IT- und Medienrecht

Keine Kostenauferlegung gegen Umzugsunternehmen für Abschleppen von PKW

Aktenzeichen  10 B 14.2455

Datum:
14.6.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BayVBl – 2017, 306
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
PAG Art. 8 Abs. 1, Art. 9, Art. 76
KG Art. 3 Abs. 1 Nr. 10 S. 2 lit. a, Art. 10 Abs. 1 Nr. 5
StVO StVO § 45 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Art. 9 Abs. 2 PAG regelt im Hinblick auf die Kosten der unmittelbaren Ausführung einer Maßnahme die Kostenschuldnerschaft des Verhaltens- und des Zustandsstörers abschließend; daneben kann ein Dritter nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 10 Satz 2 Buchst. a KG auch dann nicht in Anspruch genommen werden, wenn die Maßnahme von dem Dritten veranlasst und nicht überwiegend im öffentlichen Interesse vorgenommen worden ist. (amtlicher Leitsatz)
2 Ein Umzugsunternehmen, welches eine für die Einrichtung der Halteverbotszone erforderliche verkehrsrechtliche Anordnung beantragt, erhalten und umgesetzt hat, hat gleichwohl weder die von einem ordnungswidrig abgestellten PKW für die öffentliche Sicherheit ausgehende gegenwärtige Gefahr durch eigenes Tun unmittelbar verursacht, noch ist sie Inhaberin der tatsächlichen Gewalt über das Fahrzeug, zu dem sie in keiner rechtlichen oder tatsächlichen „Beziehung“ steht. Abschleppkosten, die durch Entfernung verbotswidrig parkender Fahrzeuge entstanden sind, hat das Unternehmen daher auch dann nicht zu tragen, wenn die kostenrechtliche Inanspruchnahme des Abgeschleppten scheitert (hier: wegen Beweisschwierigkeiten). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 7 K 11.908 2012-10-24 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
II.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht den Leistungsbescheid vom 19. Januar 2011 aufgehoben, weil er ohne tragfähige Rechtsgrundlage ergangen ist und daher die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Zwar begegnet die Abschleppung des PKW als unmittelbare Ausführung nach Art. 9 Abs. 1 Satz 1 PAG keinen rechtlichen Bedenken (1.), allerdings können die hierfür entstandenen Kosten nicht von der Klägerin erhoben werden (2.).
1. Der Leistungsbescheid ist nicht deswegen rechtswidrig, weil die Abschleppung des Fahrzeugs am 14. Juli 2010 nicht hätte durchgeführt werden dürfen. Nach Art. 9 Abs. 1 Satz 1 PAG kann die Polizei eine Maßnahme durch einen Beauftragten (hier: Abschleppunternehmer) ausführen, wenn ihr Zweck durch die Inanspruchnahme der nach Art. 7 oder 8 PAG verantwortlichen Personen nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden kann. Das Fahrzeug war in der von der verkehrsrechtlichen Anordnung (§ 45 Abs. 1 StVO) vom 9. Juli 2010 umfassten Halteverbotszone, deren Einrichtung die Klägerin zur Durchführung eines Umzugs beantragt hatte, abgestellt; der Beklagte hat seine zunächst vertretene Auffassung, der PKW sei außerhalb der festgelegten Halteverbotszone abgestellt gewesen, zuletzt nicht mehr aufrechterhalten. Als Folge der gegen die verkehrsrechtliche Anordnung verstoßenden Abstellung des Fahrzeugs bestand eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit (Art. 2 Abs. 1, Art. 25 Nr. 1 PAG), denn der bereits eingetroffene Umzugs-Lkw hätte die A.-straße für die Dauer der Durchführung des Umzugs weitgehend blockiert und so den Durchgangsverkehr behindert und die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs gefährdet, ein Zustand, der gerade durch die Einrichtung der mobilen Halteverbotszone verhindert werden sollte.
Nachdem die Versuche, die Halterin des Fahrzeugs zu erreichen, ergebnislos geblieben waren, und damit der Zweck der Maßnahme durch Inanspruchnahme des nach Art. 7 oder 8 LStVG verantwortlichen (Handlungs- oder Zustands-)Störers nicht rechtzeitig erreicht werden konnte, lagen die Voraussetzungen für eine unmittelbare Ausführung vor. Die handelnden Polizeibeamten brauchten daher hier keine vorhergehende Anordnung als Grundverwaltungsakt zu erlassen, sondern konnten sich zur Durchführung der gefahrenabwehrenden Handlung unmittelbar eines Beauftragten bedienen. Die bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit konnte auch nicht durch ein milderes Mittel, als dies eine Abschleppung des Fahrzeugs darstellt, beseitigt werden (Art. 4 Abs. 1 PAG); die Maßnahme entsprach damit auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Nicht maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme ist dagegen die Frage nach den näheren Umständen, unter denen die Verkehrszeichen aufgestellt oder ihre Aufstellpositionen verändert wurden. Im vorliegenden Zusammenhang kommt es also nicht darauf an, in welcher Position sich die von einem Mitarbeiter der Klägerin aufgestellten Halteverbotsschilder im Zeitpunkt der Abstellung des PKW befanden und ob die von der Rechtsprechung verlangte sog. Mindestvorlauffrist von drei vollen Tagen (vgl. z. B. BayVGH, U. v. 17.4.2008 – 10 B 08.449 – juris; BVerwG, U. v. 11.12.1996 – 11 C 15.96 – BVerwGE 102, 316) eingehalten worden war oder nicht. Auf der Primärebene der polizeilichen Gefahrenabwehr bedarf es keiner Abschätzung der Frage der letztendlichen Kostenverteilung (Denninger in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, D Rn. 137).
2. Die Klägerin konnte nicht nach Art. 9 Abs. 2 Satz 1 PAG als Kostenschuldnerin in Anspruch genommen werden, weil sie weder nach Art. 7 noch nach Art. 8 PAG für die abzuwehrende gegenwärtige Gefahr verantwortlich war (2.1). Eine andere Rechtsgrundlage für die Kostenauferlegung besteht nicht; Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 Buchst. a KG ist hier nicht anwendbar (2.2).
2.1 Eine Inanspruchnahme der Klägerin nach Art. 9 Abs. 2 Satz 1 PAG scheidet aus, weil sie im Hinblick auf die von dem im Halteverbotsbereich abgestellten PKW ausgehende, abzuwehrende Gefahr weder Störerin im Sinn von Art. 7 Abs. 1 PAG noch im Sinn von Art. 8 Abs. 1 PAG ist. Die Klägerin als Umzugsunternehmerin hat zwar die für die Einrichtung der Halteverbotszone erforderliche verkehrsrechtliche Anordnung beantragt, erhalten und umgesetzt, sie hat jedoch weder die vom unstrittig ordnungswidrig abgestellten PKW für die öffentliche Sicherheit ausgehende gegenwärtige Gefahr durch eigenes Tun unmittelbar verursacht noch ist sie Inhaberin der tatsächlichen Gewalt über das Fahrzeug, zu dem sie schlichtweg in keiner rechtlichen oder tatsächlichen „Beziehung“ steht.
An dieser Betrachtung würde sich auch dann nichts ändern, wenn man – wie es das Verwaltungsgericht tut – davon ausgehen wollte, dass Mitarbeiter der Klägerin die Halteverbotsschilder erst am Morgen des 14. Juli 2010 nach Abstellung des Fahrzeugs von Frau M. in ihre mit der verkehrsrechtlichen Anordnung übereinstimmende Position gebracht haben. Denn ein derartiges Verhalten der Klägerin dürfte zwar als ein Verstoß gegen die ihr als für den Vollzug der Anordnung verantwortliche Schilderaufstellerin auferlegten Verpflichtungen (vgl. dort: 2.) anzusehen sein; dieses Verhalten macht sie jedoch auch unter dem Gesichtspunkt der sog. Zweckveranlassung nicht zur Störerin im polizeirechtlichen Sinn (vgl. zur Rechtsfigur des Zweckveranlassers: Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 8. Aufl. 2013, Rn. 244 f.). Selbst wenn durch die (zunächst) unrichtige Aufstellung der Halteverbotsschilder Autofahrer zur Abstellung ihres Kraftfahrzeugs in gutem Glauben hätten veranlasst werden können, entstünde allein hierdurch kein so enger Zusammenhang zwischen der Veranlassung der Gefahr durch die Klägerin und dem die Gefahr unmittelbar auslösenden Verhalten der Fahrzeugführerin, der es unter wertenden Gesichtspunkten gerechtfertigt erscheinen ließe, dass sich ein „Zweckveranlasser“ die Gefahr selbst zurechnen lassen müsste. Denn eine aus Fahrlässigkeit fehlerhafte Schilderaufstellung ist von einer zu diesem Zeitpunkt noch nicht konkret absehbaren, die gegenwärtige Gefahr erst auslösenden Abstellung eines Fahrzeugs in der mobilen Halteverbotszone noch so weit „entfernt“, dass eine Zurechnung den Begriff des Verhaltensstörers konturlos werden ließe. Die gegenwärtige Gefahr für die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs und damit die Störung der öffentlichen Sicherheit konnte erst durch das Parken an der fraglichen Stelle und das Eintreffen des Umzugswagens, nicht jedoch schon durch die (angenommene) fehlerhafte Aufstellung und spätere ordnungsgemäße Positionierung der Halteverbotsschilder eintreten.
Ob im vorliegenden Fall der Beklagten Schadensersatzansprüche wegen möglicher Verletzung aus der verkehrsrechtlichen Anordnung resultierender öffentlich-rechtlicher Pflichten gegen die Klägerin zustehen, bedarf hier – worauf das Verwaltungsgericht zu Recht hinweist – schon deswegen keiner Klärung, weil der Beklagte seinen Bescheid nicht auf diesen Gesichtspunkt gestützt hat.
2.2 Die damit einzig noch in Betracht kommende, vom Antragsgegner herangezogene Anspruchsgrundlage nach dem Kostengesetz (Art. 2 Abs. 1 Satz 1, Art. 3 Abs. 1 Nr. 10 Satz 2 Buchst. a KG; i. f.: kostenrechtliche Anspruchsgrundlage) scheidet hier schon deswegen aus, weil sie von der speziellen Vorschrift des Art. 9 Abs. 2 i. V. m. Art. 76 Satz 1 PAG verdrängt wird (2.2.1), die unmittelbare Ausführung durch Abschleppung des PKW wohl auch im überwiegenden öffentlichen Interesse vorgenommen wurde (2.2.2) und jedenfalls die Ermessensausübung hinsichtlich der Auswahl des Kostenschuldners rechtlichen Bedenken begegnet (2.2.3).
2.2.1 Der unter der Überschrift „Sachliche Kostenfreiheit“ stehende Art. 3 KG regelt in seinem Abs. 1 Nr. 10 Buchst. a, dass für von der Polizei in Erfüllung ihrer Aufgaben vorgenommene Amtshandlungen Kosten grundsätzlich nicht erhoben werden, soweit nichts anderes bestimmt ist; abweichend hiervon gilt, dass beantragte oder sonst veranlasste polizeiliche Amtshandlungen, die nicht überwiegend im öffentlichen Interesse vorgenommen werden, kostenpflichtig sind. Art. 76 Satz 1 PAG regelt das Verhältnis der Kostenbestimmungen des Polizeiaufgabengesetzes zum Kostengesetz dahingehend, dass Art. 3 KG unanwendbar ist, soweit das Polizeiaufgabengesetz die Erhebung von Kosten bestimmt.
Aus diesem systematischen Zusammenhang lässt sich bereits die die Anwendung von Art. 3 KG verdrängende Spezialität des Art. 9 Abs. 2 PAG im Hinblick auf die Erhebung von Kosten, die der Polizei für Maßnahmen der unmittelbaren Ausführung nach Art. 9 PAG entstanden sind, ableiten. Art. 76 Satz 1 PAG korrespondiert insoweit mit dem Hinweis in Art. 3 Abs. 1 Nr. 10 Satz 1 2. Hs. KG, dass dieser nur Gültigkeit beansprucht, „soweit nichts anderes bestimmt ist“ (in diesem Sinne: Vollz. B. Art. 76 PAG Nr. 71.1; insoweit nicht eindeutig: Schmidbauer/Steiner, Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, 4. Aufl. 2014, Art. 9 Rn. 37, Art. 76 Rn. 30 – 33). Für polizeiliche Maßnahmen der unmittelbaren Ausführung bestimmt jedoch gerade Art. 9 Abs. 2 PAG die (ausschließliche) Kostenschuldnerschaft der nach Art. 7, 8 PAG verantwortlichen Personen (Berner/Köhler/Käß, Polizeiaufgabengesetz, 10. Aufl. 2010, Art. 76 Rn. 3 u. Art. 9 Rn. 13 unter Verweis auf die Vollz. B. zu Art. 9 PAG Nr. 9.3; als obiter dictum: VG Ansbach, U. v. 28.2.2002 – AN 5 K 01.01725 – juris Rn. 17). Diese Auslegung wird dadurch bestätigt, dass Art. 9 Abs. 2 Satz 2 PAG auf die Geltung des Kostengesetzes nur „im Übrigen“ verweist, also nur insoweit, als es nicht um die Frage der Kostenschuldnerschaft geht, sondern etwa um die im Polizeiaufgabengesetz nicht enthaltene Definition des Begriffs der Auslagen (Art. 10 KG) oder die in Art. 11 bis 19 KG enthaltenen Bestimmungen zur Entstehung und Geltendmachung des Kostenanspruchs (vgl. a. Art. 27 Abs. 1 KG).
Demnach können Kosten nach allgemeinen Kostenrecht nur für solche polizeilichen Amtshandlungen erhoben werden, die außerhalb der im Polizeiaufgabengesetz sonderrechtlich als kostenpflichtig erklärten Tatbestände vorgenommen werden (vgl. Rott/Stengel, Verwaltungskostenrecht für Staats- und Gemeindebehörden in Bayern, Stand: April 2016, Art. 3 Nr. 13 S. I/88. 6a), weshalb für Maßnahmen der unmittelbaren Ausführung ein Rückgriff auf die kostenrechtliche Anspruchsgrundlage nicht in Betracht kommt.
Für die Richtigkeit dieser Auslegung spricht auch die Gesetzesbegründung (LT-Drs. 8/8134, S. 17) zur Änderung des damaligen Art. 8 PAG, nach der im Falle der unmittelbaren Ausführung einer ein Kraftfahrzeug betreffenden Maßnahme dem Fahrer oder Halter die hierfür anfallenden Kosten nunmehr auch ohne das bis dahin für eine Kostenhaftung nach dem Kostengesetz nachzuweisende Verschulden auferlegt werden können; die neue Vorschrift sei eine den Grundsatz der Kostenfreiheit polizeilicher Maßnahmen in Art. 3 Abs. 1 Nr. 10 KG insoweit verdrängende kostenrechtliche Sondervorschrift. Der Senat folgt nicht der Auffassung des Beklagten, mit dem Normgefüge von Art. 9 Abs. 2 Satz 2, Art. 76 Satz 1 PAG habe der Gesetzgeber lediglich eine Ausnahme vom Grundsatz der Kostenfreiheit polizeilicher Maßnahmen schaffen wollen, ohne jedoch darüber hinaus die (ergänzende) Anwendbarkeit der Ausnahmeregelungen des Kostengesetzes – wie hier des Art. 3 Abs. 1 Nr. 10 Satz 2 KG – auszuschließen (so wohl auch: Gallwas/Lindner, Bayerisches Polizei- und Sicherheitsrecht, 4. Aufl. 2015, Rn. 603b). Denn es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der erstmals die Kostenpflichtigkeit einer bestimmten polizeilichen Maßnahme im spezielleren Gesetz regelnde Gesetzgeber dies nur im Hinblick auf die Kostenhaftung des Verhaltens- und Zustandsstörers tun wollte, während er die Kostenhaftung anderer Personen – insbesondere eines Nichtstörers – nach der allgemeinen Vorschrift (Kostengesetz) beließ. Hiergegen spricht auch der Umstand, dass andernfalls unterschiedliche Gebührenansätze zugrunde gelegt werden müssten, abhängig davon, ob sich die Kostenrechnung nach dem Polizeiaufgabengesetz auf die Polizeikostenverordnung (hier: § 1 Nr. 1 PolKV: Gebührenrahmen 20 – 5000 Euro) oder auf das nach Art. 5 KG erlassene Kostenverzeichnis mit anderen Gebührentatbeständen und -maßstäben stützt, obwohl die polizeiliche Maßnahme und der mit ihr verbundene Aufwand keine Unterschiede aufweisen (vgl. a. Vollz. B. Art. 76 Nr. 71.2); dementsprechend wird für die Gebührenbemessung polizeilicher Maßnahmen nach dem Polizeiaufgabengesetz ausdrücklich die Anwendung des Kostenverzeichnisses ausgeschlossen (vgl. Art. 76 Satz 2 PAG, Art. 6 KG).
Gegen das vom Beklagten favorisierte Normverständnis, in Fällen der vorliegenden Art auf eine polizeiaufgabenrechtliche wie auch eine kostenrechtliche Anspruchsgrundlage zurückgreifen zu können, spricht zudem die Überlegung, dass damit grundsätzlich ein Nebeneinander der Kostenhaftung des polizeirechtlichen Störers einerseits und eines Dritten (Nichtstörers) andererseits, in dessen Interesse auch die unmittelbare Ausführung der Maßnahme gelegen haben mag, eröffnet wäre. Hierdurch würde insbesondere die Rechtsfrage nach der Rangfolge der Inanspruchnahme der in Betracht kommenden Kostenschuldner aufgeworfen werden, die letztlich der Gesetzgeber selbst regeln müsste.
Schließlich bestehen Bedenken gegen eine Anwendung der kostenrechtlichen Anspruchsgrundlage im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz (Schmidbauer/Steiner, a. a. O. Art. 76 Rn. 21; Berner/Köhler/Käß, a. a. O., Art. 76 Rn. 5). Er fordert, dass die kostenpflichtige Maßnahme, wie dies im Polizeiaufgabengesetz für die unmittelbare Ausführung geschehen ist, in dem den Rechtseingriff ermöglichenden formellen Gesetz konkret benannt wird (vgl. zur Erhebung von Polizeikosten: OVG Lüneburg, U. v. 25. 8. 1983 – 12 A 120/81 – NVwZ 1984,323). Das rechtsstaatliche Gebot hinreichender Bestimmtheit einer Eingriffsnorm zwingt den Gesetzgeber zwar nicht, Gesetzestatbestände stets mit genau erfaßbaren Maßstäben zu umschreiben; er ist aber gehalten, Eingriffsregelungen so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte und mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (BVerfG, B. v. 26.09.1978 – 1 BvR 525/77 – BVerfGE 49, 168, 181). Ein Rechtsunterworfener muss in zumutbarer Weise feststellen können, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die in der Rechtsnorm ausgesprochene Rechtsfolge vorliegen (BVerfG, B. v. 24.11.1981 – 2 BvL 4/80 – BVerfGE 59, 104, 119). Ob die Erfüllung dieser Voraussetzungen im Rahmen der ergänzenden Anwendung der kostenrechtlichen Anspruchsgrundlage auf die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme noch bejaht werden kann, erscheint fraglich, bedarf aber angesichts der vorstehenden Ausführungen letztlich keiner abschließenden Entscheidung.
2.2.2 Selbst wenn man die kostenrechtliche Anspruchsgrundlage des Art. 3 Abs. 1 Nr. 10 Satz 2 Buchst. a KG mit dem Beklagten im vorliegenden Fall grundsätzlich anwenden wollte, ist das Tatbestandsmerkmal, dass die kostenpflichtige Amtshandlung „nicht überwiegend im öffentlichen Interesse vorgenommen“ worden sein muss, hier wohl nicht erfüllt.
Die umstrittene Frage, ob präventivpolizeiliche Maßnahmen überhaupt im überwiegenden privaten Interesse ausgeführt werden können (vgl. zum Meinungsstand: Schmidbauer/Steiner, a. a. O., Art. 76 Rn. 20), bedarf für den vorliegenden Fall keiner grundsätzlichen Klärung. Jedenfalls dann, wenn die Polizei mit ihrer Tatmaßnahme der Geltung einer – zumindest auch – im öffentlichen Interesse liegenden, auf Antrag einer Privatperson verfügten verkehrsrechtlichen Anordnung nach § 45 Abs. 1 StVO Durchsetzung verschafft, liegt ein überwiegendes öffentliches Interesse an ihrer Durchsetzung vor. Die Einrichtung der Halteverbotszone diente hier auch dazu, dem zwar verbotenen, gleichwohl häufig praktizierten Parken auf der Straße („in zweiter Reihe“) vorzubeugen und die damit einhergehenden Beeinträchtigungen und Gefährdungen für den Straßenverkehr im Sinne der Aufrechterhaltung seiner „Sicherheit und Leichtigkeit“ auszuschließen (BayVGH, B. v. 30.3.2007 – 24 ZB 06.597 – juris Rn. 9, 11 zur Aufstellung von Halteverbotsschildern für Filmaufnahmen). Dass der Anlass für die Einrichtung der mobilen Halteverbotszone einem gewerblichen (privatrechtlichen) Interesse entsprach, tritt demgegenüber in den Hintergrund.
2.2.3 Schließlich hält der Senat den angefochtenen Leistungsbescheid jedenfalls auch im Hinblick auf die Erwägungen, die zur Heranziehung der Klägerin als Kostenschuldnerin geführt haben, für ermessensfehlerhaft (Art. 40 VwVfG).
Der Beklagte geht – in Übereinstimmung mit einer auf der Beweiserhebung beruhenden, jedoch nicht entscheidungserheblichen Äußerung des Verwaltungsgerichts im angefochtenen Urteil – davon aus, dass letztlich die Klägerin wegen der (zunächst) nicht ordnungsgemäßen Aufstellung der Halteverbotsschilder für die Entstehung der Abschleppkosten verantwortlich ist. Die zunächst erfolgte Inanspruchnahme der Fahrerin und Halterin des PKW wurde allerdings von der Beklagten im Rahmen eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens im Hinblick auf die (angenommene) Unaufklärbarkeit des Sachverhalts und mit Blick auf Art. 76 Satz 4 PAG aufgehoben. Die als Konsequenz hieraus erfolgte Inanspruchnahme der Klägerin hätte nun allerdings die Prüfung vorausgesetzt, ob bei dieser Ausgangslage nicht auch ihr gegenüber die Kostenerhebung der Billigkeit widerspricht (vgl. Art. 3 Abs. 1 Nr. 10 Satz 3 KG). Denn der Beklagte hat vielmehr in einer von ihm offensichtlich angenommenen non-liquet-Situation die Klägerin zur Leistung verpflichtet, ohne eine abschließende gerichtliche Klärung der Frage der Kostenhaftung der Fahrzeughalterin im vorangegangenen Verwaltungsprozess herbeigeführt oder danach selbst weitere Ermittlungen angestellt zu haben.
Die Berufung war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Rechtsmittelbelehrung
Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozess-kostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 207, 24 Euro festgesetzt.


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