IT- und Medienrecht

Fehlende Klagebefugnis des im Baubescheidsvorverfahren antragsgemäß nicht beteiligten Nachbarn

Aktenzeichen  Au 5 K 18.880

Datum:
22.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 31081
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 42 Abs. 2, § 113 Abs. 1 S. 1
BayBO Art. 55, Art. 71 S. 4 Hs. 2

 

Leitsatz

1 Wird antragsgemäß nach Art. 71 S. 4 Hs. 2 BayBO von einer Nachbarbeteiligung im Bauvorbescheidsverfahren abgesehen und wurde ein Nachbar dementsprechend am Vorbescheidsverfahren auch nicht beteiligt, ihm insbesondere auch nicht die Baupläne zur Unterschrift vorgelegt und der Bauvorbescheid auch nicht zugestellt, entfaltet der Bauvorbescheid gegenüber dem Nachbar keinerlei Rechtswirkungen, so dass es einer von ihm hiergegen erhobenen Klage an der Klagebefugnis fehlt.   (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2 Anders zu beurteilen wäre dies nur, wenn es an einem Antrag des vormaligen Bauherren nach Art. 71 S. 4 Hs. 2 BayBO fehlen würde und die jeweilige Bauaufsichtsbehörde gleichwohl keine Nachbarbeteiligung durchführt. Nur bei einer rechtswidrig unterbliebenen Nachbarbeteiligung sind die Grundsätze über die unterbliebene Nachbarbeteiligung im Baugenehmigungsverfahren anzuwenden und eine Klagebefugnis der Kläger anzuerkennen.  (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen haben die Kläger als Gesamtschuldner zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage, über die im Einverständnis der Beteiligten ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden konnte (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO), ist bereits unzulässig.
Die Kläger sind im vorliegenden Verfahren nicht klagebefugt gemäß § 42 Abs. 2 VwGO. Ausweislich der von der Beklagten vorgelegten Akte beantragte der vormalige Beigeladene bei der Beklagten im Formblatt, gemäß Art. 71 Satz 4 Hs. 2 BayBO von einer Nachbarbeteiligung im Bauvorbescheidsverfahren abzusehen. Aus den vorgelegten Bauakten geht weiter hervor, dass die Kläger dementsprechend am Vorbescheidsverfahren auch nicht beteiligt wurden, und ihnen insbesondere auch nicht die Baupläne zur Unterschrift vorgelegt wurden. Auch eine Zustellung des streitgegenständlichen Bauvorbescheids an die Kläger unterblieb. Dementsprechend entfaltet der Bauvorbescheid vom 11. Januar 2018 gegenüber den Klägern keinerlei Rechtswirkungen (vgl. BayVGH, B.v. 12.7.2010 – 14 CS 10.327 – juris Rn. 27; B.v. 2.9.2010 – 14 ZB 10.604 – juris Rn. 10; B.v. 28.3.2006 – 25 ZB 03.33004 – juris Rn. 2; Decker in Simon/Busse, BayBO, Stand: März 2018, Art. 71 Rn. 56; Molodovsky in Molodovsky/Famers/Waldmann, BayBO, Stand: September 2018, Art. 71 Rn. 53). Es kommt mithin nicht darauf an, ob die Kläger vom Bauvorbescheid Kenntnis erlangt haben oder in zumutbarer Weise hätten erlangen können. Unklarheiten und Streitigkeiten im Verhältnis zum Nachbarn werden bei einem solchen in der BayBO ausdrücklich vorgesehenen Prozedere damit vollständig in das nachfolgende Baugenehmigungsverfahren verlagert (Decker in Simon/Busse, a.a.O., Art. 71 Rn. 56). Anders zu beurteilen wäre dies nur, wenn es an einem Antrag des vormaligen Bauherren nach Art. 71 Satz 4 Hs. 2 BayBO fehlen würde und die jeweilige Bauaufsichtsbehörde gleichwohl keine Nachbarbeteiligung durchführt (vgl. BayVGH, B.v. 12.7.2010 – 14 CS 10.327 – Rn. 27). Nur bei einer rechtswidrig unterbliebenen Nachbarbeteiligung sind die Grundsätze über die unterbliebene Nachbarbeteiligung im Baugenehmigungsverfahren anzuwenden und eine Klagebefugnis der Kläger anzuerkennen. Dies war hier jedoch ausweislich der von der Beklagten vorgelegten Verfahrensakte nicht der Fall. Hier war es der ausdrückliche Wunsch des vormals Beigeladenen und inzwischen verstorbenen Bauherrn, von einer Nachbarbeteiligung aufgrund der gesetzlichen Möglichkeit in Art. 71 Satz 4 Hs. 2 BayBO abzusehen. Eine Verletzung der Kläger in eigenen Rechten durch den hier streitgegenständlichen Vorbescheid erscheint daher von vornherein nicht möglich. Es fehlt mithin an einer Sachentscheidungsvoraussetzung, so dass die Klage bereits als unzulässig abzuweisen ist. Ob die Kläger – wie von ihnen behauptet – tatsächlich in nachbarschützenden Rechten verletzt sind, bleibt im nachfolgenden Baugenehmigungsverfahren zu klären.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2 VwGO. Als im Verfahren unterlegen haben die Kläger die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen. Da die Beigeladene sich durch Stellung eines Antrags einem Kostenrisiko gemäß § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat, erscheint es im Gegenzug billig, dass die Kläger gemäß § 162 Abs. 3 VwGO auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen in ihrer Stellung als Alleinerbin nach dem vormaligen Grundstückseigentümer zu tragen haben.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).


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