IT- und Medienrecht

Kein Schadensersatz beim Kauf eines Pkws nach dem Bekanntwerden des „VW-Abgasskandal“

Aktenzeichen  5 O 3366/18

Datum:
10.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 46983
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Traunstein
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 31, § 249 Abs. 2 S. 1, § 280 Abs. 1 S. 1, § 311 Abs. 3, § 823 Abs. 2, § 826
VO (EG) Nr. 715/2007 Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2
StGB § 263

 

Leitsatz

1.  Erwirbt ein Käufer nach Bekanntwerden des „VW-Abgasskandals“ ein Fahrzeug, bei dem der entsprechende Motor verbaut ist, besteht kein Schadensersatzanspruch wegen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§ 826 Abs. 1 BGB). Ein Vertrauensschutz des Käufers auf die Einhaltung der gesetzlichen Regelungen bestand nicht und der Hersteller handelte im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses auch nicht (mehr) arglistig, da er über die den Täuschungsvorwurf begründenden Umstände informiert hatte.  (Rn. 12 – 21) (redaktioneller Leitsatz)
2.  Auch ein Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1 S. 1, § 311 Abs. 3, § 249 Abs. 2 S. 1 BGB scheidet aus, da der Hersteller kein besonderes Vertrauen für gesetzeskonformes Handeln bot, nachdem er selbst in einer ad-hoc-Mitteilung auf die Problematik hingewiesen hatte, woran sich eine breite öffentliche Diskussion anschloss. (Rn. 22 – 23) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 9.246,59 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Klagepartei steht weder aus § 826 BGB noch aus §§ 280 I 1, 311 III, 249 II 1 BGB ein Schadensersatzanspruch zu, den der Kläger in Form der Rückabwicklung des Pkw-Kaufvertrags begehrt.
I.
Ein Anspruch der Klagepartei aus § 826 BGB kommt nicht in Betracht.
Der Kläger trägt vor, dass die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung i.S.d. § 826 BGB vorliegend darin bestehe, dass durch den bewussten Einbau der Betrugssoftware durch die Entwicklungsingenieure der Beklagten in Kenntnis des Vorstandes eine Täuschung der Verbraucher und Käufer des Fahrzeugs erfolgt sei. Diese hätten auf die Richtigkeit der angegebenen Schadstoffemissionen und auf die Konformität mit den Schadstoffklassen vertraut. Diese Täuschung liege gegenüber jedem Erwerber eines Fahrzeugs mit einem Motor dieser Baureihe vor, ohne dass es auf die Täuschung durch einen Händler – der ebenso auf die Konformität und Richtigkeit der ihm erteilten Informationen vertraut hat – ankomme.
Vorliegend ist jedoch dem der Nachweis dafür, dass er getäuscht wurde, nicht gelungen.
Der Kläger hat den PKW im April des Jahres 2016 erworben. Zu diesem Zeitpunkt war die „Dieselthematik“ nicht nur in der Automobilbranche, sondern der breiten Öffentlichkeit durch die Thematisierung in Presse, Rundfunk und Fernsehen bereits bekannt.
Die Beklagte hatte bereits im Jahr 2015 darauf hingewiesen, dass eine Motorsoftware verbaut wurde, die Unregelmäßigkeiten aufweise. In der Folge wurde vielfach in Politik und Öffentlichkeit diskutiert, wie mit der „Dieselthematik“ zu verfahren sei, so dass zur Überzeugung des Gerichts jedem allgemein informierten Kunden der Beklagten bzw. Kaufinteressenten für aus dem Konzern der Beklagten stammender PKW bewusst sein musste, dass es bezüglich zahlreicher PKWs des Konzerns bzw. der Konzerntöchter zu Problemen hinsichtlich der Motorsteuerung gekommen war.
Dem Kläger standen daher zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses ausreichende Möglichkeiten zur Verfügung, sich ohne größere Anstrengung vorab zu informieren bzw. davon Kenntnis zu erhalten, ob bzw. dass der streitgegenständliche PKW ebenfalls mit der monierten Software ausgestattet ist.
Der Kläger hat im Rahmen der informatorischen Anhörung zwar angegeben, dass ihm zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses nicht bewusst gewesen sei, dass ein Betrug vorliegend könnte und auf die Angaben der Herstellerin, hier der Beklagten, vertraut habe.
Zu dem Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses hatte aber die Beklagte bereits bekannt gegeben, dass es zu Problemen hinsichtlich der Motorsteuerungssoftware gekommen war, sodass ein Vertrauensschutz des Klägers auf die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften nicht mehr bestehen konnte.
Daneben kommt auch die für einen Anspruch aus § 826 BGB erforderliche Arglist jedenfalls dann nicht (mehr) in Betracht, wenn – wie hier zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Kaufvertragsschlusses – der potentiell Täuschende über die den Täuschungsvorwurf begründenden Umstände informiert hat. Damit ist jedenfalls der Arglistvorwurf im Verhältnis zu Kunden, die nach dieser Information einen von der „Schadsoftware“ betroffenen Pkw kaufen, nicht mehr nachweisbar.
Ein Nachweis der klägerseits behaupteten vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung durch Täuschung seitens der Beklagten ist damit nicht geführt, ein Anspruch aus § 826 BGB kommt somit nicht in Betracht.
II.
Auch steht der Klagepartei kein Anspruch auf Schadensersatz gemäß §§ 280 I 1, 311 III, 249 II 1 BGB zu.
Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger den Kaufvertrag geschlossen hat, weil die Beklagte als Herstellerin des streitgegenständlichen PKWs durch Inanspruchnahme eines besonderen Vertrauens, das die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss erheblich beeinflusst hat, für den Kläger eine Garantie gesetzeskonformen Handelns bot, sind nach der Veröffentlichung der ad-hoc-Mitteilung vom 22.09.2015, jedenfalls aber infolge der sich daran anschließenden breiten öffentlichen Diskussion, zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses nicht mehr gegeben.
III.
Nachdem kein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte in Betracht kommt, sind auch vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nicht zu erstatten.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO,
der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.


Ähnliche Artikel

Unerwünschte Werbung: Rechte und Schutz

Ganz gleich, ob ein Telefonanbieter Ihnen ein Produkt am Telefon aufschwatzen möchte oder eine Krankenkasse Sie abwerben möchte – nervig können unerwünschte Werbeanrufe, -emails oder -schreiben schnell werden. Was erlaubt ist und wie Sie dagegen vorgehen können, erfahren Sie hier.
Mehr lesen

Was tun bei einer negativen Bewertung im Internet?

Kundenbewertungen bei Google sind wichtig für Unternehmen, da sich potenzielle Neukunden oft daran orientieren. Doch was, wenn man negative Bewertungen bekommt oder im schlimmsten Fall sogar falsche? Das kann schädlich für das Geschäft sein. Wir erklären Ihnen, was Sie zu dem Thema wissen sollten.
Mehr lesen

Der Influencer Vertrag

In den letzten Jahren hat sich Influencer Marketing einen starken Namen in der Werbebranche gemacht. Viele Unternehmen setzen auf platzierte Werbeanzeigen durch Influencer. Was jedoch zwischen Unternehmer und Influencer vertraglich im Vorfeld zu beachten ist, werden wir Ihnen im Folgenden erläutern.
Mehr lesen


Nach oben