IT- und Medienrecht

Kein deliktischer Schadensersatzanspruch des Leasingnehmers gegen den Leasinggeber, der nicht Fahrzeughersteller ist.

Aktenzeichen  3 S 44/20

Datum:
2.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 31835
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 31, § 249, § 387, § 823, § 826

 

Leitsatz

Verfahrensgang

0120 C 1026/19 2020-07-07 Endurteil AGBAMBERG AG Bamberg

Tenor

1. Die Kammer beabsichtigt, die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Bamberg vom 07.07.2020, Az. 0120 C 1026/19, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
2. Da die Berufung mithin keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. (…)
3. Die Kammer beabsichtigt weiterhin, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 3.792,96 EUR festzusetzen.
4. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Hinweises.

Gründe

Auch unter Berücksichtigung der fundierten Ausführungen der Beklagtenseite in der Berufungsbegründung ist eine Abänderung der amtsgerichtlichen Entscheidung – jedenfalls im Ergebnis – nicht veranlasst, da ihr ein entscheidungserheblicher Rechtsfehler zum Nachteil des Beklagten nicht zu entnehmen ist.
A.
Mit seiner Berufung hält der Beklagte als Leasingnehmer an seinen erstinstanzlich zur Aufrechnung gestellten Gegenansprüchen gegen die Klägerin als Leasinggeberin wegen der manipulierten Abgaseinrichtung des für vier Jahre geleasten Fahrzeugs VW Tiguan 2.0 TDI, das der Beklagte im Dezember 2016 wieder zurückgab, fest. Er berühmt sich insoweit zum einen eines Schadensersatzanspruches wegen zu viel gezahlter Leasingraten in Höhe von insgesamt 4.800,- EUR, da das vom Abgasskandal betroffenen Leasingfahrzeug einen Minderwert aufgewiesen habe. Zum anderen berühmt er sich eines Schadensersatzanspruches wegen ihm entstandener vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten (in Höhe von 650,34 EUR) zur Verteidigung gegen eine von der Klägerin vorprozessual geltend gemachte Forderung anlässlich der Abwicklung des Leasingvertrags, die der Beklagte als unberechtigt und zu hoch zurückwies. Das Amtsgericht hat die zur Aufrechnung gestellten Gegenansprüche des Beklagten verneint.
B.
Die gegen die Klägerin gerichteten Gegenansprüche des Beklagten greifen zutreffenderweise aus Rechtsgründen nicht durch und vermögen daher die zugesprochenen Forderungen der Klägerin nicht gemäß § 389 BGB zum Erlöschen zu bringen.
Demgemäß hat das Amtsgericht der Klägerin, gestützt auf die zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen aus dem zugrunde liegenden Leasingvertrag, zu Recht eine Forderung wegen Mehrkilometerleistung und Minderwertausgleich (hinsichtlich der übermäßig verschlissenen Bremsscheiben) in Höhe von 3.792,96 EUR zugesprochen.
1. Kein Schadensersatzanspruch wegen des Fahrzeugmangels in Form der manipulierten Abschalteinrichtung Dem Beklagten als Leasingnehmer steht gegen die Klägerin als Leasinggeberin, die nicht die Fahrzeugherstellerin ist, hinsichtlich des geleasten Fahrzeugs, das vom sog. Dieselskandal betroffen ist und deswegen möglicherweise einen Minderwert aufweist, kein Schadensersatzanspruch (etwa aus §§ 826, 31 BGB) wegen zu viel gezahlter Leasingraten zu. Der Beklagte ist der Ansicht, während der Leasingdauer von 48 Monaten pro Monat 100,- EUR zu viel Leasingraten gezahlt zu haben, und beziffert seinen erlittenen, zur Aufrechnung gestellten Schaden auf insgesamt 4.800,- EUR.
a) Insoweit fehlt es jedoch bereits an einer Aufrechnungslage im Sinne des § 387 BGB. Denkbare Schadensersatzsprüche (aus § 826 BGB) wegen des behaupteten Fahrzeugmangels der unzulässigen Abgaseinrichtung könnten sich allenfalls gegen den Hersteller des betreffenden Fahrzeugs richten, nicht jedoch gegen die hiesige Klägerin, zumal für eine Zurechnung etwaigen vorsätzlichen sittenwidrigen Verhaltens des Fahrzeugherstellers zulasten der Klägerin als Leasinggeberin beklagtenseits nichts dargetan wurde und auch sonst nichts ersichtlich ist, ohne dass seitens der Kammer verkannt wird, dass Fahrzeugherstellerin und Leasinggeberin einem Konzern angehören. Soweit in der Rechtsprechung Schadensersatzansprüche des Leasingnehmers wegen vom Dieselskandal tangierter Fahrzeuge erwogen werden, betrifft dies – soweit ersichtlich – allein gegen den Fahrzeughersteller gerichtete Ansprüche (vgl. dazu etwa das vom Beklagtenvertreter in der Berufungsbegründung zitierte Urteil des LG Frankfurt vom 28.03.2019 – 2-01 O 121/16 – Rn. 2, 54 ff., beckonline und juris, wobei das LG Frankfurt deliktische Ansprüche selbst gegen den Fahrzeughändler explizit ablehnt, vgl. Rn. 30 ff., juris; sowie OLG Karlsruhe, Urteil vom 21.01.2020 – 17 U 2/19 – 2 ff., beckonline und juris = DAR 2020, 455 ff. und MDR 2020, 672 f.), nicht jedoch gegen den Leasinggeber gerichtete Ansprüche.
Dem Wesen des Leasingvertrags entsprechend wurden überdies vorliegend etwaige gegen den Hersteller / Verkäufer / Lieferanten bestehende Schadensersatzansprüche wegen Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs ausweislich Ziffer XIII. des Leasingvertragsbedingungen von der Leasinggeberin an den Leasingnehmer abgetreten und im Gegenzug vereinbart, dass dem Leasingnehmer gegen die Leasinggeberin Ansprüche wegen Fahrzeugmängeln nicht zustehen.
Vor diesem Hintergrund fehlt es bereits an der Gegenseitigkeit der klageweise geltend gemachten Ansprüche der Klägerin und der zur Aufrechnung gestellten (vermeintlichen) Gegenansprüche des Beklagten, da etwaige Schadensersatzansprüche wegen Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs allein gegen den Fahrzeughersteller in Betracht kommen, nicht jedoch gegen die hiesige Klägerin als Leasinggeberin.
b) Weiterhin wäre der Eintritt eines Schadens in Gestalt zu viel gezahlter Leasingraten zu verneinen, selbst wenn unterstellt würde, dem Beklagten als Leasingnehmer stünden gegen die Klägerin als Leasinggeberin dem Grunde nach Schadensersatzansprüche wegen des vom Dieselskandal betroffenen, geleasten Fahrzeugs aus §§ 826, 31 BGB zu.
Nachdem der gegenständliche Leasingvertrag beendet ist und der Beklagte das Fahrzeug wieder an die Leasinggeberin zurückgegeben hat, fehlte es in jedem Fall an einem diesbezüglichen Schaden des Beklagten.
Ausgangspunkt für die Beurteilung, ob ein Schaden vorliegt, ist die Differenzhypothese, also ein Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre (Grüneberg, in: Palandt, BGB, 79. Auflage 2020, vor § 249 Rn. 10 m.w.N.). Allerdings ist die Beschränkung auf eine rein rechnerische Betrachtung nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht ausreichend. Vielmehr ist eine wertende Überprüfung der anhand der Differenzhypothese gewonnenen Ergebnisse nach dem Schutzzweck der Haftung und der Ausgleichsfunktion des Schadensersatzes vorzunehmen. Deshalb kann jemand auch bei objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung dadurch einen Vermögensschaden erleiden, dass er durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrages gebracht worden ist, den er sonst nicht geschlossen hätte, und dass die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist (BGH, Urt. v. 28.10.2014, VI ZR 15/14, Rn. 18 m.w.N.).
Beim Leasingvertrag hat der Leasinggeber dem Leasingnehmer als Hauptverpflichtung den Gebrauch der Leasingsache für die Vertragszeit zu verschaffen (BGH, Urt. v. 30.09.1987, VIII ZR 226/86, Rn. 19, juris). Einziger Anknüpfungspunkt für das Vorliegen eines Schadens ist daher die Nutzbarkeit des Fahrzeugs, nicht aber ein etwaiger merkantiler Minderwert, der aus einem Mangel des Leasingfahrzeugs resultiert. Eine eingeschränkte Nutzbarkeit des Fahrzeugs während der Dauer des Leasingvertrags von Dezember 2012 bis Dezember 2016 ist jedoch weder dargetan noch sonst ersichtlich. Vielmehr konnte das Fahrzeug während der Leasingdauer uneingeschränkt im Straßenverkehr genutzt werden. Es wurde im Dezember 2012 offenbar mit einem Kilometerstand von 0 km übernommen und wies bei Rückgabe im Dezember 2016 einen Kilometerstand von 119.350 km auf. Die durchschnittliche jährliche Laufleistung betrug folglich knapp 30.000 km. Es besteht daher auch mangels diesbezüglichen Schadens kein Anspruch auf Schadensersatz.
c) Schließlich bestünde, selbst wenn dem Beklagten gegen die Klägerin dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch wegen der manipulierten Abgaseinrichtung aus §§ 826, 31 analog BGB zustehen würde, auch deshalb kein Schadensersatzanspruch, weil der Beklagte als Leasingnehmer, der das Fahrzeug während der vierjährigen Dauer des Leasingvertrags (uneingeschränkt) nutzte, sich wegen der Grundsätze der Vorteilsausgleichung die gezogenen Nutzungsvorteile anrechnen lassen müsste. Diese Nutzungsvorteile erweisen sich indessen als genauso hoch wie die vom Beklagten an die Leasinggeberin in concreto erbrachten Leasingzahlungen.
Die Höhe des vom Beklagten als Leasingnehmer zu leistenden Wertersatzes für die gezogenen Nutzungsvorteile bemisst sich nach dem objektiven Leasingwert, also den für das genutzte oder für ein vergleichbares Fahrzeug üblichen Leasinggebühren. Mangels anderer Anhaltspunkte ist von der Marktüblichkeit der von dem Beklagten und der Leasinggeberin für die 48-monatige Vertragslaufzeit vereinbarten Leasinggebühren auszugehen. Gegenteiliges trägt auch die Beklagtenseite nicht vor. Ein pauschaler Abschlag wegen des bloßen Vorhandenseins der unzulässigen Abschalteinrichtung im betreffenden Fahrzeug ist nicht gerechtfertigt. Denn diese hatte für den Beklagten während der Gebrauchsdauer keine Einschränkung der Nutzbarkeit des Fahrzeugs zur Folge (vgl. dazu im Einzelnen OLG Karlsruhe, Urteil vom 21.01.2020 – 17 U 2/19 – 116 ff. bis 134 m.w.N., beckonline und juris = DAR 2020, 455 ff. und MDR 2020, 672 f.; vgl. auch BGH, Urteil vom 30.07.2020 – VI ZR 354/19 – Rn. 15, beckonline und juris = NJW 2020, 2796, wonach ein Schadensersatzanspruch wegen des sog. Abgasskandals durch die im Wege des Vorteilsausgleichs erfolgte Anrechung gezogener Nutzungen vollständig aufgezehrt werden kann).
Nach alledem scheidet ein auf §§ 826, 31 analog BGB gestützter Schadensersatzanspruch des Beklagten gegen die hiesige Klägerin als Leasingnehmerin hinsichtlich der gezahlten Leasinggebühren aus mehreren rechtlichen Gesichtspunkten aus.
2. Kein Schadensersatzanspruch wegen Geltendmachung unberechtigter (zu hoher) Ansprüche Zudem steht dem Beklagten kein Schadensersatzanspruch gegen die Klägerin zu, weil diese mit vorprozessualem Schreiben vom 29.03.2017 in Zusammenhang mit der Abwicklung des beendeten Leasingvertrags eine (überhöhte) Forderung in Höhe von 6.958,22 EUR abrechnete und dem Beklagten, der sich hiergegen unter Inanspruchnahme eines anwaltlichen Vertreters wandte, insoweit vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 650,34 EUR aus einem entsprechenden Gegenstandswert (6.958,22 EUR) entstanden, die er gegen die Klageforderungen zur Aufrechnung stellte.
Die (vorgerichtliche) Geltendmachung unberechtigter (zu hoher) Ansprüche begründet jedoch nicht ohne Weiteres einen Anspruch auf Ersatz der zur außergerichtlichen Abwehr entstandenen Rechtsverfolgungskosten. Zwar kann die Geltendmachung eines unberechtigten Anspruchs im Rahmen eines Vertragsverhältnisses eine Pflichtverletzung im Sinne von §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB darstellen, jedoch scheidet eine Ersatzpflicht aus, wenn der Anspruchsberühmung eine vertretbare rechtliche Beurteilung zugrunde liegt (sog. Plausibilitätskontrolle; vgl. zum Komplex Grünberger, in: Palandt, BGB, 79. Aufl. 2020, § 280 Rn. 27 m.w.N.).
Letzteres ist vorliegend der Fall. Die im vorgerichtlichen Abrechnungsschreiben vom 29.03.2017 von der Klägerin geltend gemachte Mehrkilometerpauschale wurde vom Amtsgericht (zu Recht) vollumfänglich zugesprochen, so dass insoweit schon keine unberechtigte vorprozessuale Geltendmachung vorliegt. Die von der Klägerin (in dieser Höhe allein) vorgerichtlich verlangten Rückgabeschäden in Höhe von 3.169,74 EUR fanden ihre Stütze in einem von ihr eingeholten Privatgutachten der DEKRA vom 07.02.2017, weshalb diese als in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vertretbar zu qualifizieren sind. Hinzu kommt, dass auch das (insoweit sachverständig beratene) Amtsgericht der Klägerin, die mit ihrer Klage eine Hauptforderung in Höhe von insgesamt 4.548,17 EUR geltend machte, einen Anspruch jedenfalls wegen übermäßigen Verschleißes hinsichtlich der Bremsscheiben des zurückgegebenen Fahrzeugs zusprach.
Dem Beklagten steht demnach auch unter diesem Aspekt kein Schadensersatzanspruch gegen die Klägerin zu.
Nach alledem erweist sich Berufung des Beklagten als offenkundig aussichtslos und wäre als unbegründet zurückzuweisen.
C.
Schlussendlich sind keine Gründe für die Zulassung der Revision ersichtlich, insbesondere weicht die Kammer nicht von gegenläufiger obergerichtlicher Rechtsprechung ab. Soweit (deliktische) Schadensersatzansprüche des Leasingnehmers im Hinblick auf ein vom Abgasskandal betroffenes Fahrzeug in der Rechtsprechung erwogen werden, betrifft diese allenfalls gegen den Hersteller des geleasten Fahrzeugs gerichtete Schadensersatzansprüche (oben B.1.a). Die hiesige Konstellation betrifft jedoch die davon zu unterscheidende und im Ergebnis zu verneinende Frage, ob entsprechende Schadensersatzansprüche des Leasingnehmers auch gegen den Leasinggeber, der nicht Fahrzeughersteller ist, bestehen können.


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