IT- und Medienrecht

Erstattung von Kosten für Beerdigung eines nahen Angehörigen

Aktenzeichen  W 2 K 17.128

Datum:
8.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 147106
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BestG Art. 14 Abs. 2 Satz 2
BestV § 19

 

Leitsatz

1 Eine Gemeinde kann Erstattung von Beerdigungskosten nur dann verlangen, wenn sie die Notwendigkeit des unmittelbaren Tätigwerdens nicht selbst dadurch herbeigeführt hat, dass sie es unterlassen hat, zeitnah zumutbare und naheliegende Anstrengungen zur Ermittlung und Verständigung der bestattungspflichtigen Angehörigen zu unternehmen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Gemeinde hat immer vorrangig die Möglichkeit von Anordnung gegenüber den bestattungspflichtigen Angehörigen zu prüfen. Denn die gesetzlich normierte Bestattungspflicht der Angehörigen erwächst aus deren grundrechtlich verbürgtem Recht auf Totenfürsorge, in das eingegriffen wird, wenn die Gemeinde Bestattungsmaßnahmen vornimmt oder beauftragt. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
3 Richtet die Gemeinde an eine zuständige Behörde ein Amtshilfeersuchen, muss sie sich darum bemüht, eine Rückmeldung der ersuchten Dienststelle zu erhalten. (Rn. 28 – 29) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid des Marktes Zellingen vom 2. September 2014 (Az. III/1-V-5540.02.05 Nr. 128599) und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts Main-Spessart vom 30. Dezember 2016 (Az. 21-554) werden aufgehoben.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Gemäß § 101 Abs. 2 VwGO kann das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Entsprechende Einverständniserklärungen liegen mit den Schreiben des Klägerbevollmächtigten vom 26. Juni 2017 und des Beklagten vom 21. Juni 2017 vor.
Bei verständiger Würdigung des Klageantrags unter Einbeziehung des Gesamtvortrags der Klägerin ist das Klagebegehren dahingehend auszulegen, dass neben dem ablehnenden Widerspruchsbescheid vom 30. Dezember 2016 auch der eigentliche Kostenbescheid vom 2. September 2014 angefochten werden soll.
1. Mit diesem Inhalt ist die Klage zulässig und begründet.
Der verfahrensgegenständlichen Kostenerstattungsbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Heranziehung der Klägerin zu den entstandenen Beerdigungskosten kann nicht auf Art. 14 Abs. 2 Satz 2 des Bestattungsgesetzes (BestG) i.d.F. der Bek. v. 24 September 1970 (BayRS 2127-1-UG), zuletzt geändert durch Gesetz v. 2. August 2016 (GVBl. S. 246), gestützt werden.
Auf dieser Rechtsgrundlage kann eine Gemeinde nur dann Kostenerstattung verlangen, wenn sie die Notwendigkeit des unmittelbaren Tätigwerdens gem. Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG nicht selbst dadurch herbeigeführt hat, dass sie es unterlassen hat, zeitnah zumutbare und naheliegende Anstrengungen zur Ermittlung und Verständigung der bestattungspflichtigen Angehörigen zu unternehmen.
Denn Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG verpflichtet bzw. ermächtigt die Gemeinde nur dann für die Bestattung und die ihr vorausgehenden notwendigen Verrichtungen selbst oder durch vertraglich Beauftragte zu sorgen, soweit Anordnungen gem. Art. 14 Abs. 1 BestG gegenüber den Bestattungspflichtigen nicht möglich oder nicht zulässig sind oder keinen Erfolg versprechen.
Die Gemeinde hat immer vorrangig die Möglichkeit von Anordnung gegenüber den bestattungspflichtigen Angehörigen gem. § 15 i.V.m. § 1 der Verordnung zur Durchführung des Bestattungsgesetzes (Bestattungsverordnung – BestV) vom 1. März 2001 (GVBl. S. 92; BayRS 2127-1-1-UG; ber. S. 190), zuletzt geändert durch Verordnung v. 22. Juli 2014 (GVBl. S. 286), zu prüfen. Denn die gesetzlich normierte Bestattungspflicht der Angehörigen erwächst aus deren grundrechtlich verbürgtem Recht auf Totenfürsorge, in das eingegriffen wird, wenn die Gemeinde Bestattungsmaßnahmen vornimmt oder beauftragt. Gerechtfertigt ist dieser Eingriff nur dann, wenn die handelnde Gemeinde zuvor alle naheliegenden und zumutbaren Maßnahmen zu deren zeitnaher Ermittlung und Verständigung getroffen hat.
Zwar lag zum Zeitpunkt der Beauftragung des Bestattungsunternehmens am 30. Mai 2014 die Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG vor, weil zu diesem Zeitpunkt eine Anordnung gegenüber der Klägerin schon im Hinblick auf die sechsundneunzigstündige Bestattungsfrist des § 19 BestV nicht mehr erfolgversprechend gewesen wäre. Jedoch wäre es dem Beklagten, dem Name und Adresse der Klägerin bereits am 27. Mai 2014 bekannt waren, ohne weiteres möglich gewesen, die Klägerin noch am 27. Mai 2014 mittels Expressbrief anzuschreiben und so ein Zugang des Schreibens noch am 28. Mai 2014 zu gewährleisten.
Zwar ist dem Beklagten zuzugestehen, dass er diverse Bemühungen unternommen hat, die Klägerin und ihre Halbschwestern ausfindig zu machen und mit ihnen in Kontakt zu treten. Jedoch ist auch im Hinblick auf das an die für den Wohnort der Klägerin zuständige Polizeidirektion gerichtete Amtshilfeersuchen nicht nachvollziehbar, warum der Beklagte sich nicht darum bemüht hat, eine Rückmeldung der ersuchten Polizeidienststelle zu erhalten. Jenseits des Entwurfsschreibens ist der Behördenakte dazu nicht einmal ein Sendebericht für eine Faxübermittlung oder ein sonstiger Versandvermerk zu entnehmen. Mithin bleibt unklar, ob, wann und wie die Polizeidirektion das Amtshilfeersuchen überhaupt erreicht hat, geschweige denn, welche Maßnahmen sie daraufhin unternommen hat.
Allein der Versand eines solchen Schreibens – diesen einmal unterstellt – enthebt den Beklagten auch nicht der Verantwortung, nötigenfalls bei der ersuchten Stelle nachzuhaken und sich über Erfolg oder Misserfolg der erbetenen Kontaktaufnahme zu vergewissern. In diesem Wege hätte der Beklagte ohne Weiteres sicher stellen können, dass die ersuchte Polizeidirektion das Anschreiben des Beklagten mit den Informationen zum Todesfall und der Bitte um umgehende Kontaktaufnahme noch am 28. Mai 2014 in den Briefkasten der Klägerin eingelegt bzw. persönlich übergeben hätte. Diese hätte sich – auch mit Rücksicht auf den gesetzlichen Feiertag am 29. Mai 2014 – jedenfalls noch am Morgen des 30. Mai 2014 mit dem Beklagten telefonisch in Verbindung setzen oder selbst Bestattungsmaßnahmen in die Wege leiden können.
Bei einem solchen – naheliegenden und zumutbaren – Vorgehen des Beklagten wäre es nicht von vorn herein aussichtslos gewesen, dass die Klägerin als Tochter des Verstorbenen ihrer Bestattungspflicht gem. § 15 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 lit b BestV innerhalb der Bestattungsfirst des § 19 BestV nachgekommen wäre. So hat sie sich auf das Schreiben vom 3. Juni 2014 auch umgehend beim Beklagten gemeldet und ihr Interesse an der Teilnahme bei der Bestattung ihres Vaters bekundet.
Gem § 19 BestV muss eine Leiche spätestens 96 Stunden nach Feststellung des Todes bestattet bzw. im Falle einer Feuerbestattung eingeäschert sein. Da gem. § 19 Abs. 1 Satz 2 BestV Sonntage, gesetzliche Feiertag und Samstage bei der Berechnung der Bestattungsfirst außer Betracht bleiben, endete die Bestattungsfrist im vorliegenden Fall – wegen des gesetzlichen Feiertags am 29. Mai 2014 – erst am 30. Mai 2014 um 24:00 Uhr. Es wäre deshalb nicht von vornherein aussichtslos gewesen, die Klägerin auf einem der oben beschriebenen Wege vorab zu informieren und ihr beispielsweise eine Frist zur Kontaktaufnahme bis zum 30. Mai 2014, 10.30 Uhr, zu setzen. Der Beklagte selbst beauftragte die Bestattungsmaßnahmen erst am 30. Mai 2014, so dass eine zeitliche Verzögerung der Bestattungsmaßnahmen dabei nicht zu befürchten gewesen wäre.
Die sich aus der Bestattungsfrist des § 19 BestV ergebende Eilbedürftigkeit rechtfertigt keine Minderung der Sorgfaltspflichten des Beklagten bei der Ermittlung und tatsächlichen Verständigung der bestattungspflichtigen Angehörigen. Denn mit einem Tätigwerden auf der Grundlage von Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG greift er in deren grundrechtlich verbürgtes Recht auf Totenfürsorge ein. Im konkreten Fall führte das Unterlassen des Beklagten nicht nur dazu, dass die Klägerin die Bestattung ihres verstorbenen Vaters nicht selbst in die Wege leiten konnte, sondern auch dazu, dass sie nicht einmal dessen Urnenbestattung beiwohnen konnte.
Schon aufgrund dieses – wie dargelegt – rechtswidrigen Eingriffs des Beklagten in das Totenfürsorgerecht der Klägerin ist dem Beklagten eine Heranziehung der Klägerin zu den entstandenen Bestattungskosten mittels Leistungsbescheid gem. Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG verwehrt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin ernsthaft den Willen gehabt hätte, ihren Vater in ihrem Wohnort beisetzen zu lassen, oder ob eine von ihr beauftragte Beerdigung tatsächlich preislich günstiger gekommen wäre.
Offen bleiben kann außerdem, ob Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG die Gemeinde bei einer unmittelbaren Durchführung von Bestattungsmaßnahmen grundsätzlich auf die Einäscherung des Leichnams und den Verschluss der Totenasche in einer Urne beschränkt, wie es beispielsweise das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (B.v. 1.7.2015 – 19 A 2635/11 – juris) für das dortige Landesrecht annimmt, und die sich anschließende Urnenbestattung im Hinblick auf den Wegfall der aus hygienischen Gründen gebotenen Eilbedürftigkeit dem sog. gestreckten Verwaltungsvollstreckungsverfahren unterwirft. Die Urnenbeisetzung selbst war jedenfalls nicht eilbedürftig.
2. Der Klage war mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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