IT- und Medienrecht

Fortsetzungsfeststellungsklage, polizeiliche Sicherstellung eines PKWs

Aktenzeichen  Au 8 K 20.1982

Datum:
18.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 21477
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO Art. 113 Abs. 1 S. 4
PAG Art. 25 Nr. 2
PAG Art. 2 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass die polizeiliche Sicherstellung des PKW Mercedes GLS rechtswidrig war (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO). Die Klage ist nach Antragsumstellung als sogenannte Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig, wobei davon ausgegangen wird, dass der ursprünglich gestellte Klageantrag auf Herausgabe bereits von Anfang an auf Anfechtung der Sicherstellung verbunden mit einem Folgenbeseitigungsanspruch (Schmidbauer, in Schmidbauer/Steiner, Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, 5. Aufl. 2020, Art. 28 Rn. 10) gerichtet war.
1. Die Klage ist zulässig.
a) Sie ist als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft, weil es sich bei der von der Klägerin beanstandeten Maßnahme der Polizei um einen Verwaltungsakt handelt (Art. 35 BayVwVfG), der sich nach Klageerhebung spätestens durch die Herausgabe des PKWs erledigt hat. Die Sicherstellungsmaßnahme war im Zeitpunkt der Klageerhebung auch noch nicht bestandskräftig, da der Verwaltungsakt zwar mit einer Anlage mit Rechtsbehelfsbelehrung:en versehen war. Aber nachdem keine der beiden Alternativen (Belehrung für „Maßnahmen gemäß Strafprozessordnung“ oder „Maßnahmen gemäß Polizeiaufgabengesetz“) angekreuzt war, lief gem. § 58 VwGO die Jahresfrist.
b) Die Klägerin hat auch ein berechtigtes Feststellungsinteresse. Hat sich ein Verwaltungsakt durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Ein berechtigtes Interesse i.S.v. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Natur sein. Entscheidend ist, dass die gerichtliche Entscheidung geeignet ist, die Position des Klägers in den genannten Bereichen zu verbessern. Das erforderliche Feststellungsinteresse kann sich aus einem Rehabilitierungsinteresse, aus einer Wiederholungsgefahr oder aus der Absicht ergeben, einen Schadensersatzanspruch geltend zu machen, sofern dieser nicht von vornherein als aussichtslos erscheint.
Ein berechtigtes Interesse im Sinne einer Wiederholungsgefahr ist nicht gegeben. Eine Wiederholungsgefahr setzt die hinreichend bestimmte, konkrete Gefahr voraus, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen erneut ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird (BVerwG, B.v. 16.10.1989 – 7 B 108.89). Ist dagegen ungewiss, ob in Zukunft noch einmal die gleichen tatsächlichen Verhältnisse eintreten wie im Zeitpunkt des Erlasses des erledigten Verwaltungsakts, kann das Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht aus einer Wiederholungsgefahr hergeleitet werden (BVerwG, U.v. 25.11.1986 – 1 C 10.86; vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 12.10.2006 – 4 C 12/04 – juris Rn. 8). Gemessen hieran besteht vorliegend keine hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr. Dass es noch einmal zu einer solchen Konstellation kommt, ist doch wenig wahrscheinlich.
Ein Feststellungsinteresse ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin vorträgt, einen Amtshaftungsprozess vorbereiten zu wollen. Grundsätzlich kann zwar nach einem Anspruchsverlust mit der begehrten Feststellung der bisherige „Ertrag“ des Rechtsstreits für einen angestrebten Amtshaftungs- oder Schadensersatzprozess nutzbar gemacht werden. Das Feststellungsinteresse fehlt aber im Hinblick auf einen Amtshaftungsprozess bei offensichtlicher Aussichtslosigkeit, z.B. wenn es an einem Schaden fehlt (Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 113 Rn. 116). Von einer solchen Aussichtslosigkeit ist im konkreten Fall auszugehen. Es ist ohne ins Einzelne gehende Prüfung erkennbar, dass der behauptete zivilrechtliche Anspruch unter keinem denkbaren Gesichtspunkt besteht (s. BVerwG NVwZ 1992, 1092). Die Klägerin kann bereits keinen Schaden geltend machen. Ihr wurde vom Landgericht Augsburg (Az.: *) der Kaufpreis zugesprochen, der ihr objektiv zustand, und von der Beigeladenen gezahlt. Eine Minderung wegen eventueller Standschäden oder sonstigen Wertverlust wurde dabei nicht vorgenommen.
Die Klägerin kann aber jedenfalls ein Rehabilitationsinteresse geltend machen. Mit Blick auf Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG besteht ein berechtigtes ideelles Interesse an einer Rehabilitierung nur, wenn sich aus der angegriffenen Maßnahme eine Stigmatisierung des Betroffenen ergibt, die geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit oder im sozialen Umfeld herabzusetzen (BVerwG, U.v. 16.5.2013 – 8 C 14/12 – BVerwGE 146, 303 = juris Rn. 24 f.). Dies ist vorliegend der Fall. Durch die Sicherstellung des PKWs wird der Eindruck erweckt, als habe sich die Klägerin in einer Weise rechtswidrig verhalten, dass das sofortige Einschreiten der Polizei erforderlich wurde. Die Maßnahme erlangte auch eine gewisse Außenwirkung, da neben der Ehefrau des Geschäftsführers der Klägerin auch der Bevollmächtigte der Beigeladenen und die Rechtsbeistände anwesend waren. Da der PKW vom Hof der Klägerin weggebracht worden ist und somit die Maßnahme im Freien stattfand, ist auch davon auszugehen, dass weitere Dritte von dem Vorfall Kenntnis erlangten. Dieser Makel kann durch eine Feststellung der Rechtswidrigkeit beseitigt werden.
2. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die von der Polizei getroffene Maßnahme in Gestalt der Sicherstellung war rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO). Die Voraussetzung für die Sicherstellung nach Art. 25 Nr. 2 PAG lagen zum damaligen Zeitpunkt bis zur rechtskräftigen Klärung der Eigentumsfrage vor.
a) Zum einen ist bei der Sicherstellung des streitgegenständlichen Mercedes der Aufgabenbereich der Polizei nach Art. 2 Abs. 2 PAG eröffnet. Danach obliegt der Schutz privater Rechte der Polizei nur dann, wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und wenn ohne polizeiliche Hilfe die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. Es war davon auszugehen, dass es aufgrund der späten Stunde nicht möglich war, zeitgerecht Hilfe durch die Zivilgerichte zu erhalten. Die Überlassung des Fahrzeugs an die Klägerin bzw. an die Beigeladenen hätte die Verwirklichung des auf das Eigentum gestützten Anspruchs der Beigeladenen bzw. der Klägerin wesentlich erschweren und dadurch deren behauptetes Recht beeinträchtigen können. Die Herausgabe vor Klärung der Eigentumsfrage hätte die mögliche Rechtsposition der Beigeladenen erheblich verschlechtern und eventuell faktisch unmöglich machen können (BayVGH, B.v. 11.2.2009 – 10 CE 08.3393 – juris Rn. 14), wenn beispielsweise das Fahrzeug ins Ausland verkauft worden wäre oder der Bevollmächtigte der Beigeladenen mit dem PKW nach Rumänien zurückgefahren wäre. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Bevollmächtigte der Beigeladenen keine ladungsfähige Anschrift im Inland hatte und auch der deutschen Sprache nicht mächtig war. Eine spätere Realisierbarkeit des jeweiligen Anspruchs wäre beiden Beteiligten nur unter erschwerten Umständen möglich gewesen.
b) Es lagen auch die Voraussetzungen für die Sicherstellung des Pkws vor. Nach Art. 25 Nr. 2 PAG kann die Polizei eine Sache sicherstellen, um den Eigentümer oder den rechtmäßigen Inhaber der tatsächlichen Gewalt vor Verlust oder Beschädigung einer Sache zu schützen.
Die Klägerin hat jedenfalls nicht vor Ort eindeutig nachweisen können, dass sie Eigentümerin des PKWs ist. Aufgrund der unklaren Situation war zu befürchten, dass entweder der Bevollmächtigte der Beigeladenen mit dem Fahrzeug nach Rumänien fahren oder dass aufgrund der Auslandsbeziehungen der Klägerin diese das Fahrzeug anderweitig ins Ausland verkaufen würde. Die Polizei hat nicht als Schiedsrichter über das „bessere“ Eigentumsrecht aufzutreten. Die Sach- und Rechtslage hinsichtlich der Frage, wer zivilrechtlich Eigentümer des Mercedes ist, stellte sich als unklar und schwierig dar. Die Klägerin konnte sich auch nicht auf § 1006 BGB berufen. Danach wird zugunsten des (Eigen-)Besitzers einer beweglichen Sache vermutet, dass er Eigentümer der Sache ist. Der Besitzer braucht dann zwar nur den gegenwärtigen Besitz als Tatsachenbasis der Vermutung darzulegen und zu beweisen, nicht aber die den Eigentumserwerb begründende Tatsachen. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes bedarf es gewichtiger Indizumstände im konkreten Einzelfall, die geeignet sind, mit dem erforderlichen Grad an Gewissheit die Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB zu widerlegen. Dies ist dann der Fall, wenn Indizien oder Erfahrungssätze vorliegen, aufgrund derer „mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit das Eigentum des gegenwärtigen Besitzers weniger wahrscheinlich“ erscheint als das Eigentum eines Dritten bzw. „die vom Besitzer behaupteten Erwerbstatsachen“ konkret widerlegt werden (BayVGH, B.v. 19.11.2010 – 10 ZB 10.1707 – BayVBl 2011, 312 Rn. 11 m.w.N. zur Rspr.).
Im vorliegenden Fall war bereits unklar, wer im Zeitpunkt des Eintreffens der Polizei im Besitz des Autos war. Insoweit sprach für die Klägerin, dass der streitgegenständliche Mercedes auf ihrem Grundstück geparkt war. Die Zulassungspapiere jedoch und auch der Schlüssel waren im Besitz des Bevollmächtigten der Beigeladenen (vgl. Aktenvermerk der Polizei, Bl. 11 der beigezogenen Akte der Staatsanwaltschaft). Hinzu kommt entscheidend, dass die Beigeladene in der Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief) bereits eingetragen war. Dies ist ein Indiz für die Eigentümerstellung dieser Person. Unerheblich ist insoweit, ob die Eintragung mit Wissen und Wollen der Klägerin geschah. Insoweit ist jedoch darauf hinzuweisen, dass der Bevollmächtigte der Beigeladenen mit einem Mitarbeiter der Klägerin zur Zulassungsstelle fuhr. Nicht relevant ist ebenfalls, ob der Kaufpreis vollständig gezahlt worden ist oder Strafzinsen fällig geworden sind. Gerade die unklare Situation vor Ort mit Verständigungsproblemen, verschiedenen Dokumenten des Bevollmächtigten der Beigeladenen in Rumänisch, gegenseitigen Beschuldigungen und auch das Agieren des Geschäftsführers der Klägerin, der zuerst nur die nicht aktuellen Zulassungspapiere und erst auf Nachfrage der Polizei die Zulassungspapiere, in denen bereits die Beigeladene eingetragen war, herausgab (vgl. Aktenvermerk der Polizei, Bl. 13 der Akte der Staatsanwaltschaft), führten dazu, dass die Eigentumsfrage nicht unmittelbar geklärt werden konnte. Aufgrund dieser Umstände konnte das Eigentumsrecht vielmehr nur nach einer vollständigen Aufklärung des Sachverhalts und der Klärung schwieriger rechtlicher Fragen durch die Zivilgerichte ermittelt werden (BayVGH, B.v. 11.2.2009 – 10 CE 08.3393 – juris Rn. 12). Dies erfolgte mit Urteil des Landgerichts Augsburg (Az.: *) nach einer umfänglichen Beweisaufnahme und nach mehreren Sitzungstagen.
Die Sicherstellung ist auch verhältnismäßig i.S.v. Art. 4 PAG gewesen. Nur die Sicherstellung des Schlüssels oder des Fahrzeugbriefes hätte nicht ausgereicht, da nicht aufgeklärt werden konnte, ob weitere Schlüssel existieren (Bl. 14 der Akte der Staatsanwaltschaft).
3. Mangels Rechtsgrundlage und eines geltend gemachten Schadens kommt auch kein Schadensersatz in Betracht.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Beigeladene hat ihre außergerichtlichen Kosten mangels Antragstellung und Beteiligung am Prozesskostenrisiko gemäß § 154 Abs. 3 VwGO und § 162 Abs. 3 VwGO selbst zu tragen.
5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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