IT- und Medienrecht

Kein Auskunfts- und Zahlungsanspruch

Aktenzeichen  S 29 KR 1910/15

Datum:
5.5.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
BGB BGB § 426, § 677, § 812
VVG VVG § 78
SGG SGG § 13 Abs. 3, § 51 Abs. 1 Nr. 2, § 53 Abs. 1 Nr. 2
GVG GVG § 17 Abs. 2 S. 1
EG VO Nr. 883/2004 Art. 19, Art. 25 Abs. 4

 

Leitsatz

1 Eine private Auslandsreisekrankenversicherung steht in keinem öffentlich-rechtlichen Leistungsverhältnis mit der gesetzlichen Krankenversicherung mit der Folge, dass ihr auch kein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zur Seite steht. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die zivilrechtlichen Regelungen der ungerechtfertigten Bereicherung sind auf Rechtsverhältnisse öffentlich-rechtlicher Art, bei denen der unmittelbare Leistungsgrund im öffentlichen Recht liegt, grundsätzlich nicht, auch nicht analog, anwendbar. (redaktioneller Leitsatz)
3 Bei fehlendem materiell-rechtlichem Leistungsanspruch dem Grunde nach fehlt es auch an einer Grundlage für einen insoweit akzessorischen Auskunftsanspruch. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 914,62 € festgesetzt.

Gründe

1. Die Klage ist zulässig, da das sachlich (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG) und örtlich (§ 57 Abs. 1 SGG) zuständige Sozialgericht München angerufen wurde und es eines Vorverfahrens zwischen den Parteien bei einer Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) nicht bedurfte, so dass auch keine Klagefrist einzuhalten war (Meyer-Ladewig, SGG, 9. Auflage, § 54, Rn. 41).
Die Prozessführungsbefugnis der Klägerin ergibt sich aus der Abtretungserklärung der „Z-Stadt Insurance“ vom 30. Januar 2017 (Anlage K7).
a) Der Rechtsweg zur Sozialgerichtsbarkeit ist eröffnet (§ 53 Abs. 1 Nr. 2 SGG). Es handelt sich vorliegend um eine Angelegenheit der GKV.
Es muss diesbezüglich nicht abschließend entschieden werden, ob eine Streitigkeit zivilrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Natur vorliegt, wenn nur feststeht, dass das Klagebegehren jedenfalls „eine Angelegenheit der GKV betrifft“ (BSG, Beschluss vom 21.7.2016, B3 SF 1/16 R, Rn. 7). Die Zulässigkeit des Rechtswegs richtet sich dabei nach dem Streitgegenstand (BSG, a.a.O., Rn. 8). Dabei ist maßgeblich darauf abzustellen, ob der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt für die aus ihm hergeleitete Rechtsfolge wesentlich von Bestimmungen des Zivilrechts oder des Rechts der GKV geprägt wird (BSG, a.a.O., Rn. 8).
Das Streitverhältnis ist dann in diejenige Gerichtsbarkeit zu verweisen, die ihm nach der gesetzgeberischen Wertung in der Sache am besten entspricht, und durch ihre Sachkunde und Sachnähe zur Entscheidung über den infrage stehenden Anspruch besonders geeignet ist (BSG, a.a.O., Rn. 8). Dies ist hier die Sozialgerichtsbarkeit.
Die Klage richtet sich gegen eine GKV als Körperschaft des öffentlichen Rechts. Es wird zudem zentral ein Direktanspruch der Klägerin auf Kostenerstattung geltend gemacht. Ziel der Klägerin ist es ihre Versicherten aus dem (wenig werbewirksamen) Erstattungsverfahren herauszuhalten und nur die Beklagte direkt zu belangen.
Schon prima facie muss es – da die Beklagte eindeutig in ihrer Funktion als GKV in Anspruch genommen wird – hauptsächlich um die Frage gehen, ob ein öffentlich-rechtlicher Anspruch gegen diese vorliegt. Die Klägerin selbst ordnet den von ihr geltend gemachten Anspruch dem öffentlichen Recht zu, denn sie geht bei Klageantrag und Anspruchsgrund wörtlich von einem ihr zustehenden „öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch“ aus. Sie widersetzt sich sogar ausdrücklich einer Verweisung an die Zivilgerichtsbarkeit. Zivilrechtliche Ansprüche werden ebenso wie der Antrag auf Vollstreckungsschutz allenfalls ergänzend erhoben, da durch die Gerichte unabhängig davon, ob der Zivil- oder Sozialrechtsweg beschritten wird über den Gesamtanspruch entschieden werden muss. Das angerufene Gericht ist nämlich nach § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG zur Entscheidung über sämtliche Klagegründe verpflichtet, sofern nur der Rechtsweg für einen von ihnen gegeben ist (BSG, Beschluss vom 30.9.2014, B8 SF 1/14 R, Juris).
Insgesamt gesehen hält das erkennende Gericht bei diesen Vorgaben die Sozialgerichtsbarkeit für den sachgerechteren und fachnäheren Gerichtszweig.
b) Vorliegend konnte das Gericht einen Gerichtsbescheid erlassen, da gemäß § 105 Absatz 1 Satz 1 SGG die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufwies und der Sachverhalt geklärt war. Die Beteiligten wurden ordnungsgemäß gehört.
2. Die Klage ist jedoch unbegründet.
Entscheidend war dabei das Bestehen des materiell rechtlichen Leistungsanspruchs dem Grunde nach, denn ohne ihn besteht auch kein – im Rahmen der Stufenklage vorgeschalteter – Auskunftsanspruch der Klägerin, weil diese hier nur die Anspruchshöhe betrifft. Die Ungewissheit über den Zahlungsanspruch resultiert vorliegend nicht aus den Tatsachen, auf die sich der Auskunftsanspruch bezieht, sondern aus rechtlichen Gegebenheiten. Deshalb kann der Auskunftsanspruch diese Ungewissheit auch nicht beheben (vgl. dazu Meyer-Ladewig, § 56 SGG, Rn 5).
a) Der Öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch, der früher stärker als eine öffentlich-rechtliche Parallele zum zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs gesehen wurde (allerdings dann mit der Betonung, dass es sich um keine entsprechende Anwendung der § § 812 ff BGB handelt) hat sich nach heute herrschender Meinung als eigengeartetes, originäres Institut des allgemeinen Verwaltungsrechts und als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens gewohnheitsrechtlich verfestigt (vgl. Neumann, Sozialrecht aktuell 1/2012, Seite 2; Seewald, Kassler Kommentar, vor § § 38-47 SGB I, Rn. 88).
Sein Anwendungsbereich eröffnet sich jeweils über die Beteiligten der im Streit stehenden Vermögensverschiebung. Deren Rechtsbeziehung muss dem öffentlichen Recht zuzuordnen sein (Neumann, a.a.O., Seite 4). Die Vermögensverschiebung muss demnach in einem öffentlich-rechtlichen Leistungsverhältnis erfolgt sein (Hesse in Beck‘scher online Kommentar 50 SGB X, Rn. 9).
Ein derartiges Leistungsverhältnis liegt hier zwischen den Parteien nicht vor. Vielmehr treffen zwei sehr unterschiedliche Versicherungssysteme, einerseits die PKV und andererseits die GKV aufeinander. Für diese Konstellation werden im Regelfall überhaupt keine Rechtsbeziehungen bestehen. Auch dem BSG sind derartige Verbindungen „nicht ersichtlich“ und kämen seiner Auffassung nach allenfalls bei gesetzlicher oder vertraglicher Grundlage in Betracht (BSG, Urteil vom 17.6.2008, B1 KR 24/07R, Juris, Rn. 30). Gesetzliche Regelungen bzw. Vereinbarungen der jeweiligen Kostenträger mit Innenverhältnis, auf die der klägerische Anspruch gestützt werden könnte, bestehen jedoch nicht (vgl. Rundschreiben des Bundesverwaltungsamtes an die bundesunmittelbaren Krankenkassen vom 4. Februar 2014, Aktenzeichen IV 4-90.44-0730/2009).
Auch die Rechtsbeziehungen zwischen der Beklagten und ihren Versicherten, die zweifellos öffentlichrechtlicher Art sind, kann die Klägerin für sich nicht in Anspruch nehmen. Sie stehen ihr einmal originär nicht zu, zum anderen hat sie sich entsprechende Erstattungsansprüche (denkbar wären etwa für das EG-Ausland Art. 19 EG VO 883/2004 und Art. 25 Abs. 4 ff EG VO 987/2009 oder gegebenenfalls entsprechende Ansprüche aus Art. 15 deutsch-türkisches Sozialversicherungsabkommen [DTürkSVA]; und SG Aachen, U.v.11.6.2013, S 13 KR 192/12, S.5, sowie zum insoweit entsprechenden Deutsch- Tunesischen Sozialversicherungsabkommen [DT SVA], BSG, U.v. 24.5.2007, juris Rdnr.23) auch nicht wirksam abtreten lassen können, weil es dazu nach § 53 Abs. 2 Nr. 2 SGB I der Feststellung des zuständigen Leistungsträgers (also der Beklagten) dahingehend bedurft hätte, dass diese Übertragung (Abtretung) im wohlverstandenen Interesse des Berechtigten, also ihrer gesetzlich Versicherten, liegt. Diese Feststellung ist hier unstreitig nicht getroffen worden.
b) Auch ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß der §§ 812 ff BGB besteht gegen die Beklagte nicht.
§§ 812 ff BGB sind unmittelbar nur auf privatrechtliche Rechtsverhältnisse anwendbar. Auf solche öffentlich-rechtlicher Art, bei denen der unmittelbare Leistungsgrund im öffentlichen Recht liegt, sind sie grundsätzlich nicht, auch nicht analog, anwendbar. Die Eigenart des öffentlichen Rechts verhindert in der Regel eine Lösung nach privatrechtlichen Grundsätzen (Palandt, 76. Auflage, 2017, Einführung vor § 812 BGB, Rn. 9). Aus diesem Grund ist der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch auch parallel aus dem Rechtsgedanken der §§ 812 ff heraus ergänzend als eigenständige öffentlich-rechtliche Sonderform entwickelt worden (Palandt, a.a.O.).
Zur Abgrenzung ist die Natur der Rechtsbeziehungen, die von § § 812 ff BGB betroffen sein sollen, zu bestimmen (Palandt, a.a.O.). Vorliegend wird die Beklagte als GKV in ihrer Eigenschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts verklagt und nicht in einem – auch bei Körperschaften des öffentlichen Rechts denkbaren – privatrechtlichen Handlungsfeld (etwa aus der Teilnahme im normalen Zivilrechtsverkehr, z.B. Kauf, Miete etc.,). Das Leistungsverlangen der Klägerin stellt einen gewollten direkten Griff in die öffentlich-rechtlichen Leistungspflichten der Beklagten gegenüber ihren gesetzlich Versicherten dar (Erstattung statt Sachleistung, vgl. § 13 Abs. 3 SGB V; und weiterhin Art. 19 EG VO 883/2004 bzw. EG VO 987/2009, Art. 25 Abs. 4 ff bzw. gegebenenfalls auch aus dem deutsch-türkischen Sozialversicherungsabkommen).
Ziel ist es die einzelnen Rechtsbeziehungen der PKV-Versicherten zu Ihrer GKV durch einen Direktausgleich der Klägerin mit der beklagten GKV zu ersetzen. Der damit zweifellos im Mittelpunkt stehende öffentlich-rechtliche Bereich verschließt sich bereits aus allgemeinen Erwägungen heraus der Anwendung der §§ 812 ff BGB, auch in analogen Anwendungsformen (siehe oben Palandt, a.a.O.).
Abgesehen davon besteht im Rahmen der §§ 812 ff der Grundsatz des Vorrangs der Leistungsbeziehung (Leistungskondiktion) bzw. der Subsidiarität der hier infrage stehenden Nichtleistungskondiktion (Palandt, a.a.O., § 812, Rn. 7, Rn. 13, Rn. 54 ff). Wie immer bei Mehrpersonenverhältnissen (hier: PKV – Versicherter in beiden Versicherungen – GKV) kann sich dabei durchaus die betroffene Vermögensverschiebung aus der Sicht eines Beteiligten als Leistung und aus der Sicht eines anderen Beteiligten als Eingriff darstellen (Palandt, a.a.O., Rn. 7). Dabei gilt allerdings grundsätzlich, dass das, was durch Leistung erworben worden ist, auch in der Regel nur mit der Leistungskondiktion zurückgefordert werden kann. Sinn des Vorrangs der Leistungsbeziehungen ist es, die Kondiktion auf bestimmte Personen zu beschränken (Palandt, a.a.O., Rn. 7). Insoweit ist grundsätzlich zu prüfen, ob Grundlage des Anspruchs ein Leistungsvorgang ist und es wird für diesen Fall bei vorhandenen Rechtsgrundmängeln eine Rückabwicklung innerhalb der jeweiligen Leistungsbeziehungen der Vorrang eingeräumt (Palandt, a.a.O., Rn. 54).
Das vorliegende Verhältnis der Parteien untereinander zeichnet sich dadurch aus, dass eine Rechtsbeziehung zwischen der PKV (Klägerin) und ihren Versicherten sowie ein Rechtsverhältnis zwischen der GKV (Beklagte) und ihren Versicherten besteht, jedoch keine Rechtsbeziehung zwischen PKV und GKV. Der Vorrang der Leistungskondiktion verweist die Beteiligten insoweit auf die jeweiligen Rechtsverhältnisse zu ihren Versicherten. So hat die Klägerin auch hauptsächlich einen eigenen Leistungszweck verfolgt (vertragliche Pflichten gegenüber ihrem eigenen Versicherungsnehmer). Dieser Bezug auf die einzelnen Leistungsverhältnis ist auch deswegen erforderlich, weil eine Zahlung der PKV an ihre eigenen Versicherten nicht zu einer Veränderung des Rechtsverhältnisses zwischen GKV und ihren gesetzlich Versicherten führt (keine Erfüllung dieser gesetzlichen Leistungsverpflichtung). Vielmehr kann die GKV gegebenenfalls trotz Zahlung der PKV weiterhin Erstattungsansprüchen ihrer Versicherten ausgesetzt sein (und davon geht die Klägerin in ihren AVB auch zweifellos aus). Letztendlich ist es nicht von Belang, aus welchen Finanzquellen die Versicherten Geldmittel als Ersatz für die Sachleistung der GKV bezogen haben (eigenes Vermögen, Kredit, private Versicherungsleistung). Ein Erlöschen des Leistungsanspruchs gegenüber der GKV ist im Falle der Zahlung durch die PKV jedenfalls nicht schon dadurch begründbar (sondern bedarf weiterer Prüfungen etwa im Rahmen von § 13 Abs. 3 SGB V bzw europäischen Rechtsvorschriften – siehe oben). Die beiden Rechtsbereiche sind diesbezüglich strikt getrennt.
Ausnahmsweise hat es das BSG (beim so genannten „Abwälzungsanspruch“) zugelassen einen Vermögensnachteil direkt auszugleichen, wenn der eine Träger im Widerspruch zum materiellen Recht einem Dritten Leistungen zugewendet hat, für deren Erbringung der andere Träger zuständig gewesen wäre (siehe Neumann, „Der allgemeine öffentlich-rechtlich Erstattungsanspruch“, Sozialrecht aktuell, 1/2012, Seite 3; vgl. auch BSG, Urteil vom 3.4.2014, B2U 21/12 R). Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Privatversicherung aber – wegen der strikt getrennten Rechtsbereiche (siehe oben) – schon nicht im Widerspruch zum materiellen Recht gehandelt, sondern rechtmäßig im Rahmen ihres Versicherungsvertrages eine wirksame Leistung erbracht. Die Klägerin hat also keineswegs – wie im soeben zitierten BSG-Urteil – irrtümlich Versicherungsleistungen an ihren Versicherungsnehmer erbracht. Davon gehen auch die AVB der Klägerin unmissverständlich aus, denn es wird dort grundsätzlich die Zahlung an die (Privat-) Versicherten vom Schicksal eines Erstattungsanspruchs gegenüber der GKV unberührt gelassen.
Das gezahlte Geld wird von Ihnen nicht zurückverlangt; die Klägerin lässt sich vielmehr mögliche Erstattungsansprüche aus einem anderen Rechtsverhältnis (zur GKV) von ihren Versicherten zu eigenen Befriedigung abtreten (was allerdings wegen § 53 Abs. 2 Nr. 2 SGB I vom Erfolg her begrenzt bleibt).
Wegen des Vorrangs der Leistungsbeziehung (Leistungskondiktion) muss sich die Klägerin also an denjenigen halten, dem sie selbst geleistet hat (Neumann, a.a.O.), die Klägerin hier also an ihre (Privat-) Versicherten. Das geschieht auch folgerichtig in der in den AVB der Klägerin vorgesehenen Art und Weise.
c) Ein Gesamtschuldnerausgleich entweder nach § 426 BGB oder § 78 VVG kommt ebenfalls nicht in Betracht.
aa) Die Haftung wegen Mehrfachversicherung aus § 78 VVG ist vorliegend schon deswegen nicht einschlägig, weil das Versicherungsvertragsgesetz nur für die Beziehungen privater Versicherer gilt. Zudem eröffnet § 69 SGB V nicht die insoweit notwendige analoge Anwendung, denn § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB V bezieht sich nur auf die analoge Anwendung der „Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches“ Eine analoge Anwendung des § 78 VVG ist nicht vorgesehen (vgl. dazu auch das Rundschreiben des Bundesversicherungsamtes an die bundesunmittelbaren Krankenkassen vom 4. Februar 2014, a.a.O, sowie Amtsgericht Bielefeld, Urteil vom 4. April 2017,404 C145/16, Seite 3/4).
bb) Bezüglich der Anwendung von § 426 BGB wird durch § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V die analoge Anwendung der BGB-Vorschriften nur unter dem Vorbehalt der dortigen Voraussetzungen angeordnet. Danach beschränkt sich die analoge Anwendung von BGB-Vorschriften – auch soweit Rechte Dritter betroffen sind (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB V) – auf die in § 69 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB V enumerativ aufgeführten Rechtsbeziehungen (nämlich Krankenkassen und ihre Verbände zu Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Apotheken sowie sonstigen Leistungserbringern und ihren Verbänden. Zudem kommen die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu den Krankenhäusern und deren Verbänden). In diesem vorgegebenen Rahmen der anwendungrelevanten Rechtsbeziehungen passt die Klägerin als private Krankenversicherung nicht hinein.
Eine Gesamtschuldnerschaft zwischen PKV und GKV liegt angesichts der strikten Trennung beider Versicherungbereiche auch nicht vor.
Vertragliche Regelungen bestehen nicht. Aber auch eine gesetzliche Anordnung der Gesamtschuldnerschaft fehlt. Die Schuld mehrerer muss sich dazu nämlich auf eine Leistung beziehen, die jeder im Ganzen zu erfüllen verpflichtet ist (Böttcher, Ehrmann, BGB-Kommentar, § 421 II 2). Hier steht jedoch die Geld-Leistungsverpflichtung der PKV einer Sach-Leistungsverpflichtung der GKV – auch im Ausland – gegenüber. Die PKV kann schon ihrer ganzen Organisationsform nach keine Sachleistungen erbringen. Eine von der nun herrschenden Meinung für die Gesamtschuldnerschaft geforderte Gleichstufigkeit der Forderungen ist damit nicht erfüllt.
cc) Zusätzlich ist zu beachten, dass überhaupt erst dann, wenn die Klägerin (PKV) ihre eigene Verpflichtung erfüllt hat (und das aktuelle Schuldverhältnis erloschen ist – § 362 Abs. 1 BGB -), eine mögliche Verpflichtung der GKV auf Erstattung (also erst sukzessive) entsteht (vgl. exemplarisch § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V, wonach die Kosten „entstanden“ sein müssen bzw Art. 25 Abs. 4 EG VO 987/2009: „erbrachte Sachleistungen selbst getragen“). Die GKV erfüllt ihre Verpflichtungen primär durch eigene oder durch Sachleistung ausländischer Träger, so dass unabdingbare Voraussetzung für einen Erstattungsanspruch die bereits selbstbeschaffte Sachleistung durch den Versicherten ist (in dieser besonderen Konstellation fällt ein Freistellungsanspruch natürlich weg). Eine Gesamtschuld kann jedoch nicht bestehen, wenn das zweite Schuldverhältnis erst entsteht, sobald das erste erloschen ist.
d) Auch ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag ist nicht gegeben.
§§ 677 ff sind auch im Bereich der öffentlichen Verwaltung dem Grunde nach anwendbar und gelten dann entsprechend, wenn es sich um ein öffentliches Geschäft handelt. Die Anwendung ist aber ausgeschlossen soweit es um die Erfüllung von Aufgaben einer Behörde geht, die in der ausschließlichen Zuständigkeit oder im Ermessen dieser Behörde liegt (Palandt, 76. Auflage 2017, Einführung vor § 677 BGB, Rn. 13). Hier liegt die Entscheidung über ihre Sachleistung in der alleinigen Zuständigkeit der Beklagten. Es ist nicht ersichtlich, dass eine parallele Entscheidungskompetenz der klagenden PKV besteht.
3. Damit war die Stufenklage insgesamt abzuweisen, denn bei fehlendem materiellrechtlichem Leistungsanspruch dem Grunde nach fehlt es auch an einer Grundlage für einen (insoweit akzessorischen) Auskunftsanspruch.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 197a Abs. 1 SGG, § 52 Abs. 1 GKG.


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