IT- und Medienrecht

Herausgabe bzw. Durchführung von Messungen und Verkehrszählungen

Aktenzeichen  B 1 K 17.848

Datum:
18.12.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 50482
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVO § 45
StVG § 24
BayVwVfG Art. 4

 

Leitsatz

Tenor

1. Soweit die Parteien die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Verfahrens trägt der Kläger 5/6, die Beklagte 1/6.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch den jeweiligen Vollstreckungsgläubiger durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages leistet. 

Gründe

1. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
Hinsichtlich des Teils, den der Kläger in der mündlichen Verhandlung noch aufrechterhalten hat, bleibt die Klage ohne Erfolg (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
a. Mit dem in seiner Klageschrift vom 29. Juni 2017 formulierten Klageantrag 1.2. sowie den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung begehrt der Kläger von der Beklagten die Durchführung von Zählungen und Messungen bzw. Erhebungen zum Verkehrsaufkommen auf der B … am … Diese sollen als Basis für zu treffende Entscheidungen im Hinblick auf eine Verbesserung der Lärm- und Geschwindigkeitssituation am … dienen.
Eine Rechtsgrundlage, die dem Kläger ein subjektives Recht gegenüber der Beklagten auf Durchführung derartiger Maßnahmen einräumt, besteht nicht.
Für verkehrsbeschränkende Maßnahmen (z.B. Geschwindigkeitsbeschränkungen) nach § 45 StVO liegt die Zuständigkeit bei den Straßenverkehrsbehörden; bei Bundesfernstraßen nach § 44 Abs. 1 StVO i.V.m. Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes über Zuständigkeiten im Verkehrswesen (ZustGVerk) sind dies die Landratsämter als untere Straßenverkehrsbehörden des Freistaats Bayern. Bevor diese eine Entscheidung treffen, sind weitere Behörden (Polizei, Straßenbaubehörde, oberste Landesbehörde bzw. die von ihr bestimmte Stelle) zu beteiligen (VwV Nrn. 1 ff. und 54 zu § 45 StVO).
Die Aufstellung der sog. Smiley-Anlage, die nicht geeicht ist, erfolgte von Seiten der Beklagten auf freiwilliger Basis. Nach dem Vortrag des 1. Bürgermeisters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung habe man im Jahr 2017 eine Smiley-Anlage aufgestellt, die erhobenen Daten aber nicht ausgewertet. Im Jahr 2018 habe man zwei fest installierte Anlagen aufgestellt. Dem Kläger sei eine Auswertung der Daten für 2018 für einen Zeitraum von vier bis fünf Monaten überlassen worden. Dem Kläger wurden im Verfahren B 1 K 17.847 (gegen den Landkreis Coburg gerichtete Klage) in der mündlichen Verhandlung zudem Messungen für das Jahr 2017 übergeben. Während eines halben Jahres (1.3. bis 12.09.2017) seien zwei ungeeichte Smiley-Anlagen im Bereich vor dem klägerischen Grundstück betrieben worden, die die Anzahl der Fahrzeuge und die gefahrenen Geschwindigkeiten gemessen hätten.
Mittlerweile liegen die Ergebnisse der Straßenverkehrszählung 2015 vor, die dem Kläger samt schalltechnischer Berechnungen übermittelt worden sind. Die Auswirkungen im Hinblick auf die Lärmsituation wurden vom Staatlichen Bauamt … anhand der durchschnittlichen Verkehrsstärke (DTV) vorgenommen, was den Vorgaben der Anlage 1 zur 16. BImSchV und den Richtlinien für den Verkehrslärmschutz an Bundesfernstraßen in der Baulast des Bundes von 1997 (VLärmSchR 97) entspricht. Die Behauptung des Klägers, die Messgeräte seien nicht geeicht gewesen und die weiteren Ausführungen, dass den Messdaten sonst nicht zu folgen sei, sind spekulativ und bleiben unsubstantiiert. Dass dem Staatlichen Bauamt bei der Durchführung der Berechnung Fehler in der konkreten Anwendung dieser Berechnungsmethode unterlaufen wären, wurde nicht gerügt. Welche darüber hinausgehenden Erkenntnisse neben den bisher vorliegenden Auswertungen weitere Messungen und Erhebungen bringen sollten, ist zudem nicht erkennbar. Als weitere Anhaltspunkte für die am Grundstück des Klägers gefahrenen Geschwindigkeiten liegen nunmehr – allerdings durch nicht geeichte sog. Smiley-Anlagen vorgenommene – Messungen vor.
Ausdrücklich nicht vom Klageantrag umfasst ist das Begehren der Durchführung von Geschwindigkeitsmessungen zur Einhaltung der vorgeschriebenen Höchstgeschwindigkeit und der Ahndung von Verstößen nach § 24 StVG. Für diese Aufgaben sind zudem vorrangig die Polizeibehörden zuständig. Zwar ermöglicht es § 88 Abs. 3 Nr. 2 der Zuständigkeitsverordnung (ZustV), dass Gemeinden Verstöße gegen die Vorschriften über die zulässige Höchstgeschwindigkeit Ordnungswidrigkeiten nach § 24 StVG verfolgen und ahnden können. Davon hat die Beklagte auch Gebrauch gemacht. Ein Anspruch auf eine dauerhafte Überwachung besteht indes nicht. Bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten, also auch bei der Verfolgung von Geschwindigkeitsüberschreitungen, gilt das sogenannte Opportunitätsprinzip. Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 OWiG haben die zuständigen Stellen nach pflichtgemäßem Ermessen Ordnungswidrigkeiten zu erforschen.
b. Der in der mündlichen Verhandlung gestellte Klageantrag, wonach die Beklagte zu dort näher bestimmten Handlungen gegenüber dem Staatlichen Bauamt und dem Bayerischen Landesamt für Umwelt verpflichtet werden solle, ist unbestimmt. Denn was der Kläger unter den örtlichen Verhältnissen versteht, hat er nicht näher bezeichnet. Wenn man im wohlverstandenen Interesse des Klägers das Ziel dieses Klageantrags so auslegt, dass er letztendlich eine Verbesserung der Verkehrs- und Lärmsituation am … begehrt und hierfür ein Zusammenwirken aller am Entscheidungsprozess beteiligten Stellen einfordert in dem Sinn, dass die zuständigen Stellen die hierfür seiner Ansicht nach notwendigen und gebotenen Maßnahmen ergreifen, ist ein derartiger Anspruch dennoch nicht gegeben. Als Ausgangspunkt könnte Art. 4 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) gesehen werden, wonach jede Behörde einer anderen Behörde auf Ersuchen Amtshilfe leistet. Darüber hinaus sind in Spezialgesetzen bestimmte Mitwirkungs- bzw. Informationspflichten etc. normiert. Ein Anspruch des Bürgers auf Tätigwerden ergibt sich hieraus jedoch nicht. Zudem ist Folgendes festzustellen: Sofern sich der Antrag auf den Straßenzustand beziehen sollte, ist nicht ersichtlich, welchen Erkenntnisgewinn das Bayerische Landesamt für Umwelt für dessen Arbeit daraus ziehen sollte. Dessen Aufgaben ergeben sich aus Art. 46 BayNatSchG. Dass dem Staatlichen Bauamt die örtlichen Verhältnisse am … bekannt sind, dürfte auch vom Kläger nicht in Abrede gestellt werden. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung erstmals angeführt hat, dass durch das Überfahren der Kanaldeckel eine zusätzliche Lärmquelle vorhanden sei, hat das Staatliche Bauamt nunmehr davon Kenntnis. Eine diesbezügliche Mitteilung durch die Beklagte würde daher nichts Neues erbringen. Sollte der Kläger eine Verbesserung des Straßenzustands (Straßenbelag, Kanaldeckel, etc.) erstreben wollen, hätte er sich mit einem konkreten Antrag an das Staatliche Bauamt zu wenden. Sofern er darauf abzielt, dass über das Verkehrsaufkommen unterrichtet werden sollte, ist auf die unterschiedlichen Zuständigkeiten der involvierten Behörden zu verweisen. Der Klageanspruch scheitert letztendlich daran, dass weder von Kläger behauptet wird noch sonst ersichtlich wäre, dass sich die Gemeinde einer gesetzlich bestehenden Informationspflicht den im Klageantrag genannten Behörden gegenüber entzogen hätte. Insbesondere in Bezug auf das Verkehrsaufkommen mit den damit zusammenhängenden Problemen (Lärm, Geschwindigkeit) spricht nichts dafür, dass die genannten Behörden im Rahmen ihrer Zuständigkeiten hier über ein Informationsdefizit verfügen, das die Beklagte beseitigen könnte. Wie bereits im Verfahren B 1 K 18.442 ausführlicher dargestellt, ist das gerichtliche Verfahren nicht dazu da, Behörden zu einer Art „konzertierter Aktion“ zu bringen.
c. Hinsichtlich des zunächst in der Klageschrift angeführten, in der mündlichen Verhandlung jedoch nicht mehr explizit gestellten Antrag, den Gehweg vor dem klägerischen Grundstück frei von Tausalz und Schneematsch zu halten, sieht sich das Gericht zur Klarstellung zu folgenden Ausführungen veranlasst:
Als Verkehrssicherungspflichtiger übernimmt der Freistaat Bayern den Winterdienst (vgl. Art. 51 Abs. 6, Art. 1 Satz 2, Art. 51 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG i.V.m. § 5 Abs. 3 i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 2 Bundesfernstraßengesetz (FStrG). Für die Gehwege hat die beklagte Gemeinde … mit der Reinigungs- und Sicherungsverordnung (letzte Fassung vom 18. Dezember 2017) u.a. die Sicherungspflicht für die Gehwege im Winter auf die An- und Hinterlieger übertragen. Eine Verpflichtung der Beklagten, dafür zu sorgen, dass die Einfahrt des klägerischen Grundstücks und der Gehsteig nicht mit Schnee und Schneematsch bedeckt wird im Zuge der vom Staatlichen Bauamt durchgeführten Räum- und Streuarbeiten im Winter vermag das Gericht nicht zu erkennen. Verursacher der vom Kläger beklagten Zustände ist zudem nicht die Beklagte. Es ist auch keinesfalls so, dass der Kläger an Wintertagen nahezu ununterbrochen damit beschäftigt wäre, seinen Gehsteig sauber zu halten und seine Bemühungen durch nachfolgende Räumarbeiten des Winterdienstes wieder zunichte gemacht würden. Hierzu wird auf die Angaben der Vertreter des Staatlichen Bauamts in der mündlichen Verhandlung verwiesen (vgl. S. 5 der Niederschrift). Dass der Winterdienst noch abends oder nachts unterwegs ist, wenn der Kläger nicht mehr verpflichtet ist, den Gehsteig zu räumen (d.h. nach 20 Uhr), ist der Schaffung sicherer Verkehrsverhältnisse geschuldet. Die damit verbundenen Unannehmlichkeiten sind hinzunehmen. Schließlich ist auch nach der zivilgerichtlichen Rechtsprechung eine Gemeinde (und folglich auch der staatliche Winterdienst) im Rahmen einer bestehenden Verkehrssicherungspflicht nicht verpflichtet, Schneewälle, die sich vor Grundstückseinfahrten durch den Räumvorgang gebildet haben, zu beseitigen (vgl. hierzu Schmid in Zeitler, Bayerisches Straßen- und Wegegesetz, Stand Januar 2018, Rn. 46 zu Art. 51).
2. Soweit die Klage übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, hat das Gericht gem. § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach billigem Ermessen über die Kosten zu entscheiden. Bei der hier vorliegenden übereinstimmenden Teilerledigterklärung ist aufgrund des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung nicht gesondert über die Kostentragungspflicht hinsichtlich des erledigten Teils zu befinden, sondern es ist vielmehr eine sog. „Kostenmischentscheidung“ vorzunehmen, bei der bezüglich des erledigten Teils der Grundgedanke des § 161 Abs. 2 VwGO berücksichtigt wird (vgl. Olbertz in Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 32. EL Oktober 2016, Vorbemerkung § 154 Rn. 26 m.w.N.). Nach § 161 Abs. 2 VwGO ist über die Kosten des Verfahrens unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. In der Regel entspricht es der Billigkeit, demjenigen die Kosten zu überbürden, der im Verfahren voraussichtlich unterlegen wäre. Für die hierbei maßgebliche Beurteilung der Erfolgsaussichten bis zum Eintritt der Erledigung kommen wegen des kursorischen Charakters der Kostenentscheidung etwa erforderliche weitere Maßnahmen zur Aufklärung des Sachverhalts nicht in Betracht; auch schwierige Rechtsfragen sind nicht mehr zu entscheiden (BayVGH, B.v. 25.09.2007 – 26 N 05.1670 – juris Rn. 2; B.v. 5.2.2015 – 15 N 12.1518 – juris Rn. 2). Im vorliegenden Verfahrensstadium ist nicht mehr vertieft zu prüfen, ob sich aus den Vorschriften des BayVwVfG, Art. 36 Bayerisches Datenschutzgesetz (BayDSG) a.F. (nunmehr: Art. 39 BayDSG i.d.F.v. 15. Mai 2018) oder anderen Rechtsvorschriften ein Anspruch des Klägers auf Aushändigung der Aufzeichnungen der Smiley-Anlagen ergeben hätte. Zum einen ist offensichtlich ein Verwaltungsverfahren, in welchem der Kläger Beteiligter ist bzw. sein könnte, nicht gegeben, so dass ein Anspruch nach dem BayVwVfG ausscheiden dürfte. Zum anderen hat der Kläger erklärt, dass ihm mittlerweile Unterlagen für 2018 übergeben worden seien und er auf die Unterlagen aus 2017 verzichte. Die Frage, ob ein darüber hinausgehender Anspruch auf Vorlage weiterer Unterlagen aus dritten Quellen besteht, bedarf keiner Vertiefung mehr. Maßgeblich ist allerdings, dass es sich um bei der Behörde tatsächlich vorhandene Information handeln muss; eine Verpflichtung öffentlicher Stellen zur Beschaffung gewünschter Informationen besteht indes nicht. Was die Erhebungen der Straßenverkehrszählungen anbelangt, sind diese zudem ohne größeren Aufwand für jedermann im Internet frei einsehbar. Die Auswertungen der SVZ 2015 wurden dem Kläger auch zeitnah nach deren Veröffentlichung vom Staatlichen Bauamt Bamberg zur Verfügung gestellt.
Bezüglich des weiteren Klageanspruchs ist der Kläger unterlegen, so dass nach § 155 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 VwGO i.V.m. § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO dem Kläger 5/6, der Beklagten 1/6 der Verfahrenskosten aufzuerlegen sind.
3. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO).


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