IT- und Medienrecht

Eintragungen in Personenstandsurkunden – Offenbarungsverbot

Aktenzeichen  11 W 556/18

Datum:
2.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
FamRZ – 2019, 64
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
TSG § 5
PStG § 55 Abs. 1 Nr. 2, § 57 Abs. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

Aus § 5 Abs. 1 TSG ergibt sich kein Anspruch auf die Ausstellung einer Eheurkunde ohne den bei Eheschließung geführten Vornamen. § 57 Abs. 1 Nr. 1 PStG hat Vorrang (Anschluss OLG Rostock, FamRZ 2017, 1340). (Rn. 14 und 15)

Verfahrensgang

UR III 6/18 2018-02-21 AGNUERNBERG AG Nürnberg

Tenor

I. Die Beschwerden der Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 21. Februar 2018 werden zurückgewiesen.
II. Die Betroffenen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
IV. Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt

Gründe

Die Betroffene zu 1) wurde am 5. November 1989 in D… geboren und zunächst mit dem Vornamen S… und dem Geburtsnamen H… in das Geburtenbuch des dortigen Standesamts eingetragen. Am 14. Dezember 2013 fand in Nürnberg die Heirat mit Frau … von E… (Betroffene zu 2) statt. Als Familienname wurde H… bestimmt.
Mit Beschluss vom 13. September 2016 stellte das Amtsgericht Nürnberg fest, dass die Betroffene dem weiblichen Geschlecht zugehört und den Vornamen N… führt. Am 22. September stellte das Standesamt D… darauf eine neue Geburtsurkunde aus, die nur den neuen Vornamen N… auswies. Mit Schreiben vom 28. Dezember 2017 beantragten die Eheleute, die Eheurkunde 2245/2013 so auszustellen, das der frühere männliche Vorname nicht ersichtlich ist. Das Standesamt Nürnberg wies diesen Antrag mit Bescheid vom 9. Januar 2018 unter Verweis auf § 55 Abs. 1 Nr. 2 und § 57 Satz 1 Nr. 1 PStG zurück.
Darauf haben die Betroffenen beim Amtsgericht Nürnberg beantragt, im Hinblick auf das in § 5 Abs. 1 TSG normierte Offenbarungsverbot das Standesamt zur Ausstellung einer Heiratsurkunde mit dem gewünschten Inhalt anzuweisen. Das Standesamt Nürnberg ist dem Antrag entgegengetreten und hat geltend gemacht, die Vorschriften ließen die Ausstellung in der gewünschten Form nicht zu. Das Offenbarungsverbot sei ohnehin nicht durchzuhalten, da auch eine Eheurkunde für zwei Frauen Rückschlüsse nahelege, wenn sie aus dem Jahr 2013 stammt.
Mit Beschluss vom 21. Februar 2018, auf den Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht Nürnberg den Antrag zurückgewiesen, weil die Vorschriften des Personenstandsrechts zu beachten seien. Sie würden nicht von § 5 TSG verdrängt, der nicht ausnahmslos gelte. Gegen diesen ihnen am 27. Februar 2018 zugestellten Beschluss haben die Betroffenen mit Schreiben vom 15. März, beim Amtsgericht Nürnberg eingegangen am 17. März 2018 Beschwerde eingelegt. Das Amtsgericht Nürnberg hat mit Beschluss vom 19. März 2018 der Beschwerde der Beschwerde nicht abgeholfen und das Rechtsmittel dem Senat vorgelegt.
Zur Begründung ihres Rechtsmittels wiederholen und vertiefen sie ihre Ausführungen zur Bedeutung des Offenbarungsverbots. Niemand habe ein Interesse, aus einer Eheurkunde Informationen über frühere, jetzt nicht mehr gültige Vornamen zu erhalten. Ehen unter gleichgeschlechtlichen Partnern habe es bei Transsexuellen aufgrund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts schon vor 2017 gegeben. Wegen der weiteren Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf die Beschwerdeschrift Bezug genommen.
Standesamt und Standesamtsaufsicht N… haben sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Die Richtigkeit der Entscheidung des Amtsgerichts ergibt sich zunächst zwanglos aus dem Wortlaut des Personenstandsgesetzes (PStG) und der dazu erlassenen Verordnung (PStV).
Nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 PStG stellt das Standesamt aus dem Eheregister Eheurkunden aus. Gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 1 PStG werden in die Eheurkunde sowohl die Vornamen und Familiennamen der Ehegatten zum Zeitpunkt der Eheschließung wie auch die sich aus dem Registereintrag zum Zeitpunkt der Ausstellung der Eheurkunde ergebenden Vornamen und Familiennamen aufgenommen. Das korrespondiert mit § 15 Abs. 1 Nrn. 2, 3 PStG, der u. a. die Eintragung der vor und nach der Eheschließung geführten Vornamen im Eheregister vorschreibt. Dieser Vorgabe, ggf. zwei verschiedene Vor- und Familiennamen in die Eheurkunde aufzunehmen, entspricht das als Anlage 6 zur PStV für die Ausstellung der Eheurkunde vorgesehene Formular, das nach § 48 Abs. 1 PStV verbindlich zu verwenden ist (Gaaz/Bornhofen, Personenstandsgesetz, 4. Aufl. § 55 Rn 10). Dieses Formular sieht wie das PStG selbst die Eintragung eines Vornamens und eines Vornamens nach der Eheschließung vor. Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum PStG erläutert in Nr. 57.2, dass in die Eheurkunde in das Feld „Vorname“ der vor der Eheschließung geführte und in das Feld „Vorname nach der Eheschließung“ der sich zum Zeitpunkt der Urkundenausstellung ergebende Name einzutragen sind.
Die Beschwerdeführer machen allerdings zu Recht geltend, § 5 Abs. 1 des Gesetzes über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen (TSG) schreibe vor, dass die Vornamen, die zur Zeit der Entscheidung über die Namensänderung geführt wurden, ohne Zustimmung des Antragstellers nicht offenbart werden dürfen, es sei denn, dass besondere Gründe des öffentlichen Interesses dies erfordern oder ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht wird. Ihnen ist auch zuzugeben, dass die Ausstellung der Eheurkunde in der vorgeschriebenen Form zumindest ihr Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes beeinträchtigt. Diese in § 57 Abs. 1 Nr. 1 PStG vorgesehene Beeinträchtigung ist aber durch den bei diesem Grundrecht vorgesehenen Gesetzesvorbehalt gedeckt.
Nach Überzeugung des Senats ergibt sich aus der Regelung in § 57 Abs. 1 Nr. 1 PStG, dass der Gesetzgeber dem Grundsatz der Wahrheit von Eintragungen in Personenstandsurkunden den Vorrang vor dem Offenbarungsverbot des § 5 Abs. 1 TSG eingeräumt hat. Das PStG vom 19. Februar 2007 (BGBl. I S. 122) ist gegenüber dem TSG vom 10. September 1980 (BGBl. I S. 1654) das jüngere und das speziellere Gesetz und hat daher schon nach allgemeinen Grundsätzen zur Geltung von Gesetzen (lex posterior derogat legi priori, lec specialis derogat legi generali) Vorrang vor diesem. Beide Gesetze wurden zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 2 und Abs. 3 des Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2787), ohne dass der Gesetzgeber Anlass gesehen hätte, das Konkurrenzverhältnis der beiden Normen aufzulösen. Der Gesetzgeber änderte weder § 57 PStG noch § 5 TSG. Auch das Formular (Anlage 6 zur PStV) blieb unverändert (Gaaz/Bornhofen, a.a.O. § 57 Rn 5).
Selbst wenn man § 57 Abs. 1 Nr. 2 PStG nicht schon aus den vorgenannten Gründen den Vorrang zugestehen wollte, müsste man im Hinblick auf die gesetzgeberische Entscheidung zumindest das Vorliegen besonderer Gründe des öffentlichen Interesses im Sinne der in § 5 Abs. 1 TSG vorbehaltenen Ausnahme bejahen. Auch wenn Ausnahmen schon im Allgemeinen und die hier in Rede stehende im Besonderen eng ausgelegt werden müssen, weil das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung in besonderer Weise tangiert ist (Nomos-BR/Augstein, TSG, § 5 Rn 1), ist doch die Entscheidung des Gesetzgebers des PStG zu respektieren. Die Lage ist hier wegen dieser Entscheidung anders als bei sonstigen Zeugnissen privater und öffentlicher Stellen, die nach der Rechtsprechung neu ausgestellt werden müssen, um Transsexuelle nicht zur Offenlegung ihrer Vergangenheit bei jeder Bewerbung zu zwingen (LAG Hamm NZA-RR 1999, 455; Spickhoff, Medizinrecht, 2. Aufl. § 5 Rn 1; Augstein, a. a. O. Rn 2 unter Hinweis auf entsprechende ministerielle Erlasse und vor allem auf Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG).
Die Beeinträchtigung des Grundrechts der Beschwerdeführerinnen wird wesentlich dadurch gemildert, dass nach § 63 Abs. 2 PStG nur der betroffenen Person selbst sowie ihrem Ehegatten eine Personenstandsurkunde aus dem Eheeintrag erteilt werden darf. Die Offenbarung erfolgt – objektiv betrachtet – nur mit ihrer Zustimmung, auch wenn es Konstellationen geben mag, in denen sie zur Vorlage einer Eheurkunde und damit zu dieser Zustimmung aus besonderen Gründen gezwungen sind.
Der Senat schließt sich einer Entscheidung des OLG Rostock vom 2. Mai 2017 (FamRZ 2017, 1340) an, das in einem vergleichbaren Fall ebenfalls entschieden hat, dass es keinen Anspruch auf Ausstellung einer Eheurkunde gebe, die bereits für den Zeitpunkt der Eheschließung den später aufgrund einer Entscheidung nach dem TSG angenommenen Vornamen gebe. Dem Offenbarungsverbot komme kein Vorrang gegenüber dem Grundsatz der Register- und Urkundenwahrheit des Personenstandsrechts zu. Auch wenn die Eheurkunde wie gewünscht ausgestellt werde, könne sie Anlass zu Nachfragen bieten, etwa weil die sonst vorhandenen Leittexte Ehemann/Ehefrau fehlten (in diesem Sinne schon Kraus, StAZ 2011, 377).
Das Offenbarungsverbot ist ohnehin nicht lückenlos durchzuhalten. Auch die Rechtsprechung zu anderen öffentlichen Registern gibt dem Grundsatz der Registerwahrheit den Vorrang gegenüber dem Offenbarungsverbot des § 5 Abs. 1 TSG. So bleiben im Handelsregister die früheren Vornamen von Gesellschaftern unverändert eingetragen (BGH DNotZ 2015, 780; OLG Schleswig, FamRB 2014, 340 m. Anm. Heinemann). Gleiches gilt für das Grundbuch (KG vom 8. März 2018 – 1 W 439/17). Dem öffentlichen Interesse an Richtigkeit und Vollständigkeit der öffentlichen Register wird der Vorrang vor dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung bzw. § 5 Abs. 1 TSG eingeräumt (in diesem Sinne auch OLG Frankfurt zu einem Antrag auf Löschung des ursprünglichen Vornamens im Geburtenregister, StAZ 2016, 45 ff.). Die zu Gunsten des Offenbarungsverbots ergangene Entscheidung des AG Nürnberg vom 8. Februar 2005 (BeckRS 2005,18677) betraf die Ausstellung einer mittlerweile gesetzlich nicht mehr vorgesehenen Abstammungsurkunde und musste sich nicht mit einer gesetzlichen Regelung auseinandersetzen, die die Eintragung des zum Geburtszeitpunkt geführten Namens anordnete. Sie ist vereinzelt geblieben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG, die Festsetzung des Verfahrenswertes auf § 36 Abs. 3 GNotKG.
Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, weil die streitentscheidende Frage bisher noch nicht höchstrichterlich geklärt ist (§ 70 Abs. 2 FamFG).


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