IT- und Medienrecht

Gemeinde, Bescheid, Beitragspflicht, Verwaltungsakt, Verpflichtungsklage, Beitragssatz, Verwirkung, Festsetzung, Gemarkung, Vorauszahlungsbescheid, Kostenentscheidung, Zahlung, Vollstreckung, Gemeinderat, Kosten des Verfahrens, keine Verwirkung, Sinn und Zweck

Aktenzeichen  RN 11 K 20.269

Datum:
25.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 34082
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Beklagte wird verpflichtet, die von den Klägern beantragten Zinsen für eine geleistete Vorauszahlung für das Grundstück Fl.Nr. … der Gemarkung G.gemäß Art. 5 Abs. 5 Satz 4 KAG in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 5.000 € seit dem 30.08.2011, aus einem Betrag von 10.000 € seit dem 29.03.2012 und aus einem Betrag von 12.726,84 € seit dem 26.02.2013 im Wege eines Zinsfestsetzungsbescheides festzusetzen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über die Klage konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entschieden werden, § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Kläger haben mit Schreiben vom 26.01.2021, bei Gericht eingegangen am selben Tag, und die Beklagte mit Schreiben vom 08.02.2021, bei Gericht eingegangen am 09.02.2021, auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Die Klage ist zulässig und begründet und hat daher Erfolg. Die Kläger haben einen Anspruch auf Festsetzung von Zinsen im Wege eines Zinsfestsetzungsbescheides in der beantragten Höhe, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
A. Die Klage ist zulässig, da die Kläger ihr Begehren zutreffender Weise im Wege der Verpflichtungsklage auf Erlass eines Zinsfestsetzungsbescheides verfolgen (I.) und auch keine Verwirkung anzunehmen ist (II.).
I. Nach dem gestellten Klageantrag begehren die Kläger die Verpflichtung der Beklagten, an sie die Zinsen aus dem mit Vorauszahlungsbescheid vom 30.01.2012 geforderten und gestundeten Beitrag i.H.v. 12.726,84 € seit dem jeweiligen Zahlungstag zu erstatten.
Die von den Klägern geltend gemachten Zinserstattungsansprüche wurden insoweit auch zutreffend im Wege einer Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) verfolgt. Dies ergibt sich aus Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a) des Kommunalabgabengesetzes (KAG), der auf § 218 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) verweist. Danach ist die Zahlung eines Erstattungsbetrags vom Erlass eines Erstattungsbescheides abhängig (vgl. auch BVerwG, U. v. 24.01.1997 Az. 8 C 42/95; BayVGH, B. v. 07.06.2010 Az. 20 ZB 10.515). Dies gilt insbesondere auch, wenn die Erstattungsberechtigung in Streit steht. Die Beklagte muss folglich durch Verwaltungsakt über Erstattungsansprüche entscheiden, die darauf beruhen, dass der rechtliche Grund für die Zahlung später weggefallen ist.
Auch die Festsetzung eines Zinsanspruchs nach Art. 5 Abs. 5 Satz 4 KAG bzw. Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b) Doppelbuchst. bb) KAG i.V.m. § 236 Abs. 1 AO ist nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b) Doppelbuchst. dd) und Art. 13 Abs. 2 Buchst. a) und b) KAG i.V.m. § 239 Abs. 1 Satz 1, § 155 Abs. 1 Satz 1 und § 157 Abs. 1 Satz 1 AO durch Verwaltungsakt erforderlich, weil nach § 239 Abs. 1 Satz 1 AO die für Abgaben geltenden Vorschriften auf Zinsen entsprechend anzuwenden sind. Die Abgaben werden nach § 155 Abs. 1 Satz 1 und § 157 Abs. 1 Satz 1 AO durch schriftlichen Bescheid festgesetzt (vgl. VG Würzburg, U. v. 20.01.2019 Az. W 2 K 09.476). Damit ist die Verpflichtungsklage auf Erlass eines Zinsfestsetzungsbescheides statthaft. Das Klagebegehren ist ausdrücklich hierauf gerichtet.
II. Dem streitgegenständlichen Anspruch kann auch keine Verwirkung entgegengehalten werden, da die diesbezüglichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind.
Der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)) als ein die gesamte Rechtsordnung beherrschendes Prinzip bewirkt, dass nicht nur materielles Recht, sondern auch verfahrensrechtliche Positionen verwirkt werden können. Die Möglichkeit der Verwirkung verfahrensrechtlicher Positionen entspricht dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit. Die Verwirkung setzt auch bei verfahrensrechtlichen Positionen neben dem Ablauf einer gewissen Zeitspanne (Zeitmoment) voraus, dass ein Dritter darauf vertraut hat, der Berechtigte werde nichts mehr zur Wahrung seines Rechts unternehmen (Vertrauenstatbestand), wobei der Berechtigte unter solchen Umständen untätig geblieben ist, aus denen ein Dritter berechtigterweise ein solches Vertrauen bilden durfte (Umstandsmoment) und sich der Dritte infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (Vertrauensbestätigung). Erst dadurch wird eine Situation geschaffen auf die der jeweilige Gegner vertrauen, sich einstellen und einrichten darf. Entscheidend ist in zweipoligen Verwaltungsrechtsverhältnissen die Sichtweise der Gegenpartei, in der Regel also des Verwaltungsträgers. Auf die abgeklärte Sicht des Gerichts kann es nicht ankommen. Bei der Vorprüfung der Voraussetzung einer Verwirkung prozessualer Befugnisse ist ferner Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) zu berücksichtigen. Der Weg zu den Gerichten darf durch die Annahme eine Verwirkung nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden. Ein Anhaltspunkt dafür, nach welchem Zeitraum eine Verwirkung frühestens möglich ist, bietet § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Danach wird im Regelfall vor Ablauf eines Jahres eine Verwirkung nicht angenommen werden können (zum Ganzen vgl. Kluckert in Sodan/Ziekow, VwGO § 57 Rn. 23f.).
Im streitgegenständlichen Fall fehlt es jedenfalls am Umstandselement. Rückforderungs- und Zinsanspruch des Art. 5 Abs. 5 Satz 3 und 4 KAG entstehen ohnehin erst 6 Jahre nach Erlass des Vorauszahlungsbescheides. Insoweit kann die bloße Bestandskraft des Vorauszahlungsbescheides gerade kein Indiz für das Vorliegen des Umstandselementes darstellen. Nur weil der Vorauszahlungsbescheid und damit auch die Begründung der Gemeinde hinsichtlich der Verbesserungsmaßnahme möglicherweise akzeptiert werden, kann daraus nicht auf einen Verzicht bezüglich des streitgegenständlichen Zinsanspruchs geschlossen werden. Diesem liegen gerade andere rechtliche Voraussetzungen zu Grunde, als der Rechtmäßigkeit eines Vorauszahlungsbescheides. Auch sonst lassen sich den dem Gericht vorgelegten Unterlagen keinerlei Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Kläger ausdrücklich auf die Geltendmachung ihrer Ansprüche verzichtet hätten. Vielmehr machten sie jedenfalls mit Schreiben vom 29.08.2019, vom 26.08.2019 und 15.10.2019 ihre Ansprüche ausdrücklich geltend. Dass die Beklagte nicht mehr mit einer Rückforderung etwaig geleisteter Vorauszahlungen und Zinsansprüche rechnete und rechnen musste, kann daher nicht angenommen werden. Selbiges gilt auch für eine etwaige materiell-rechtliche Verwirkung des Anspruchs (vgl. zu den Anforderungen an eine materiell-rechtliche Verwirkung von Ansprüchen Jauernig/Mansel BGB § 242 Rn. 59 ff.).
B. Die Klage ist auch begründet, da den Klägern ein Anspruch auf Verzinsung der Vorauszahlung des vorläufigen Verbesserungsbeitrags in Höhe von 12.726,84 € im Wege eines Zinsfestsetzungssbescheides zusteht, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Der Verzinsungsanspruch folgt im streitgegenständlichen Fall aus Art. 5 Abs. 5 Satz 3, 4 KAG. Nach dieser Bestimmung, kann die Vorauszahlung zurückverlangt werden, wenn die Beitragspflicht sechs Jahre nach Erlass des Vorauszahlungsbescheids noch nicht entstanden ist. Die Rückzahlungsschuld ist ab Erhebung mit 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB jährlich zu verzinsen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, da die Einrichtung sechs Jahre nach Erhebung der Vorauszahlung noch nicht benutzbar war (I.) und auch eine isolierte Geltendmachung des Zinsanspruches möglich ist (II.).
Eine Verzinsung kommt im Abgabenrecht nur dann in Betracht, wenn hierfür eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage besteht (vgl. Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b) Doppelbuchst. aa) KAG i.V.m. § 233 AO. Art. 5 Abs. 5 Satz 4 KAG sieht eine solche Verzinsung ausdrücklich vor. Bei den von den Klägern geleisteten Zahlungen handelt es sich auch um Vorauszahlungen im Sinne des Art. 5 Abs. 5 Satz 1 KAG. Dies ergibt sich eindeutig aus dem Vorauszahlungsbescheid der Beklagten vom 30.01.2012.
Die Vorauszahlung und der Vorschuss wurden geschaffen, um die Finanzierung einer öffentlichen (hier leitungsgebundenen) Einrichtung ohne zu starke Inanspruchnahme des Kapitalmarkts oder von Eigenmitteln des Einrichtungsträgers zu ermöglichen. Diese vorläufigen Geldleistungen auf die künftige Abgabe werden im Beitragsrecht auch im Interesse der Beitragspflichtigen erhoben, weil sie eine unnötige Erhöhung des Investitionsaufwands durch Darlehenszinsen vermeiden (vgl. BVerwG, U. v. 23.08.1990 Az. 8 C 4.89; Ecker, Kommunalabgaben in Bayern, Nr. 2.7.11.1). Sie tilgen die Beitragsforderung im Zeitpunkt ihres Entstehens in Höhe des gezahlten Betrags durch Anrechnung auf die endgültige Beitragspflicht (BVerwG, U. v. 26.01.1996 Az. 8 C 14/94). Die Vorauszahlung ist mit der endgültigen Beitragspflicht zu verrechnen, auch wenn der Vorauszahlende nicht beitragspflichtig ist (Art. 5 Abs. 5 Satz 2 KAG). Sinn und Zweck der Erstattungs- und Verzinsungsregelung des Art. 5 Abs. 5 Satz 3 und 4 KAG ist es dabei, auf die Gemeinde Druck auszuüben, die streitgegenständliche Maßnahme in einem angemessenen Zeitraum zügig fertigzustellen.
I. Die verbesserte Einrichtung der Beklagten war sechs Jahre nach Erhebung der Vorauszahlung noch nicht benutzbar i.S.d. Art. 5 Abs. 5 Satz 3 KAG, da es insoweit auf die Verbesserungsbeitragssatzung der Beklagten ankommt.
1. Im Kommunalabgabenrecht entsteht eine Abgabepflicht erst mit Erfüllung des in der Abgabesatzung normierten Abgabetatbestands. Im Beitragsrecht für leitungsgebundene Einrichtungen muss zumindest die Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlich gewidmeten Einrichtung durch den Eigentümer des beitragspflichtigen Grundstücks bestehen, also diesem ein besonderer Vorteil vermittelt werden (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG) und eine Abgabesatzung vorliegen, die den Schuldner, den die Abgabe begründeten Tatbestand, den Maßstab, den Satz der Abgabe, sowie die Entstehung und die Fälligkeit der Abgabeschuld bestimmt (Art. 2 Abs. 1 KAG). Das Wesen der Vorauszahlung als einer Zahlung vor Entstehen einer Beitragspflicht und die darin begründete Abhängigkeit von einer künftigen Beitragsschuld nach Grund und Höhe erfordern für eine Festsetzung ebenfalls das Vorhandensein einer gültigen Beitragsregelung in Gestalt einer Abgabensatzung nach Art. 2 Abs. 1 KAG, weil nur so die rechtlichen Voraussetzungen für die spätere Begründung einer Beitragspflicht geschaffen werden (vgl. BayVGH, U. v. 22.10.1998 Az. 23 B 97.3505 m.w.N.). Eine dementsprechende Verbesserungsbeitragssatzung liegt mit der Beitragssatzung für die Verbesserung und Erneuerung der Entwässerungsanlage im Ortsteil G.der Gemeinde G.(BS/VE) vor. Bedenken gegen das formell ordnungsgemäße Zustandekommen der maßgeblichen Satzungsregelungen wurden weder vorgetragen, noch sind offensichtliche Mängel für das Gericht ersichtlich. Die Satzung wurde auch materiell-rechtlich nicht beanstandet (vgl. BVerwG, U. v. 17.04.2002 Az. 9 CN 1/01).
2. Die Maßnahme zur Verbesserung der Entwässerungseinrichtung i.S.d. BS/VE war im Zeitpunkt des Ablaufs der Sechs-Jahres-Frist nach Erlass des Vorauszahlungsbescheides vom 30.01.2012 am 30.01.2018 aber noch nicht abgeschlossen.
Eine Beitragsschuld kann bei Vorliegen einer gültigen Abgabesatzung erst dann entstehen, wenn die Maßnahme i.S.d. Satzung tatsächlich beendet ist. Der Zeitpunkt der Entstehung der Beitragsschuld und der Beendigung der jeweiligen Maßnahme lässt sich dabei der Satzung selbst entnehmen. Demnach entsteht die Beitragsschuld, wenn die Verbesserungs- und Erneuerungsmaßnahme tatsächlich beendet ist, § 3 Satz 1 BS/VE (vgl. BayVGH, B. v. 07.05.2007 Az. 23 CS 07.833). Die konkreten Maßnahmen der Verbesserung und Erneuerung sind wiederum in § 1 BS/VE dargestellt. Durch diesen Maßnahmenbeschrieb ist für den Abgabeschuldner jedenfalls der Zeitpunkt bestimmbar, in dem alle bezeichneten relevanten Maßnahmen abgeschlossen sind (vgl. BayVGH, B. v. 07.05.2007 a.a.O.).
Zwar trägt die Beklagte vor, dass bereits sofort nach Beginn der Baumaßnahmen ein Regenrückhaltebecken mit einer Verbesserung für Hochwasser und Rückstau mit einem neuen Hauptkanal gebaut wurde und im sechsjährigen Zeitraum weitere in § 1 BS/VE genannte Baumaßnahmen abgeschlossen wurden, von den auch die beiden Kläger sofort profitierten. Wie die Beklagte in ihren Schriftsätzen an das Gericht aber selbst vorträgt, waren sämtliche im Bescheid vorläufig abgerechneten – und in der Verbesserungsbeitragssatzung beschriebenen – Verbesserungsmaßnahmen noch nicht vollständig abgeschlossen. Die Verbesserungsmaßnahmen wurden insgesamt erst 2019 abgeschlossen.
Art. 5 Abs. 5 Satz 1 KAG und der damit korrespondierende Rückzahlungs- und Verzinsungsanspruch stellen aber gerade auf die Verbesserung ab, wie sie durch die Satzung der Beklagten selbst konkretisiert wird. Demnach kann die Vorauszahlung zurückverlangt werden, wenn die Beitragspflicht noch nicht entstanden ist. Die endgültige Beitragspflicht entsteht aber erst mit Beendigung der gesamten Maßnahmen. Dies war im streitgegenständlichen Fall erst im Jahr 2019.
Der Maßnahmenbeschrieb in § 1 BS/VE stellt dabei eine einzige Gesamtverbesserungsmaßnahme dar und besteht gerade nicht aus 8 Einzelmaßnahmen (vgl. auch BayVGH, U. v. 24.02.2005 Az. 23 N 04.1291). Der Beschrieb der Verbesserungsmaßnahmen hat nicht nur Bedeutung für die Beurteilung, ob überhaupt eine Verbesserungsmaßnahme gegeben ist. Er bestimmt auch den beitragsfähigen Aufwand für die Gesamtmaßnahme, der den Anlagenbetreiber dann berechtigt, diesen über Beiträge zu finanzieren (vgl. BayVGH, U. v. 24.02.2005 a.a.O.). Er legt zudem eindeutig fest, wann alle bezeichneten Maßnahmen abgeschlossen sind, also wann mit ihrer tatsächlichen Beendigung die endgültige Verbesserungsbeitragsschuld entsteht (BayVGH, U. v. 18.01.2005 Az. 23 B 04.2222).
Genau auf diese – in der Satzung festgelegte – Beendigung der Gesamtmaßnahme kommt es auch im Falle des Rückzahlungs- und Verzinsungsanspruchs an. Für den Verzinsungsanspruch nach Art. 5 Abs. 5 Satz 4 KAG müssen die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 5 Satz 3 KAG erfüllt sein. Diese Vorschrift nimmt aber ausdrücklich auf die jeweilige Beitragspflicht Bezug. Die Gemeinde bringt durch die selbst gewählte systematische Darstellung der Maßnahmen in einem Paragraphen derselben Satzung (§ 1 BS/VE) ihren Planungswillen zum Ausdruck, dass der Maßnahmenbeschrieb (Bauabschnitt I bis VIII) eine Gesamtmaßnahme darstellt und damit nur eine einzige Verbesserung vorliegt, für die auch nur ein Verbesserungsbeitrag erhoben werden soll. Dies kommt auch durch die Verwendung in § 1 BS/VE „die Gemeinde erhebt einen Beitrag“ zum Ausdruck. Für eine Gesamtmaßnahme spricht insoweit auch die Praktikabilität, da die Beklagte anderenfalls 8 verschiedene Satzung für die jeweilige Verbesserung hätte erlassen müssen (vgl. auch VG Augsburg, U. v. 06.09.2017 Az. Au 6 K 16.1281). Diese Gesamtmaßnahme war 6 Jahre nach Erlass des Vorauszahlungsbescheides damit aber noch nicht insgesamt abgeschlossen.
II. Die Kläger können ihren Zinsanspruch insoweit auch isoliert ohne Rückforderung der geleisteten Beiträge geltend machen, da es sich bei dem Erstattungsanspruch für den Beitrag selbst und dem Zinserstattungsanspruch um voneinander unabhängige Ansprüche handelt. Die Forderung von Zinsen ist damit auch ohne Rückforderung der Beiträge möglich.
Die Kläger haben grundsätzlich die Möglichkeit, ihren Anspruch einschließlich Zinsen geltend zu machen und sich insoweit mit einer Verrechnung im endgültigen Verbesserungsbescheid Einverstanden zu erklären, Art. 5 Abs. 5 Satz 3, 4 KAG (BayVGH, U. v. 26.10.2005 Az. 23 B 05.675). Wenn aber nach Ansicht des BayVGH eine vollumfängliche Verrechnung (wie auch eine vollumfängliche Rückforderung) grundsätzlich zulässig ist, ist nicht ersichtlich, weshalb die Kläger nicht auch an Stelle einer Verrechnung nur die ihnen zustehenden Zinsen zurückfordern können sollten. Eine zwingende – zusätzliche – Rückforderung der Beiträge wäre in Anbetracht eines ohnehin zeitnah ergehenden endgültigen Verbesserungsbeitragsbescheides bloße Förmelei. Art. 5 Abs. 5 Satz 4 KAG nimmt alleine auf den begründeten Rückzahlungsanspruch aus Art. 5 Abs. 5 Satz 3 KAG Bezug, verlangt aber nicht ausdrücklich, dass dieser zusätzlich geltend gemacht wird. Es handelt sich insoweit um einen eigenständigen Anspruch (so wohl auch VG Bayreuth, U. v. 14.03.2019 Az. B 4 K 17.716; Stadlöder in Schieder/Happ, Bayerisches Kommunalabgabengesetz, 3. Auflage 2002, Art. 5 Rn. 226).
Auch geht das Gesetz selbst von einer gesonderten Festsetzung und damit einem eigenständigen Anspruch aus. Die Festsetzung des Zinsanspruches nach Art. 5 Abs. 5 Satz 4 KAG bzw. Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b) Doppelbuchst. bb) KAG i.V.m. § 236 Abs. 1 AO ist nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b) Doppelbuchst. dd) und Art. 13 Abs. 2 Buchst. a) und b) KAG i.V.m. § 239 Abs. 1 Satz 1, § 155 Abs. 1 Satz 1 und § 157 Abs. 1 Satz 1 AO durch einen (eigenständigen) Verwaltungsakt erforderlich, weil nach § 239 Abs. 1 Satz 1 AO die für Abgaben geltenden Vorschriften auf Zinsen entsprechend anzuwenden sind. Die Abgaben werden nach § 155 Abs. 1 Satz 1 und § 157 Abs. 1 Satz 1 AO durch schriftlichen Bescheid festgesetzt. Insoweit können auch die Erstattung des Beitrags und die Zinserstattung jeweils durch gesonderte und eigenständige Bescheide festgesetzt werden.
III. Die Beklagte schuldet daher den Klägern Zinsen für die auf den Bescheid vom 30.01.2012 jeweils geleisteten Vorauszahlungen bis zum Ablauf der Sechs-Jahresfrist, nämlich den 30.01.2018 (vgl. BayVGH, U. v. 26.10.2005 Az. 23 B 05.675) in der geltend gemachten Höhe (§ 88 VwGO) von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem Zeitpunkt der Erhebung. Insoweit kommt es nicht auf den Zeitpunkt der Anforderung, sondern den Zeitpunkt der Zahlung an. Dies resultiert aus dem oben bereits angesprochenen Beschleunigungsgebot, die Maßnahme auch zügig fertigzustellen. Im Übrigen wurden gegen die einzelnen angegebenen Zinszeiträume von der Beklagten auch keine Einwände erhoben.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO).


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