IT- und Medienrecht

Kein Vertrauensschutz in Zuwendungsbescheid

Aktenzeichen  RN 5 K 16.1157

Datum:
22.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 3102
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayHO Art. 23, Art. 44
BayVwVfG Art. 28 Abs. 1, Art. 48, Art. 49, Art. 49a
RDGEG § 3, § 5

 

Leitsatz

1 Bei richtiger Eingabe der aktuellen E-Mail-Adresse des Empfängers spricht Einiges dafür, dass dieser die E-Mail auch erhalten hat. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Sperrklauseln in Ziffer 6.1 und Ziffer 6.2 der Förderrichtlinien zur Durchführung des Bayerischen 10.000-Häuser-Programms vom 29. Juli 2015 sind bewusst unterschiedlich formuliert worden und nicht widersinnig. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
3 Auch ohne ausdrücklichen Hinweis auf die Förderschädlichkeit eines bestimmten Verhaltens kann der Vertrauensschutz des Betroffenen entfallen (vgl. Art. 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 BayVwVfG), wenn er die Förderschädlichkeit aus anderen Umständen erkennen konnte. (Rn. 44) (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens
III. Das Urteil ist hinsichtlich Ziffer II vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Das Gericht konnte mit Einverständnis der Parteien ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
I.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Rücknahmebescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1.) Der Rücknahmebescheid leidet an keinen formellen Fehlern.
Insbesondere wurde die Klägerin vor Erlass des Rücknahmebescheids gem. Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG angehört. Unglaubwürdig scheint es, wenn die Klägerin behauptet, die vom Beklagten am 11.05.2015 an die Klägerin versendete E-Mail nicht erhalten zu haben. Ein Ausdruck des Schreibens zeigt, dass die E-Mail-Adresse richtig angegeben wurde und kein Tippfehler vorlag. Zudem handelte es sich augenscheinlich auch um eine aktuelle E-Mail-Adresse der Klägerin, da diese E-Mail-Adresse auf dem von der Klägerin am 10.05.2015 und damit einen Tag zuvor auf dem beim Beklagten eingereichten Versendungsnachweis angegeben war.
Aber selbst, wenn es zutreffend ist, dass die Klägerin die E-Mail des Beklagten vom 11.05.2015 nicht erhalten hat, so führt auch dies nicht zur Rechtswidrigkeit des Rücknahmebescheids. Durch das Schreiben der Klägerin vom 07.08.2016 wurde die erforderliche Anhörung nachgeholt, so dass ein etwaiger formeller Fehler dadurch nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG jedenfalls geheilt wurde.
2.) Der Rücknahmebescheid ist zudem auch materiell rechtmäßig. Der Beklagte hat die insoweit maßgeblichen rechtlichen Bestimmungen des Art. 48 BayVwVfG in rechtlich nicht zu beanstandender Weise zur Anwendung gebracht.
a) Der Zuwendungsbescheid vom 27.10.2015 war rechtswidrig, da sowohl der Auftrag vor Zugang des Bescheides erteilt wurde, als auch die Maßnahme bereits vor Bekanntgabe des Bescheids durchgeführt wurde. Damit liegt ein förderschädlicher vorzeitiger Maßnahmebeginn vor.
Rechtsgrundlage für die Bewilligung sind die Förderrichtlinien zur Durchführung des Bayerischen 10.000-Häuser-Programms vom 29. Juli 2015 (AIIMBl. S. 399) einschließlich des Merkblatts H „Heizanlagen-Bonus“ (Stand 29.07.2015). Nach Ziffer 6.2 Satz 4 der Förderrichtlinie darf mit der Durchführung der zu fördernden Maßnahme erst mit Bekanntgabe des Zuwendungsbescheids begonnen werden. Als Maßnahmebeginn gilt nach Satz 5 der Abschluss eines der Ausführung zuzurechnenden Lieferungs- oder Leistungsvertrags. Demnach ist der Austausch der bestehenden Heizungsanlage erst nach Erhalt des Zuwendungsbescheidsförderfähig. Laut Verwendungsnachweis vom 10.05.2016 wurde der Heizungstausch allerdings bereits im Zeitraum vom 05.10.2015 bis 21.10.2015 und damit entgegen den Förderbestimmungen vor Erhalt des Zuwendungsbescheids durchgeführt.
Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Regelung aus Ziffer 6.2. Satz 4 der Förderrichtlinie sehr wohl wirksamer Bestandteil des Verfahrens und des Verwaltungsakts geworden und kann daher auch zum Nachteil der Klägerin angewandt werden. Im Bewilligungsbescheid wird unter Punkt 1 deutlich auf die Richtlinien zur Durchführung des Bayerischen 10.000-Häuser-Programms vom 29. Juli 2015 (AIIMBl. S. 399) einschließlich des Merkblatts H „HeizanlagenBonus“ (Stand 29.7.2015) verwiesen, so dass sowohl die Förderrichtlinie, als auch das Merkblatt H damit ausdrücklich einbezogen wurden. Wenn die Klägerin anführt, dass die Bezeichnung als Merkblatt nicht dafür spreche, dass ein solches Blatt eigenständige Regelungen treffe, so ist dem entgegenzuhalten, dass das Merkblatt H auch gar keine eigenständigen Regelungen treffen muss, da die Regelung der Sperrklausel bereits in den geltenden Förderrichtlinien unter Ziffer 6.2 enthalten ist. Unschädlich ist dann, wenn die bereits in der Richtlinie getroffene Regelung im Merkblatt H nochmals aufgegriffen wird. Im Übrigen konnte die Klägerin vom Merkblatt H bereits im Antragsverfahren und damit frühzeitig Kenntnis nehmen, da dieses in der Bestätigungsemail als Anlage angefügt war.
Wenn die Klägerin vorträgt, dass die Sperrklausel der Ziffer 6.2 nicht greife, da es sich hierbei um einen systemwidrigen Fehler handele, so ist dies nicht zutreffend. Das Gericht ist der Ansicht, dass die Sperrklauseln in Ziffer 6.1 und Ziffer 6.2 vom Richtliniengeber gerade bewusst und gewollt unterschiedlich formuliert wurden. Wie der Beklagte bereits zutreffend ausgeführte, besteht im Rahmen des Programmteils „Heizungsaustausch“ keine Notwendigkeit eines vorzeitigen Beginns, da nur der Austausch von einwandfrei funktionierenden Heizanlagen gefördert wird (vgl. Ziffer 1.2. Satz 1 und Ziffer 15.2 der Richtlinie). Damit besteht auch im Herbst oder Winter kein akuter Handlungsbedarf, sodass die Bekanntgabe des Zuwendungsbescheids vom Antragsteller ohne Weiteres abgewartet werden kann. Anders sieht dies jedoch im Programmteil „EnergieSystemHaus“ aus, da hierunter auch energieeffiziente Neubauten von privaten Ein- und Zweifamilienhäuser fallen. Aufgrund der bei Neubauten vielfach zeitlich sehr vorausschauend getroffenen Planungen und der oftmals gegebenen Notwendigkeit sich an den vorgegebenen Zeitplan zu halten (Wintereinbruch oder bereits zu einem bestimmten Zeitpunkt gekündigte/verkaufte bisherige Wohnung), kann den Antragstellern hier gerade nicht zugemutet werden, mit dem Neubau insgesamt so lange zuzuwarten, bis ein Bewilligungsbescheid erlassen wurde; zumal der Antragsteller den Zeitpunkt des Bescheidserlasses nicht beeinflussen kann.
Die Ausführungen der Klägerin zur Widersinnigkeit der Sperrklausel in Ziffer 6.2 können größtenteils nicht nachvollzogen werden. Insbesondere ist unverständlich, warum spätestens mit der Abgabe einer Erklärung des Heizungsfachbetriebs gegenüber der Bewilligungsbehörde unter zivilrechtlichen Gesichtspunkten konkludent ein Werkvertrag zwischen dem Heizungsfachbetrieb und dem Auftraggeber zustande gekommen sein soll. Auch für einen konkludenten Vertragsschluss ist ein entsprechender Rechtsbindungswille der Parteien erforderlich. Diesen Rechtsbindungswillen besitzt ein Antragsteller, der die Richtlinienbestimmungen kennt, aber in aller Regel nicht, da er, um die Förderfähigkeit zu erhalten, nur ein (unverbindliches) Angebot einholen und gerade keinen (konkludenten) Vertrag schließen möchte.
Im Übrigen besitzt die Sperrklausel in Ziffer 6.2. sehr wohl einen Sinn und Zweck. Da die Förderung einen Anreiz für Investitionen bieten soll, wird die Begünstigung im Zulagenrecht wie auch hier oftmals von einem bestimmten Zeitpunkt abhängig macht. Dadurch wird gewährleitet, dass die Zulage dem Förderzweck (Anreiz für Investitionen) entsprechend gewährt wird und Mitnahmeeffekte vermieden werden. Aus diesem Grund geht auch die Argumentation der Klägerin, sie habe den durch das 10.000 Häuser-Programm ausgelobten Bonus verdient, da die Zielvorstellungen des Programms erfüllt worden seien, ins Leere.
b) Die Klägerin kann sich als Zuwendungsempfängerin zudem nicht auf entgegenstehenden Vertrauensschutz berufen. Der Vertrauensschutz auf den Bestand des Zuwendungsbescheides steht einer Rücknahme im vorliegenden Fall nicht entgegen.
Gemäß Art. 48 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG ist das Vertrauen des Begünstigten auf den Bestand eines Verwaltungsakts unter anderem dann nicht schutzwürdig wenn er den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat die unrichtig oder unvollständig waren (Nummer 2) oder wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Auch wenn man wie bereits der Beklagte davon ausgeht, dass ein „Erwirken“ im Sinne eines zweck- und zielgerichteten Handelns im vorliegenden Fall nicht gegeben ist, da die Angaben der Klägerin im Antrag zu diesem Zeitpunkt insoweit der Wahrheit entsprachen, als am 25.09.2015 bzw. am 02.10.2015 noch kein Auftrag für den Heizanlagentausch erteilt und mit dem Vorhaben noch nicht begonnen worden war, liegen zumindest die Voraussetzungen des Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nummer 3 BayVwVfG vor.
Bereits im Antragsverfahren wurde die Klägerin mehrmals darauf hingewiesen, dass die Auftragserteilung erst nach Zugang des Zuwendungsbescheids erfolgen und der Antragsteller erst nach Erhalt des Bewilligungsbescheids mit der Maßnahme beginnen dürfe.
Auf der Internet-Plattform, auf der der Förderantrag online gestellt werden muss, ist in fett gedruckter Schrift der Hinweis enthalten, dass der Auftrag an den Installateur erst nach Erhalt des Bewilligungsbescheides erfolgen dürfe. Auch die nach dem Ausfüllen des Onlineformulars erhaltene Bestätigungsemail enthält den Hinweis, dass mit der Maßnahme noch nicht begonnen worden sein dürfe und der Maßnahmebeginn erst dann möglich ist, wenn von Seiten der Bewilligungsstelle ein Zuwendungsbescheid zugegangen ist. Zudem wird darin der Maßnahmebeginn auch für einen Laien verständlich definiert. Überdies war dieser E-Mail das Merkblatt H als Anlage angeheftet, das auf Seite 5 ebenfalls den Hinweis enthält, dass vor Bekanntgabe des Zuwendungsbescheides nicht mit der Maßnahme begonnen werden dürfe. Auch auf dem Antragsformular fand sich ein entsprechend deutlicher Hinweis wieder. Unter Punkt 3.b. des Antrags erklärt die Klägerin unter anderem durch ihre Unterschrift, dass sie als Antragstellerin die Programm-Richtlinien sowie das Merkblatt H zur Kenntnis genommen habe. Außerdem erklärt die Klägerin, dass bekannt sei, dass zu Unrecht erhaltene Zuschüsse, insbesondere wegen Nichtbeachtung der geltenden Richtlinien und Bestimmungen, an die Bayerische Staatsregierung zurückzuzahlen sind.
Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass im Bescheid oder den AN Best-P keine ausdrückliche Belehrung über die rechtlichen Konsequenzen eines etwaigen Verstoßes enthalten war. Zum einen wurde sowohl im Bescheid, als auch in den AN Best-P (vgl. Ziffer 8.1) auf die Vorschriften zur Unwirksamkeit, zum Widerruf und der Rücknahme des Zuwendungsbescheids sowie die Erstattung der gewährten Zuwendung, insbesondere auf Art. 43, 48, 49 BayVwVfG ausdrücklich hingewiesen. Aufgrund dieser vielen Hinweise musste auch der Klägerin als Laiin bekannt und bewusst gewesen sein, dass ein Verstoß gegen die geltenden Richtlinien zu Konsequenzen führen wird. Zum anderen hatte die Klägerin die Maßnahme schon am 05.10.2015 und damit bereits ca. drei Wochen vor Zugang des Bewilligungsbescheids in Auftrag gegeben, wobei die Maßnahme sogar noch vor Zugang des Bewilligungsbescheid am 21.10.2015 beendet war. Damit hätte auch ein ausdrücklicher Hinweis im Bewilligungsbescheid vom 27.10.2015 selbst nichts mehr an der Tatsache des vorzeitigen Maßnahmebeginns geändert, da die Heizanlage bei Zugang des Bescheids bereits ausgetauscht war und dies auch nicht mehr rückgängig zu machen gewesen wäre. Zudem wurde auf Seite 5 im Merkblatt H darauf hingewiesen, dass sich die Bewilligungsstelle im Falle eines Verstoßes gegen die Förderkonditionen vorbehalte, den Zuschuss ganz oder teilweise zurückzufordern.
Damit hätte die Klägerin die Förderschädlichkeit des vorzeitigen Maßnahmebeginns erkennen können und müssen, sodass sie sich nicht auf Vertrauensschutz berufen kann (vgl. Art. 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 BayVwVfG).
c) Die Rücknahme des Zuwendungsbescheides vom 27.10.2015 erfolgte mit Rücknahmebescheid vom 23.06.2016 und damit fristgerecht innerhalb der Jahresfrist des Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG.
d) Des Weiteren sind keine Ermessensfehler des Beklagten ersichtlich. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Gericht im Hinblick auf die Rücknahme des Förderbescheids keine eigene Ermessensentscheidung vornehmen kann, sondern ausschließlich zu überprüfen hat, ob der Beklagte in rechtlich richtiger Weise gehandelt hat. Dies ist vorliegend zu bejahen. Der Beklagte war sich seines Ermessensspielraums bewusst und nahm eine Abwägung der auf die Durchsetzung des Haushaltsrechts gerichteten öffentlichen Interessen gegen die wirtschaftlichen Interessen der Klägerin als Zuwendungsempfängerin vor. Dabei darf auch auf fiskalische Interessen abgestellt werden und der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit herangezogen werden. Unerheblich ist dabei insbesondere, ob anderweitige Antragsteller tatsächlich leer ausgehen würden, wenn man bei der Klägerin von der Rücknahme abgesehen hätte. Auch die Erwägung des Beklagten, dass die Rücknahme aus Gründen der Gleichbehandlung angezeigt sei, da der Zuwendungsbescheid in allen Fällen, in denen ein vorzeitiger Maßnahmebeginn vorläge, zurückgenommen werde, ist nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat sich demgemäß auch nicht auf sachfremde Erwägungen gestützt.
II.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.
Im Übrigen war die Berufung auch auf Anregung der Klägerin nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, noch grundsätzliche Bedeutung hat (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 VwGO).


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