IT- und Medienrecht

Fahrzeugmiete: Motorschaden durch falschen Kraftstoff ist Betriebsschaden

Aktenzeichen  13 S 13503/15

Datum:
10.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB BGB § 254 Abs. 1, § 276, § 278 Abs. 1, § 280 Abs. 1, § 535 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Der durch die Wahl des falschen Kraftstoffs (hier: Benzin statt Diesel) entstandene Motorschaden ist kein Unfallschaden, sondern ein Betriebsschaden (Anschluss an BGH BeckRS 2003, 05943 zu § 12 Abs. 1 IIe AKB aF = A.2.3.2 Abs. 2 AKB 2008). Der Motorschaden unterfällt daher nicht einer im Mietvertrag über das Fahrzeug vereinbarten Haftungsfreistellung, die sich am Leitbild der Kaskoversicherung orientiert und lediglich unfallbedingte Schäden, nicht jedoch Betriebsschäden umfasst. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das fehlerhaften Betanken eines fremden Fahrzeugs ist regelmäßig grob fahrlässig. Dies gilt erst recht, wenn auf der Innenseite des Tankdeckels des Fahrzeugs ein entsprechender ausdrücklicher Hinweis auf die Kraftstoffart angebracht ist (Anschluss an OVG Koblenz BeckRS 9998, 26542; VG Osnabrück BeckRS 2006, 22507; vgl. auch VG Kassel BeckRS 2007, 06829). (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

113 C 27219/14 2015-06-24 Endurteil AGMUENCHEN AG München

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 24.06.2015, Az. 113 C 27219/14, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts München ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 1.150,57 € festgesetzt.

Gründe

II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Der Schadensersatzanspruch der Klägerin aus § 280 Abs. 1 i.V.m. §§ 535 Abs. 1 BGB ist begründet. Insoweit wird zunächst auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Endurteils Bezug genommen (dort 1. a) und b).
2. Die Beklagte hat die Pflichtverletzung zu vertreten, §§ 280 Abs. 1, 278 Abs. 1 BGB.
Die im Mietvertrag vereinbarte Haftungsfreistellung deckt den streitgegenständlichen Schaden infolge der Falschbetankung nicht ab. Die Haftungsfreistellung orientiert sich am Leitbild der Kaskoversicherung und umfasst lediglich unfallbedingte Schäden, nicht jedoch Betriebsschäden (Ziffer I Nr. 4 der Allgemeinen Vermietbedingungen: „Brems-, Betriebs-, und reine Bruchschäden sind keine Unfallschäden“). Der durch die Wahl des falschen Kraftstoffs entstandene Motorschaden ist kein Unfallschaden, sondern ein Betriebsschaden, der nicht der vertraglichen Haftungsfreistellung unterfällt (vgl. BGH, Urteil vom 25.06.2003 – IV ZR 322/02).
Die Beklagte haftet daher gemäß § 276 BGB bereits für einfache Fahrlässigkeit. Eine Haftungsprivilegierung auf grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz ist nicht gegeben. Die Beklagte hat hier jedenfalls fahrlässig gehandelt, da sie die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat (§ 276 Abs. 2 BGB). Erforderlich ist das Maß an Umsicht und Sorgfalt, das nach dem Urteil besonnener und gewissenhafter Angehöriger des in Betracht kommenden Verkehrskreises zu beachten ist (BGH NJW 72, 151; Palandt/Grünenberg, BGB, § 276, Rn. 16). Die Beklagte handelte fahrlässig, indem sie sich nicht des benötigten Kraftstoffes vergewisserte, bevor sie tankte. Die Rechtsprechung geht bei der Betankung eines Leihfahrzeugs mit dem falschen Kraftstoff regelmäßig von einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung aus. In Anbetracht der allgemeinen Verbreitung sowohl diesel- als auch benzin-getriebener Personenkraftwagen ist es für jeden Autofahrer eine offenkundig auf der Hand liegende Selbstverständlichkeit sich vor dem Betanken jedenfalls eines fremden, erstmals von ihm benutzten Kraftfahrzeugs zu vergewissern, welches der geeignete Kraftstoff für das Fahrzeug ist. In diesem Sinn handelt es sich bei dem fehlerhaften Betanken eines fremden Fahrzeugs um ein besonders leichtfertiges Vernachlässigen einer naheliegenden, Jedermann einleuchtenden und zumutbaren Sorgfalt. Dies gilt erst recht, wenn auf der Innenseite des Tankdeckels des Fahrzeugs – wie hier – ein entsprechender ausdrücklicher Hinweis angebracht ist (vgl. VG Osnabrück, Urteil vom 30.03.2006 – 3 A 100/04 = BeckRS 2006, 22507; OVG Koblenz, Beschluss vom 26.02.2004 – 2 A 11982/03 = NVwZ-RR 2004, 366). Das Fahrzeug wurde hier von der Beklagten trotz deutlicher Hinweise sowohl auf dem Tankdeckel aus auch auf dem Tankverschluss mit Benzin statt mit Diesel betankt. Selbst wenn es bei dem Tankvorgang Nacht war und Schneetreiben herrschte bzw. es graupelte – wie die Beklagte in der Anhörung angab – ist angesichts der auffälligen Farbe und Beschriftung des Tankdeckels davon auszugehen, dass die Beklagte die angebrachten Hinweise erkennen hätte können, zumal Tankstellen in der Nacht beleuchtet sind. Es muss als fernliegend angesehen werden, dass die Betankung des Fahrzeugs bei solcher Dunkelheit und schlechtem Wetter überhaupt hätte durchgeführt werden können, die das Erkennen der Hinweise unmöglich gemacht hätte. Denn in diesem Falle ließe sich kaum erklären, wie der richtige Treibstoff überhaupt ausgewählt und in die Tanköffnung getroffen worden sein soll.
Die Beklagte hat in der Verhandlung vor dem Amtsgericht selbst eingeräumt, dass sie sich beim Tanken keine Gedanken gemacht habe.
Die Beklagte kann sich insoweit auch nicht darauf berufen, ihr sei bei Fahrzeugübergabe von einem Mitarbeiter der Klägerin mitgeteilt worden, sie bekäme ein gleichwertiges bzw. gleiches Fahrzeug wie das vorige, es funktioniere genauso wie das andere (so ihre Einlassung in der Anhörung vor der Kammer). Zum einen hat sie selbst eingeräumt eine B-Klasse statt wie zuvor eine A-Klasse bekommen zu haben, so dass ihr bewusst war, dass es sich gerade nicht um das gleiche Fahrzeug handelte. Dass ein Fahrzeug genauso funktioniert bzw. zu bedienen ist wie ein anderes, lässt noch keinen Rückschluss auf die Kraftstoffart zu. An der Funktionsweise des Fahrzeugs ändert sich für den Fahrer nichts dadurch, welchen Kraftstoff er an der Tankstelle auszuwählen hat. Es war die Pflicht der Beklagten als Mieterin eines Fahrzeuges, sich mit der Handhabung und den notwendigen Betriebsmitteln wie die Kraftstoffart des Fahrzeugs vertraut zu machen. Insbesondere hätte sie sich vor dem Tanken des benötigten Kraftstoffes vergewissern müssen. Wie bereits das Amtsgericht dargelegt hat, ist es seine Selbstverständlichkeit, sich vor dem Tankvorgang eines fremden, nur vorübergehend gemieteten Fahrzeugs über den zulässigen Kraftstoff zu informieren bzw. zu vergewissern, dass dass der richtige Kraftstoff getankt wird (vgl. VG Kassel, Urteil vom 08.03.2007 – 1 E 889/06 und OVG Koblenz, Beschluss vom 26.02.2001, a.a.O.).
Auch die von der Beklagten in der Anhörung geschilderte persönliche Situation und die angeblich mangelnde Erfahrung mit Kraftfahrzeugen können den Fahrlässigkeitsvorwurf nicht ausräumen, da es sich um einen auf die allgemeinen Verkehrsbedürfnisse ausgerichteten objektiv- abstrakten Sorgfaltsmaßstab handelt.
3. Der Klägerin ist ein Schaden in Höhe von 1.150,57 € entstanden. Insoweit wird auf diezutreffenden Gründe des angegriffenen Urteils (dort 1.d) Bezug genommen. Die Berufung wendet sich nicht gegen die Schadenshöhe und die diesbezüglichen Ausführungen des Amtsgerichts.
4. Ein Mitverschulden der Klagepartei nach § 254 BGB war hier nicht in Ansatz zu bringen. Wie oben ausgeführt war es die Pflicht der Beklagten als Mieterin eines Fahrzeuges, sich mit der Handhabung und den notwendigen Betriebsmitteln wie die Kraftstoffart des Fahrzeugs vertraut zu machen. Die angebliche Aussage eines Mitarbeiters der Klägerin, sie bekomme ein gleichwertiges Fahrzeug wie das vorher angemietete, es funktioniere genauso bzw. sei genauso zu bedienen, lässt wie bereits dargelegt, keinen Rückschluss auf die erforderliche Kraftstoffart zu. Dass ein Fahrzeug genauso funktioniert bzw. zu bedienen ist, besagt keinesfalls, dass auch der gleiche Kraftstoff zu verwenden ist. Jedenfalls entbindet eine solche Aussage die Beklagte als Mieterin nicht, sich vor dem Betanken des benötigten Kraftstoffes zu vergewissern. Tatsächlich hat sie sich jedoch nach eigener Einlassung keine Gedanken mehr gemacht. Über die Betankung wurde auch nach dem Vortrag der Beklagten nicht konkret gesprochen und sie hat auch nicht behauptet, danach gefragt zu haben. Nachdem sich auf dem Tankdeckel und Tankverschluss eindeutige Hinweise zur Kraftstoffart „Diesel“ befanden, bestand auch keine Veranlassung für die Klagepartei, darauf nochmals ausdrücklich hinzuweisen. Nicht zuletzt aufgrund dieser eindeutigen Hinweise, welche die Beklagte beim Tanken ohne weiteres erkennen können hätte, da sie ja den Tankdeckel zum Tanken abschrauben musste, kommt ein anzurechnendes Mitverschulden nicht in Betracht.
III.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708, 713 ZPO.
3. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Es handelt sich um einen Einzelfall, der keine Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung aufwirft.


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