IT- und Medienrecht

Fehlende Passivlegitimation einer Krankenkasse bei wettbewerbswidriger Werbung in einem Mitgliedermagazin

Aktenzeichen  6 U 1679/17

Datum:
12.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 45168
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
HWG § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 7 Abs. 1 S. 1
UWG § 3a, § 8 Abs. 1
AMG § 78 Abs. 2 S. 2, S. 3, Abs. 3 S. 1
AEUV Art. 34, Art. 36
AMPreisV § 1 Abs. 1, Abs. 4

 

Leitsatz

1. Wird die Gewährung eines 10-Euro-Gutscheins, einlösbar bei einer Bestellung rezeptfreier Produkte ab einem Bestellwert von 40 Euro, von dem Erwerb eines rezeptpflichtigen Medikaments abhängig macht, liegt keine bloße Imagewerbung sondern eine produktbezogene Werbung für Arzneimittel im Sinne von § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HWG vor. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Zulässigkeit der Werbung nach § 7 HWG ist nach der Ausnahmeregelung des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a HWG zu beurteilen, da es sich bei dem ausgelobten Gutschein um eine Zuwendung in Form „eines bestimmten Geldbetrages“ im Sinne dieser Vorschrift handelt. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
3. Auch wenn die Einlösung des Gutscheins nur für die Bestellung nicht rezeptpflichtiger Produkte möglich ist, wird ein Preisnachlass – zumindest mittelbar – für der Arzneimittelbindung unterliegende rezeptpflichtige Arzneimittel gewährt. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine Krankenkasse, die ein Mitgliedermagazin herausgibt, haftet für einen Wettbewerbsverstoß in einem beigelegten Werbeflyer – hier einer Versandapotheke – nur dann, wenn dieser grob und unschwer zu erkennen ist.  (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

17 HK O 22516/14 2017-05-11 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 11.05.2017, Az. 17 HKO 22516/14, aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Das Urteil ist in Ziff.
II. vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

II.
Die gemäß § 511 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere gemäß §§ 519 Abs. 1, Abs. 2, 517 ZPO form- und fristgerecht eingelegte und gemäß § 520 Abs. 2, Abs. 3 ZPO begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg.
Die Verbotsvorschrift des § 7 HWG (i.V.m. §§ 8 Abs. 1, 3 Nr. 2, 3 Abs. 1, 3 a/4 Nr. 11 UWG a. F.) greift vorliegend zwar ein, da es sich nicht um eine reine Imagewerbung, sondern um produktbezogene Werbung handelt. Entgegen dem Dafürhalten des Landgerichts ist die Zulässigkeit der streitgegenständlichen Werbung aber gemäß § 7 Abs. 1 HWG nach der Ausnahmeregelung des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 a) HWG zu beurteilen, da es sich bei dem ausgelobten 10-Euro-Gutschein um eine Zuwendung in Form eines bestimmten Geldbetrages handelt. Demzufolge ist die angegriffene Gutschein-Werbung nur dann unzulässig, wenn sie entgegen den Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes erfolgt. Ob das werbende Unternehmen DocM. B.V. als niederländische Versandhandelsapotheke im Streitfall vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 19.10.2016, Az. Az. C-148/15 – Deutsche Parkinson Vereinigung/Zentrale) den deutschen Arzneimittelpreisregelungen (§ 78 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 AMG, § 1 Abs. 1 AMPreisV) unterworfen ist, kann allerdings dahingestellt bleiben. Denn die Beklagte kann sich auf das aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG folgende Presseprivileg berufen, so dass sie im Hinblick auf einen etwaigen Wettbewerbsverstoß nicht passivlegitimiert ist. Entsprechendes gilt, soweit die Klägerin ihre Ansprüche auch auf einen Verstoß gegen § 2 b Abs. 2 GKV-Rahmenvertrag stützt.
Im Einzelnen:
1. Der auf §§ 8 Abs. 1, 3 Nr. 2, 3 Abs. 1, 3 a (4 Nr. 11 a. F.) UWG i.V.m. § 7 Abs. 1 S. 1 HWG bzw. § 78 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1, § 1 Abs. 1 AMPreisV gestützte Unterlassungsanspruch ist nur begründet, wenn das beanstandete Verhalten sowohl zum Zeitpunkt seiner Vornahme rechtswidrig war als auch zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Berufungsinstanz rechtswidrig ist (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 2015, 1240 Rn. 31 – Der Zauber des Nordens; BGH GRUR 2016, 954 Rn. 10 – Energieeffizienzklasse; BGH GRUR 2017, 635 Rn. 24 – Freunde werben Freunde). In der Zeit seit der Veröffentlichung der beanstandeten Werbung im Oktober 2014 ist das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (BGBl. I 2015, 2158) mit Wirkung vom 10.12.2015 novelliert worden. Eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt daraus jedoch nicht. Der seit dem 10.12.2015 geltende § 3 a UWG entspricht der bis dahin in § 4 Nr. 11 UWG a. F. enthaltenen Regelung des wettbewerbsrechtlichen Rechtsbruchtatbestands (BGH GRUR 2017, 635 Rn. 25, 26 – Freunde werben Freunde).
2. Die Regelungen in § 7 Abs. 1 S. 1 HWG und § 78 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 AMG, § 1 Abs. 1 AMPreisV sind Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3 a UWG (§ 4 Nr. 11 UWG a. F.), denn § 7 Abs. 1 S. 1 HWG dient dem Gesundheitsschutz von Verbrauchern (vgl. BGH GRUR 2017, 635 Rn. 27 – Freunde werben Freunde; BGH GRUR 2006, 949 Rn. 25 – Kunden werben Kunden; BGH GRUR 2009, 1082 Rn. 21-DeguSmiles & more) und die Vorschriften der § 78 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 AMG, § 1 Abs. 1 AMPreisV sind nach ihrem Zweck dazu bestimmt sind, den (Preis-)Wettbewerb unter den Apotheken zu regeln (BGH GRUR 2010, 1136 Rn. 22 – UN-SER DANKESCHÖN FÜR SIE).
3. Die Bestimmungen der § 78 Abs. 2 S. 2, S. 3, Abs. 3 S. 1 AMG, § 1 Abs. 1, Abs. 4, § 3 AMPreisV und des § 7 HWG sind nebeneinander anwendbar, denn sie weisen unterschiedliche Zielsetzungen auf. Der Zweck der in § 7 HWG enthaltenen Regelung besteht vor allem darin, dass Verbraucher bei der Entscheidung, ob und welche Heilmittel sie in Anspruch nehmen, nicht durch die Aussicht auf Zugaben und Werbegaben unsachlich beeinflusst werden sollen. Die Bestimmungen der § 78 Abs. 2 S. 2 und 3, Abs. 3 S. 1 AMG, §§ 1 Abs. 1 und Abs. 4, 3 AMPreisV sind nach ihrem Zweck dazu bestimmt, den (Preis-)Wettbewerb unter den Apotheken zu regeln (BGH GRUR 2017, 635 Rn. 16 – Freunde werben Freunde; BGH GRUR 2010, 1136 Rn. 21 f. – UNSER DANKESCHÖN FÜR SIE).
4. Der Umstand, dass die RL 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, die keinen mit der Bestimmung des § 3 a UWG (§ 4 Nr. 11 UWG a. F.) vergleichbaren Unlauterkeitstatbestand kennt, in ihrem Anwendungsbereich (Art. 3 der Richtlinie) zu einer vollständigen Harmonisierung des Lauterkeitsrechts geführt hat (Art. 4 der Richtlinie; vgl. BGH GRUR 2012, 1056 Rn. 12 – GOOD NEWS I m. w. N.), steht der Anwendung des § 7 Abs. 1 HWG im Streitfall nicht entgegen. Die sich aus dieser Vorschrift ergebende Beschränkung der Möglichkeit, mit Werbegaben zu werben, stellt, soweit sie die in § 1 Abs. 1 HWG aufgeführten Produkte betrifft, eine unionsrechtskonforme nationale Regelung in Bezug auf die Gesundheitsaspekte von Produkten dar, die deshalb gem. Art. 3 Abs. 3 der RL 2005/29/EG von dieser unberührt bleibt (BGH GRUR 2017, 635 Rn. 28 – Freunde werben Freunde; BGH GRUR 2015, 813 Rn. 11 – Fahrdienst zur Augenklinik).
5. Die Anwendbarkeit von § 7 Abs. 1 HWG wird vorliegend auch nicht durch die RL 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel beschränkt. Auch wenn Art. 94 Abs. 1 der RL 2001/83/EG das Verbot der Werbung mit Werbegaben ausdrücklich nur gegenüber Fachkreisen und nicht auch für die Publikumswerbung vorsieht, ist nach dem 45. Erwägungsgrund der Richtlinie übertriebene und unvernünftige Werbung, die sich auf die öffentliche Gesundheit auswirken könnte, zu verhindern. Das Sachlichkeitsgebot in Art. 87 Abs. 3 der Richtlinie wiederholt diese Notwendigkeit und fordert, dass die Werbung für Arzneimittel deren zweckmäßigen Einsatz fördern muss, indem sie seine Eigenschaften objektiv und ohne Übertreibung darstellt (vgl. EuGH GRUR 2008, 267, Rn53ff. – Gintec/Verband Sozialer Wettbewerb). Dem entspricht die Regelung des § 7 Abs. 1 HWG, mit der eine unsachliche Beeinflussung der Verbraucher durch Werbegaben verhindert werden soll (vgl. Nomos-BR/Zimmermann HWG/Markus Zimmermann, 1. Aufl. 2012, HWG § 7 Rn. 3).
6. Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass die streitgegenständliche Gutschein-Werbung produktbezogen ist und deshalb hierauf die Regelungen des Heilmittelwerbegesetzes anzuwenden sind.
a) Gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWG finden die Bestimmungen des Heilmittelwerbegesetzes auf produktbezogene Werbung (Produkt- und Absatzwerbung) für Arzneimittel Anwendung. Darunter fällt nicht allgemeine Firmenwerbung (Unternehmens- und Imagewerbung), durch die ohne Bezugnahme auf bestimmte Arzneimittel für das Ansehen und die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens allgemein geworben wird (BGH GRUR 2017, 635 Rn. 30 – Freunde werben Freunde; BGH GRUR 2003, 353, 355 f. – Klinik mit Belegärzten). Die Beantwortung der für die Anwendbarkeit des Heilmittelwerbegesetzes entscheidenden Frage, ob die zu beurteilende Werbung Absatz- oder Firmenwerbung ist, hängt maßgeblich davon ab, ob nach dem Gesamterscheinungsbild der Werbung die Darstellung des Unternehmens oder aber die Anpreisung bestimmter oder zumindest individualisierbarer Produkte im Vordergrund steht. Diese Grundsätze gelten auch für die in § 7 HWG geregelte Werbung mit Werbegaben. Die Bestimmung des § 7 HWG ist daher nur anwendbar, wenn gewährte Werbegaben sich aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs als Werbung für konkrete Heilmittel darstellen (BGH GRUR 2017, 635 Rn. 30 – Freunde werben Freunde; BGH GRUR 2009, 1082 Rn. 15 – DeguSmiles & more).
b) Das Erstgericht hat zu Recht angenommen, dass es sich bei der hier in Rede stehenden Werbung nicht um eine reine Imagewerbung für das Unternehmen DocM. handelt, auch wenn sich das beworbene Gutschein-Angebot auf das gesamte Sortiment der Versandapotheke bezieht. Denn der erforderliche Produktbezug liegt darin, dass die Zuwendung eines Gutscheins im Wert von 10 Euro (jedenfalls in einer Variante) davon abhängig gemacht wird, dass ein Kunde ein Rezept (andere Variante: Rezeptkopie) einreicht und damit eine Produktbestellung tätigt. Die Zuwendung des 10-Euro-Gutscheins setzt also konkret einen Produkterwerb bei der Versandapotheke voraus. Der Zweck der Regelung des § 7 HWG besteht vor allem darin, durch eine weitgehende Eindämmung der Wertreklame im Bereich der Heilmittel der abstrakten Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung zu begegnen, die von einer Werbung mit unentgeltlichen Zuwendungen ausgehen kann (BGH GRUR 2017, 635 Rn. 31 -Freunde werben Freunde; BGH GRUR 2009, 1082 Rn. 16 – DeguSmiles & more). Dieser vom Gesetzgeber im Bereich der Heilmittelwerbung als grundsätzlich unerwünscht angesehene Anreiz einer Wertreklame ist aber gerade und erst recht dann nicht hinzunehmen, wenn diese Form der Reklame für eine besonders große Zahl von Heilmitteln eingesetzt wird. Denn die Eignung einer Zuwendung, den Absatz eines Heilmittels durch einen unsachlichen Einfluss auf den Kunden zu steigern, hängt nicht davon ab, ob die Zuwendung allein für genau benannte Arzneimittel, eine nicht näher eingegrenzte Vielzahl von Arzneimitteln oder sogar für das gesamte Sortiment angekündigt und gewährt wird (BGH GRUR 2017, 635 Rn. 31 – Freunde werben Freunde; BGH GRUR 2009, 1082 Rn. 16 – DeguSmiles & more).
Gegenteiliges kann auch nicht aus den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 09.09.2010 (GRUR 2010, 1136 Rn. 24 – UNSER DANKESCHÖN FÜR SIE; Az. I ZR 37/08, BeckRS 2010, 23772 – Einkaufsgutschein für Arzneimittel; GRUR 2010, 1133 Rn. 21 – Bonussystem; Az. I ZR 26/09, BeckRS 2010, 23771- Bonus-Taler) gefolgert werden, wie der Bundesgerichthof in seinem jüngeren Urteil vom 24.11.2016 „Freunde werben Freunde“ (GRUR 2017, 635 Rn. 32) ausdrücklich klargestellt hat, indem er ausführt: „Zwar hat der Senat in diesen Entscheidungen eine auf das gesamte Sortiment verschreibungspflichtiger Arzneimittel einer Apotheke bezogene Zuwendung als „Imagewerbung“ bezeichnet. Er hat damit jedoch nicht in Abkehr von den Maßstäben der „DeguSmiles & more“-Entscheidung zum Ausdruck gebracht, eine Werbung mit Zuwendungen oder Werbegaben, die sich auf das gesamte Sortiment erstrecke, stehe ihrer Bewertung als Absatzwerbung stets entgegen.“
Indem die streitgegenständliche Werbung in der hier angegriffenen Variante die Gewährung des 10-Euro-Gutscheins von dem Erwerb eines rezeptpflichtigen Medikaments abhängig macht, verlässt sie die Ebene einer bloßen Imagewerbung und liegt eine produktbezogene Werbung für Arzneimittel im Sinne von § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HWG vor.
7. Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, dass der ausgelobte 10-EUR-Gutschein aufgrund der Höhe seines Wertes keine geringwertige Kleinigkeit im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HWG darstellt. Die Zulässigkeit der Werbung nach § 7 HWG ist jedoch entgegen dem Dafürhalten des Landgerichts (auch) nach der Ausnahmeregelung des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 a) HWG zu beurteilen, da es sich bei dem ausgelobten Gutschein um eine Zuwendung in Form „eines bestimmten Geldbetrages“ im Sinne dieser Vorschrift handelt.
Der mit der Werbung ausgelobte Gutschein über 10,- EUR, einlösbar bei einer Bestellung rezeptfreier Produkte ab einem Bestellwert von 40,- EUR, stellt sich der Sache nach als mittelbare Geldzuwendung in Form eines Preisnachlasses beim nächsten Wareneinkauf dar (vgl. BGH GRUR 2003, 1057 – Einkaufsgutschein). Entgegen den Ausführungen des Landgerichts setzt § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 a) HWG nicht die unmittelbare Gewährung eines Barrabatts voraus, vielmehr umfasst die Ausnahmevorschrift jegliche Zuwendungen oder Werbegaben, die in einem bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Gelbetrag bestehen. Wird wie im Streitfall der Erwerb eines Produkts mit der Gewährung eines über einen bestimmten Geldbetrag lautenden Gutscheins für den nächsten Einkauf gekoppelt, so dass sich der Preis für den nächsten Einkauf um den Geldwert des Gutscheins (hier 10,- EUR) reduziert, dann stellt dies eine Zuwendung in Form eines bestimmten Geldbetrages im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 a) HWG dar. Abweichendes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung „UNSER DANKESCHÖN FÜR SIE“ (GRUR 2010, 1136), wo der Bundesgerichtshof – abgesehen davon, dass er eine Imagewerbung angenommen hat -unter Rn. 25 lediglich ausführt, es handele sich bei einem 5-Euro-Einkaufsgutschein „insbesondere“ nicht um den Fall einer geringwertigen Kleinigkeit im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Fall 2 HWG (a. F.). Eine Zulässigkeit nach § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HWG schied im dortigen Fall schon wegen des vom Bundesgerichtshof bejahten Verstoßes gegen die Bestimmungen gegen die Arzneimittelpreisvorschriften aus (vgl. GRUR 2010, 1136 Rn. 24).
8. Die Bewerbung einer in einem bestimmten Geldbetrag bestehenden Zuwendung nach § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 a) HWG ist unzulässig, soweit sie entgegen den Preisvorschriften gewährt wird, die aufgrund des Arzneimittelgesetzes gelten, § 7 Abs. 1 S. 1 1 Nr. 2 Hs. 2 HWG. Im Streitfall stellt sich die angegriffene Gutschein-Werbung daher nur dann als unzulässig dar, wenn ein Verstoß gegen das Arzneimittelpreisrecht durch das werbende Unternehmen DocM. vorliegt. Gem. § 78 Abs. 2 S. 2, S. 3, Abs. 3 S. 1 AMG, § 1 Abs. 1, Abs. 4 AMPreisV müssen für verschreibungspflichtige Arzneimittel die hierfür festgelegten Festpreise verlangt werden. Vorliegend wird die Gewährung des 10 Euro-Gutscheins – in einer Variante – davon abhängig gemacht, dass der Kunde im Rahmen einer Bestellung ein Rezept einreicht. Damit wird der Preisnachlass – zumindest mittelbar – für rezeptpflichtige Arzneimittel gewährt, die nach § 78 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 AMG, § 1 Abs. 1 AMPreisV der in Deutschland geltenden Arzneimittelpreisbindung unterliegen, auch wenn die Einlösung des Gutscheins nach den Teilnahmebedingungen (Anlage K 1) nur für die Bestellung nicht rezeptpflichtiger Produkte möglich ist (vgl. BGH GRUR 2017, 635 Rn. 56 in Abweichung zum Berufungsgericht, vgl. Rn. 10 – Freunde werben Freunde; ebenso bereits BGH GRUR 2010, 1136 Rn. 19 in Abweichung zum Berufungsgericht, vgl. Rn 9 -UNSER DANKESCHÖN FÜR SIE). Zwar wird von dem Kunden für die erworbenen rezeptpflichtigen Medikamente der volle Preis verlangt. Ein Verstoß gegen die arzneimittelrechtliche Preisbindung liegt jedoch nicht nur vor, wenn der Apotheker ein preisgebundenes Arzneimittel zu einem anderen als dem nach der Arzneimittelpreisverordnung zu berechnenden Preis abgibt. Die Bestimmungen der Arzneimittelpreisverordnung werden vielmehr auch verletzt, wenn für das preisgebundene Arzneimittel zwar der korrekte Preis angesetzt wird, dem Kunden aber gekoppelt mit dem Erwerb des Arzneimittels Vorteile gewährt werden, die den Erwerb für ihn wirtschaftlich günstiger erscheinen lassen (BGH GRUR 2010, 1136 Rn. 17 ff. – UNSER DANKE-SCHÖN FÜR SIE; BGH GRUR 2010, 1133 Rn. 15 ff. – Bonuspunkte; BGH GRUR 2017, 635 Rn. 37 – Freunde werben Freunde). Bei der streitgegenständlichen Werbung erhält der angeworbene Kunde mit dem Erwerb des rezeptpflichtigen Arzneimittels einen Gutschein im Wert von 10 EUR für eine Bestellung rezeptfreier Produkte ab einem Warenwert von 40,- EUR. Dies lässt den Erwerb verschreibungspflichtiger Arzneimittel für ihn wirtschaftlich günstiger erscheinen als in einer anderen Apotheke, die keine entsprechende Werbeprämie gewährt.
9. Damit kommt es im Streitfall für das Vorliegen eines Unterlassungsanspruchs aus §§ 8 Abs. 1, 3 Nr. 2, 3 Abs. 1, 3 a (4 Nr. 11 a. F.) UWG i.V.m. § 7 Abs. 1 S. 1 HWG bzw. § 78 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 AMG, § 1 Abs. 1 AMPreisV darauf an, ob die Anwendung des deutschen Arzneimittelpreisrechts gegenüber der niederländischen Versandapotheke DocM. mit dem Primärrecht der Europäischen Union (Art. 34, 36 AEUV) vereinbar ist.
a) Nach ständiger Rechtsprechung ist jede Maßnahme eines Mitgliedstaats, die geeignet ist, den Handel innerhalb der Union unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern, als eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen i. S. d. Art. 34 AEUV anzusehen (EuGH NJW 2016, 621 Rn. 31 -Scotch Whisky Association ua/Lord Advocate; EuGH NJW 1975, 515 Rn. 5 – Dassonville). Ein für die Anwendbarkeit des Art. 34 AEUV erforderlicher grenzüberschreitender Bezug ist vorliegend zu bejahen. Die niederländische Versandapotheke DocM.hat unstreitig ihren Sitz außerhalb Deutschlands, nämlich in den Niederlanden. Der Versandhandel ist somit für sie die einzige Möglichkeit, im Bereich des Vertriebs von Arzneimitteln Zugang zum deutschen Markt zu erlangen, wobei sich die im deutschen Recht vorgesehene Festlegung einheitlicher Abgabepreise auf in einem anderen Mitgliedstaat als der Bundesrepublik Deutschland ansässige Apotheken stärker auswirkt, als auf die im deutschen Hoheitsgebiet ansässigen Apotheken. (vgl. EuGH GRUR 2016, 1312 Rn. 25 – Deutsche Parkinson Vereinigung/Zentrale). Somit folgt hier bereits aus dem Sitz der DocM. in den Niederlanden – von wo aus sie ihre Versandhandelsdienstleistungen nach Deutschland erbringt – der erforderliche grenzüberschreitende Bezug, da die Vorschriften der Arzneimittelpreisbindung insoweit geeignet sind, den innergemeinschaftlichen Handel zu behindern. Im Übrigen ist die in Art. 34 AEUV geschützte Warenverkehrsfreiheit – soweit keine ersichtliche Umgehungshandlung vorliegt – auch betroffen, wenn ein im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hergestelltes Erzeugnis ausgeführt und anschließend in diesen Staat wieder eingeführt wird (EuGH GRUR 2004, 174 Rn. 127 ff. – DocM. I). Auf den zwischen den Parteien streitigen Umstand, ob DocM. in den Niederlanden eine Präsenzapotheke betreibt, kommt es im Rahmen der hier streitgegenständlich vorzunehmenden Beurteilung nicht an. Eine offenkundige Unzulässigkeit der hier in Rede stehenden Warengeschäfte ist jedenfalls nicht anzunehmen, im Übrigen ist der Anwendungsbereich des Art. 34 AEUV grundsätzlich unabhängig von der Legalität des betroffenen Warenhandels oder von sonstigen ethischen Gesichtspunkten eröffnet (vgl. Grabitz/Hilf/Nettesheim/Leible/T. Streinz, 62. EL Juli 2017, AEUV Art. 34 Rn. 28-30).
b) Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs mit Urteil vom 19.10.2016 (GRUR 2016, 1312 – Deutsche Parkinson Vereinigung/Zentrale) zur Unzulässigkeit der deutschen Regelungen zur Arzneimittelpreisbindung (§§§ 78 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 AMG, § 1 Abs. 1 AMPreisV) gegenüber in einem anderen Land ansässigen Versandapotheken ist auch im Rahmen der Prüfung der Ausnahmeregelung des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 a) HWG zu berücksichtigen (vgl. BGH GRUR 2017, 635 Rn. 38 ff. -Freunde werben Freunde). Wenngleich die Bestimmungen der § 78 Abs. 2 S. 2, S. 3, Abs. 3 S. 1 AMG, § 1 Abs. 1, Abs. 4, § 3 AMPreisV und des § 7 HWG unterschiedliche Schutzzwecke verfolgen (vgl. bereits oben Ziff. 3.), so zielt die Einbindung der Regelungen der Arzneimittelpreisbindung in § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 HWG darauf ab, einen Gleichlauf insoweit zu gewährleisten, als Werbegaben, die unter Verstoß gegen die Arzneimittelpreisvorschriften erfolgen, auch nicht im Lichte des § 7 HWG erlaubt sein sollen. Dies gebietet es aber, die Feststellungen des Europäischen Gerichtshofs, wonach die Regelungen der Arzneimittelpreisbindung gegenüber einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Versandapotheke einen Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit begründen (GRUR 2016, 1312 – Deutsche Parkinson Vereinigung/Zentrale), auch im Rahmen der Prüfung des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 a) HWG zu beachten (hiervon ausgehend auch BGH GRUR 2017, 635 Rn. 38 ff. – Freunde werben Freunde).
c) Nach den Feststellungen des Europäischen Gerichtshofs mit Urteil vom 19.10.2016 (GRUR 2016, 1312 – Deutsche Parkinson Vereinigung/Zentrale) wirkt sich die im deutschen Recht vorgesehene Festlegung einheitlicher Abgabepreise auf in einem anderen Mitgliedstaat als der Bundesrepublik Deutschland ansässige Apotheken stärker aus, als auf die im deutschen Hoheitsgebiet ansässigen Apotheken. Eine solche Regelung stelle eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung i. S. v. Art. 34 AEUV dar (EuGH GRUR 2016, 1312 Rn. 26, 27 – Deutsche Parkinson Vereinigung/Zentrale). Das deutsche Arzneimittelpreisrecht, das für verschreibungspflichtige Humanarzneimittel einheitliche Apothekenabgabepreise festsetzt, könne nicht mit dem Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen iSv Art. 36 AEUV gerechtfertigt werden, da es nicht geeignet sei, die angestrebten Ziele zu erreichen (EuGH GRUR 2016, 1312 Rn. 46 – Deutsche Parkinson Vereinigung/Zentrale).
d) Hieran ist der Senat zunächst gebunden. Entscheidet der EuGH aufgrund eines Vorabentscheidungsersuchens, dass nationale Rechtsvorschriften mit dem Unionsrecht unvereinbar sind, sind die Behörden des betreffenden Mitgliedstaats verpflichtet, die allgemeinen oder besonderen Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, die Beachtung des Unionsrechts in ihrem Hoheitsgebiet zu sichern (EuGH NJW 2007, 3625 Rn. 38, 41 – Office national des pensions/Jonkman; BGH GRUR 2017, 635 Rn. 43 -Freunde werben Freunde). Danach wäre die Arzneimittelpreisbindung vorliegend auf das Unternhemen DocM. wegen Verstoßes gegen die in Art. 34 AEUV garantierte Warenverkehrsfreiheit nicht anzuwenden. Allerdings kann, wie der Bundesgerichtshof in der Entscheidung „Freunde werben Freunde“ ausgeführt hat, ein erneutes Vorabentscheidungsgesuch an den EuGH ergehen, wenn in einem neuen Rechtsstreit Gesichtspunkte vorgetragen werden, die ein solches nahelegen (BGH GRUR 2017, 635 Rn. 43 – Freunde werben Freunde). Nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofs (BGH GRUR 2017, 635 Rn. 48 – Freunde werben Freunde) beruht die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 19.10.2016 (GRUR 2016, 1312 – Deutsche Parkinson Vereinigung/Zentrale) maßgeblich auf ungenügenden Feststellungen in jenem Verfahren. Da nicht ausgeschlossen werden könne, dass diese Feststellungen nachgeholt werden könnten, müssten die Parteien daher auch in anderen Verfahren Gelegenheit erhalten, zur Geeignetheit der deutschen Regelung der arzneimittelrechtlichen Preisbindung für eine flächendeckende und gleichmäßige Arzneimittelversorgung vorzutragen (BGH GRUR 2017, 635 Rn. 48 – Freunde werben Freunde).
e) Zur Beurteilung, ob im Streitfall Veranlassung bestünde, ein erneutes Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zu richten, bedürfte es demnach weiterer Feststellungen. Die Frage, ob der einheitliche Apothekenabgabepreis durch den Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen im Sinne von Art. 36 AEUV gerechtfertigt werden kann, ist zwischen den Parteien streitig. Zur Klärung dieser Frage käme in Betracht, gem. § 273 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zur Notwendigkeit von einheitlichen Apothekenabgabepreisen für verschreibungspflichtige Arzneimittel für die Wahrung der Belange der Gesundheit der Bevölkerung eine amtliche Auskunft staatlicher Stellen, insbesondere der Bundesregierung, einzuholen (vgl. BGH GRUR 2017, 635 Rn. 49 – Freunde werben Freunde; vgl. Senat, Beschluss vom 22.02.2018, Az. 6 U 1509/14). Das seitens der Antragsgegnerin als Anlage B 38 vorgelegte, vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in Auftrag gegebene und am 27.11.2017 veröffentlichten Honorargutachten kann insoweit nicht als geeignete amtliche Stellungnahme gewertet werden. Das Gutachten befasst sich mit der „Ermittlung der Erforderlichkeit und des Ausmaßes von Änderungen der in der Arneimittelpreisverordnung (AMPreisV) geregelten Preise“, ihm liegt also der Auftrag zugrunde, zu prüfen, ob die Preisregelungen anzupassen sind und falls ja, in welcher Höhe (vgl. Anlage B 38, Seite 2). In diesem Zusammenhang befasst sich die Abhandlung auf den Seiten 194 ff. zwar auch mit dem Thema „Flächendeckende Versorgung Apotheken“ und auf Seite 198 ff. mit der „wirtschaftlichen Situation der Apotheken und Effekten des europäischen Versandhandels“. Hierzu wird festgestellt, dass die wirtschaftliche Situation vieler Vor-Ort-Apotheken vor dem Hintergrund eines teilweise starken Wettbewerbs in den Städten und wirtschaftlich ungünstigen Lagen einiger Apotheken bereits vor der EuGH-Entscheidung als schwierig anzusehen gewesen sei (vgl. Anlage B 38, Seite 194 ff., S. 198 ff. sowie Zusammenfassung Seite 13), was weder durch das Verbot des Versandhandels, noch durch die allgemeine Vergütung über die AMPreisV zu beheben sei (vgl. Anlage B 38, Zusammenfassung Seite 13 unten/14 oben). Eine Empfehlung zu einem möglichen Verbot des Rx-Versandhandels oder einer Einschränkung der Preisbindung auch in Deutschland werde ausschreibungsgemäß nicht gegeben (vgl. Anlage B 38, Seite 201, Zusammenfassung Seite 12), es würden lediglich verfügbare Daten und Informationen dazu geliefert, die diese Entscheidung unterstützen könnten (Anlage B 38, Zusammenfassung Seite 12). Das vorgelegte Gutachten vermag damit die Einholung einer amtlichen Stellungnahme der Bundesregierung gem. § 273 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht zu ersetzen, zumal für die hier maßgeblichen Fragen der Belange der Gesundheit der Bevölkerung auch die Ressortzuständigkeit des Bundesministeriums für Gesundheit zu berücksichtigen sein dürfte.
10. Letztendlich kann dies aber dahingestellt bleiben, da das Landgericht die Passivlegitimation der Beklagten zu Unrecht bejaht hat.
a) Schuldner der in § 8 Abs. 1 UWG geregelten Abwehransprüche ist jeder, der durch sein Verhalten den objektiven Tatbestand einer Zuwiderhandlung i.S.v. §§ 3 ff. UWG selbst, durch einen anderen oder gemeinschaftlich mit einem anderen adäquat kausal verwirklicht. Im Falle der Verbreitung wettbewerbswidriger Äußerungen in Medien haftet neben dem Urheber der Äußerung jeder an der Weitergabe und der Verbreitung Beteiligte, soweit sein Verhalten eine geschäftliche Handlung i. S. v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG darstellt (BGH GRUR 2015, 906 Rn. 29 – TIP der Woche; BGH GRUR 2011, 340 Rn. 27 – Irische Butter m.w.N.). Bei der Verbreitung der hier streitgegenständlichen Werbung über die Mitgliederzeitschrift der Beklagten handelt es sich um eine geschäftliche Handlung i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG, worunter jedes Verhalten zu Gunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens fällt, das mit der Förderung des Absatzes objektiv zusammenhängt. Durch die Verbreitung der streitgegenständlichen Werbeflyer hat die Beklagte den Absatz des werbenden DocMorris-Unternehmens gefördert (BGH GRUR 2015, 906 Rn. 16 – TIP der Woche).
b) Die Beklagte kann sich jedoch entgegen dem Dafürhalten des Landgerichts auf die aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG folgenden Grundsätze der eingeschränkten Haftung der Presse für wettbewerbswidrige Anzeigen ihrer Inserenten berufen.
(1.) Nach ständiger Rechtsprechung haftet der Herausgeber eines Presseerzeugnisses nur für die Veröffentlichung gesetzeswidriger Werbeanzeigen Dritter, wenn er seine Pflicht zur Prüfung verletzt hat, ob die Veröffentlichung der Anzeigen gegen gesetzliche Vorschriften verstößt (vgl. BGH GRUR 2015, 906 Rn. 31 – TIP der Woche m.w.N.). Im Hinblick auf die Besonderheiten des Anzeigengeschäfts kann ein Herausgeber eines Presseerzeugnisses nur eingeschränkt für wettbewerbswidrige Anzeigen verantwortlich gemacht werden. Um die tägliche Arbeit nicht über Gebühr zu erschweren und die Verantwortlichen nicht zu überfordern, bestehen bei Anzeigen keine umfassenden Prüfungspflichten. Vielmehr besteht im Hinblick auf die Gewährleistung der Pressefreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG und Art. 11 Abs. 2 GR-Charta eine Haftung für die Veröffentlichung einer Anzeige nur dann, wenn diese grobe und eindeutige, unschwer erkennbare Wettbewerbsverstöße enthält (st. Rspr. vgl. BGH GRUR 1990, 1012, 1014 – Pressehaftung I; BGH GRUR 1992, 618 – Pressehaftung II; BGH GRUR 2001, 529, 531 – Herz-Kreislauf-Studie; BGH GRUR 2002, 360, 366 – H. I.V. POSITIVE II; BGH GRUR 2006, 429 Rn. 13, 15 – Schlank-Kapseln; BGH GRUR 2006, 957 Rn. 14 – Stadt Geldern; BGH GRUR 2015, 906 Rn. 31 – TIP der Woche; Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, 36. Aufl. 2018, § 9 Rn. 2.3). Maßgeblich für die eingeschränkte Prüfungspflicht der Presse ist die durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG geschützte Pressefreiheit, die der Presse als Institution zukommt und auch den Anzeigenteil eines Presseorgans umfasst. Der Schutz des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gebührt dabei nicht nur Presseerzeugnissen im herkömmlichen Sinne, die grundrechtliche Garantie der Pressefreiheit gilt vielmehr auch für Kundenzeitschriften und für Anzeigenblätter, die hauptsächlich Werbeanzeigen und zu einem geringeren Anteil redaktionelle Beiträge enthalten, wobei im Rahmen des Schutzumfangs allerdings zu berücksichtigen ist, inwieweit das Presseerzeugnis der Befriedigung eines Informationsbedürfnisses von öffentlichem Interesse oder der Einwirkung auf die öffentliche Meinung dient (BGH GRUR 2015, 906, Rn. 34 – TIP der Woche m.w.N.)
(2.) Die von der Beklagten herausgegebene Mitgliederzeitung stellt ein unter den Schutz des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG fallendes Presseerzeugnis dar. Dabei kann sich die Beklagte auf den Schutz aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG unabhängig davon berufen, dass sie eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, denn das Grundrecht steht ohne Rücksicht auf öffentlichrechtliche oder privatrechtliche Rechtsform, auf kommerzielle oder gemeinnützige Betätigung allen natürlichen und juristischen Personen zu (vgl. BVerfG NJW 1998, 2659, 2660; BVerfG NJW 2002, 2939 für öffentliche Rundfunkanstalten). Das vierteljährlich erscheinende Kundenmagazin (vgl. beispielhafte Ausgabe, vorgelegt als Anlage BB 54 und streitgegenständliche Oktoberausgabe 2014, vorgelegt im parallelen Verfügungsverfahren, Az. 6 U 1678/17) dient zwar der Mitgliederbindung und – information und verfolgt damit auch eigennützige Interessen der Beklagten wirtschaftlicher Art. Die Zeitschrift beinhaltet aber – neben als solchen gekennzeichneten Werbeanzeigen – eine Vielzahl redaktioneller Artikel und Berichte, die sich rund um das Thema Gesundheit drehen. Zwar ist der Schutzumfang der Pressefreiheit umso geringer, je weniger ein Presseerzeugnis der Befriedigung eines Informationsbedürfnisses von öffentlichem Interesse oder der Einwirkung auf die öffentliche Meinung dient und je mehr es eigennützige wirtschaftliche Interessen verfolgt und ist eine Berufung auf das Presseprivileg grundsätzlich zu versagen, wenn das Printprodukt keinen nennenswerten meinungsbildenden Bezug hat, sondern nahezu ausschließlich Werbung enthält (BGH WRP 2015, 1098 Rn. 37, 38 – TIP der Woche). Das ist aber bei der Mitgliederzeitschrift der Beklagten nicht der Fall. Wenngleich die in der Mitgliederzeitschrift enthaltenen redaktionellen Beiträge stets einen sachlichen Bezug zum Thema Gesundheit aufweisen und damit auch im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Beklagten als Betriebskrankenkasse stehen, überwiegt inhaltlich die Information und Meinungsbildung gegenüber werbenden Aspekten. Demzufolge dient die Zeitschrift der Einwirkung auf die öffentliche Meinung und der Befriedigung eines Informationsbedürfnisses von öffentlichem Interesse, denn sie weist einen nennenswerten meinungsbildenden Bezug und nicht überwiegend werbende Inhalte auf.
(3.) Damit besteht eine Prüfpflicht der Beklagten nur für grobe und eindeutige, für die maßgeblichen Mitarbeiter unschwer erkennbare Rechtsverstöße (BGH GRUR 2015, 906 Rn. 31 – TIP der Woche m.w.N.).
Die eingeschränkte Haftung von Presseherausgebern besteht vor dem Hintergrund, dass eine juristische Überprüfung sämtlicher Werbeanzeigen auf etwaige Gesetzesverstöße deren Tätigkeit unzumutbar erschweren würde, da es nicht nur einen beträchtlichen Zeitaufwand nach sich ziehen, sondern auch erhebliche personelle Ressourcen binden würde, wenn jede Anzeige vor der Veröffentlichung durch eine Rechtsabteilung oder einen sonst beauftragten Juristen geprüft werden müsste. Diese Gesichtspunkte gelten auch bei Presseerzeugnissen, die – wie das vierteljährlich erscheinende Kundenmagazin der Beklagten – in größeren zeitlichen Abständen herausgegeben werden. Zwar mag dort der zeitliche Druck geringer sein, als bei Presseerzeugnissen, die der täglichen Berichterstattung verpflichtet sind (vgl. BGH GRUR 2015, 906 Rn. 41 – TIP der Woche), nichtdestotrotz dürfen aber auch den Herausgebern von nicht täglich erscheinenden Presseerzeugnissen keine die regelmäßigen Geschäftsabläufe behindernden Prüfpflichten auferlegt werden (vgl. BGH GRUR 2006, 957 Rn. 14 – Stadt Geldern).
(4.) Maßstab für die Beurteilung, ob eine Werbeanzeige einen groben, unschwer erkennbaren Rechtsverstoß aufweist, ist demzufolge nicht die Sichtweise eines juristisch gebildeten Betrachters, sondern diejenige des mit der Schaltung der Werbeanzeige befassten Mitarbeiters der Redaktion. Nur wenn sich aus dessen Warte die Gesetzeswidrigkeit der Anzeige geradezu aufdrängt, ist er gehalten, die Werbeanzeige nicht bzw. erst nach Durchführung einer fachkundigen juristischen Prüfung freizugeben (vgl. BGH GRUR 1990, 1012, 1014 – Pressehaftung). Dies ist in Bezug auf den hier streitgegenständlichen Werbeflyer nicht anzunehmen. Auch wenn den zuständigen Mitarbeitern der Beklagten als Betriebskrankenkasse bei einer Werbung mit Preisrabatten für Arzneimittel infolge der für verschreibungspflichtige Arzneimittel grundsätzlich bestehenden Preisbindung eine besondere Sensibilisierung zu unterstellen ist, wäre die nach damaliger Rechtslage – also vor Erlass des Urteils des EuGH vom 19.10.2016, Az. C-148/15 – zu unterstellende Unzulässigkeit der hier streitgegenständlichen Werbung für einen mit dem Anzeigengeschäft betrauten Mitarbeiter nicht offensichtlich und unschwer erkennbar gewesen. Selbst wenn nämlich den verantwortlichen Redaktionsmitarbeitern eines für eine Krankenkasse herausgegebenen Kundenmagazins unterstellt werden kann, dass sie die Regelung des § 7 HWG in ihren Grundzügen kennen, so stellt sich bei der hier streitgegenständlichen Werbung (wie die vorstehenden Ausführungen unter Ziff. 6. zeigen) zunächst die nicht ohne weiteres zu beantwortende Frage, ob die Vorschrift des § 7 HWG überhaupt eingreift oder ob eine nicht von § 7 HWG erfasste reine Imagewerbung vorliegt. Dies war im Zeitpunkt der Werbung im Oktober 2014 auch höchstrichterlich nicht eindeutig geklärt (vgl. BGH GRUR 2010, 1136 Rn. 24 – UNSER DANKE-SCHÖN FÜR SIE; Az. I ZR 37/08, BeckRS 2010, 23772 – Einkaufsgutschein für Arzneimittel; GRUR 2010, 1133 Rn. 21 – Bonussystem; Az. I ZR 26/09, BeckRS 2010, 23771 – Bonus-Taler einerseits und BGH GRUR 2009, 1082 Rn. 16 – DeguSmiles & more andererseits). Jedenfalls konnte ein nur allgemein mit den Regelungen zum Heilmittelwerbeverbot betrauter Betrachter der streitgegenständlichen Werbung nicht zu dem sich aufdrängenden Schluss kommen, dass ein eindeutiger Verstoß gegen § 7 Abs. 1 S. 1 HWG vorläge. Auch einen Verstoß gegen die Regelungen des Arzneimittelpreisrechts gemäß §§ 78 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 AMG, § 1 Abs. 1 AMPreisV (i.V.m. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 a HWG) konnte ein nicht juristisch gebildeter Redaktionsmitarbeiter hier nicht unschwer und eindeutig erkennen. Zwar war zum damaligen Zeitpunkt der Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 22.08.2012 (GmS-OBG 1/10) zu beachten, wonach die deutschen Regelungen zur Arzneimittelpreisbindung auch gegenüber einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Versandapotheken gelten sollten. Der streitgegenständliche Werbeflyer beinhaltete aber aus der Sicht eines zuständigen Redaktionsmitarbeiters, auch wenn man bei diesem eine allgemeine Kenntnis von den geltenden Regelungen zur Arzneimittelpreisbindung unterstellt, keinen offensichtlichen Verstoß gegen diese Vorschriften, indem dort etwa ein Preisnachlass zu „x-%“ beim Kauf von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ausgelobt würde. So ist bei Betrachtung des Werbeflyers schon nicht einfach und ohne weiteres erkennbar, dass hier eine Preisvergünstigung auf verschreibungspflichtige, also der Preisbindung unterliegende Arzneimittel ausgelobt wird. Denn zum einen wird der Gutschein ebenso bei der Einsendung einer Rezeptkopie ohne Erwerb eines rezeptpflichtigen Produkts gewährt, vor allem aber erhält der Kunde eine Ermäßigung nur auf den Einkauf rezeptfreier Produkte. Für eine sich aufdrängende Erkenntnis, dass diese Fallkonstellation für einen Verstoß gegen §§ 78 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 AMG, § 1 Abs. 1 AMPreisV ausreicht, genügte die bloße allgemeine Kenntnis dieser Regelungen nicht. Vielmehr bedurfte es hierfür – wie oben unter Ziff. 8. gezeigt – einer vertieften juristischen Prüfung unter Heranziehung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, so dass von einem Redaktionsmitarbeiter ohne juristische Ausbildung nicht erwartet werden kann, dass er den streitgegenständlichen Flyer als eindeutig und offensichtlich gesetzeswidrig erkennt.
Vor diesem Hintergrund gebieten es die aufgezeigten Grundsätze zum Schutz der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG), dass eine derartige Werbung von der Beklagten als Flyer in ihrer Mitgliederzeitung verbreitet werden darf, ohne dass sie für eine etwaige Gesetzeswidrigkeit dieser Werbung verantwortlich gemacht werden kann.
11. Ein Unterlassungsanspruch ist auch nicht aus §§ 8 Abs. 1, 3 Nr. 2, 3 Abs. 1, 3 a (4 Nr. 11 a. F.) UWG i.V.m. § 2 b Abs. 2 GKV-Rahmenvertrag (Anlage BB 53) begründet.
Es handelt sich hierbei schon nicht um eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3 a UWG/4 Nr. 11 a.F. UWG, sondern um einen öffentlichrechtlichen Vertrag, dem kein allgemein gültiger normativer Charakter zugesprochen werden kann (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl. 2018, § 3 a 1.57).
Jedenfalls aber scheidet auch insoweit – entsprechend den vorstehenden Ausführungen unter Ziff. 10. – eine Haftung der Beklagten nach den aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG folgenden Grundsätze der eingeschränkten Haftung für gesetzeswidrige Anzeigen in Presseerzeugnissen aus. Denn aus der maßgeblichen Sicht des zuständigen Anzeigenredakteurs lag hier aus den oben genannten Gründen kein grober und unschwer erkennbarer Verstoß gegen § 2 b Abs. 2 GKV-Rahmenvertrag vor, wobei im Übrigen auch schon nicht unterstellt werden kann, dass diesem bekannt war, ob das Unternehmen DocM. diesem Vertrag beigetreten ist.
12. Mangels Bestehens eines Unterlassungsanspruchs war auch die klägerische Abmahnung vom 22.10.2014 (Anlage K 3) nicht berechtigt, so dass der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten (§ 12 Abs. 1 S. 2 UWG) ebenfalls nicht besteht.
III.
1. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10 S. 1, 711 S. 1, S. 2, 709 S. 2 ZPO.
3. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache erfordert, wie die Ausführungen unter II. zeigen, lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.


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