IT- und Medienrecht

Fristlose Kündigung wegen Strafanzeige eines Mieters gegen den Vermieter

Aktenzeichen  424 C 21138/15

Datum:
23.3.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
LSK – 2016, 116015
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB BGB § 543 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Die Strafanzeige berechtigt nur zur fristlosen Kündigung, wenn sie auf erfundenen Tatsachen beruht oder leichtfertig erstattet wurde oder zwar auf wahren Tatsachen beruht oder solchen, die der Anzeigeerstatter für wahr hält, er aber nicht zur Wahrung eigener Interessen handelt, sondern um den Angezeigten einen Schaden zu zufügen. Zur letzterer Fallgruppe gehören die Fälle, in den der Anzeigeerstatter eine Straftat, von der selbst nicht betroffen ist, zum Anlass einer Anzeige nimmt. Der Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit liegt hier im denunziatorischen Charakter der Anzeige.   (redaktioneller Leitsatz)
2 Maßgeblich ist, ob die Anzeige nach den Gesamtumständen angemessen ist. Ein Grund zur fristlosen Kündigung besteht nicht, wenn ein Anzeigeerstatter wahre oder aus seiner Sicht möglicherweise wahre Tatsachen zum Anlass einer Anzeige nimmt und hierbei zur Wahrung eigener Interessen handelt. Hierzu gehören diejenigen Fälle, in denen möglicherweise eine Straftat vorliegen kann und der Anzeigeerstatter ein eigenes Interesse an der Aufklärung der Tat, am behördlichen Eingreifen oder der Bestrafung des Täters hat.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits gesamtschuldnerisch zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 9.042,48 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist zulässig aber unbegründet.
A. Ohne, dass es darauf ankäme, ob die Beklagte die Strafanzeige gegen Unbekannt oder gegen den Kläger zu 2) gestellt hat (weshalb das Gericht hierzu auch keinen Beweis erhob) berechtigt die Strafanzeige der Beklagten die Kläger hier weder zur fristlosen, noch zur ordentlichen Kündigung.
Eine Strafanzeige kann zwar eine erhebliche Vertragsverletzung im Sinn von § 543 I BGB darstellen, hierfür reicht es allerdings nicht aus, dass ein gegen den Angezeigten eingeleitetes Ermittlungsverfahren mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt wird (Blank in Schmitt-Futterer Mietrecht 12. Auflage 2015, Randnummer 193). Vielmehr ist über die Kündigung unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit der Mittel entsprechend der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Dem Verhalten des Angezeigten kommt dabei maßgebliche Bedeutung zu. Weiterhin ist zu Prüfen, ob die Anzeige im Rahmen der Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte erfolgt ist (i.d.).
In der Rechtssprechung haben sich hier verschiedene Fallgruppen herausgebildet. Die Strafanzeige berechtigt nur zur fristlosen Kündigung, wenn sie auf erfundenen Tatsachen beruht oder leichtfertig erstattet wurde oder zwar auf wahren Tatsachen beruht oder solchen, die der Anzeigeerstatter für wahr hält, er aber nicht zur Wahrung eigener Interessen handelt, sondern um den Angezeigten einen Schaden zu zufügen (Randnummer 194, 195). Zur letzterer Fallgruppe gehören die Fälle, in den der Anzeigeerstatter eine Straftat von der selbst nicht betroffen ist zum Anlass einer Anzeige nimmt. Der Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit liegt hier in denunziatorischen Charakter der Anzeige. Maßgeblich ist, ob die Anzeige nach den Gesamtumständen angemessen ist.
Ein Grund zur fristlosen Kündigung besteht nicht, wenn ein Anzeigeerstatter wahre oder aus seiner Sicht möglicherweise wahre Tatsachen zum Anlass einer Anzeige nimmt und hierbei zur Wahrung eigener Interessen handelt. Hierzu gehören diejenigen Fälle, in den möglicherweise eine Straftat vorliegen kann und der Anzeigeerstatter ein eigenes Interesse an der Aufklärung der Tat, am behördlichen Eingreifen oder der Bestrafung des Täters hat. Hat der Anzeigeerstatter sorgfältig geprüft, ob ein Anlass zur Anzeige besteht, so ist kein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gegeben, eine Kündigung kommt dann im allgemeinen nicht in Betracht (i.d. Randnummer 196 mit weiteren Nachweisen). Letzteres ist hier der Fall.
Selbst wenn die Beklagte den Kläger zu 2) angezeigt hat, so lag darin kein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Deshalb hat das Gericht auch zur Frage der Anzeigeerstattung gegen Unbekannt oder den Kläger zu 2) keinen Beweis erhoben. Denn die Beklagte hätte nach sorgfältiger Prüfung davon ausgehen dürfen, dass ihre Gegenstände durch oder jedenfalls auf Veranlassung des Klägers zu 2 entfernt worden waren. Diese Annahme wäre gestützt durch das vorausgehende Schreiben vom 11.06.2015 B 1, in welchem die Kläger ankündigten, bei Nicht-Entfernung die Gegenstände nach Fristablauf durch den Hausmeister entsorgen zu lassen. Mit diesem Schreiben fügte es sich, dass der Hausmeister der Beklagten mit seinem PKW entgegenkam kurz bevor die Beklagte bemerkte, dass ihre Gegenstände entfernt worden waren. Hinzu kam noch, dass sowohl die Kläger auf das Schreiben der Beklagten, in welchem sie um unverzügliche Rückgabe bat und sich auch eine Anzeige vorbehielt (Anlage B2), nicht antworteten als auch der Prozessbevollmächtigte der Kläger der Beklagten gegenüber im entsprechenden Telefonat nicht etwa angegeben hätte, seine Mandantschaft hätte mit dem Entfernen der Gegenstände nichts zu tun, sondern vielmehr angegeben hat, er könne die Beklagte von einer Strafanzeige nicht abhalten.
Die Beklagte hatte ihr ein eigenes Interesse an der Aufklärung der Entfernung der Gegenstände und am behördlichen Eingreifen. Unschädlich wäre, wenn sie die Strafanzeige als Druckmittel für die zivilrechtliche Auseinandersetzung genutzt hätte, das heißt um ihre Gegenstände zurückzuerlangen, da dies insbesondere nach den vorangegangen Telefonat mit dem Prozessbevollmächtigten der Klägerseite und den unbeantworteten Schreiben der Beklagten an die Kläger nicht unverhältnismäßig oder verwerflich erscheint.
Da die Strafanzeige insoweit in Wahrnehmung berechtigter Interessen erfolgte, führt es auch nicht zu einer die Vertrauengrundlage des Mietverhältnisses störenden Beeinträchtigung, wenn die Beklagte anderen Mietern gegenüber äußerte, dass sie den Kläger zu 2) angezeigt hat.
Es ist hier auch unschädlich, dass nach dem Vortrag der Kläger der Hausmeister die Gegenstände versetzt hat. Denn die Beklagte durfte nach oben Gesagtem jedenfalls berechtigterweise davon ausgehen, dass er dies im Auftrag des Kläger zu 2) tat, so dass von einem juristischen Laien, welchem die Grundsätze von Täterschaft und Teilnahme nicht geläufig sein müssen, eine Anzeige an den Kläger zu 2) auch unter dem Gesichtspunkt der Pflicht zur sorgfältigen Prüfung eines Tatverdachts nicht zum Vorwurf gemacht werden kann. Es ist hier zwar unstreitig, dass der Hausmeister der Beklagten auf ihrer Nachfrage hin angab, der Kläger zu 2) habe die Gegenstände selbst weggeräumt, er selbst habe nur daneben gestanden. Denn die Klägerseite hat diese Äußerung des Hausmeisters erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung bestritten (Blatt 50 der Akte), so dass ihr Bestreiten gem. 296 a ZPO unbeachtlich war. Entscheidungserheblich kam es hierauf aber gar nicht an. Denn auch ohne eine solche Äußerung des Hausmeisters würde in einer Strafanzeige der Beklagten gegen den Kläger zu 2) nach dem oben Gesagten kein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit liegen.
Hieran ändert auch die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft wegen mangelnden Nachweises einer Zueignungsabsicht nichts. Denn Kenntnisse zu den Einzelheiten des Nachweises einer Zueignungsabsicht können von einem juristischen Laien auch bei sorgfältiger Prüfung nicht verlangt werden.
Abgesehen davon hat auch die Klagepartei nicht vorgetragen, dass die Gegenstände an die Beklagte zurückgelangt wären.
Aus denselben Gründen waren die Kläger auch zur ordentlichen Kündigung nicht berechtigt. Nach dem oben Gesagten lag in der Strafanzeige – gleich ob gegen Unbekannt oder gegen den Kläger zu 2) – keine schuldhafte unerhebliche Vertragsverletzung der Beklagten i.S.v. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB.
B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
C. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 und S. 2 ZPO.
D. Der Streitwert entsprach hier dem Jahresbetrag der Miete ohne Nebenkosten, betrug … 12 × 753,54 Euro (§ 41 Abs. 2, Abs. 1 GKG),.


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