IT- und Medienrecht

Kein Schadensersatz wegen Manipulation des Abgasreinigungssystems

Aktenzeichen  53 O 2009/17

Datum:
3.12.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 51322
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Ingolstadt
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 823 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 6.259,70 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klage ist nur zum Teil zulässig.
1. Die Klage ist bezüglich Klageantrag zu 1) und 3) zulässig. Insbesondere ist der unbestimmte Zahlungsantrag im Klageantrag zu 1) zulässig, da insofern der merkantile Minderwert geltend gemacht wird. Bei Klagen auf Leistung einer Geldzahlung gehört zur Bestimmtheit des Klageantrags im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zwar grundsätzlich die Angabe des begehrten Betrages. Die Rechtsprechung lässt hiervon jedoch eine Ausnahme zu, wenn die Bestimmung des Betrags von einer gerichtlichen Schätzung nach § 287 ZPO oder vom billigen Ermessen des Gerichts abhängig ist. Da auch der merkantile Minderwert einer gerichtlichen Schätzung nach § 287 ZPO unterliegt, wenn dieser auch im Regelfall mit Unterstützung eines Sachverständigengutachtens erfolgt, stellt er grundsätzlich ein Anwendungsfall für den unbezifferten Klageantrag dar. Insofern genügt es dem Bestimmtheitsgebot, wenn der den Anspruch begründen Sachverhalt hinreichend genau dargelegt und die ungefähre Größenordnung des verlangten Betrags angegeben wird (zum Ganzen OLG München, Hinweisbeschluss vom 17.05.2018 – 24 U 762/18 m.w.N.). Ein Mindestbetrag findet sich im Klageantrag zu 1). Schätzgrundlagen hierfür ergeben sich aus den Angaben der Klägerin in der Klageschrift vom 29.12.2017 und in den Schriftsätzen vom 17.08. 2018 und vom 10.10.2018.
2. Bezüglich Klageantrag zu 2) ist die Klage bereits unzulässig.
a. Es fehlt an einem bestimmten Klageantrag im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. ZPO, der auch im Rahmen einer Feststellungsklage zu fordern ist. Die erforderliche Bestimmtheit verlangt, dass das festzustellende Rechtsverhältnis genau bezeichnet wird. Dazu genügt es, dass der Kläger die rechtsbegründenden Tatsachen näher angibt. Soweit es sich um Schadensersatzansprüche handelt, ist eine bestimmte Bezeichnung des zum Ersatz verpflichtenden Ereignisses erforderlich (OLG München, Hinweisbeschluss vom 12.06.2018 – 8 U 3169/17). Der Antrag der Klägerin lässt jedoch vorliegend offen, aufgrund welcher konkreten „Manipulation des Abgasreinigungssystems“ eine Schadensersatzpflicht festgestellt werden soll. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass es auch durchaus zulässige Abschalteinrichtungen gibt (LG Passau, Endurteil vom 11.08.2017 – 4 O 272/17). Diese wären vom Antrag miterfasst, insofern bestünde jedoch zweifelsfrei kein Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO, so dass der Antrag zu unbestimmt ist.
b. Der Klageantrag ist aber auch deshalb unzulässig, da die Klägerin nicht substanziiert vorträgt, welche weiteren Schäden sie in Zukunft zu befürchten hat.
Dem Feststellungsantrag fehlt zwar entgegen der Ansicht der Beklagten nicht das erforderliche Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO, da insofern die Berufung der Klägerin auf die drohende Verjährung ihrer Ansprüche ausreicht (BGH, Urteil vom 11.07.1989 – VI ZR 234/88, NJW-RR 1989, 1367).
Allerdings gilt auch bei grundsätzlich bestehendem Feststellungsinteresse die damit eng verbundene Grundsatz des Vorrangs der Leistungsklage, so dass eine Feststellungsklage vorliegend nur dann zulässig ist, wenn die Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen ist und der Kläger seinen Anspruch deshalb ganz oder teilweise nicht beziffern kann. Insofern ist eine substanziierte Darlegung erforderlich (OLG München, Hinweisbeschluss vom 12.06.2018 – 8 U 3169/17).
Vorliegend hat die Klägerin auch auf den vom Gericht in der mündlichen Verhandlung am 03.09.2018 erteilten Hinweis (Bl. 75 f. der Akte) nicht substanziiert dargestellt, inwiefern sie Anspruch auf den Ersatz noch nicht abschließend zu beziffernder Schäden hat. Insofern beschränkt sich die Klägerin auf einen allgemein gehaltenen Vortrag über die allgemeine Ungewissheit der Situation und die Gefahr der Verjährung. Konkrete mögliche Schäden und tatsächliche Anhaltspunkte hierfür nennt sie nicht. Sofern sie behauptet, als Folge der Manipulation des Abgasreinigungssystems des streitgegenständlichen Fahrzeugs bestehe die Möglichkeit, dass das Fahrzeug zukünftig seine Zulassung verlieren und von Fahrverboten betroffen sein kann, fehlt jeder Vortrag dazu, warum das Fahrzeug nach durchgeführtem Softwareupdate seine Zulassung verlieren könnte und inwiefern die streitgegenständliche Täuschungshandlung kausal sein soll für Fahrverbote, welche für alle Dieselautos und nicht nur die vom sog. „Abgasskandal“ betroffenen Fahrzeuge gelten. Bezüglich etwaiger Auswirkungen des Softwareupdates auf den Motor dürften diese bereits derzeit durch ein Sachverständigengutachten beweisbar und somit bezifferbar sein. Etwaige Folgen für die Werthaltigkeit der betroffenen Fahrzeuge sind insofern auch nicht zu beachten, da ein Minderwert im Deliktsrecht auch nicht zu ersetzen wäre (siehe hierzu sogleich unter II.). Da die Bezifferung der Schäden der Klägerin derzeit bereits möglich und zumutbar ist, ist die Klage insoweit unzulässig.
II.
Die Klage ist im Übrigen unbegründet.
1. Der mit dem Klageantrag zu 1) verfolgte Anspruch besteht nicht.
a. Die Klägerin hat keine kaufrechtlichen Ansprüche gegen die Beklagte, die unstreitig nicht Verkäuferin des Fahrzeugs war. Verkäufer war vielmehr das Audi Zentrum Nürnberg F. GmbH.
b. Die Klägerin dringt mit dem Klageantrag zu 1) jedoch auch aufgrund deliktischer Ansprüche nicht durch, da sie insofern einen merkantilen Minderwert geltend macht, dessen Ersatz im Rahmen deliktischer Ansprüche nicht geschuldet ist. Es kann insofern dahinstehen, ob der Klägerin die geltend gemachten deliktischen Ansprüche dem Grund nach zustehen.
Da die Klägerin mit der Beklagten in keiner vertraglichen Beziehung steht, sondern den streitgegenständlichen PKW von einem Dritten erworben hat, kommen allein deliktische Ansprüche in Betracht. Ob im Deliktsrecht ein zu ersetzender Vermögensschaden vorliegt, ist aufgrund der so genannte Differenzhypothese grundsätzlich durch ein Vergleichen der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die sich ohne dieses Ereignis ergeben hätte, zu beurteilen (negatives Interesse). Davon zu unterscheiden ist der Anspruch auf Ersatz des Erfüllungsinteresses (positives Interesse), wonach der Anspruchsinhaber so zu stellen ist, als ob eine Verbindlichkeit ordnungsgemäß erfüllt worden wäre (zum Ganzen OLG München, Hinweisbeschluss vom 17.05.2018 – 24 U 762/18 m.w.N.).
Wenn die Klägerin durch die von der Beklagten verschwiegenes Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung zum Kauf des streitgegenständlichen PKWs bewegt worden wäre und die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen für eine delikitsche Haftung der Beklagten vorlägen, könnte sie fordern, so gestellt zu werden, wie sie ohne die Täuschung stünde. Wenn die Klägerin im Falle einer Kenntnis von der Abschalteinrichtungen den PKW nicht erworben hätte, würde sich der Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises unter Abzug von Nutzungsvorteilen Zug um Zug gegen Übereignung des PKWs richten. Dies will die Klägerin mit der vorliegenden Klage aber gerade nicht erreichen. Einen Ersatz einer etwaigen Wertminderung kann die Klägerin jedoch nicht verlangen, denn dies würde voraussetzen, dass die Klägerin ohne die Täuschungshandlung für denselben Kaufpreis Eigentümerin eines gleichartigen, jedoch um den Minderungsbetrag wertvolleren Pkws geworden wäre (zum Ganzen OLG München, Hinweisbeschluss vom 17.05.2018 – 24 U 762/18 m.w.N.). Hierzu hat die Klägerin jedoch auch infolge des gerichtlichen Hinweises in der Sitzung vom 03.09.2018 (Blatt 75 d. der Akten) nichts vorgetragen.
2. Mangels Hauptsacheanspruch besteht auch kein Anspruch auf Ersatz der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711, 709 S. 2 ZPO.
IV.
Für den Streitwertbeschluss wurde der Feststellungsantrag, Klageantrag zu 2), mit 2500 € bemessen.


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