IT- und Medienrecht

Kein Anspruch auf Neulieferung eines VW Passat wegen VW-Abgasskandal

Aktenzeichen  21 O 658/16

Datum:
23.5.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 146578
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 434 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 439 Abs. 1

 

Leitsatz

Der Einsatz einer prüfstandsoptimierten Software begründet zwar einen Sachmangel, jedoch keinen Anspruch auf Neulieferung eines späteren Baujahres.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des 1,1-fachen des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Streitwert wird auf 31.234,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Nachlieferung eines neuen, mangelfreien Pkw aus aktueller Produktion nach § 437 Nr. 1, § 439 Abs. 1 zweite Alternative, § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB. Demzufolge sind auch die damit im Zusammenhang stehenden weiteren Anträge auf Feststellung des Annahmeverzugs und Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten unbegründet.
1. Der von der Beklagten verkaufte und übereignete Pkw ist mangelhaft. Allein schon der Umstand, dass der Pkw einer Rückrufaktion mit Aufspielen einer neuen Software für die Motorsteuerung unterfällt, stellt einen Mangel dar. Der Käufer eines Pkw der vom Hersteller ausgewiesenen Schadstoffklasse Euro 5 darf erwarten, dass die Abgasreinigung so beschaffen ist, dass sie bereits bei Übergabe des Pkw beanstandslos funktioniert. Dass die Abgasreinigung durch ein „Update“ ertüchtigt werden muss, stellt somit eine Beschaffenheit des Pkw dar, die weder üblich noch von dem Käufer zu erwarten ist (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB).
2. Der Anspruch auf Nachlieferung ist wegen objektiver Unmöglichkeit ausgeschlossen (§ 275 Abs. 1 BGB). Beim vorliegenden Gattungskauf ist die Nachlieferung unmöglich, wenn die gesamte Gattung untergegangen ist und nicht mehr hergestellt werden kann (Palandt, BGB, 76. Aufl., § 439 Rn. 15). Die Gattung ist nach dem Parteiwillen zu bestimmen (ebenda). Dieser ergibt sich aus der Bestellung, die sich auf einen Neuwagen des damaligen Baujahres mit einer Reihe individueller Ausstattungsmerkmale bezieht. Bei einem vom Verkäufer bestellten und vom Hersteller nach dessen individuellen Konfigurationen gefertigten Neuwagen ist davon auszugehen, dass nach der übereinstimmenden Vorstellung der Parteien der Erfüllungsanspruch auf ein diesen Käuferwünschen entsprechendes Fahrzeug gerichtet und beschränkt ist (vgl. OLG Nürnberg, 15.12.2011, Az. 13 U 1161/11, Rn. 49 Juris). Die damalige Baureihe wird nicht mehr produziert und kann von der Beklagten somit nicht mehr von dem Hersteller nachgeordert werden.
Die Auffassung des Klägers, die Gattung sei derart weit zu bestimmen, dass auch ein aktuell produziertes Modell eines späteren Modelljahres mit gleichem Namen und stärkerer Motorisierung der Gattung unterfällt, teilt der Einzelrichter nicht. Insbesondere ergibt sich aus der Änderungsklausel in den Verkaufsbedingungen der Beklagten keine Stütze dafür. Die Änderungsklausel betrifft Veränderungen der laufenden Produktion im Zeitraum zwischen Fahrzeugbestellung und -lieferung. Diese Vorgänge lagen schon bei Bekanntwerden des Mangels im September 2015 in der Vergangenheit und waren weder geeignet, die Gattungsbestimmung im Zeitraum des Verlangens auf Ersatzlieferung zu beeinflussen noch zur Zeit der für die Urteilsfindung maßgeblichen mündlichen Verhandlung.
Schließlich ist nicht ersichtlich, dass der Beklagten die Beschaffung des vom Kläger geforderten Fahrzeugs auf andere Weise als durch den Direktbezug vom Hersteller möglich ist, da alle vergleichbaren am Markt verfügbaren Pkw von dem Mangel betroffen sind.
3. Weitere Anspruchsgrundlagen kommen nicht in Betracht. Soweit der Kläger weitere Anspruchsgrundlagen diskutiert handelt es sich um Schadensersatzansprüche, die auf Ausgleich erlittener Schäden gerichtet sind, nicht aber auf eine Besserstellung des Klägers durch Lieferung eines fabrikneuen Pkw aktueller Produktion.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 Satz 1, 2 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus dem Kaufpreis des mangelhaften Pkw, für den Neulieferung verlangt worden ist.


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