IT- und Medienrecht

II ZR 166/20

Aktenzeichen  II ZR 166/20

Datum:
8.6.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2021:080621BIIZR166.20.0
Normen:
§ 544 Abs 2 Nr 1 ZPO
Spruchkörper:
2. Zivilsenat

Verfahrensgang

vorgehend OLG München, 7. Oktober 2020, Az: 23 U 4802/19vorgehend LG München I, 26. Juli 2019, Az: 41 O 22616/16

Tenor

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 7. Oktober 2020 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
Streitwert: bis 16.000 €

Gründe

1
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die gemäß § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderliche Mindestbeschwer nicht erreicht wird.
2
1. Die Beklagte will sich mit der Revision gegen die Verurteilung wenden, auf den Zeitpunkt des Ausscheidens der Klägerin aus der Beklagten am 31. August 2013 eine ordnungsgemäße und vollständige Abschichtungsbilanz gemäß § 738 BGB zu erstellen und vorzulegen und hiermit oder gesondert Auskunft zu leisten über den Geschäftswert, die offenen Forderungen und dem Stand des Privat- oder Kapitalkontos zum Zeitpunkt des Ausscheidens. Ferner soll die Beklagte eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben der Beklagten zum 31. Dezember 2013 aus schwebenden Geschäften aus der Zeit bis zum 31. August 2013 unter Berücksichtigung des Gewinnanteils der Klägerin vorlegen.
3
2. Der Wert der Beschwer bemisst sich im Wesentlichen danach, welcher Aufwand an Zeit und Kosten für die Beklagte erforderlich ist, um die ihr aufgegebenen Auskünfte zu erteilen (vgl. BGH, Beschluss vom 7. November 2017 – II ZB 4/17, ZIP 2018, 70 Rn. 3; Beschluss vom 19. Juni 2018 – II ZR 44/16, juris Rn. 2). Die Beklagte hat nicht glaubhaft gemacht, dass dieser Aufwand einen Betrag von 20.000 € übersteigt. Ihrem maßgeblich auf eine Kostenschätzung einer Steuerberatungsgesellschaft gestützten Vorbringen, dieser Aufwand betrage abweichend von der Wertfestsetzung des Berufungsgerichts auf 18.940,63 € mindestens 22.000 € und ihrer Behauptung, es sei ein Geheimhaltungsinteresse der Beklagten mit mehr als 600 € zu berücksichtigen, kann nicht gefolgt werden. Die vorgelegte Kostenschätzung legt in wesentlichen Punkten einen Prüfungs- und Bearbeitungsaufwand zu Grunde, dessen Erforderlichkeit nicht nachvollziehbar begründet ist. Für die Berücksichtigung einer auf einem Geheimhaltungsinteresse der Beklagten beruhenden Beschwer fehlen hinreichende Anhaltspunkte.
4
a) Das Berufungsgericht hat zunächst zutreffend ausgeführt, dass ein “zeitlicher Puffer” von 15 Stunden für eventuelle Rückfragen durch das Finanzamt oder das Gericht und diesbezüglich notwendige Erläuterungen nicht zu berücksichtigen ist. Zu veranschlagen ist lediglich der Aufwand für die Auskunftserteilung an die Klägerin. Rückfragen durch das Finanzamt oder das Gericht sind danach nicht zu erwarten. Soweit die Beschwerde meint, der erstellende Steuerberater müsse gegebenenfalls einem Sachverständigen Rede und Antwort stehen, ist nicht vorgetragen, unter welchen Gesichtspunkten dies für die Auskunftserteilung der Fall sein könnte. Sollte später Streit über einzelne Punkte der Auskunft zwischen den Parteien entstehen, gehören etwaige Erläuterungen der Auskunft nicht mehr zur Auskunftserteilung, worauf das Berufungsgericht ebenfalls schon zu Recht hingewiesen hat.
5
b) Die Beschwerde legt auch nicht dar, in welchem Umfang, insbesondere für welche konkreten Verrichtungen für die Auskunftserteilung die Wahrung des sog. Vieraugenprinzips geboten und daher ein entsprechend höherer Stundenansatz gerechtfertigt sein soll. Die Kostenschätzung der Steuerberatungsgesellschaft, auf die sich die Beklagte stützt, führt hierzu aus, über jeden Sachverhalt müssten mindestens zwei Mitarbeiter Bescheid wissen, so dass jederzeit ein Ansprechpartner bereitstehe. Dazu hat das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt, dass die Vorbereitung der Auskunftserteilung eine solche jederzeitige Auskunftsfähigkeit nicht bedingt. Keineswegs hat es, wie die Beschwerde meint, die Beachtung des sog. Vieraugenprinzips als Bestandteil der Qualitätssicherung der steuerberatenden Tätigkeit generell als nicht erforderlich angesehen. Die Ausführungen in der Kostenschätzung wecken allerdings berechtigte Zweifel, ob der durch den Einsatz mehrerer Mitarbeiter zu Wahrung des sog. Vieraugenprinzips veranschlagte Stundenaufwand gerechtfertigt ist. Die Nichtzulassungsbeschwerde führt zur konkreten Arbeitsorganisation und dem Umfang der für Wahrung des sog. Vieraugenprinzips veranschlagten Stunden nicht näher aus. Der Senat sieht daher, ebenso wie das Berufungsgericht, einen maßvollen Abschlag von 5 % des veranschlagten Zeitaufwands für gerechtfertigt an.
6
c) Soweit die Beschwerde meint, es seien weitere Umstände zu berücksichtigen, die einen über 65 Stunden hinausgehenden Aufwand für die Erstellung der Abschichtungsbilanz entstehen lassen, folgt der Senat dem nicht. Die Beschwerde legt keine Umstände dar, die eine Erhöhung des prognostizierten Stundenaufwands um 11,5 Stunden rechtfertigt.
7
aa) Der von der Beschwerde hervorgehobene Zusatzaufwand für die Abstimmung und Korrektur der halbfertigen Arbeiten, insbesondere eines Verfahrens vor dem Landgericht München I mit erheblichem Streitwert, wurde nach dem Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 20. August 2020 in der vorgelegten Kostenschätzung bereits berücksichtigt.
8
bb) Nach den Erläuterungen in der Kostenschätzung vom 28. Oktober 2020 sind mögliche Änderungen beim Ansatz von Vermögenswerten in der Abfindungsbilanz gegenüber den handelsrechtlichen Ansatz- und Bewertungsvorschriften ebenfalls berücksichtigt.
9
d) Zudem sind auch weitere Positionen in der Kostenschätzung übersetzt bzw. nicht zur Erteilung der Auskunft erforderlich. Der Senat geht davon aus, dass gegenüber den Annahmen des Berufungsgerichts, das ohne Berücksichtigung des vorstehend unter b) bezeichneten Abschlags von 5 % von einem Stundenaufwand von 145 Stunden ausgegangen ist, ein weiterer Abschlag von 27 Stunden geboten ist.
10
aa) Ein Zeitaufwand für den Abschluss eines Vertrags mit der Steuerberatungsgesellschaft von vier Stunden kann auf der Grundlage des Beklagtenvorbringens nicht als erforderlich angesehen werden. Zeitgebühren nach § 13 StbVV decken Kanzlei- und Organisationskosten sowie allgemeine Bürotätigkeiten des Steuerberaters ab und können nur für die mit dem konkreten Auftrag zusammenhängenden Tätigkeiten und Zeiten berechnet werden (Volkmann in Meyer/Goez/Schwamberger, StBVV, 9. Aufl., § 13 Rn. 13, 15). Dass für die Erteilung einer ordnungsgemäßen Auskunft eine höhere als die gesetzliche Vergütung nach § 4 Abs. 1 StBVV vereinbart werden müsste, ist nicht dargelegt.
11
bb) Soweit ein erheblicher Zeitaufwand von 28 Stunden für das Importieren von Daten aus einem Fremdsystem in die von der Steuerberatungsgesellschaft verwendete Software Datev angesetzt wird, beruht dies auf der spekulativen Annahme, dass entsprechend aufbereitete Daten bei der Beklagten nicht vorhanden seien. Zwar haben die Beklagten in ihrer Erläuterung behauptet, die Kreditoren- und Debitorendaten würden über “Word und Excel” verarbeitet und mittels Papier zum Steuerbüro zur Verarbeitung gegeben. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass entsprechende Daten nicht von der für die laufende steuerliche Beratung beauftragten Steuerkanzlei mit deutlich geringerem Aufwand erlangt werden können. Dem Senat erscheint hier ein Aufwand von allenfalls fünf Stunden als angemessen.
12
e) Entgegen der Sicht der Beschwerde kann auch kein Geheimhaltungsinteresse der Beklagten bei der Bemessung des Rechtsmittelinteresses berücksichtigt werden.
13
aa) Soll im Einzelfall ein Geheimhaltungsinteresse der zur Auskunft verurteilten Partei für die Bemessung des Rechtsmittelinteresses erheblich sein, muss diese darlegen und erforderlichenfalls glaubhaft machen, dass ihr durch die Erteilung der Auskunft ein konkreter wirtschaftlicher Nachteil droht (BGH, Beschluss vom 15. Juni 2011 – II ZB 20/10, NJW 2011, 2974 Rn. 8 mwN). Dies kommt etwa in Betracht, wenn in der Person des Auskunftsbegehrenden die Gefahr begründet ist, dieser werde von den ihm offenbarten Tatsachen über den Rechtsstreit hinaus in einer Weise Gebrauch machen, die schützenswerte wirtschaftliche Interessen des zur Auskunft Verpflichteten gefährden könnten (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2010 – III ZB 28/10, juris Rn. 9; Beschluss vom 15. Juni 2011 – II ZB 20/10, NJW 2011, 2974 Rn. 8; Beschluss vom 10. Dezember 2020 – I ZB 23/20, juris Rn. 6).
14
bb) Die Beschwerde hat schon nicht dargelegt, dass die konkrete Gefahr besteht, die Klägerin werde die ihr zu offenbarenden Tatsachen missbräuchlich verwenden. Der vage Hinweis, dass die Daten in der Abfindungsaufstellung für die Kanzlei, der die Klägerin nunmehr angehöre, verfügbar gemacht würden, genügt nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 5. März 2001 – II ZB 11/00, WM 2001, 827, 828). Der Klägerin wurden auf Grund ihrer Tätigkeit in der Beklagten und ihrer Gesellschafterstellung die Vergütungsstrukturen, die wesentlichen Mandate und andere Geschäftsbeziehungen ohnehin bekannt. Hinzu kommt, dass die Abfindungsbilanz für einen bereits geraume Zeit zurückliegenden Stichtag, den 31. August 2013, aufzustellen ist. Der Streit über die Wirksamkeit der Mandatsschutzklausel ist kein Anhaltspunkt für eine konkrete Gefahr einer missbräuchlichen Verwendung der zu offenbarenden Tatsachen. Abgesehen davon, dass insoweit lediglich unterschiedliche Standpunkte zur rechtlichen Wirksamkeit der Klausel im Gesellschaftsvertrag vertreten werden, geht es den Parteien im Kern um die Frage, ob die Klausel vorliegend eine unzulässige Abfindungsbeschränkung bewirkt. Hierzu meint die Beklagte selbst, die Klägerin unterläge keiner (wirksamen) Mandantenschutzklausel.
15
f) Ausgehend von dem veranschlagten Aufwand von 118 Stunden (145 Stunden abzgl. 27 Stunden) und dem unter b) bezeichneten Abschlag von 5 % verbleibt ein Aufwand von 112 Stunden. Unter Berücksichtigung des veranschlagten Stundensatzes von 137,50 € ist von einem Aufwand für die Erteilung der Auskunft in Höhe von 15.400 € auszugehen.
16
3. Die Nichtzulassungsbeschwerde wäre im Übrigen auch unbegründet, weil keiner der im Gesetz (§ 543 Abs. 2 ZPO) vorgesehenen Gründe vorliegt, nach denen der Senat die Revision zuzulassen hat. Der Rechtsstreit der Parteien hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert er eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.
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