IT- und Medienrecht

Hauptsacheerledigung, wesentliche Änderung einer Klärschlammverbrennungsanlage, Zulassung des vorzeitigen Beginns für Errichtungsmaßnahmen, Klage der Nachbargemeinde

Aktenzeichen  22 A 20.40011

Datum:
23.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 28464
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 161 Abs. 2 S. 1
BImSchG § 8a

 

Leitsatz

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 30.000,– Euro festgesetzt.

Gründe

Die Klägerin hat den Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 5. August 2021 in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Beigeladene und der Beklagte haben der Erledigungserklärung jeweils schriftsätzlich zugestimmt. In entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO ist das Verfahren daher durch Beschluss einzustellen.
Gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist ferner über die Kosten des Verfahrens unter Berücksichtigung des bisherigen Streitstands nach billigem Ermessen durch Beschluss zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es hier, der Klägerin die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen. Eine – im Fall des § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nur gebotene – summarische Prüfung (vgl. BVerwG, B.v. 7.2.2007 – 1 C 7.06 – juris Rn. 2) ergibt, dass die Klage voraussichtlich ohne Erfolg geblieben wäre.
Inwieweit auf die vorliegend angegriffene Zulassung des vorzeitigen Beginns nach § 8a BImSchG das UmwRG Anwendung findet (vgl. zum Meinungsstand etwa OVG Berlin-Bbg, B.v. 14.7.2021 – 11 S 78/21 – juris Rn. 18 ff.; OVG NW, B.v. 10.11.2020 – 8 B 1409/20.AK – juris Rn. 41 f.) und damit die Klagebegründungsfrist des § 6 UmwRG einzuhalten war, kann offenbleiben; die Beantwortung dieser in der Rechtsprechung noch nicht endgültig geklärten Frage widerspräche auch der im Rahmen des § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO gebotenen lediglich summarischen Prüfung. Denn selbst unter Berücksichtigung der Klagebegründung spricht sehr viel dafür, dass der streitgegenständliche Bescheid keine Rechte der Klägerin gem. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt hat und auch kein Aufhebungsanspruch der Klägerin nach – sofern anwendbar – § 4 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 UmwRG bestand.
Eine Verletzung drittschützender Verfahrensvorschriften ist bei summarischer Prüfung nicht ersichtlich. Wie die Klägerin selbst vorträgt, ist sie vor Erteilung der streitgegenständlichen Zulassung gem. Art. 28 BayVwVfG angehört worden (vgl. dazu Mann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Mai 2021, § 8a BImSchG Rn. 34). Eine mögliche unterbliebene Anhörung sonstiger Dritter kann die Klägerin nicht als eigene Rechtsverletzung geltend machen. Hinsichtlich der Erforderlichkeit eines Erörterungstermins (vgl. § 10 Abs. 6 BImSchG) bezieht sich die Klägerin auf das hier nicht streitgegenständliche Änderungsgenehmigungsverfahren nach § 16 BImSchG. Sofern sie anführt, die Entscheidung über den Antrag auf vorzeitige Zulassung hätte erst nach Durchführung eines Erörterungstermins in diesem Änderungsgenehmigungsverfahren getroffen werden dürfen, ist darauf zu verweisen, dass sich aus der prognostizierenden Beurteilung nach § 8a Abs. 1 Nr. 1 BImSchG keine Rechtsverletzung ergeben kann (vgl. näher unten). Auch kommt ein isolierter Erörterungstermin im Rahmen eines Antrags nach § 8a BImSchG wohl nicht in Betracht (vgl. Czajka in Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Stand April 2021, § 8a BImSchG Rn. 57).
In materiell-rechtlicher Hinsicht ist eine Rechtsverletzung der Klägerin bei summarischer Prüfung ebenfalls nicht erkennbar. Mit dem streitgegenständlichen Bescheid zugelassen worden waren gem. § 8a Abs. 1 BImSchG lediglich Errichtungsmaßnahmen in Bezug auf zwei bauliche Anlagen (Neubau einer Halle für die Anlagentechnik; Hallenanbau an die bestehende Anlage sowie jeweils diesbezügliche Erd- und Erschließungsarbeiten). Geruchsbelästigungen, wie sie die Klägerin in ihrer Klagebegründung vorwiegend angeführt hat, konnten in Folge der Ausnutzung des streitgegenständlichen Bescheids hingegen nicht hervorgerufen werden, denn ein vorläufiger Betrieb der geänderten Anlage gem. § 8a Abs. 3 BImSchG war von der Zulassung nicht umfasst (vgl. zur Differenzierung auch Jarass, BImSchG, 13. Aufl. 2020, § 8a Rn. 26 m.w.N.). An dem auf die genannten Errichtungsmaßnahmen beschränkten Regelungsgehalt des Bescheids änderte sich nichts dadurch, dass nach § 8a Abs. 1 Nr. 1 BImSchG mit einer Entscheidung zu Gunsten des Antragstellers gerechnet werden können muss, so dass insoweit die Einhaltung der u.a. Immissionen betreffenden Betreiberpflichten nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG in den Blick zu nehmen ist (vgl. Mann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Mai 2021, § 8a BImSchG Rn. 48). Denn die von § 8a Abs. 1 Nr. 1 BImSchG verlangte Prognose ist kein feststellender Bestandteil der positiven Entscheidung über die Zulassung des vorzeitigen Beginns, sondern lediglich eine ihrer tatbestandlichen Voraussetzungen; eine Bindungswirkung für das Genehmigungsverfahren nach § 16 BImSchG geht von ihr nicht aus (vgl. Mann a.a.O., Rn. 45, Rn. 116 m.w.N.). Als Dritte kann die Klägerin durch die von § 8a Abs. 1 Nr. 1 BImSchG geforderte prognostizierende Beurteilung der Behörde in ihren Rechten daher nicht auch nur potentiell verletzt sein (vgl. Mann a.a.O., Rn. 41). Dies gilt auch, soweit sich diese Prognose auf die Einhaltung drittschützender Vorschriften bezieht (vgl. Czajka in Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Stand April 2021, § 8a BImSchG Rn. 88).
Inwieweit durch die hier damit ausschließlich in Rede stehende begrenzte Zulassung baulicher Anlagen das einfach-gesetzliche Eigentumsrecht der Klägerin, ihr Selbstverwaltungsrecht oder ein sich aus dem interkommunalen Abstimmungsgebot des § 2 Abs. 2 BauGB ergebendes Recht der Klägerin verletzt sein konnte, ist weder näher vorgetragen noch – zumal angesichts der von der Klägerin selbst angeführten Entfernung der Anlage der Beigeladenen zu ihrem Gemeindegebiet – ersichtlich. Zudem gilt § 2 Abs. 2 BauGB für die Gemeinden bei der Aufstellung oder Änderung von Bebauungsplänen. Auch vorliegend beruht die – als solche ohnehin nicht zum Drittschutz führende – Prognoseentscheidung der Behörde hinsichtlich der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit der geänderten Anlage auf dem von der Standortgemeinde aufgestellten Bebauungsplan (vgl. S. 31 des Bescheids). Dass sich im vorliegenden Rechtsstreit die Frage hätte stellen können, inwieweit sich die Nachbargemeinde unter Berufung auf § 2 Abs. 2 BauGB gegen ein nach § 34 oder § 35 BauGB zugelassenes Vorhaben zur Wehr setzen kann (vgl. dazu BVerwG, B.v. 24.10.2018 – 4 B 15.18 – juris bzw. U.v. 1.8.2002 – 4 C 5.01 – BVerwGE 117, 25), hat die Klägerin nicht aufgezeigt.
Sofern die Klägerin die Nichtforderung einer Sicherheitsleistung gem. § 8a Abs. 2 Satz 3 BImSchG beanstandet, dürfte sie ebenfalls nicht in ihren Rechten verletzt gewesen sein. Es spricht sehr viel dafür, dass es sich um eine nicht drittschützende Norm handelt (Enders in Giesberts/Reinhardt, BeckOK Umweltrecht, Stand: 1.7.2021, § 8a BImSchG Rn. 28). Ferner ist weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich, dass es der Anordnung einer Sicherheitsleistung bedurft hätte, und auch nicht, dass eine solche zum Schutz von Rechten der Klägerin notwendig gewesen ist.
Sofern die Klägerin die Nichtdurchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung gerügt hat, hat sie erneut nicht hinreichend zwischen dem Änderungsvorhaben nach § 16 BImSchG und der nur auf bestimmte Errichtungsmaßnahmen beschränkten Zulassung des vorzeitigen Beginns nach § 8a Abs. 1 BImSchG unterschieden. Sie hat insoweit wiederum auf Geruchsbelästigungen bzw. -vorbelastungen verwiesen; derartige Fragen betrieblicher Auswirkungen stellten sich mit Blick auf den begrenzten Regelungsgehalt des streitgegenständlichen Bescheids jedoch nicht (vgl. oben). Eine Rechtsverletzung der Klägerin in Bezug auf die positive Genehmigungsprognose der Behörde (§ 8a Abs. 1 Nr. 1 BImSchG) konnte sich nach dem oben Ausgeführten auch im Hinblick auf die Prüfung der Umweltverträglichkeit des Änderungsvorhabens nicht ergeben.
Im Sinn von § 162 Abs. 3 VwGO entspricht es der Billigkeit, dass die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt, da sie keinen Antrag gestellt hat und damit kein Kostenrisiko eingegangen ist (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. Es erscheint für die Bestimmung der Bedeutung der Sache für die Klägerin sachgerecht, im Ausgangspunkt Nr. 19.3 Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 heranzuziehen, den dort genannten Betrag jedoch wegen des begrenzten Regelungsumfangs des streitgegenständlichen Bescheids zu halbieren (vgl. zur Anfechtung eines Vorbescheids nach § 9 BImSchG durch die Nachbargemeinde BayVGH, B.v. 24.8.2015 – 22 ZB 15.1014 – juris Rn. 21).


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