IT- und Medienrecht

Keine Heilung von wegen Bekanntmachungsmangel nichtigem Satzungsrecht nach dem 1. Januar 2018

Aktenzeichen  Au 2 K 19.1665

Datum:
23.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 1688
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 79 Abs. 1 Nr. 2
KAG Art. 5 Abs. 1 S. 3, Art. 19 Abs. 7, Abs. 8, Abs. 9

 

Leitsatz

1. Für eine amtliche Bekanntmachung muss der gesamte Inhalt der Satzung – gegebenenfalls auch Pläne und Karten – im amtlichen Teil des Amts- bzw. Mitteilungsblattes veröffentlicht werden (BayVGH, B.v. 2.4.2013 – 20 ZB 13.379,BeckRS 2013, 49286). Es genügt nicht, dem Amtsblatt den Satzungstext als lose Beilage beizufügen (BayVGH, B.v. 6.2.2014 – 6 CS 13.2392, BeckRS 2014, 47693).(Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Aufgrund der ausdrücklichen Regelung in Art. 5 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 KAG können sich die Gemeinden ab dem 1. Januar 2018 für die nachträgliche Änderung einer Ausbaubeitragssatzung und – erst Recht – für den vollständigen Neuerlass einer Ausbaubeitragssatzung nicht mehr auf eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage stützen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Gemeinden haben nicht die Kompetenz, durch Satzungserlass nach dem 1. Januar 2018 rückwirkend eine – in Ermangelung von wirksamem Satzungsrecht erstmalige – Vorausleistungspflicht zu begründen. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen hat die Klägerin zu tragen. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren durch die Beigeladenen war notwendig.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Das Gericht konnte im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
I.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Widerspruchsbescheid des Landratsamts … vom 13. September 2019 ist im Ergebnis (vgl. dazu BayVGH, U.v. 30.3.1983 – 23 B 83 A. 1489 – S. 13 des UA – insoweit unveröffentlicht; B.v. 3.5.2012 – 20 ZB 11.2940 – juris Rn. 4) rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, § 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO).
Das Landratsamt … als Widerspruchsbehörde (Art. 119 Nr. 1, Art. 110 Satz 1 GO) ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Vorausleistungsbescheide vom 23. Oktober 2017 für den Ausbau der …straße in Ermangelung der erforderlichen wirksamen Satzungsgrundlage (vgl. etwa BayVGH, U.v. 1.6.2011 – 6 BV 10.2467 – BayVBl. 2012, 206) rechtswidrig sind und die Beigeladenen in ihren Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO analog).
1. Rechtsgrundlage für die Erhebung einer Vorauszahlung auf den Straßenausbaubeitrag ist Art. 5 Abs. 5 KAG. Danach dürfen grundsätzlich Vorauszahlungen auf den Beitrag verlangt werden, wenn mit der Ausführung der Maßnahme begonnen worden ist, für die der Beitrag vorerhoben werden soll. Aus dem Wesen der Vorauszahlung als einer Zahlung vor Entstehung einer Beitragspflicht und aus der darin begründeten Abhängigkeit von einer künftigen Beitragsschuld nach Grund und Höhe erfordert ihre Festsetzung das Vorhandensein einer gültigen Beitragsregelung in Gestalt einer Abgabensatzung nach Art. 2 Abs. 1 KAG, weil nur so die rechtlichen Voraussetzungen für die spätere Begründung einer Beitragspflicht geschaffen werden (BayVGH, U.v. 10.3.1999 – 23 B 97.1221 – juris Rn. 30).
2. Die Voraussetzungen für die Erhebung einer Vorauszahlung sind vorliegend nicht gegeben, weil es an einer wirksamen Abgabensatzung fehlt.
a) Die Vorausleistungsbescheide konnten nicht auf die Satzung über die Erhebung von Beiträgen zur Deckung des Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung von Straßen, Wegen, Plätzen, Parkplätzen, Grünanlagen und Kinderspielplätzen (Ausbaubeitragssatzung – ABS) der Klägerin vom 13. Oktober 2009 gestützt werden, denn diese Satzung ist aufgrund eines – zwischen den Beteiligten unstreitigen – Bekanntmachungsmangels nicht wirksam in Kraft getreten. Der Mangel ergibt sich daraus, dass der vollständige Satzungstext nicht im Amtsblatt der Klägerin enthalten, sondern dem Amtsblatt nur als lose Beilage beigefügt war. Diese Form der Bekanntmachung entspricht nicht den Vorgaben des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 Gemeindeordnung (GO), wonach Satzungen auszufertigen und „im Amtsblatt“ der Gemeinde amtlich bekannt zu machen sind. Dabei muss der gesamte Inhalt der Satzung – gegebenenfalls auch Pläne und Karten – im amtlichen Teil des Amts- bzw. Mitteilungsblattes veröffentlicht werden (BayVGH, B.v. 2.4.2013 – 20 ZB 13.379 – juris Rn. 3). Es genügt nicht – wie hier geschehen -, dem Amtsblatt den Satzungstext als lose Beilage beizufügen (BayVGH, B.v. 6.2.2014 – 6 CS 13.2392 – juris Rn. 8; Nöth in Wuttig/Thimet, Gemeindliches Satzungsrecht und Unternehmensrecht, Teil 1 Frage 15, S. 4). Der Bekanntmachungsmangel hat die Nichtigkeit der Satzung zur Folge.
b) Eine wirksame satzungsrechtliche Grundlage finden die Vorausleistungsbescheide der Klägerin auch nicht in der Satzung über die Erhebung von Beiträgen zur Deckung des Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung von Straßen, Wegen, Plätzen, Parkplätzen, Grünanlagen und Kindesspielplätzen (Ausbaubeitragssatzung – ABS) der Klägerin vom 29./30. Januar 2019. Diese Satzung ist bereits deswegen nichtig, weil sie sich nicht (mehr) auf eine Ermächtigungsgrundlage (Satzungsbefugnis) stützen konnte.
Kommunale Satzungen, die in Grundrechte eingreifen oder zu Eingriffen in Grundrechte ermächtigen, bedürfen wegen des Vorbehalts des Gesetzes ihrerseits einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage (vgl. etwa BayVGH, U.v. 4.2.2009 – 4 N 08.778 – juris Rn. 27 m.w.N.). Eine solche bestand für die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen bis zum 31. Dezember 2017 in Art. 5 Abs. 1 KAG, ist aber durch das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 26. Juni 2018 rückwirkend zum 1. Januar 2018 entfallen. Seitdem bestimmt Art. 5 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 KAG, dass für die Verbesserung oder Erneuerung von Ortsstraßen, beschränkt-öffentlichen Wegen, in der Baulast der Gemeinden stehenden Teilen von Ortsdurchfahrten und der Straßenbeleuchtung (Straßenausbaubeitragsmaßnahmen) keine Beiträge erhoben werden. Aufgrund dieser ausdrücklichen Regelung können sich die Gemeinden ab dem 1. Januar 2018 für die nachträgliche Änderung einer Ausbaubeitragssatzung (vgl. BayVGH, B.v. 1.10.2018 – 6 ZB 18.1466 – juris Rn. 15) und – erst Recht – für den vollständigen Neuerlass einer Ausbaubeitragssatzung nicht mehr auf eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage stützen (so ausdrücklich auch die Erläuterungen zum Vollzug des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 26. Juni 2018 (GVBl. S. 449) im IMS vom 10.12.2018 (Az. B4-1523-4-81, S. 3)).
Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich aus den Übergangsregelungen in Art. 19 Abs. 7 bis Abs. 9 KAG n.F. nichts anderes. Nach Art. 19 Abs. 7 Satz 1 KAG n.F. findet für die Erhebung von Beiträgen für Straßenausbaubeitragsmaßnahmen das Kommunalabgabengesetz in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung Anwendung, sofern die Beiträge jeweils spätestens am 31. Dezember 2017 durch Bescheid festgesetzt worden sind. Mit dieser Möglichkeit der Abwicklung von durch Bescheid bereits festgesetzten Beiträgen nach der alten Rechtslage ist indes keine Befugnis zum Erlass einer Ausbaubeitragssatzung für vor dem 1. Januar 2018 liegende Zeiträume verbunden (ebenso BayVGH, B.v. 1.10.2018 – 6 ZB 18.1466 – juris Rn. 15). Auch wenn die Gesetzesbegründung insofern formuliert, die Neuregelung schließe den Erlass von Satzungsrecht „für die Zukunft“ aus (LT-Drs. 17/21586 S. 7), ist nach Auffassung des Gerichts damit nicht gemeint, dass für einen Satzungserlass, der nur vor dem 1. Januar 2018 liegende Zeiträume betrifft, noch Raum wäre. Denn der Gesetzgeber wollte ausdrücklich verhindern, dass nach dem 1. Januar 2018 noch eine – zuvor nicht bestehende – sachliche Beitragspflicht entstehen kann. Die Regelung des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG soll deshalb für alle Fälle gelten, in denen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes eine sachliche Beitragspflicht noch nicht entstanden war (LT-Drs. 17/21586 S. 6). Mit Art. 19 Abs. 7 Satz 1 KAG sollte lediglich die Fortgeltung von Satzungsrecht über den 1. Januar 2018 hinaus geregelt werden, wenn zu diesem Zeitpunkt bereits Beitragsbescheide bekannt gegeben waren. Mit dieser gesetzgeberischen Intention wäre ein Satzungserlass, der nach dem 1. Januar 2018 rückwirkend eine – in Ermangelung von wirksamem Satzungsrecht erstmalige – sachliche Beitragspflicht begründen würde, nicht vereinbar.
Auch aus Art. 19 Abs. 8 Satz 1 KAG n.F., der die Möglichkeit einer fiktiven Abrechnung der Beiträge bis zum 31. Dezember 2024 regelt, wenn die Gemeinde bis zum 31. Dezember 2017 Vorauszahlungen auf den Beitrag für Straßenausbaumaßnahmen erhoben hatte, ergibt sich nichts anderes. Der Gesetzgeber wollte für diese Konstellation ersichtlich die Möglichkeit schaffen, eine vor dem 1. Januar 2018 bestehende und durch Vorauszahlungsbescheid konkretisierte Vorauszahlungspflicht für eine begrenzte Dauer fiktiv fortzuschreiben, bis die Gemeinde die endgültigen Kosten fiktiv abrechnen kann. Auch hiermit ist nicht die Kompetenz verbunden, durch Satzungserlass nach dem 1. Januar 2018, rückwirkend eine – in Ermangelung von wirksamem Satzungsrecht (zum Erfordernis einer wirksamen Abgabensatzung – etwa BayVGH, U.v. 10.3.1999 – 23 B 97.1221 – juris Rn. 30) erstmalige – Vorausleistungspflicht zu begründen.
Schließlich ergibt sich auch aus den vom Gesetzgeber formulierten Voraussetzungen für Erstattungen nach Art. 19 Abs. 9 KAG n.F. nach dem 1. Januar 2018 keine Satzungsermächtigung. Zwar hat der der Gesetzgeber durch das in Art. 19 Abs. 9 Satz 1 KAG n.F. verankerte Erfordernis eines kausalen Zusammenhangs von Gesetzesänderung und Beitragsausfall die Erstattung von Aufwendungen u.a. davon abhängig macht, dass die Gemeinden das ihnen Mögliche zur Erhebung von Beträgen getan haben (LT-Drs. 17/21586 S. 8 f.). Diese Obliegenheit der Gemeinden knüpft aber an das rechtlich Mögliche an, ohne das rechtlich (noch) Mögliche zu erweitern.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 124, § 124a VwGO).


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