IT- und Medienrecht

Erfolgreicher Eilantrag gegen Veröffentlichung der Überschreitung von Dioxin-Grenzwerten bei Eiern

Aktenzeichen  RO 5 E 19.1450

Datum:
19.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 19854
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
LFGB § 40 Abs. 1a Nr. 1, Abs. 4 S. 2
VwGO § 123
VO (EG) Nr. 178/2002 Art. 10, Art. 14

 

Leitsatz

1. Die Veröffentlichung von Informationen nach § 40 Abs. 1a LFGB kann die Gesetzesziele der Verbraucherinformation und der Einhaltung lebensmittel- und futtermittelrechtlicher Vorschriften nur dann erreichen und damit verhältnismäßig sein, wenn diese Informationen richtig sind. (Rn. 17 – 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Inwieweit Veröffentlichungen nach § 40 Abs. 1a LFGB im Übrigen praktisch zu einer gehaltvollen Information der Öffentlichkeit taugen, hängt maßgeblich davon ab, wie die Behörden die Informationen aufbereiten und darstellen (Anschluss an BVerfG BeckRS 2018, 7272). (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine sog. Abhilfemitteilung nach § 40 Abs. 4 Satz 1 LFGB dürfte auch für Verstöße nach § 40 Abs. 1 a Nr. 1 LFGB erforderlich sein. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig untersagt, die sich aus dem Anhörungsschreiben vom 05.07.2019 ergebenden geplanten Informationen auf der Internetseite des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit zu veröffentlichen.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen eine vom Antragsgegner beabsichtigte Information der Öffentlichkeit.
Die Antragstellerin betreibt mehrere Hühnerfarmen und vertreibt die dort produzierten Eier über den Lebensmitteleinzelhandel. Im Rahmen von Probenahmen am 13.05.2019 zur Eigenkontrolle wurde bei den von der Antragstellerin produzierten Eiern aus den Ställen 2 und 3 (Freilandhaltung) der Farm …, …, …, Printnummer …, eine Überschreitung des zulässigen Höchstgehalts für die Summe PCDD/F und PCB (Dioxine) festgestellt. Eine amtliche Probenahme von Eiern durch die Lebensmittelüberwachung des Antragsgegners erfolgte am 14.06.2019. Dabei wurde bei den beprobten Eier aus den Ställen 2 und 3 (Freilandhaltung) eine Überschreitung des Grenzwertes beim Wert der Summe von Dioxinen, Furanen und dl-PCB festgestellt. Eine weitere Probennahme der Eier aus Freilandhaltung erfolgte am 18.06.2019. Dabei wurde ebenfalls eine Überschreitung des Grenzwertes beim Wert der Summe von Dioxinen, Furanen und dl-PCB festgestellt.
Mit Schreiben vom 28.06.2019 teilte das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) dem Antragsgegner mit, dass es im Rahmen der toxikologischen Bewertung der Proben mit Überschreitungen des Höchstgehalts für die Summe PCDD/F und dl-PCB zu dem Ergebnis komme, dass davon ausgegangen werden könne, dass die vorliegenden Probeneier unter den Bedingungen der Kurzzeitaufnahme (bei akutem Verzehr) nicht gesundheitsschädlich seien. Für die Bedingungen der Langzeitaufnahme (bei chronischem, regelmäßigem und täglichem Verzehr) sei für die vorliegenden Proben jedoch von einer Eignung zur Gesundheitsschädigung auszugehen. Die Proben würden daher insgesamt unter Berücksichtigung von Art. 14 Abs. 3 und 4 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 als gesundheitsschädlich und damit als nicht sicher gem. Art. 14 Abs. 2 Buchstabe a der gleichen Verordnung beurteilt. Lebensmittel, die nicht sicher seien, dürften gemäß Art. 14 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 nicht in den Verkehr gebracht werden. Bei der festgestellten Gesundheitsschädlichkeit handle es sich um eine Wirkung, die nur bei langandauerndem Konsum des Produktes auftreten könne. Diese Wirkung könne durch beim Endverbraucher vorliegende haushaltsübliche Mengen des Produkts nicht hervorgerufen werden. Daher gehe von dem Produkt kein relevantes Risiko im Sinne des Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 aus. Diese Feststellungen übermittelte die Bayerische Kontrollbehörde für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (KBLV) bereits vorab mit E-Mail vom 12.06.2019 einer Mitarbeiterin der Antragstellerin. Die KBLV teilte weiter mit, dass somit auch kein öffentlicher Rückruf erforderlich sei. Allerdings seien die Eier aus dem Verkehr zu nehmen und zu entsorgen, da sie als nicht sicher für den menschlichen Verzehr gelten.
Mit Schreiben vom 05.07.2019 wurde die Antragsgegnerin zur geplanten Veröffentlichung angehört. Es wurde der Antragsgegnerin mitgeteilt, dass gem. § 40 Abs. 1a Nr. 1 LFGB die Veröffentlichung folgender Information beabsichtigt sei:
„In Eiern von Hühnern aus der Farm …, …, Ställe 2 und 3 (Freilandhaltung) der … mit Sitz in …, …, wurde eine Überschreitung des zulässigen Höchstgehalts für die Summe PCDD/F und des PCB festgestellt. Die Eier wurden vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit mit Schreiben vom 28.06.2019 als gesundheitsschädlich eingestuft. Sie sind damit kein sicheres Lebensmittel und dürfen nicht in den Verkehr gebracht werden.“
Mit Schreiben vom 10.07.2019 nahm der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin zu der beabsichtigten Veröffentlichung Stellung. Mit Schreiben vom 22.07.2019 wurde dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin mitgeteilt, dass an der Information der Öffentlichkeit grundsätzlich festgehalten werde. Es werde lediglich der Zusatz mitaufgenommen, dass sich keine Eier aus den betroffenen Ställen mehr im Handel befänden. Mit Schreiben vom 08.08.2019 teilte der Antragsgegner dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin mit, dass entgegen der bisherigen Auffassung der versprochene Zusatz im Veröffentlichungstext nun doch nicht beigefügt werden könne. Es sei geplant, die Öffentlichkeit mit dem Text in der Fassung des ursprünglichen Anhörungsschreibens vom 05.07.2019 zu informieren. Als Zeitpunkt der Veröffentlichung sei der Montag, 12.08.2019, 12 Uhr angedacht.
Mit Schriftsatz vom 09.08.2019, eingegangen bei Gericht per Fax am selben Tag, ließ die Antragstellerin einen Antrag nach § 123 VwGO stellen.
Die Antragstellerin trägt im Wesentlichen vor, dass die vom Antragsgegner beabsichtigte Veröffentlichung gegen das Übermaßverbot verstoße, da nach allgemeiner Lebenserfahrung keine betroffene Ware mehr im Umlauf sei, von der betroffenen Ware bei Verzehr haushaltsüblicher Mengen keine Gesundheitsschädlichkeit ausgehe und somit ein relevantes Risiko im Sinne des Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 nicht vorliege und durch Einstellung der Produktion in den betroffenen Ställen durch die Antragstellerin in Zukunft keine weiteren Eier in den Handel gelangen können. Eine – zumal pauschale – Information der Verbraucher durch den Antragsgegner über die Belastung der ohnehin nicht mehr im Umlauf befindlichen Ware führe damit im besten Fall zu einer Verunsicherung der Verbraucher über die Sicherheit des Produkts „Ei“, nicht jedoch zu einer Verbesserung der Lebensmittelsicherheit im Allgemeinen oder im Speziellen. Der Schutzzweck der Norm könne durch eine Veröffentlichung nicht erreicht werden. Auf der anderen Seite belaste eine – zudem verfälschte – Veröffentlichung die Antragstellerin ganz erheblich in ihrer Geschäftstätigkeit und bedrohe damit letztlich knapp 100 Arbeitsplätze, sollten die Kunden der Antragstellerin die Geschäftsbeziehungen mit der Antragstellerin überdenken. Die vom Antragsgegner angekündigte Veröffentlichung habe daher gänzlich zu unterbleiben. Selbst wenn diese Auffassung nicht geteilt werden würde, müsste der Antragsgegner in jedem Fall eine inhaltlich zutreffen Information vornehmen. Die beabsichtigte Veröffentlichung enthalte die Ausführung, dass die Eier als gesundheitsschädlich eingestuft worden seien. Diese Information sei grob verkürzt und somit falsch. Beim Verbraucher als Adressaten einer Veröffentlichung würde dies einen gänzlich falschen Eindruck erwecken. Der unbefangene Leser müsse aus der gewählten Formulierung des Antragsgegners den Eindruck erhalten, die von ihm verzehrten Eier seien gesundheitsschädlich und damit gefährlich gewesen. Dies sei jedoch mitnichten der Fall. Die Feststellung des LGL zur Gesundheitsschädlichkeit der betroffenen Eier stehe vielmehr unter bestimmten Voraussetzungen, nämlich einem länger andauernden und intensiven Verzehr großer Mengen betroffener Eier, wie es haushaltsüblich nicht vorkommen könne. Diese Differenzierung sei evident ein ganz relevanter Faktor. Sie müsse sich in der Veröffentlichung wiederspiegeln, da gerade hierin die relevante Information für den Verbraucher liege. Der unbedarfte Leser der Veröffentlichung könne sich aus dem Text der Veröffentlichung die tatsächlichen (nicht bestehenden) toxikologischen Feststellungen nicht erschließen und müsse annehmen, der Verzehr jeglicher Eier sei unmittelbar gesundheitsschädlich. Die vom Antragsgegner beabsichtigte konkrete Information sei allenfalls geeignet, bei Verbrauchern Panik hervorzurufen. Weiterhin sei darauf hinzuweisen, dass § 40 Abs. 4 Satz 2 LFGB einschlägig und zu berücksichtigen sei. Der Hinweis darauf, dass keine weitere betroffene Ware im Umlauf sei und nach Umsetzung der eingeleiteten Schließung der Farm in den Umlauf gelangen könne, sei daher zwingend. Die beabsichtigte Veröffentlichung durch den Antragsgegner würde zu erheblichen und nicht zu rechtfertigenden Verletzungen der Antragstellerin führen.
Die Antragstellerin beantragt,
dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die Information zu veröffentlichen:
„In Eiern von Hühnern aus der Farm …, …, Ställe 2 und 3 (Freilandhaltung) der … mit Sitz in …, …, wurde eine Überschreitung des zulässigen Höchstgehalts für die Summe PCDD/F und des PCB festgestellt. Die Eier wurden vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit mit Schreiben vom 28.06.2019 als gesundheitsschädlich eingestuft. Sie sind damit kein sicheres Lebensmittel und dürfen nicht in den Verkehr gebracht werden.“
Hilfsweise, dem Antragsgegner aufzugeben, nur eine Information zu veröffentlichen, welche die Befunde des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit aus dem Schreiben vom 28.06.2019 korrekt wiedergibt und deutlich macht, dass nur bei langanhaltendem chronischem, regelmäßigem und täglichem Verzehr von einer Eignung zur Gesundheitsschädigung ausgegangen werden kann sowie (nach mittlerweile erfolgter Aufgabe der betreffenden Farm) keine weiteren Eier mehr in den Handel gelangen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Antragsgegner ist der Ansicht, dass Haupt- und Hilfsantrag abzulehnen seien, da kein Anordnungsanspruch bestehe. Das geplante Vorgehen sei zudem verhältnismäßig. Die E-Mail der KBLV vom 12. Juni 2019 sei nicht geeignet, die geplante Information der Öffentlichkeit als unverhältnismäßig anzusehen. Die E-Mail komme zunächst nur zu dem Ergebnis, dass die Probe als nicht sicher im Sinne des Art. 14 Abs. 2 a VO (EG) Nr. 178/2002 zu beurteilen sei. Darüber hinaus stelle die Mitteilung nur fest, dass kein öffentlicher Rückruf erforderlich sei. Zur Information der Öffentlichkeit nach § 40 Abs. 1a LFGB treffe sie keine Feststellungen. Wenn die E-Mail darlege, dass von dem Produkt kein relevantes Risiko i.S.d. Art. 10 VO (EG) Nr. 178/2002 ausgehe, so beziehe sich dies auf § 40 Abs. 1 LFGB, der ausdrücklich auf Art. 10 der genannten Verordnung Bezug nehme. Auf eine Gesundheitsgefahr oder Verbrauchergefährdung komme es im Falle des § 40 Abs. 1a LFGB nicht an. Die Äußerung der KBLV beziehe sich lediglich auf eine nicht bestehende Gesundheitsgefahr und das Erfordernis einer Warnung nach § 40 Abs. 1 LFGB. Dass diese im vorliegenden Fall nicht erforderlich gewesen sei, sei unstreitig. Dass das Mindesthaltbarkeitsdatum der betroffenen Eier in der Vergangenheit liege, führe ebenfalls zu keiner anderen Bewertung der Verhältnismäßigkeit. Da der § 40 Abs. 1a LFGB anders als Abs. 1 nicht der Gefahrenabwehr diene, sei auch eine Veröffentlichung nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatum unschädlich. Dies entspreche dem generalspräventiven Zweck des § 40 Abs. 1a LFGB, insbesondere da auch vergangene Verstöße für die Konsumentscheidung der Verbraucher Bedeutung haben können. Die Information der Öffentlichkeit einschränkende Zusätze, wie sie die Antragstellerin fordere, sei nicht erforderlich. § 40 Abs. 1a LFGB sehe einschränkende Zusätze nicht vor. Zurückzuweisen sei der Vorwurf, die Veröffentlichung wäre „verfälscht“. Vor dem Hintergrund, dass Sinn und Zweck der Norm die Verbraucherinformation sei, sollte die Information auch möglichst kurz und prägnant gehalten werden. Dieses „Bestimmtheitsgebot“ einer Information der Öffentlichkeit müsse vorliegend insbesondere gerade auch für Worte gelten wie „langanhaltender, regelmäßiger Verzehr“ oder „Verzehr in haushaltsüblichen Mengen“. Es bestehe die Gefahr einer Verwirrung des Verbrauchers, da jeder Verbraucher wohl ein anderes Verständnis für die genannten Worte besitze. Zudem sei die Vollzugsbehörde gehalten, die Information der Öffentlichkeit über die Website des LGL zu vollziehen. In diesem Rahmen stehe der Vollzugsbehörde eine Eingabemaske zur Verfügung, auf welche die entsprechenden Daten, insbesondere des Betriebs des Produktes, eingegeben werden können. Individuelle Anmerkungen seien nicht möglich. Eine Einschränkung ergebe sich auch nicht aus § 40 Abs. 4 Satz 2 LFGB. Zunächst verbiete diese keine Veröffentlichung, sondern schreibe lediglich vor, dass bei der Mangelbeseitigung in der Information der Öffentlichkeit darauf hinzuweisen sei. Im vorliegenden Fall sei aber keine Mangelbeseitigung gegeben. Als der der zur Veröffentlichung zu Grunde liegende Mangel sei hier die Grenzwertüberschreitung bei einem bestimmten Lebensmittel zu sehen. Anders als Hygienemängel, die jederzeit beseitigt werden können, könne die Grenzüberschreitung nicht mehr nachträglich beseitigt werden. Dementsprechend sehe die Eingabemaske auf der Seite des LGL den Zusatz der Mängelbeseitigung nach Abs. 4 Satz 2 nur für Verstöße nach § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakte des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat Erfolg.
1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere statthaft. Dem steht der in § 123 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) normierte Vorrang des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO nicht entgegen. Bei der von dem Antragsgegner beabsichtigten Veröffentlichung im Internet handelt es nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 BayVwVfG. Sie dient vielmehr lediglich der Information der Öffentlichkeit und ist nicht auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet, sodass ihr das Merkmal der Regelung fehlt.
2. Der Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung ist auch begründet. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO.
Die vom Antragsgegner beabsichtigte Internetveröffentlichung des Produktes „Eier von Hühnern aus der Farm …, …, Ställe 2 und 3 (Freilandhaltung) der … in Bezug auf die Überschreitung des zulässigen Höchstgehalts für die Summe PCDD/F und des PCB unter Nennung des Betriebes der Antragstellerin könnte wegen der möglichen Auswirkung auf das Verbraucherverhalten und der damit verbundenen gravierenden wirtschaftlichen Folgen einen weitreichenden Eingriff in den Gewerbebetrieb der Antragstellerin zur Folge haben, der auch bei einem Obsiegen der Antragstellerin in einem eventuellen Hauptsacheverfahren nicht bzw. nicht vollständig rückgängig gemacht werden könnte. Wirksamen Schutz kann daher letztlich nur die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bieten.
a) Ein Anordnungsgrund ist aufgrund der für den 12.08.2019 um 12.00 Uhr geplanten Veröffentlichung der streitgegenständlichen Informationen gegeben.
b) Der Anordnungsanspruch auf Unterlassung folgt daraus, dass sich die vom Antragsgegner beabsichtigte Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a Nr. 1 Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) als unverhältnismäßig und damit rechtswidrig erweist. Die vom Antragsgegner geplante Veröffentlichung ist zwar grundsätzlich zulässig, insbesondere steht dem nicht entgegen, dass sich die betroffenen Eier wohl nicht mehr im Handel befinden; denn nicht nur die Publikation anhaltender, sondern auch die Veröffentlichung bereits beseitigter Verstöße ist zur Zweckerreichung geeignet. Das gilt insbesondere im Hinblick auf den generalpräventiven Zweck der Regelung des § 40 Abs. 1a LFGB. Die Publikation behobener Verstöße erhöht die abschreckende Wirkung der Informationsregelung und fördert damit die Einhaltung der einschlägigen Vorschriften. Daneben dient die Veröffentlichung behobener Verstöße auch dem Ziel der Verbraucherinformation, weil auch Informationen über rechtsverletzendes Verhalten in der Vergangenheit für die Konsumentscheidung Bedeutung haben können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. März 2018 – 1 BvF 1/13 -, BVerfGE 148, 40-64, Rn. 38). Die vom Antragsgegner beabsichtigte Veröffentlichung erweist sich jedoch in ihrer konkreten Form als unzureichend.
Die geplante Veröffentlichung der Information findet ihre Rechtsgrundlage in § 40 Abs. 1a LFGB. Hiernach informiert die zuständige Behörde die Öffentlichkeit unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels sowie unter Nennung des Lebensmittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel hergestellt oder behandelt oder in den Verkehr gelangt ist, wenn der durch Tatsachen, im Falle von Proben nach § 39 Abs. 1 Satz 2 auf der Grundlage mindestens zweier unabhängiger Untersuchungen von Stellen nach Art. 12 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004, hinreichend begründete Verdacht besteht, dass in Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes festgelegte zulässige Grenzwerte, Höchstgehalte oder Höchstmengen überschritten wurden (Ziffer 1).
Dabei soll § 40 Abs. 1a LFGB in erster Linie eine hinreichende Grundlage für eigenverantwortliche Konsumentscheidungen der Verbraucher schaffen sowie (nachrangig) zur Einhaltung der Bestimmungen des Lebensmittel- und Futtermittelrechts beitragen. Der drohende Nachteil der Informationsverbreitung soll das einzelne Unternehmen dazu veranlassen, den Betrieb im Einklang mit den lebensmittel- und futtermittelrechtlichen Bestimmungen zu betreiben (vgl. BT-Drs. 17/7374, S. 2; BT-Drs. 17/12299, S. 7; BVerfG, Beschluss vom 21. März 2018 – 1 BvF 1/13 -, juris, Rn. 29, 32, OVG NRW, Beschluss vom 15. Januar 2019 – 13 B 1587/18 -, juris, Rn. 20 und OVG NRW, Beschluss vom 14. März 2019 – 13 B 67/19 -, Rn. 14 – 15, juris).
Die Vorschrift des § 40 Abs. 1a LFGB wurde mit Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21.03.2018 als insofern mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar erklärt, als die dort angeordnete Veröffentlichung nicht zeitlich begrenzt ist. Jedoch war die Vorschrift bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens aber bis zum 30. April 2019 weiter anzuwenden. Durch das Erste Gesetz zur Änderung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches vom 24. April 2019 wurde in § 40 LFGB schließlich der Absatz 4a eingefügt, wonach die Information nach Absatz 1a einschließlich zusätzlicher Informationen nach Absatz 4 sechs Monate nach der Veröffentlichung zu entfernen ist. Aber auch unabhängig von der Frage der Befristung ist § 40 Abs. 1a LFGB verfassungskonform auszulegen und anzuwenden, um die Verhältnismäßigkeit der Veröffentlichung im Einzelfall zu gewährleisten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. März 2018 – 1 BvF 1/13 -, juris, Rn. 24 u. 56 ff.; OVG NRW, Beschluss vom 15. Januar 2019 – 13 B 1587/18 -, juris, Rn. 24 ff. und OVG NRW, Beschluss vom 14. März 2019 – 13 B 67/19 -, Rn. 16 – 17, juris).
So ist nur die Verbreitung richtiger Informationen zur Erreichung des Informationszwecks geeignet. Die zuständigen Behörden haben bei der Rechtsanwendung von Verfassung wegen Vorkehrungen zu treffen, um die Richtigkeit der Information zu sichern und Fehlvorstellungen der Verbraucher zu vermeiden. Inwieweit Veröffentlichungen nach § 40 Abs. 1a LFGB im Übrigen praktisch zu einer gehaltvollen Information der Öffentlichkeit taugen, hängt maßgeblich davon ab, wie die Behörden die Informationen aufbereiten und darstellen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. März 2018 – 1 BvF 1/13 -, juris, Rn. 39 ff.; OVG NRW, Beschluss vom 15. Januar 2019 – 13 B 1587/18 -, juris, Rn. 32 ff. und OVG NRW, Beschluss vom 14. März 2019 – 13 B 67/19 -, Rn. 18 – 19, juris).
Dies zugrunde gelegt erweist sich die vom Antragsgegner beabsichtigte Veröffentlichung als unverhältnismäßig, weil die vom Antragsgegner zur Publikation vorgesehenen Informationen in dieser konkreten Form nicht zur Erreichung des Informationszwecks geeignet sind. Vielmehr können durch sie für eventuelle Verbraucherentscheidungen maßgebliche Fehlvorstellungen über den Verstoß entstehen. So enthält die zur Veröffentlichung vorgesehene Information (vgl. Anhörungsschreiben vom 05.07.2019, Blatt 97 der Behördenakte) folgenden Passus:
„Die Eier wurden vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit mit Schreiben vom 28.06.2019 als gesundheitsschädlich eingestuft“.
Zwar hat das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) in seinem Schreiben vom 28.06.2019 die Proben aus rechtlicher Sicht insgesamt unter Berücksichtigung von Art. 14 Abs. 3 und 4 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002, der eine Gesamtschau der sofortigen/kurzfristen und langfristigen Auswirkungen vorsieht, als gesundheitsschädlich und damit als nicht sicher gem. Art. 14 Abs. 2 Buchst. a) Verordnung (EG) Nr. 178/2002 eingestuft, sodass die Eier damit gemäß Art. 14 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 nicht in den Verkehr gebracht werden dürfen. Das LGL ist in diesem Schreiben jedoch auch zu dem – gerade für den Endverbraucher relevanten – Ergebnis gekommen, dass die Eier unter den Bedingungen der Kurzzeitaufnahme (bei akutem Verzehr) nicht gesundheitsschädlich seien. Für die Bedingungen der Langzeitaufnahme (bei chronischem, regelmäßigem und täglichem Verzehr) sei für die vorliegenden Proben von einer Eignung zur Gesundheitsschädigung auszugehen. Bei der festgestellten Gesundheitsschädlichkeit handle es sich um eine Wirkung, die nur bei langandauerndem Konsum des Produktes auftreten könne. Diese Wirkung könne durch beim Endverbraucher vorliegende haushaltsübliche Mengen des Produkts nicht hervorgerufen werden (vgl. Blatt 139-140 der Behördenakte).
Damit kann jedoch nicht – wie aber in dem Antragsgegner konkret beabsichtigten Veröffentlichungstext suggeriert wird – pauschal von einer Gesundheitsgefahr, insbesondere nicht für den normalen Durchschnitts- bzw. Endverbraucher, ausgegangen werden. Eine derartige nicht weiter ins Detail gehende Information würde beim verständigen Verbraucher jedoch gerade den Eindruck einer allgemein bestehenden Gesundheitsgefahr erwecken und damit zu einer nach den Ergebnissen des LGL in dieser Form nicht gerechtfertigten Verunsicherung führen. Da gerade der Endverbraucher ein großes Interesse daran hat, differenziert zu erfahren, ob bereits der einmalige Verzehr des betroffenen Produkts zu einer Gesundheitsgefahr führt bzw. bei welcher Verzehrsmenge die Gefahr einer Gesundheitsschädigung besteht, ist die streitgegenständliche Information in der Form, wie sie zur Veröffentlichung beabsichtigt ist (vgl. Anhörungsschreiben vom 05.07.2019) nicht zur Erreichung des Informationszwecks geeignet und erweist sich damit als unverhältnismäßig.
Die somit vorzunehmende Folgenabwägung fällt angesichts der schwerwiegenden wirtschaftlichen Konsequenzen, die durch eine Internetveröffentlichung zu befürchten sind, zu Gunsten der Antragstellerin aus (vgl. dazu auch VG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Oktober 2018 – 16 L 2978/18 -, juris).
Da der Hauptantrag auf eine Unterlassung der Veröffentlichung des vom Antragsgegner im Anhörungsschreiben vom 05.07.2019 wortwörtlich genannten Textes zielt und sich diese beabsichtigte Information in ihrer konkreten Form bereits aufgrund den darin enthaltenen Ausführungen zur Gesundheitsgefährdung (insgesamt) als unverhältnismäßig erweist, war bereits dem Hauptantrag stattzugeben.
Einer Entscheidung über den Hilfsantrag, insbesondere ob es vorliegend auch einer sog. Abhilfemitteilung bedarf – die von Seiten des Antragsgegners im Übrigen nur aufgrund von EDV-Problemen nicht beigefügt wurde (vgl. Blatt 22 und 101-102 der Behördenakte) -, bedarf es somit grundsätzlich nicht. Jedoch dürfte es für den Endverbraucher auch bei der Überschreitung zulässiger Grenzwerte, Höchstgehalte oder Höchstmengen durchaus von großem Interesse sein, ob er noch in Berührung mit dem belasteten Lebensmittel kommen kann, der Verstoß also noch fortbesteht und ein solcher Zusatz insofern zu einer gehaltvollen Information der Öffentlichkeit beitragen wird. Da sich der mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches vom 24. April 2019 neu eingefügte § 40 Abs. 4 Satz 2 LFGB weder explizit nur auf Absatz 1 noch explizit nur auf Absatz 1a Nr. 3 bezieht und man unter einem „der Veröffentlichung zugrunde liegenden Mangel“ sicherlich auch die Überschreitung zulässiger Grenzwerte, Höchstgehalte oder Höchstmengen fassen kann, dürfte einem solchen Ergebnis weder die Gesetzessystematik noch der Gesetzeswortlaut entgegenstehen. Auch das Bundesverfassungsgericht unterscheidet nicht zwischen Hygienemängeln oder sonstigen Verstößen, sondern führt ganz allgemein dazu in seinem Beschluss vom 21. März 2018 – 1 BvF 1/13 -, juris, Rn. 40, wie folgt aus:
„Die zuständigen Behörden müssen die Information mit der Mitteilung verbinden, ob und wann ein Verstoß behoben wurde. Dies ist verfassungsrechtlich unerlässlich. Ansonsten wäre die Veröffentlichung des Verstoßes zur Erreichung des Informationsziels nicht geeignet, weil die Fehlvorstellung entstehen könnte, der Verstoß bestehe fort. Für die Verbraucherentscheidung wird es regelmäßig eine Rolle spielen, ob und wie schnell ein Verstoß abgestellt wurde.“
Wenn der Antragsgegner darauf hinweist, dass die Grenzwerteüberschreitung, die für ein konkretes Lebensmittel getestet wurde, im Nachhinein nicht mehr beseitigt werden könne, so ist dem natürlich zuzustimmen. Der Sinn und Zweck der Einführung des Abs. 4 Satz 2 liegt jedoch gerade darin, den Endverbraucher entsprechend den Vorgaben des BVerfG auch darüber zu informieren, ob er mit dem jeweiligen Mangel bzw. Verstoß – das BVerfG spricht in seinem Beschluss ganz allgemein von „Verstoß“ – derzeit oder ggf. auch in der Zukunft noch in Berührung kommen kann. Insofern neigt die Kammer in erster Einschätzung dazu, eine sog. Abhilfemitteilung nach § 40 Abs. 4 Satz 1 LFGB auch für Verstöße nach § 40 Abs. 1 a Nr. 1 LFGB für erforderlich zu halten. Daran kann freilich auch die Tatsache nichts ändern, dass es nach Angaben des Antragsgegners im Rahmen der Eingabemaske nicht möglich sei, individuelle Anmerkungen hinzuzufügen. Dies ist der Sphäre des Antragsgegners zuzuordnen und kann nicht dazu führen, dass aufgrund von EDV-Einstellungen eine in dieser Form nicht dem Gesetz entsprechende oder unverhältnismäßige Information veröffentlicht wird.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, da der Antragsgegner unterlegen ist.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, dessen Empfehlungen die Kammer folgt. Gemäß Nr. 25.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist für sonstige Maßnahmen im Lebensmittelrecht der Jahresbetrag der erwarteten wirtschaftlichen Auswirkung, sonst der Auffangwert anzusetzen. Da keine Anhaltspunkte hinsichtlich der Höhe der erwarteten wirtschaftlichen Auswirkungen im Falle einer Veröffentlichung der streitgegenständlichen Informationen bestehen, war der Auffangwert anzusetzen. Im Hinblick auf den vorläufigen Charakter der Entscheidung hat das Gericht diesen Wert für die Streitwertfestsetzung halbiert (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs).


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