Tatsachenkern beruhen müssen, und zudem den sachlich gebotenen Rahmen nicht überschreiten dürfen (BVerwG, B.v. 11.11.2010 – 7 B 54.10 – juris Rn. 14).
Ein Anordnungsanspruch scheidet mangels Wiederholungsgefahr aus. Der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch setzt voraus, dass die konkrete Gefahr einer Wiederholung der in Rede stehenden Äußerung gegeben ist (BVerwG, a.a.O., Rn. 14). Dabei sind die Grundsätze des zivilrechtlichen Unterlassungsanspruchs nicht unmittelbar auf den Bereich hoheitlicher Äußerungen anwendbar (NdsOVG, B.v. 25.7.2014 – 13 ME 97/14 – juris Rn. 9; auch BayVGH, B.v. 13.6.2013 – 4 CE 13.944 – juris Rn. 25). Insofern ist die von der Antragstellerseite zitierte Kommentarfundstelle im Palandt (BGB, 76. Auflage 2017, Einf. v. § 823 Rn. 29), wonach ein bereits erfolgter Eingriff die Vermutung einer Wiederholungsgefahr für gleichartige Verletzungshandlungen begründet, auf den streitgegenständlichen Sachverhalt nicht ohne weiteres übertragbar. Stattdessen ist auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen und dabei auch die Schwere des Eingriffs, die Umstände der Verletzungshandlung, der fallbezogene Grad der Wahrscheinlichkeit einer Wiederholung und die Motivation des Verletzenden zu betrachten (vgl. OVG NRW, B.v. 26.1.2004 – 12 B 2197/03 – juris Rn. 11 ff.; NdsOVG, a.a.O., Rn. 9; BayVGH, B.v. 22.7.2015 – 5 C 15.803 – juris Rn. 13, wonach die Umstände des Einzelfalls die Vermutung jedenfalls widerlegen können). Die Weigerung des Antragsgegners bzw. der Ersten Bürgermeisterin, eine rechtsverbindliche Unterlassungserklärung abzugeben, kann ein Indiz sein, nicht aber bereits für sich genommen das Vorliegen einer konkreten Wiederholungsgefahr begründen (vgl. OVG NRW, B.v. 26.1.2004, a.a.O., Rn. 11; VG Hannover, B.v. 3.6.2014 – 1 B 7660/14 – juris Rn. 65).
Es handelt sich vorliegend um eine einmalige Äußerung, die ausschließlich behördenintern in einer E-Mail getätigt wurde. Hinzu kommt, dass Anlass der Äußerung Diskussionen um die Erstellung einer Beschlussvorlage für eine Sitzung des Marktgemeinderates am 7. Dezember 2016 gewesen ist. Selbst wenn sich – wie von der Antragstellerseite vorgetragen – aus dem Haushaltsplan 2017 ergibt, dass der Antragsteller über die bloße Aktenführung hinaus auch zukünftig für den Komplex „L.“ zuständig sein sollte, ist jedenfalls die damalige Angelegenheit durch die Erstellung der Beschlussvorlage sowie die zwischenzeitlich erfolgte Sitzung des Marktgemeinderates erledigt. Es ist durch den Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, inwiefern erneut das Auftreten einer vergleichbaren Situation zu erwarten sein soll, in der die Aussage der Ersten Bürgermeisterin wiederholt werden könnte.
4. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG).


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