IT- und Medienrecht

Kein Schadensersatz bei Dieselabgasskandal

Aktenzeichen  18 U 5070/19

Datum:
10.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 42327
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 31, § 826, § 849
WpHG § 15

 

Leitsatz

1. Gegen den Hersteller des Motors eines vom sog. Dieselskandal betroffenen Pkw kommt grundsätzlich ein deliktischer Schadensersatzanspruch des Käufers aus §§ 826, 31 BGB in Betracht. In dem Inverkehrbringen eines mit einer nicht offen gelegten Steuerungssoftware ausgestatteten Motors, die den Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand gegenüber dem Ausstoß im normalen Fahrbetrieb reduziert, liegt regelmäßig eine konkludente Täuschung des Endkunden, der das Fahrzeug, in das der Motor eingebaut worden ist, als Neu- oder Gebrauchtfahrzeug erwirbt. (Rn. 18 – 23)
2. Die Darlegungs- und Beweislast für den erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen Täuschung und Erwerb des betroffenen Fahrzeugs trifft den Käufer. Die zu seinen Gunsten wirkende Erwägung, dass nach der Lebenserfahrung niemand ein mit einem entsprechenden Motor versehenes Kraftfahrzeug in Kenntnis der maßgeblichen Umstände käuflich erwerben würde, erscheint nur uneingeschränkt tragfähig, wenn der Käufer den Pkw vor Bekanntwerden des Abgasskandals erworben hat. Hatte der Käufer dagegen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses Kenntnis von den Abgasmanipulationen, was angesichts der Offenlegung und breiten Erörterung dieses Themas in den Medien ab Herbst 2015 regelmäßig anzunehmen ist, muss er nachvollziehbar darlegen, aus welchen Gründen er davon ausgegangen ist, dass das von ihm erworbene Fahrzeug von der Problematik nicht betroffen ist. (Rn. 21 – 22)
3. Die Kausalität der konkludenten Täuschung für den Vertragsschluss ist nicht erst dann zu verneinen, wenn dem Käufer die Betroffenheit des konkret erworbenen Pkws von den Abgasmanipulationen bei Vertragsschluss positiv bekannt war. Vielmehr reicht aus, dass der Käufer es jedenfalls für möglich gehalten hat, dass der von ihm erworbene Pkw betroffen sein könnte, aber keine ihm möglichen und zumutbaren Schritte unternommen hat, diese Frage vor Vertragsschluss zu klären. Denn ein solches Verhalten des Käufers lässt im Allgemeinen den Rückschluss darauf zu, dass die als möglich erkannte Betroffenheit des Fahrzeugs von den Abgasmanipulationen für seine Kaufentscheidung nicht von wesentlicher Bedeutung war. Verbleibende Zweifel gehen zu Lasten des darlegungs- und beweisbelasteten Käufers. (Rn. 23)

Verfahrensgang

6 O 3865/18 2019-08-09 Endurteil LGTRAUNSTEIN LG Traunstein

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 09.08.2019, Az. 6 O 3865/18, dahin abgeändert, dass die Klage vollumfänglich abgewiesen wird.
2. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
3. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz in Form der Rückabwicklung eines Kaufvertrages vom 11.01.2016 über einen gebrauchten Pkw VW Touran, in dem ein vom sog. Abgasskandal betroffener Dieselmotor der Beklagten eingebaut ist. Bezüglich der Darstellung des Sach- und Streitstandes und der Anträge im Einzelnen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 141/144 d.A.) Bezug genommen.
Mit Endurteil vom 09.08.2019 hat das Landgericht der Klage teilweise stattgegeben. Es hat die Beklagte zur Zahlung von 17.302,26 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung des streitgegenständlichen Pkw verurteilt und festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet. Im Übrigen hat es die Klage – soweit die Rückzahlung des vollen Kaufpreises in Höhe von 23.500 €, die Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten für weitere Schäden, deliktische Zinsen gemäß § 849 BGB sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten begehrt wurden – abgewiesen. Zur Begründung führt das Landgericht im Wesentlichen aus:
Der Klagepartei stehe gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1, § 311 Abs. 3, § 249 Abs. 2 Satz 1, § 251 BGB zu. Zwischen den Parteien bestehe ein Schuldverhältnis, da die Beklagte als einer der größten deutschen Automobilhersteller besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und dadurch den Vertragsschluss maßgeblich beeinflusst habe. Mit der EG-Übereinstimmungsbescheinigung, die durch einen Mitarbeiter der Beklagten ausgestellt werde, übernehme die Beklagte eine persönliche Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit der darin enthaltenen Erklärungen. Zudem komme der Beklagten als Herstellerin ein erhebliches Eigeninteresse am Verkauf durch die Vertragshändler zu. Auch eine Pflichtverletzung der Beklagten sei zu bejahen. Die Beklagte als Herstellerin hätte den Kläger als Endkunden vor Abschluss eines Kaufvertrages auf das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung und die damit verbundenen Gefahren bis hin zu einem möglichen Entzug der Betriebserlaubnis hinweisen müssen, was unstreitig nicht geschehen sei. Das vermutete Vertretenmüssen der Pflichtverletzung sei von der Beklagten nicht hinreichend widerlegt worden. Zwar habe die Beklagte mit ihrer Adhoc-Mitteilung vom 22.09.2015 auf Auffälligkeiten beim Motortyp EA 189 hingewiesen und jedenfalls im Laufe des Jahres 2016, beginnend ab dem 27.01.2016, im Einvernehmen mit dem Kraftfahrtbundesamt Software-Updates für die betroffenen Fahrzeugtypen, auch für den streitgegenständlichen entwickelt. Allein durch die Adhoc-Mitteilung könne sich die Beklagte jedoch nicht entlasten, weil sich diese nach § 15 WpHG a.F. nicht an Kunden des Unternehmens, sondern an dessen Aktionäre und Gläubiger sowie potenzielle Investoren richte. Der Kläger habe sein Fahrzeug bereits am 11.01.2016 gekauft, mithin zu einem Zeitpunkt, zu dem die entsprechenden Software-Updates durch die Beklagte noch nicht freigegeben worden seien. Dass sie dennoch bereits in diesem Zeitpunkt die breite Öffentlichkeit und beispielsweise ihre Vertragshändler informiert hätte, habe die Beklagte nicht vorgetragen. Der Kläger habe durch den Abschluss des Kaufvertrages einen Schaden erlitten, der in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darin liege, dass der von einem schuldhaften Pflichtverstoß Betroffene in seinen konkreten Vermögensdispositionen beeinträchtigt und zum Abschluss eines Vertrages gebracht worden sei, den er sonst nicht geschlossen hätte. Dieser Schaden sei auch nicht durch das Aufspielen des Software-Updates beseitigt worden. Der Kläger sei im Rahmen des negativen Interesses so zu stellen, als wäre der Kaufvertrag nicht geschlossen worden. Dies führe zur Rückzahlung des gezahlten Kaufpreises von 23.500 € Zug um Zug gegen Übertragung des Eigentums am streitgegenständlichen Pkw. Der Kläger müsse sich im Rahmen des Vorteilsausgleichs allerdings gezogene Nutzungen in Höhe von 6.197,74 € anrechnen lassen. Anhaltspunkte für ein Mitverschulden des Klägers im Sinne des § 254 BGB bestünden nicht. Der Kläger habe zwar angegeben, allgemein schon Kenntnis vom Abgasskandal gehabt zu haben. Er habe aber auch glaubhaft angegeben, vom Händler nicht informiert worden zu sein, dass sein Fahrzeug vom Abgasskandal betroffen sei.
Der Antrag auf Feststellung des Annahmeverzuges sei zulässig und begründet. Der Antrag auf Feststellung der Ersatzpflicht für weitere Aufwendungen und Schäden sei mangels Feststellungsinteresse bereits unzulässig. Auch ein Zinsanspruch nach §§ 849, 246 BGB bestehe nicht, da der Kläger gegen die Hingabe von Geld im Gegenzug das streitgegenständliche Fahrzeug bekommen und auch genutzt habe. Ein Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten sei nicht gegeben, da der Kläger nicht hinreichend dargelegt habe, dass eine außergerichtliche Geltendmachung gegen die Beklagte Ende 2018 erfolgversprechend gewesen wäre.
Ergänzend wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 144/154 d.A.) Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil haben beide Parteien form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Der Kläger verfolgt mit der Berufung seinen Antrag auf Deliktszinsen gemäß § 849 BGB weiter, die Beklagte begehrt nach wie vor die vollumfängliche Klageabweisung.
Der Kläger bringt zur Begründung seiner Berufung im Wesentlichen vor, dass die Rechtsnorm des § 849 BGB keinen Anknüpfungspunkt für die Auffassung des Landgerichts biete. Die Nutzbarkeit des Fahrzeugs (statt der Nutzung des aufgebrachten Geldes) sei auch nicht als Ersatznutzungsmöglichkeit für die Klagepartei zu sehen, da bereits der Schadensersatz unter Abzug dieses Nutzungsersatzes geltend gemacht werde. Eine (nochmalige) Berücksichtigung bei § 849 BGB würde zu einem doppelten Abzug für die Fahrzeugnutzung zu Lasten der Klagepartei führen.
Der Kläger beantragt,
1. das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Traunstein vom 09.08.2019 insoweit abzuändern, als es hinter der Klageforderung zurückbleibt, indem es der Klagepartei die beantragten Deliktszinsen gemäß § 849 BGB nicht zuspricht und hinsichtlich des Klageantrags zu 3) wie folgt zu erkennen:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei Zinsen in Höhe von 4% aus dem Netto-Kaufpreis in Höhe von 23.500 € und somit 2.727,36 € seit dem 12.01.2016 bis zum 06.12.2018 zu bezahlen.
2. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
1.das am 09.08.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Traunstein, Az. 6 O 3865/18, im Umfang der Beschwer der Beklagten abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen.
2.die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Beklagte führt zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen aus, dass der Kaufvertrag vorliegend am 11.01.2016 und damit deutlich nach Bekanntwerden der Diesel-Thematik und in Kenntnis der Klagepartei von der Umschaltlogik geschlossen worden sei. Rechtsfehlerhaft habe das Landgericht ein Schuldverhältnis zwischen den Parteien, eine Pflichtverletzung und einen Schaden bejaht. Der Anspruch auf Rückabwicklung des am 11.01.2016 geschlossenen Kaufvertrages scheitere jedenfalls daran, dass die Verwendung der hier streitgegenständlichen Software zu diesem Zeitpunkt längst öffentlich bekannt gewesen sei. Die Beklagte habe die Öffentlichkeit, betroffene Halter und Vertragshändler sowie Servicepartner ab dem 22.09.2015 ausführlich und umfassend informiert und konkrete Schritte zur Überarbeitung der Motorsteuerungssoftware bereits eingeleitet. Angesichts der sich hieran unmittelbar anschließenden, großflächigen und lang andauernden Medienberichterstattung müsse davon ausgegangen werden, dass die Klagepartei das streitgegenständliche Fahrzeug in Kenntnis der Tatsache erworben habe, dass die besagte Software installiert gewesen sei oder ihre Unkenntnis von der Thematik jedenfalls grob fahrlässig wäre. Weder habe die Beklagte die Klagepartei angesichts ihrer Informationsbemühungen vorsätzlich oder gar sittenwidrig schädigen können, noch sei der Klagepartei ein Schaden entstanden, da sie über ein funktionsfähiges Fahrzeug verfüge. Darüber hinaus fehle es auch an der erforderlichen Kausalität zwischen einer vermeintlichen Schädigungshandlung und einem unterstellten Schaden. Ein etwaiger ersatzfähiger Schaden sei im Übrigen aufgrund des durchgeführten Updates jedenfalls wieder entfallen.
Der mit der klägerischen Berufung verfolgte Anspruch auf Deliktszinsen aus § 849 BGB scheitere bereits daran, dass ein deliktischer Anspruch der Klagepartei nicht bestehe. Auch die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des § 849 BGB lägen nicht vor.
Der Kläger ist dem Berufungsvorbringen der Beklagten entgegen getreten und verteidigt insoweit das erstinstanzliche Urteil. Der Vorsatz der Beklagten sei nicht nach Herbst 2015 entfallen. Die Täuschung der Beklagten sei nach wie vor kausal für den Vertragsschluss geworden, die Klagepartei hätte nach Treu und Glauben von der Beklagten eine Information über die unstreitig rechtswidrigen Manipulationen an ihrem Fahrzeug erwarten dürfen. Ein verständiger Kunde hätte ein solches Fahrzeug niemals erworben. Die Beklagte habe ihre Täuschung selbst nach Bekanntwerden des Dieselskandals weiter aufrechterhalten und die Sachlage so gut wie möglich verschleiert. Der Kläger habe keine Kenntnis von der Betroffenheit des streitgegenständlichen Fahrzeugs beim Kauf im Januar 2016 gehabt. Die nicht an Verbraucher gerichtete Adhoc-Mitteilung sei nicht zur Aufklärung geeignet und beseitige nicht die Sittenwidrigkeit der Täuschungshandlung. Eine umfassende Medienberichterstattung dergestalt, dass die Klagepartei beim Kauf Kenntnis von der Nichtzulassungsfähigkeit des Fahrzeugs gehabt habe, werde bestritten.
Ergänzend wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründungen des Klägers vom 07.10.2019 (Bl. 168/171 d.A.) und der Beklagten vom 11.11.2019 (Bl. 180/231 d.A.), die Berufungserwiderungen des Klägers vom 28.11.2019 (Bl. 243/251 d.A.) und der Beklagten vom 14.11.2019 (Bl. 233/240 d.A.), die weiteren klägerischen Schriftsätze vom 06.11.2019 (Bl. 179 d.A.) und 02.12.2019 (Bl. 252 d.A.) sowie den Hinweis mit Verfügung vom 28.11.2019 (Bl. 242 d.A.) und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10.12.2019 (Bl. 254/257 d.A.).
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet und führt zur vollumfänglichen Klageabweisung. Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
Ein Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte wegen des Erwerbs eines vom sogenannten Dieselskandal betroffenen Pkw besteht nicht.
1. Entgegen der Auffassung des Landgerichts kommt eine Haftung der Beklagten nach § 280 Abs. 1 Satz 1, § 311 Abs. 3 BGB nicht in Betracht. Der Kläger hat nicht nachvollziehbar dargelegt, dass die Beklagte in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst hat, da dies insbesondere eine – unmittelbare oder mittelbare – Teilnahme an den Verhandlungen voraussetzen würde (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 79. Aufl., § 311 Rn. 63 m.w.N.). Auch die Übereinstimmungserklärung des Herstellers als solche vermag eine Haftung nicht zu begründen. Ein eigenes wirtschaftliches Interesse der Beklagten im Sinne eines Tätigwerdens gleichsam in eigener Sache als wirtschaftlicher „Herr des Geschäfts“ ist ebenfalls nicht erkennbar.
Unabhängig davon wäre auch im Rahmen eines solchen Anspruchs – wie nachstehend dargelegt – der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen einer etwaigen Pflichtverletzung und dem geltend gemachten Schaden nicht gegeben.
2. Ein grundsätzlich in Betracht kommender deliktischer Schadensersatzanspruch, insbesondere aus § 826, § 31 BGB, scheitert im vorliegenden Fall daran, dass der Kläger weder hinreichend dargelegt noch nachgewiesen hat, dass eine Täuschung seitens der Beklagten für seine Entscheidung zum Erwerb des streitgegenständlichen Pkw kausal geworden ist und er diesen nicht erworben hätte, wenn er von einer Betroffenheit des Fahrzeugs vom sogenannten Diesel-Abgasskandal gewusst hätte.
a) Die Schädigungshandlung der Beklagten kann allein darin gesehen werden, dass sie einen Dieselmotor des Typs EA 189 entwickelt und in Verkehr gebracht hat, der von der sog. „VW-Abgasthematik“ betroffen ist, also mit einer – nicht offen gelegten – Motorsteuerungssoftware ausgestattet ist, die den Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand gegenüber dem Ausstoß im normalen Fahrbetrieb reduziert. Dieser Motor sollte bestimmungsgemäß in ein Kraftfahrzeug eingebaut und sodann an einen Endkunden, dem gegenüber die Funktionsweise der Software nicht offengelegt wird, verkauft werden. In Übereinstimmung mit dem Oberlandesgericht Karlsruhe (Hinweisbeschluss vom 05.03.2019 – 13 U 142/18, BeckRS 2019, 3395) wertet der Senat das Inverkehrbringen eines mit einer solchen nicht offengelegten Abschalteinrichtung ausgestatteten Motors als konkludente Täuschung des Endkunden, der das Fahrzeug, in das der Motor eingebaut worden ist, erwirbt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht der Schaden im Fall einer durch arglistige Täuschung verübten sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB) regelmäßig in der eingegangenen Verpflichtung, die der Getäuschte bei Kenntnis der Umstände nicht eingegangen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 21.12.2004 – VI ZR 306/03, BGHZ 161, 361, juris Rn. 14 ff.).
Die Darlegungs- und Beweislast für den Kausalzusammenhang zwischen Täuschung und eingegangener Verpflichtung trifft den Geschädigten; auf den Nachweis der konkreten Kausalität der Täuschung für den Willensentschluss des Getäuschten kann nicht verzichtet werden (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 79. Aufl., § 826 Rn. 18; BGH, Urteil vom 04.06.2013 – VI ZR 288/12, NJW-RR 2013, 1448, juris Rn. 25). Dabei kann es genügen, dass der Getäuschte Umstände darlegt, die für seinen Entschluss von Bedeutung sein konnten, und dass die arglistige Täuschung nach der Lebenserfahrung bei der Art des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts Einfluss auf die Entschließung hat (vgl. BGH, Urteil vom 12.05.1995 – V ZR 34/94, NJW 1995, 2361, juris Rn. 17).
Das Oberlandesgericht Karlsruhe stellt in seinem vorerwähnten Hinweisbeschluss unter anderem darauf ab, dass nach der Lebenserfahrung niemand ein Kraftfahrzeug in Kenntnis einer nicht bestehenden Genehmigung oder Genehmigungsfähigkeit käuflich erwerben würde (a.a.O., Rn. 23). Dieser Gedanke erscheint allerdings nur uneingeschränkt tragfähig, wenn der Käufer – wie in dem vom Oberlandesgericht Karlsruhe beurteilten Fall – den Pkw vor Bekanntwerden des Abgasskandals erworben hat. Hatte der Käufer dagegen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses Kenntnis von den Abgasmanipulationen, was angesichts der Offenlegung und breiten Erörterung dieses Themas in den Medien ab Herbst 2015 regelmäßig anzunehmen ist, muss er nachvollziehbar darlegen, aus welchen Gründen er davon ausgegangen ist, dass das von ihm erworbene Fahrzeug von der Problematik nicht betroffen ist.
Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Kausalität der konkludenten Täuschung für den Vertragsschluss nicht erst dann zu verneinen, wenn dem Käufer die Betroffenheit des konkret erworbenen Pkws von den Abgasmanipulationen bei Vertragsschluss positiv bekannt war. Vielmehr reicht aus, dass der Käufer es jedenfalls für möglich gehalten hat, dass der von ihm erworbene Pkw betroffen sein könnte, aber keine ihm möglichen und zumutbaren Schritte unternommen hat, diese Frage vor Vertragsschluss zu klären. Denn ein solches Verhalten des Käufers lässt im Allgemeinen den Rückschluss darauf zu, dass die als möglich erkannte Betroffenheit des Fahrzeugs von den Abgasmanipulationen für seine Kaufentscheidung nicht von wesentlicher Bedeutung war. Verbleibende Zweifel gehen jedenfalls zu Lasten des darlegungs- und beweisbelasteten Käufers.
b) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe fehlt es im vorliegenden Fall an einer für den Erwerb des streitgegenständlichen Pkw durch den Kläger kausalen Täuschungshandlung der Beklagten.
Bei seiner informatorischen Anhörung im Termin vom 12.06.2019 hat der Kläger eingeräumt, er habe allgemein schon Kenntnis von dem Abgasskandal aus den Medien gehabt. Als er das Fahrzeug vom Fahrzeughändler gekauft habe, habe er aber nicht gewusst, dass das Fahrzeug betroffen sei. Eine entsprechende Information sei auch nicht vom Händler gegeben worden. Soweit das Landgericht ausgeführt hat, dass die Angaben des Klägers zu einer fehlenden Information durch den Händler glaubhaft seien, mag dies zutreffen. Hierauf kann jedoch nach den vorstehenden Erwägungen nicht maßgeblich abgestellt werden. Entscheidend ist vielmehr, dass der Kläger im Kaufzeitpunkt vom Dieselskandal Kenntnis hatte und es sich bei dem von ihm erworbenen Fahrzeug um ein Gebrauchtfahrzeug handelte, das ausweislich des Kaufvertrages (Anlage K 1) erstmals am 19.09.2012 zugelassen und damit etwa drei Jahre vor Bekanntwerden des Skandals hergestellt worden war. Vor diesem Hintergrund ist der Senat überzeugt, dass der Kläger eine Betroffenheit des erworbenen Fahrzeugs vom Abgasskandal jedenfalls für möglich gehalten hat.
Entgegen der Auffassung des Klägers und des Landgerichts kann auch nicht allein auf die Adhoc-Mitteilung der Beklagten vom 22.09.2015 und deren Funktion abgestellt werden. Es ist gerichtsbekannt, dass das Kraftfahrtbundesamt Mitte Oktober 2015 den Rückruf der mit dem Motor vom Typ EA 189 ausgestatteten Dieselfahrzeuge angeordnet und per Pressemitteilung bekannt gegeben hat. In diesem Zusammenhang hatte die Behörde mitgeteilt, dass allein in Deutschland rund 2,4 Mio. Fahrzeuge betroffen seien. Darüber hinaus erfolgten weitere Pressemitteilungen der Beklagten sowie eine fortdauernde intensive Berichterstattung über die Thematik in sämtlichen Medien. Anders als der Kläger meint, war die Beklagte auch nicht nach Treu und Glauben verpflichtet, den Kläger über die am Abgasrückführungssystem des streitgegenständlichen Pkw vorgenommenen Manipulationen zu informieren. Informationspflichten könnten sich nur aus einem Schuldverhältnis zwischen den Parteien ergeben. Die Beklagte ist aber weder Vertragspartnerin des Klägers geworden noch haftet sie diesem aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen gemäß § 311 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3, § 241 Abs. 2 BGB.
Der Kläger trägt auch nicht vor, dass er irgendwelche Schritte unternommen hätte, um vor Vertragsschluss die Betroffenheit des Fahrzeugs abzuklären. Auf die ihm gestellte Frage, warum er in Kenntnis von der Thematik Abgasskandal nicht die Fahrzeugidentifizierungsnummer im Internet überprüft habe, konnte er ebenfalls keine Antwort geben. Dies lässt erkennen, dass es dem Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages letztlich gleichgültig war, ob das von ihm erworbene Fahrzeug vom Diesel-Abgasskandal betroffen war oder nicht. Eine konkludente Täuschung seitens der Beklagten hat sich deshalb auf die Entscheidung des Klägers für den Erwerb des streitgegenständlichen Pkw zur Überzeugung des Senats nicht ausgewirkt.
2. Die vorstehenden Ausführungen gelten in gleicher Weise für alle übrigen vom Kläger ins Feld geführten deliktischen Anspruchsgrundlagen. Die Darlegungs- und Beweislast für den erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen Schädigungshandlung und Schaden trifft bei allen in Betracht kommenden Haftungstatbeständen den Geschädigten (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 79. Aufl., § 823 Rn. 80 ff.).
3. Da Schadensersatzansprüche des Klägers bereits dem Grunde nach nicht bestehen, sind auch die weiteren Anträge des Klägers – einschließlich des mit der Berufung weiterverfolgten Antrags auf Deliktszinsen gemäß § 849 BGB – unbegründet, ohne dass es darauf ankäme, ob die weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen der geltend gemachten Ansprüche im vorliegenden Fall erfüllt wären.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Das Oberlandesgericht Hamm hat zwar in einem Fall die Kausalität der Täuschung für den Kaufentschluss der dortigen Klägerin bejaht, obwohl der Kaufvertrag erst Ende November 2016 geschlossen worden war (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 10.09.2019 – 13 U 149/18). Der Umstand, dass zwei Gerichte den gleichen Sachverhalt unterschiedlich beurteilen, begründet aber noch keine Divergenz; hinzukommen muss, dass der Beurteilung unterschiedliche Rechtssätze zugrunde liegen (vgl. Thomas/Putzo-Reichold, ZPO, 40. Aufl., § 543 Rn. 4b). Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm beruhte ersichtlich auf der Beweiswürdigung im dort zu entscheidenden konkreten Einzelfall; das Gericht konnte sich aufgrund einer Parteivernehmung der dortigen Klägerin von der Kausalität der Täuschungshandlung für den eingetretenen Schaden überzeugen.

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