IT- und Medienrecht

Gebührenpflicht bei Melderegisterauskünften

Aktenzeichen  M 13 K 18.811

Datum:
25.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 50832
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1
SGB X § 64 Abs. 2 S. 1
VwGO § 43, § 58 Abs. 1 u. 2, § 68 Abs. 1 S. 2, § 74 Abs. 1 S. 2, § 84 Abs. 1, § 124a Abs. 4, § 154 Abs. 1
AGVwGO Art. 15 Abs. 2
KG Art. 1 Abs. 1
GKG § 52 Abs. 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.  

Gründe

Über den Rechtsstreit kann im Wege des Gerichtsbescheids entschieden werden, da die Sache keine rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten aufweist und die Beteiligten hierzu angehört worden sind (§ 84 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
I) Die Klage ist hinsichtlich des Antrages gegen die Kostenerhebung von 5 Euro bezüglich der Erteilung einer erweiterten Meldebescheinigung bereits unzulässig. Die Beklagte hat diesen Betrag der Klägerin unstreitig rückerstattet. Die Klage hat sich insofern erledigt, dem Antrag fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis. Die Klägerin wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie in diesem Punkt ihre Klage verlieren würde, wenn sie insofern nicht eine prozessbeendende Erklärung (Klagerücknahme oder Erledigungserklärung) abgeben würde.
II) Die Klage hinsichtlich des Antrages gegen die Kostenerhebung aus dem Kassenbeleg vom 6. November 2017 ist im Übrigen zulässig, jedoch unbegründet.
a) Der Klageantrag der Klägerin war dahingehend auszulegen, dass die Klägerin Anfechtungsklage gegen die Kostenentscheidung der Beklagten (Kassenbeleg vom 6. November 2017) erhoben hat. Die Kostenentscheidung ist selbstständig anfechtbar (Art. 12 Abs. 3 des bayerischen Kostengesetzes (KG)). Das der Klage grundsätzlich vorgeschaltete Widerspruchsverfahren entfällt bei Entscheidungen hinsichtlich des Melderechts (§ 68 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), Art. 15 Abs. 2 des Ausführungsgesetzes zur VwGO (AGVwGO)). Die Klage ist fristgerecht eingereicht, da der Kassenbeleg vom 6. November 2017 keine Rechtsbehelfsbelehrung:enthielt (§ 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. § 58 Abs. 1 und 2 VwGO).
b) Die Klage ist jedoch unbegründet. Gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 1 KG erheben die Behörden des Staates für Tätigkeiten, die sie in Ausübung hoheitlicher Gewalt vornehmen (Amtshandlungen), Kosten (Gebühren und Auslagen). Bei den von der Beklagten gegenüber der Klägerin im Rahmen des Melderechts erteilten Auskünften handelt es sich um Amtshandlungen im Sinne dieser Definition.
Nach Art. 2 Abs. 1 Satz 1 KG ist derjenige zur Zahlung der Kosten verpflichtet, der die Amtshandlung veranlasst hat. Dies ist unstrittig die Klägerin.
Nachdem das Meldegesetz keine besonderen Regelungen enthält, werden die Gebühren nach Art. 1, 2 und 5 KG und Tarif-Nrn. 2.II.4/1. Kostenverzeichnis (KVz) erhoben. Gemäß Art. 1 KG i.V.m. Tarif-Nrn. 2.II.4/1.2 beträgt die Gebühr für die Erteilung von Bescheinigungen 5 Euro. Damit durfte für die Haushaltsbescheinigung 5 Euro angesetzt werden. Für die erweiterte Melderegisterauskunft setzte die Beklagte zu Recht gemäß Art. 1 KG i.V.m. Tarif-Nrn. 1.1.2 eine Gebühr von 10 Euro an.
Der Klägerin steht auch keine Gebührenfreiheit nach § 64 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) X zu. Diese Vorschrift, nach der „Geschäfte und Verhandlungen, die aus Anlass der Beantragung, Erbringung oder der Erstattung einer Sozialleistung nötig werden“, kostenfrei sind, erweitert die Kostenfreiheit auf Verwaltungsverfahren anderer Behörden, d.h. auf Verfahren von Behörden, die nicht unter die Vorschrift des Sozialgesetzbuchs fallen (Wulffen/Schütze/Roos SGB X, 8. Auflage 2014, § 84 Rn. 6; Mutschler in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand September 2018, § 64 SGB X, Rn. 8a). Die Kostenfreiheit nach § 64 Abs. 2 SGB X ist begrenzt auf Kosten der Geschäfte und Verhandlungen, die bei der Beantragung, Erbringung oder Erstattung einer Sozialleistung entstehen. Notwendig sind Geschäfte und Verhandlungen immer, wenn sie durch den Sozialhilfeträger angefordert werden, ansonsten dann, wenn der Bürger die Geschäfte und Verhandlungen bei verständiger Beurteilung für notwendig halten darf (Wulffen/Schütze/Roos, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 64 Rn. 11).
Die Klägerin hat nicht substantiiert dargelegt, dass die Bescheinigungen der Haushaltsbescheinigung und der erweiterten Melderegisterauskunft, die sie von der Beklagten erhalten hat, bei verständiger Beurteilung für die Beantragung von Sozialleistungen nötig gewesen waren.
Zunächst ist festzuhalten, dass die Klägerin selbst vorträgt, dass sie bei der Sachbearbeiterin und bei der Kassiererin bei Beantragung der Bescheinigungen jeweils nachgefragt habe, ob man die Gebühren erlassen könne, da sie SGB-II-Leistungen beziehe. Es sei von ihr der Mietvertrag und der Bewilligungsbescheid des Jobcenters vorgelegt worden. Nicht vorgetragen wird, dass die Klägerin bei der Beantragung der Bescheinigungen erwähnt hat, dass die Bescheinigungen für die Beantragung von Sozialhilfe notwendig seien. Allein die Tatsache, dass die Klägerin Sozialhilfe bezieht, führt nicht zu einer Kostenfreiheit von Amtshandlungen nach § 64 Abs. 2 SGB X. Kostenfrei sind nur Geschäfte, die zur Beantragung, Erbringung oder Erstattung einer Sozialleistung notwendig sind.
Bezüglich der einfachen Melderegisterauskunft (10 Euro) hat die Klägerin, trotz gesonderter Aufforderung durch das Gericht, im Verfahren nicht einmal die Melderegisterauskunft vorgelegt. Das Gericht weiß daher nicht, für welche Person eine Melderegisterauskunft eingeholt wurde. Auch konnte die Klägerin nicht im Ansatz darlegen, dass die Einholung der Melderegisterauskunft zur Erbringung einer Sozialleistung notwendig war. Die Melderegisterauskunft wurde nicht einmal dem Schreiben der Klägerin (6. November 2017) an das Sozialgericht als Anlage beigelegt.
Die Klägerin konnte nach Auffassung des Gerichtes ebenfalls nicht darlegen, dass die Haushaltsbescheinigung (5 Euro) für die Beantragung oder Erbringung einer Sozialleistung notwendig war. Zwar hat die Klägerin ihrem Klageschriftsatz vom 27. Januar 2018, Eingang bei Gericht per Fax am 19. Februar 2018, ein von ihr verfasstes Schreiben vom 6. November 2017 an das Sozialgericht München beigelegt, bei dem sie als Anlage die Meldebescheinigung und Haushaltsbescheinigung beigelegt hat. Es wurden jedoch, trotz gesonderter Aufforderung durch das Gericht, von der Klägerin keine Belege vorgelegt, aus denen zu schließen ist, dass eine Meldebescheinigung beim Sozialgericht vorzulegen gewesen wären. Dies ergibt sich auch nicht aus dem nunmehr mit Schreiben der Klägerin vom 1. März 2019 vorgelegten vollständigen Urteil des bayerischen Landessozialgerichts vom 2. Januar 2018. Für Bescheinigungen und Auskünfte, die „ins Blaue hinein“ beantragt werden, ergibt § 64 SGB X keine Kostenfreiheit. Für das Gericht ist daher nicht genügend belegt, dass die Haushaltsbescheinigung notwendig war, um einen Sozialhilfeanspruch geltend zu machen. Dies umso mehr, als die Haushaltsbescheinigung denselben Inhalt hat wie die erweiterte Meldebescheinigung. Aus § 64 SGB X folgt für die Klägerin daher kein Anspruch auf Kostenfreiheit.
III) Der Klageantrag der Klägerin festzustellen, dass bei gleicher Situation durch die Beklagte darauf verzichtet wird, Gebühren zu erheben, ist bereits unzulässig. Grundsätzlich muss der Betroffene gegen Rechtsverletzungen mit Gestaltungs- und Leistungsklagen vorgehen (§ 43 Abs. 2 VwGO), soweit er damit gleichwertigen Rechtsschutz erhält (Eyermann/Happ, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 43 Rn. 32). Da die Klägerin die Möglichkeit hat, bei Kostenerhebungen im Rahmen von Melderechtsauskünften einen angemessenen und ausreichenden nachträglichen Rechtsschutz durch Anfechtungsklagen zu erreichen, ist ein berechtigtes Interesse an einer vorbeugenden Feststellungklage zu verneinen.
IV) Auch der Klageantrag, die Beklagte zu verpflichten, durch Aushang und Information im Internet den Gebührenerlass für alle Sozialleistungsbezieher unter festgelegten Voraussetzungen zu veröffentlichen, bleibt ohne Erfolg. Das Informationsangebot der Beklagten im Internet ist eine Serviceleistung. Einen einklagbaren Anspruch auf Veröffentlichungen von Informationen oder bestimmter Informationen im Internet gibt es nicht.
V) Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


Ähnliche Artikel

Unerwünschte Werbung: Rechte und Schutz

Ganz gleich, ob ein Telefonanbieter Ihnen ein Produkt am Telefon aufschwatzen möchte oder eine Krankenkasse Sie abwerben möchte – nervig können unerwünschte Werbeanrufe, -emails oder -schreiben schnell werden. Was erlaubt ist und wie Sie dagegen vorgehen können, erfahren Sie hier.
Mehr lesen

Was tun bei einer negativen Bewertung im Internet?

Kundenbewertungen bei Google sind wichtig für Unternehmen, da sich potenzielle Neukunden oft daran orientieren. Doch was, wenn man negative Bewertungen bekommt oder im schlimmsten Fall sogar falsche? Das kann schädlich für das Geschäft sein. Wir erklären Ihnen, was Sie zu dem Thema wissen sollten.
Mehr lesen

Der Influencer Vertrag

In den letzten Jahren hat sich Influencer Marketing einen starken Namen in der Werbebranche gemacht. Viele Unternehmen setzen auf platzierte Werbeanzeigen durch Influencer. Was jedoch zwischen Unternehmer und Influencer vertraglich im Vorfeld zu beachten ist, werden wir Ihnen im Folgenden erläutern.
Mehr lesen


Nach oben