IT- und Medienrecht

formelhafte Begründung des Fristverlängerungsantrag

Aktenzeichen  8 U 967/20

Datum:
9.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 22390
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 224 Abs. 2, § 520 Abs. 3 Nr. 2, § 522 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

Die Verlängerung einer Schriftsatzfrist wird nur in konkret begründeten und glaubhaft gemachten Einzelfällen gewährt. Pauschale Verweise auf einen erhöhten Arbeitsanfall oder zahlreiche Fristsachen genügen zur Begründung nicht aus.  (Rn. 7 – 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

13 O 2290/19 2020-01-17 Urt LGMUENCHENII LG München II

Tenor

1. Der Fristverlängerungsantrag des Klägers und Berufungsführers vom 06.07.2020 wird zurückgewiesen
2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 17.01.2020, Aktenzeichen 13 O 2290/19, wird verworfen.
3. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 66.692,14 € festgesetzt.

Gründe

A.
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz im Zusammenhang mit dem sogenannten Dieselskandal in Anspruch.
Der Kläger erwarb am 28.11.2016 bei einem näher bezeichneten Autohaus den streitgegenständlichen VW T 6 Multivan Comfortline als Neufahrzeug für 66.629,14 €. Die Beklagte ist Herstellerin des Fahrzeugs, das mit einem ebenfalls von ihr entwickelten Dieselmotor Typ EA 288 ausgestattet ist. Der Kläger ist der Ansicht dieser weise eine unzulässige Abschalteinrichtung auf, wodurch ihm in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise Schaden zugefügt worden sei. Der Kläger hat daher in erster Instanz beantragt, die Beklagte kostenpflichtig und vorläufig vollstreckbar zu verurteilen, an ihn 66.629,14 € nebst jährlichen Zinsen in Höhe von 4 Prozent seit dem 13.02.2017 bis zum 07.06.2019, sowie in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.06.2019 Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs Volkswagen, Typ T 6 Multivan Comfortline 2,0 l TDI BlueMotion Technology, FIN: …53, zu zahlen. Weiter hat er beantragt festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme dieses Fahrzeugs im Verzug befindet, und diese kostenpflichtig und vorläufig vollstreckbar zu verurteilen, an ihn weitere 2.085,95 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Das Landgericht hat die Klage, wie von den Beklagten beantragt, insgesamt abgewiesen. Auf die tatsächlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils und die in diesem hierfür angeführten Gründe wird verwiesen.
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Ansprüche umfänglich weiter. Die Beklagte hat beantragt, die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Hilfsweise hat sie beantragt, diese zurückzuweisen.
Mit Beschluss des Senats vom 08.06.2020, zugestellt am 12.06.2020, auf den Bezug genommen wird, wurde der Kläger auf die Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung hingewiesen. Ihm wurde hierzu eine Frist zur Stellungnahme bis 06.07.2020 eingeräumt. Eine solche ist nicht erfolgt. Mit Schriftsatz vom 06.07.2020 wurde lediglich beantragt, die gesetzte Frist bis 27.07.2020 zu verlängern, weil der alleine die Sache bearbeitende Klägervertreter zur Zeit durch eine Vielzahl fristgebundener und nicht mehr verlängerbarer Angelegenheiten stark belastet sei. Eine fristgerechte Fertigung der Stellungnahme, zu der auch eine Rücksprache mit dem Kläger erforderlich sei, sei ihm daher nicht möglich. Ergänzend wird auf die Schriftsätze der Parteien im Berufungsverfahren Bezug genommen.
B.
Die Berufung erweist sich danach als unzulässig.
I.
Der am letzten Tag der gesetzten Frist eingegangene Antrag des Klägers, die Frist zur Stellungnahme zu dem Hinweis vom 08.06.2020 bis zum 27.07.2020 zu verlängern, war zurückzuweisen, da erhebliche Gründe für eine Fristverlängerung nicht hinreichend dargetan und glaubhaft gemacht wurden (§ 224 Abs. 2 ZPO).
Der Kläger wurde bereits in den Allgemeinen Verfahrenshinweisen des Senats (nach Bl. 210/211 d.A.) darauf aufmerksam gemacht, dass Fristverlängerungen vom Senat nicht „automatisch“, sondern nur in konkret begründeten Einzelfällen gewährt werden. Im Hinweis vom 08.06.2020 (dort S. 6) wurde zudem nochmals ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass eine Verlängerung der Stellungnahmefrist nur in konkret begründeten und glaubhaft gemachten Einzelfällen gewährt wird und pauschale Verweise auf einen erhöhten Arbeitsanfall, zahlreiche Fristsachen o.ä. hierfür nicht genügen.
Zu beurteilen sind die „erheblichen Gründe“ vor dem Hintergrund des gesetzlichen Regelungszwecks sowohl des Verfahrens zur Fristverlängerung (§ 224 f. ZPO) wie des Verfahrens zur Verwerfung der Berufung als unzulässig (§ 522 Abs. 1 S. 2 ZPO). Die Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens nach § 224 ZPO hat sich nicht einzig an den Interessen der antragstellenden Partei, sondern ebenso an denen der Gegenpartei und den übergeordneten Belangen der Prozessförderung und der Prozesswirtschaftlichkeit zu orientieren (vgl. auch Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, 61. Aufl., § 224 ZPO Rn. 2).
Bei Berücksichtigung dieser Grundsätze rechtfertigt die vom Klägervertreter gleichwohl nur formelhaft angeführte Arbeitsüberlastung die beantragte Fristverlängerung nicht. Denn der Anspruch auf rechtliches Gehör des Klägers könnte lediglich dann verletzt werden, wenn eine vom Gericht gesetzte Frist zur Äußerung objektiv nicht ausreicht, um innerhalb der Frist eine sachlich fundierte Äußerung zum entscheidungserheblichen Sachverhalt und zur Rechtslage zu erbringen (BGH, Beschluss vom 15. Mai 2018 – VI ZR 287/17). Ein solcher Fall liegt aber hier nicht vor. Im Hinweisbeschluss wurde lediglich auf Bedenken gegen die Zulässigkeit des Rechtsmittels aus einem näher bezeichneten Grund hingewiesen. Es war also nicht auf eine Vielzahl rechtlicher Probleme einzugehen oder eine weitere Prüfung des Sachverhalts bei Einbeziehung des Klägers vorzunehmen. Warum die eingeräumte Äußerungsfrist von vier Wochen zur Abklärung des weiteren Vorgehens mit diesem nicht ausreichend gewesen sein soll, und insbesondere, warum dies dem Klägervertreter erst am letzten Tag der Frist aufgefallen ist, erschließt sich mithin nicht und wird in dem Fristverlängerungsantrag auch nicht ansatzweise hinreichend konkret dargelegt und glaubhaft gemacht.
I.
Die Berufung des Klägers ist unzulässig.
Die in offener Berufungsbegründungsfrist beim Berufungsgericht eingegangene Berufungsbegründung genügt der nach § 520 Abs. 3 Nr.2 ZPO gesetzlich vorgeschriebenen Form nicht. Sie ist nicht auf den hier zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten. Der am 20.04.2020 eingegangene Schriftsatz, der sich ebenfalls nicht erkennbar mit dem angegriffenen Urteil befasst, ist zudem jedenfalls verspätet. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird diesbezüglich wegen der näheren Einzelheiten auf die umfassenden Darlegungen im Beschluss des Senats vom 08.06.2020 verwiesen, zu dem keine weitere Äußerung erfolgt ist.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Gegen den Verwerfungsbeschluss zu I. und II. ist die Rechtsbeschwerde kraft Gesetzes zulässig, § 522 Abs. 1 S. 4 ZPO.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO (Zöller-Heßler, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 522 Rn. 28 mwN).
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.


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