IT- und Medienrecht

Fahrzeug, Berufung, Vertragsschluss, Sonderzahlung, Leasingvertrag, Zustimmung, Mieter, Mangelhaftigkeit, Leasing, Zahlung, Mietvertrag, Auslegung, Mietsache, Leasingrate, Treu und Glauben, im eigenen Namen, Sinn und Zweck

Aktenzeichen  7 U 2467/20

Datum:
3.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 12587
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

15 HK O 1790/18 2020-03-30 Urt LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 30.03.2020, Az. 15 HK O 1790/18, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I sowie dieses Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann eine Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Parteien, die ein Leasingvertrag zur Finanzierung eines BMW 740d verband, streiten über den Anspruch der Beklagten auf Fortzahlung der Leasingraten nach Ende der Vertragslaufzeit bis zur tatsächlichen Rückgabe des Fahrzeugs sowie unterlassene Inspektionen in diesem Zeitraum. Ansprüche im Zusammenhang mit der Endabrechnung des Vertrages – insbesondere über ausstehende Leasingraten während der Vertragslaufzeit und die gezahlte Kaution – sind nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens.
Der streitgegenständliche Leasingvertrag wurde 2010 mit einer Laufzeit von 27 Monaten, gerechnet ab Übergabe des Fahrzeugs, bei einer Fahrleistung von 10.000 km pro Jahr sowie monatlichen Leasingraten von 988,69 € netto/1.176,54 € brutto bei einer einmaligen Leasingsonderzahlung in Höhe von 4.000 € netto/4.760 € brutto geschlossen.
In den AGB fanden sich unter anderem folgende Regelungen:
„XII. Wartung und Reparatur
Fällige Wartungsarbeiten hat der Leasingnehmer pünktlich, erforderliche Reparaturen unverzüglich durch einen vom Hersteller anerkannten Betrieb ausführen zu lassen (…).“
XVII.
Abrechnung nach regulärem Vertragsende (…)
[2] – Wird das Fahrzeug gegen den Willen des Leasinggebers nicht termingerecht zurückgegeben, werden dem Leasingnehmer für jeden überschrittenen Tag als Grundbetrag 1/30 der für die Vertragszeit vereinbarten monatlichen Leasingrate gegebenenfalls zuzüglich des durch eine Leasingsonderzahlung nicht mehr gedeckten Vorauszahlungsanteils und die durch die Rückgabeverzögerung verursachten Kosten berechnet.
Im Übrigen gelten während dieser Zeit die Pflichten des Leasingnehmers aus diesem Vertrag sinngemäß fort.
Zu näheren Einzelheiten wird auf die Anlage K1 Bezug genommen.
Das streitgegenständliche Fahrzeug wurde am 08.02.2011 übergeben; Vertragsende war der 07.05.2013.
Nach schriftlicher Mitteilung gegenüber der Klägerin durch die Beklagte vom 22.06.2012, das Leasing Fahrzeug sei mangelhaft, erhob die Beklagte am 10.07.2012 gegen die B. AG Niederlassung Dr., die Lieferantin des Leasingfahrzeugs, Klage auf Rückabwicklung des Kaufvertrages in Da.. Infolgedessen entspann sich ein Schriftwechsel zwischen den Parteien darüber, was mit dem als Beweismittel benötigten Leasingfahrzeug geschehen solle.
Mit Schreiben vom 17.04.2013, Anlage K7, wandte sich der anwaltliche Vertreter der Beklagten an die Klägerin und teilte im Wesentlichen mit:
Der Klägerin sei bekannt, dass hinsichtlich des Leasingobjektes eine Rückabwicklungsklage gegenüber der Lieferantin des Fahrzeugs anhängig sei. Das Gericht habe einen Sachverständigen mit der Prüfung der Mangelhaftigkeit beauftragt. Ein Teil der Begutachtung habe bereits stattgefunden. Weitere Begutachtungsmaßnahmen, unter anderem in einer Klimakammer, seien angekündigt. Die Dauer sei nicht abschätzbar. Es könne daher nicht sichergestellt werden, dass das Fahrzeug rechtzeitig zum Ende des Leasingzeitraums an die Klägerin zurückgegeben werden könne. Da die Beklagte aufgrund der vertraglichen Regelungen verpflichtet sei, die eigentlich der Klägerin zustehenden Gewährleistungsrechte im eigenen Namen geltend zu machen, gehe die Beklagte davon aus, dass die Klägerin sie im Rechtsstreit unterstützen und eine aufgrund der Begutachtung verzögerte Rückgabe unproblematisch sei.
Die Klägerin antwortete mit Schreiben vom 29.4.2013 (Anlage K8):
„… Einer verzögerten Fahrzeugrückgabe aufgrund der geschilderten noch erforderlichen Begutachtungen stimmen wir zu. Mit der B. AG Niederlassung Dr. wurde dies unsererseits abgestimmt.
Wir weisen darauf hin, dass im Falle eines Unterliegens Ihrer Mandantin in dem laufenden Verfahren die Leasingraten bis zur Fahrzeugrückgabe sofort und in einem Betrag zu zahlen sind.
Für den Verlängerungszeitraum erhöht sich die monatliche Leasingrate aufgrund der von Ihrer Mandantin bei Vertragsschluss geleisteten und dann aufgebrauchten Leasingsonderzahlung entsprechend.“
Eine Rückgabe des Fahrzeugs erfolgte zunächst nicht. Eine letzte Inspektion ließ die Beklagte im Mai 2013 durchführen. Die Klage auf Rückabwicklung gegen die Lieferantin blieb in allen drei Instanzen erfolglos (Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 23.06.2016, Anlage K 13; Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 15.05.2018, Anlage K 18; Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 26.11.2019, Anlage K 22). Bereits am 12.11.2015 gab die Beklagte das Fahrzeug zurück. Die Klägerin verwertete das Fahrzeug nicht vor 2018.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte schulde ihr Leasingraten auch in der Zeit nach Beendigung des Vertrages am 08.05.2013 bis zur tatsächlichen Rückgabe am 12.11.2015, also für 29 Monate und 36 Tage, bemessen nach einer täglichen Leasingrate von 45,09 € brutto (berechnet aus 1/30 der Summe aus vereinbarter monatlicher Leasingrate von 1.176,54 € zuzüglich Erhöhung wegen aufgebrauchter Sonderzahlung iHv 4.760 € brutto, geteilt durch Vertragslaufzeit von 27 Monaten, somit monatlich: 1.352,84 €; vgl. Schriftsatz vom 05.04.2018, S. 6, Bl. 16 d.A.), gesamt 40.900,69 €.
Eine Auslegung des Schreibens der Klägerin, Anlage K8, ergebe, dass die Zustimmung zur Nichtherausgabe unter der Bedingung der Zahlung erhöhter Leasingraten erfolgt sei. Daher sei der Klägerin das Fahrzeug vorenthalten worden. Jedenfalls hätte die Beklagte dem Schreiben vom 29.04.2013 widersprechen müssen, um einer Zahlungspflicht für weitere Leasingraten zu entgehen. Auch sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte leasingtypisch das Risiko eines Gewährleistungsrechtsstreits trage.
Die Beklagte schulde deshalb auch die laufleistungsunabhängig alle zwei Jahre fällige große Inspektion (Kosten: 403,36 € netto) sowie ein Nachfüllen von Bremsflüssigkeit (84,03 € netto).
Erstinstanzlich standen weitere Ansprüche aus der Endabrechnung im Raum.
In erster Instanz beantragte die Klägerin daher:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 40.900,69 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit des Mahnverfahrens zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 1.674,92 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klageerweiterung zu zahlen.
Die Beklagte beantragte,
Klageabweisung.
Die Beklagte verteidigte sich insbesondere mit dem Einwand, eine Rechtsgrundlage für die Fortzahlung der Leasingraten fehle, da das Leasingfahrzeug der Klägerin gerade nicht vorenthalten worden sei. Die Klägerin habe keinen Rücknahmewillen gehabt. Die Beklagte erhebt darüber hinaus die Einrede der Verjährung.
Das Landgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 30.03.2020, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird (§ 540 Abs. 1 ZPO), aus der – im Berufungsrechtszug als solche nicht mehr streitgegenständlichen – Endabrechnung zur Zahlung von 379,10 € nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung führte das Landgericht, soweit für die Berufung von Interesse, aus:
Hinsichtlich der Fortzahlung von Leasingraten bestehe kein Anspruch aus Ziffer XVII Nr. 2 der AGB zum Leasingvertrag, da das Tatbestandsmerkmal „gegen den Willen“ voraussetze, dass die Klägerin Rücknahmewille habe. Daran fehle es, weil die Klägerin deutlich gemacht habe, dass sie an einer Fortsetzung des Leasingvertrages durch Zahlung der Leasingraten festhalten wolle; auch die Einlassung des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung zeige, dass die Klägerin die Option der Rücknahme und die Vorhaltung des Wagens für den Gewährleistungsprozess bei sich als nachteilig bewertet habe. Wenn die Klägerin argumentiere, sie hätte das Fahrzeug zurückverlangt, wenn sie gewusst hätte, dass die Beklagte sich nicht auf ihre „Bedingung“ zur Leasingratenzahlung einlasse, sei dies unerheblich. Diese Ausführungen beruhten auf Annahmen, von denen die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt gerade nicht ausgegangen sei. Ein etwaiger Irrtum der Klägerin über einen Zahlungswillen der Beklagten konstituiere keinen Rücknahmewillen. Auch eine vertragliche Einigung über eine Fortzahlung der Leasingraten durch die Beklagte liege nicht vor. Das Schreiben Anlage K8 möge als Angebot im Sinne von § 145 BGB anzusehen sein. Die Nicht-Rückgabe des Fahrzeugs könne jedoch nicht als konkludente Annahme dieses Angebots angesehen werden. Auch ein gesetzlicher Anspruch aus § 546a Abs. 1 BGB scheide aus, da die Norm an ein Vorenthalten des Leasingobjektes anknüpfe.
Mit ihrer am 20.04.2020 beim Oberlandesgericht eingelegten und – nach Fristverlängerung – am 25.06.2020 begründeten Berufung gegen das ihr am 01.04.2020 zugestellte Urteil verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren hinsichtlich des Anspruchs auf Zahlung von Leasingraten nach Vertragsbeendigung (40.900,69 €), der unterlassenen Inspektion (403,36 €) und dem unterlassenen Nachfüllen von Bremsflüssigkeit (84,03 €) unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags weiter.
Sie beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Landgerichts München I vom 30.03.2020, Az 15 HK O 1790/18, zu verurteilen, an die Klägerin weitere 41.388,08 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 40.900,69 € seit Rechtshängigkeit des Mahnverfahrens und aus 487,39 € seit dem 03.01.2020 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt
die Zurückweisung der Berufung.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Der Senat hat am 03.02.2021 mündlich verhandelt. Auf das Protokoll sowie die gewechselten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg.
1. Ein Anspruch auf Bezahlung der Leasingraten nach Ende der Vertragslaufzeit besteht nicht.
a) Die Parteien gehen davon aus, dass der Leasingvertrag, wie vereinbart, am 07.05.2013 endete. Die Beklagte behielt das streitgegenständliche Fahrzeug ausschließlich im Hinblick auf die durchzuführende Beweisaufnahme im Gewährleistungsprozess gegen die Lieferantin. Eine stillschweigende Verlängerung des Leasingvertrages nach § 545 BGB kann darin nicht gesehen werden (und wird auch von den Parteien darin nicht gesehen). Eine andere Sichtweise trüge dem Umstand nicht hinreichend Rechnung, dass die Beklagte mit Erhebung einer Klage auf Rückabwicklung des Kaufvertrages eindeutig zum Ausdruck gebracht hat, dass sie sich von ihren vertraglichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem Leasingfahrzeug nach Möglichkeit sogar mit Rückwirkung lösen wollte. Dies war der Klägerin bekannt.
b) Ein Anspruch aus Ziff. XVII des Leasingvertrages scheidet ebenfalls aus. Die vertragliche Bestimmung setzt voraus, dass die Herausgabe des Fahrzeugs gegen den Willen der Leasinggeberin unterblieb. Daran fehlt es.
aa) Ausweislich ihrer Erklärung vom 29.04.2013, Anlage K8, hat die Klägerin „einer verzögerten Fahrzeugrückgabe aufgrund der geschilderten noch erforderlichen Begutachtungen“ ausdrücklich zugestimmt. Damit behielt die Beklagte das Fahrzeug nicht „gegen den Willen“ der Klägerin.
Richtig ist zwar, wie sich aus dem Schreiben im Weiteren ergab, dass die Klägerin erwartete, dass eine Fortzahlung der Leasingraten erfolgen werde, falls die Beklagte im Gewährleistungsrechtsstreit unterliege. Damit hat die Klägerin – anders als sie meint – jedoch schon rein tatsächlich keine „Bedingung“ für ihre Zustimmung zum einstweiligen Verbleib des Fahrzeugs bei der Beklagten erklärt. Dies folgt aus einer Auslegung des Schreibens, die danach zu erfolgen hat, wie der Adressat – hier die Beklagte – seinen Inhalt nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durfte (§§ 133, 157 BGB). Sprachlich ist die Zustimmung zum Verbleib des Fahrzeugs bei der Beklagten nicht mit der Zahlung der Leasingraten verknüpft. Insoweit erfolgte – räumlich von der, isoliert betrachtet, unbedingt erklärten Zustimmung zu einem Verbleib des Fahrzeugs bei der Beklagten durch eigenen Absatz getrennt – ein bloßer Hinweis auf eine nach Meinung der Klägerin fortbestehende Zahlungspflicht. Auch nach Sinn und Zweck kann keine echte konditionale Verknüpfung angenommen werden: Wird das Fahrzeug für weitere Begutachtungen vorgehalten – ein Einverständnis damit enthält Satz 1 des Schreibens -, so entlastet es sogar die Klägerin, wenn sie das Fahrzeug nicht auf eigene Kosten für die Begutachtung vorhalten muss.
bb) Vor diesem Hintergrund kann der Senat dahinstehen lassen, ob die Vertragsbestimmung „gegen den Willen“ einer echten rechtsgeschäftlichen Bedingung überhaupt zugänglich wäre oder ob das Tatbestandsmerkmal „gegen den Willen“ allein auf einen natürlichen Rücknahmewillen bzw. dessen Fehlen abstellt.
cc) Ein Rechtsirrtum über eine fortbestehende Zahlungspflicht ändert an diesem Befund ebenfalls nichts. Für das Mietrecht hat der BGH entschieden, dass der Wille eines Vermieters nicht auf Rückgabe der Mietsache gerichtet ist, wenn er vom Fortbestehen des Mietverhältnisses ausgeht. Aus welchem Grund der Vermieter den Mietvertrag nicht als beendet ansieht, namentlich eine vom Mieter ausgesprochene Kündigung für unwirksam ansieht, ist für den Rückschluss auf einen fehlenden Rücknahmewillen ohne Bedeutung (vgl. BGH, Urteil vom 12.07.2017 – VIII ZR 214/16, juris-Rn. 20 f. mwN). Diese Rechtsprechung ist auf den hier vorliegenden Fall zu übertragen, dass die Leasinggeberin, wie ihr Schreiben verdeutlicht, von einer fortbestehenden Zahlungspflicht ausging. Ein solcher Rechtsirrtum mag das Motiv dafür bilden, das Fahrzeug nicht zurückzufordern; entscheidend ist aber allein, dass – und nicht warum – sie der Beklagten erlaubt hat, das Fahrzeug einstweilen zu behalten.
c) Damit scheidet zugleich ein Anspruch aus § 546a Abs. 1 BGB aus. Dieser setzt ebenso wie Ziff. XVII. des Leasingvertrages ein Vorenthalten der Leasingsache voraus, mithin eine unterbliebene Rückgabe gegen den Willen der Leasinggeberin.
d) Folglich kommt ein Zahlungsanspruch nur in Betracht, wenn zwischen der Klägerin und dem Beklagten eine konstitutive Abrede dahingehend getroffen worden wäre, dass für den Zeitraum bis zur Rückgabe des Fahrzeugs die Leasingraten weiterhin geschuldet sein sollten, falls die Beklagte im Gewährleistungsrechtsstreit unterliegt. Davon ist das Landgericht zu Recht nicht ausgegangen.
aa) Ausgangspunkt im Sinne eines Angebots für eine derartige Abrede könnte nur das Schreiben der Klägerin vom 29.04.2013 sein, in dem diese darauf „hinweist“, dass (rechnerisch richtig ermittelte erhöhte) Leasingraten geschuldet seien, wenn die Beklagte den Gewährleistungsrechtsstreit verliere. Es bestehen bereits durchgreifende Zweifel daran, hierin ein echtes Angebot zu einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung zu sehen. Seiner sprachlichen Fassung nach erschöpft sich das Schreiben in einem bloßen Hinweis. Dass hierdurch die vertraglichen Grundlagen tatsächlich konstitutiv abgeändert werden sollen, ist dem Schreiben (zumindest unmittelbar) nicht zu entnehmen. Die Beklagte konnte das Schreiben dahin verstehen, dass es um einen – gleichsam vertragsimmanenten – „Warnhinweis“ handele, die Klägerin werde ggf. Leasingraten nachfordern.
bb) Selbst wenn man in dem Schreiben ein Angebot sieht, fehlt es jedenfalls an einer Annahmeerklärung der Beklagten.
(a) Unstreitig hat die Beklagte auf das Schreiben nicht gegenüber der Klägerin reagiert. Bloßes Schweigen einer Partei würde aber nicht genügen, weil Schweigen grundsätzlich ein Nullum darstellt (vgl. etwa Ellenberger in Palandt, BGB, 81. Aufl., vor § 116 Rn. 7). Es kommt somit darauf an, ob die Beklagte durch ihr Verhalten ein – unterstelltes – Angebot der Klägerin konkludent angenommen hat.
(b) Die Klägerin sieht ein solches konkludentes Verhalten ihr gegenüber darin, dass die Beklagte das Fahrzeug in Kenntnis des klägerischen Schreibens vom 29.04.2013 nicht herausgab. Darin folgt ihr der Senat nicht.
Das Verhalten der Beklagten ist ihrerseits gemäß §§ 133, 157 BGB nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte auszulegen. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls, nach denen sich bemisst, ob dem Verhalten der Beklagten ein schlüssiger Erklärungsgehalt mit dem Inhalt beigemessen werden kann, man treffe eine Vereinbarung, dass die Beklagte Leasingraten bis zur tatsächlichen Rückgabe bezahlen werde. Daran gemessen, kann allein in der Zurückhaltung des Fahrzeugs keine Zustimmung zu einer Vertragsänderung gesehen werden. Maßgeblich für die Bewertung ist für den Senat zweierlei:
(1) Zum einen stellt das Verhalten der Beklagten eine Reaktion auf das Schreiben der Klägerin vom 29.04.2013 dar. In diesem war lediglich darauf hingewiesen worden, dass eine Zahlungspflicht bezüglich aller Leasingraten bestehe, wenn der Gewährleistungsprozess verloren gehe. Wie bereits ausgeführt, stellt ein bloßer Hinweis regelmäßig gerade kein Angebot zu einer konstitutiven Vertragsänderung dar. Die Beklagte hatte daher aus ihrer Sicht keinen Anlass zu einer Reaktion, um eine – potentielle – Vertragsänderung zu verhindern. Es wäre vielmehr an der Klägerin gewesen, durch eindeutige Erklärungen eine Abänderung der vertraglichen Grundlage oder zumindest eine eindeutig konstitutive Klarstellung der aus ihrer Sicht bestehenden Vertragslage herbeizuführen. Anderenfalls – so hier – trägt sie das Risiko des Fortbestehens der ursprünglichen, ihr ungünstigen Vertragslage. Dass die Beklagte Kauffrau ist, ändert hieran nichts.
(2) Zum anderen spricht die Interessenlage der Beklagten gegen eine solche Auslegung ihres Verhaltens. Die Beklagte war, wie auch der Klägerin bekannt, an dem Leasingfahrzeug nicht mehr interessiert, wie sie durch die Rückgewährsklage gegenüber ihrer Lieferantin eindeutig zum Ausdruck gebracht hat, was der Klägerin bekannt war. Ihr Bestreben ging allein dahin, das Fahrzeug zwecks Durchführung der Beweisaufnahme des noch in erster Instanz schwebenden Prozesses zurückhalten zu können, um eine Beweisaufnahme ordnungsgemäß durchführen zu können. Das hatte sie mit ihrem Schreiben vom 17.04.2013 eindeutig zum Ausdruck gebracht. Eine konstitutive Übernahme einer zusätzlichen Verpflichtung im Zusammenhang mit einem ohnehin ungewollten Vertrag steht mit dieser Interessenlage nicht im Einklang; ein solcher Erklärungswert könnte dem Verhalten der Beklagten daher allenfalls dann beigemessen werden, wenn eine andere Deutung des Behaltens des Fahrzeugs nicht in Betracht käme. So liegt der Fall aber nicht.
Angesichts des Umstandes, dass die Klägerin in Satz 1 ihres Schreibens vom 29.04.2013 zu verstehen gab, dass sie, wie von der Beklagten erbeten, der Durchführung der „geschilderten noch erforderlichen Begutachtungen“ zustimme, konnte die Beklagte das Verhalten der Klägerin dahin verstehen, dass diese eine Durchführung der Beweisaufnahme unterstütze und daher selbst bei Rückgabe des Fahrzeugs an die Klägerin dieses nicht verwerten werde, sondern ebenfalls für die Beweisaufnahme vorgehalten hätte. Dann aber ergab eine „Verwahrung“ des Fahrzeugs durch die Beklagte für diesen Zeitraum auch unter Berücksichtigung der Interessenlage der Klägerin selbst dann Sinn, wenn keine gesonderte Vergütungsabrede getroffen würde. Denn bei Rückgabe des Fahrzeugs entstünde der Klägerin die nunmehr von der Beklagten übernommenen Last der Verwahrung. Richtig ist, dass die Klägerin ohne Rückgabe in der Zwischenzeit keine Kontrolle über die Verwendung des Fahrzeugs hätte; dies rechtfertigt aber nicht, der Erklärung der Beklagten einen Erklärungswert beizumessen, der die – der Klägerin bekannte – Interessenlage der Beklagten nicht ausreichend berücksichtigte.
Dass eine Verwahrung des Fahrzeugs durch die Beklagte tatsächlich im Interesse der Klägerin liegen konnte, zeigt die tatsächliche Handhabung im konkreten Fall: Auch nach Rückgabe des Fahrzeugs sah die Klägerin zunächst über Jahre von einer Verwertung ab, sondern verwahrte das Fahrzeug weiter. Sie behauptet selbst nicht, für diesen Zeitraum bis zur tatsächlichen Verwertung einen Anspruch auf Fortzahlung der Leasingraten aus Ziff. XVII oder § 546a BGB zu haben. Folglich ist es auf der Ebene der Wertung, anders als die Klägerin meint, nicht sachwidrig, die Klägerin in der Zeit davor an einem Vertrag festzuhalten, wonach ausweislich der von ihr selbst gestellten AGB ein Anspruch auf Fortzahlung der Leasingraten wegen Nicht-Herausgabe des Fahrzeugs nur besteht, wenn die Herausgabe gegen den Willen der Leasinggeberin unterbleibt. Dem kann die Klägerin nicht entgegenhalten, dass das Fahrzeug in der „Wartephase“ bis zur Entscheidung des Gewährleistungsprozesses an Wert verliere. Insoweit mag man erörtern, ob in einer unberechtigten Geltendmachung von Sachmängeln durch einen Leasingnehmer eine Schadensersatzpflicht begründende Pflichtverletzung liegen kann. Vorliegend macht die Klägerin jedoch zum einen keine konkrete Wertminderung des Fahrzeugs geltend, sondern verlangt die Weiterzahlung von Leasingraten; zum anderen trifft dieser Gesichtspunkt unabhängig davon zu, wer während eines Gewährleistungsprozesses das Fahrzeug vorhält. Aus demselben Grunde kann nach Ende der Vertragslaufzeit in einem bloßen Vorhalten des Fahrzeugs durch die Beklagte für den Gewährleistungsrechtsstreit keine bestimmungsgemäße Nutzung des Fahrzeugs durch die Beklagte gesehen werden.
cc) Dahin stehen kann, ob – was allerdings naheliegt – anders zu entscheiden gewesen wäre, wenn die Beklagte als Leasingnehmerin das Fahrzeug während ihrer Besitzzeit bestimmungsgemäß als Firmenwagen weitergenutzt hätte. So liegt der Fall nicht. Vorliegend hat die Beklagte eine Weiternutzung des Leasingfahrzeugs als Firmenwagen in Abrede gestellt (vgl. Schriftsatz vom 30.09.2020, S. 2, Bl. 138 d.A.); die Klägerin bestreitet diesen Vortrag nicht (vgl. ihren Vortrag in der Berufungsbegründung, S. 4, die Beklagte habe das Fahrzeug „für eigene Zwecke, nämlich für den Gewährleistungsrechtsstreit weiter vorgehalten“; ein Bestreiten liegt auch nicht in ihrem Vortrag, ebenfalls aaO, die Beklagte nutze das Fahrzeug weiter, „wie und wozu auch immer“). Dieser Befund steht im Übrigen im Einklang mit dem sonstigen Verhalten der Beklagte und den vorgelegten Unterlagen: Die Beklagte gab das Fahrzeug im November 2015 zurück, nachdem die sachverständige Begutachtung abgeschlossen war. Auch die der Akte entnehmbaren km-Stände sprechen gegen eine Nutzung als Firmenwagen nach Ende der Vertragslaufzeit: Bei Durchführung der geschuldeten Inspektion im Mai 2013 wies das Fahrzeug einen km-Stand von 21.815 km auf, bei Rückgabe im November 2015 einen solchen von 22.873 km, mithin wurden weniger als 1.000 km in ca. 2½ Jahren gefahren. Dies entspricht nicht der vorangegangenen tatsächlichen Inanspruchnahme als Firmenfahrzeug mit einer tatsächlichen Fahrleistung von ca. 10.000 km im Jahr. Die gefahrenen Kilometer erklären sich im Übrigen plausibel durch die den vorgelegten Urteilen des Landgerichts Darmstadt (dort S. 5-7) bzw. des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M. (insb. S. 14 und 16 jeweils unten) zu entnehmenden mehreren Begutachtungen einschließlich Probefahrt durch den Sachverständigen von 160 km, dem Verbringen in eine Kältekammer und Fahrten auf der Dekra-Teststrecke – laut Internet existiert eine solche etwa in K., B. – zur Messung der Höchstgeschwindigkeit. Nur ergänzend ist anzumerken, dass gerichtsbekannt ist, dass ein Fahrzeug standzeitbedingt Schaden nehmen kann, wenn es über längere Zeiträume völlig unbewegt bleibt; von daher bestünden Bedenken, aus einer völlig untergeordneten, gelegentlichen Bewegung eines Fahrzeugs ohne Weiteres auf eine bestimmungsgemäße Weiternutzung des Fahrzeugs zu schließen.
2. Da die Beklagte das Fahrzeug mit Zustimmung der Klägerin zurückhielt, ohne dass damit eine Vertragsverlängerung einherging, schuldete sie auch nicht die erst 2015 fällige große Jahresinspektion mit einem Nettobetrag von 403,36 €. Gleiches gilt für die unterbliebene Inspektion bezüglich Bremsflüssigkeit mit einem Betrag von 84,03 €.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 710 Nr. 10, 711 ZPO. Eine Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil die Entscheidung tragend auf einer einzelfallbezogenen Auslegung des Schriftverkehrs beruht.


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